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ID1115606100

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    Plenarprotokoll 11/156 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 156. Sitzung Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 11715A Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1990 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Vogel SPD 11715B Rühe CDU/CSU 11723 D Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 11733 C Mischnick FDP 11736 C Dr. Kohl, Bundeskanzler 11739C Dr. Schmude SPD 11750A Lintner CDU/CSU 11754 B Frau Frieß GRÜNE 11756 C Hoppe FDP 11758C Büchler (Hof) SPD 11760B Dr. Knabe GRÜNE 11762 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . . 11763 C Kühbacher SPD 11765C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . . 11769A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 11772 B Dr. Rose CDU/CSU 11773 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer, Staatsminister AA 11776D Dr. Hauchler SPD 11778C Wilz CDU/CSU 11781C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 11783 B Frau Seiler-Albring FDP 11784 C Müntefering SPD 11786 D Pesch CDU/CSU 11788D Frau Teubner GRÜNE 11791C Dr. Hitschler FDP 11792 D Frau Hasselfeldt, Bundesminister BMBau . 11794B Conradi SPD 11797D Frau Odendahl SPD 11799C Frau Männle CDU/CSU 11803 A Wetzel GRÜNE 11804 D Neuhausen FDP 11806A Daweke CDU/CSU 11806D Möllemann, Bundesminister BMBW . . . 11807D Oostergetelo SPD 11810B Eigen CDU/CSU 11814 D Frau Flinner GRÜNE 11817 C Bredehorn FDP 11819 A Daubertshäuser SPD 11821 C Fischer (Hamburg) CDU/CSU 11824 A II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 Frau Rock GRÜNE 11826 D Zywietz FDP 11828B Haar SPD 11831A Zusatztagesordnungspunkt: Erste Beratung des von den Abgeordneten Susset, Michels, Eigen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Paintner, Heinrich, Bredehorn und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Durchführung der Gemeinsamen Marktorganisationen (MOG) (Drucksache 11/5124) 11821B Nächste Sitzung 11832D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . .11833* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 156. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 5. September 1989 11715 156. Sitzung Bonn, den 5. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89* Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89* Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 05. 09. 89 Eich GRÜNE 07.09.89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 * * * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89* * * Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89* * * Genscher FDP 07.09.89 Haack (Extertal) SPD 05. 09. 89 Heimann SPD 05.09.89 Frau Hensel GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89* * * Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 05. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 05. 09. 89 * * Jaunich SPD 05.09.89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 * * * Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05.09.89 Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89* * * Lüder FDP 07.09.89 Magin CDU/CSU 07.09.89 Meyer SPD 05.09.89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Poß SPD 05.09.89 Regenspurger CDU/CSU 07.09.89 Frau Saibold GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Schulze (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 * * * Stratmann GRÜNE 05.09.89 Such GRÜNE 05.09.89 Tietjen SPD 07.09.89 Vahlberg SPD 07.09.89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Westphal SPD 07.09.89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89* * * Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89* * * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung * * * für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eduard Lintner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Büchler, Sie wissen, ich schätze Ihre Sachlichkeit; aber Sie sind leider nicht die ganze SPD.

    (Kühbacher [SPD]: Sie sind ja auch leider nicht die ganze CDU!)

    Wenn ein stellvertretender Parteivorsitzender wie Lafontaine oder auch Herr Schmude andere Meinungen in der Öffentlichkeit äußert, muß ich das trotz Ihres Dementis zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens, meine Damen und Herren, muß ich konstatieren: Es hat mir eigentlich wohlgetan, daß Herr Schmude heute in den Mittelpunkt seiner Rede Gott sei Dank die Kritik an der SED und an den Verhältnissen in der DDR gestellt hat und daß er sich weniger wieder mit der Nabelschau hier in der Bundesrepublik beschäftigt hat. Ich glaube, das ist ein Ansatzpunkt. Daraus könnte auch bei Ihnen in der Deutschlandpolitik noch eine richtige, konstruktive Arbeit werden.
    Für eines habe ich kein Verständnis, nämlich dafür, daß hier wieder so getan wird, als hätte irgend jemand die Grenzdiskussion ausgelöst. Denn, meine Damen und Herren, Sie sind sich doch darüber im klaren: Das, was z. B. der Bundesfinanzminister Dr. Waigel gesagt hat, war nichts anderes als das wörtliche Zitat von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichtes. Daß so etwas im Deutschen Bundestag oder auch außerhalb, in der Öffentlichkeit, gesagt wird, ist noch nicht einmal kommentierungswürdig; denn es ist selbstverständlich. Wenn Sie daraus dann eine Grenzdiskussion erdichten wollen, finde ich das nicht in Ordnung. Sie sollten sich im Gegenteil auch einmal öffentlich zu diesem Teil des Grundgesetzes bekennen.

    (Lowack [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Sie sind doch in diesem Punkt dauernd auf der Flucht vor dem Grundgesetz. Das mußte auch einmal herausgestellt werden.

    (Beifall des Abg. Lowack [CDU/CSU] — Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Wie kam es denn zu der Diskussion!)

    Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hat zu Recht festgestellt, daß die deutsche Frage jetzt wieder auf der Tagesordnung der Politik steht. Wenn das der Fall ist, dann natürlich erstens deshalb, weil im



    Lintner
    Ostblock Reformanstrengungen in Richtung Demokratie zu erkennen sind, aber zweitens doch auch vor allem deshalb, weil wir von den Unionsparteien und die FDP in der Vergangenheit nicht bereit waren und bis heute auch nicht bereit sind, die deutschlandpolitischen Grundforderungen, die z. B. Gewährung des Selbstbestimmungsrechts für alle Deutschen und daraus resultierend dann zwangsläufig auch das Recht zur Widervereinigung lauten, antasten zu lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im Gegenteil, meine Damen und Herren, wir mußten diese Grundentscheidungen, die ja auch in unserer Verfassung und in den Urteilen des Bundesverfassungsgerichts ihren Niederschlag gefunden haben, bis in die jüngste Zeit hinein gegen Ansinnen aus den Reihen der GRÜNEN, aber leider eben auch aus den Reihen der SPD, verteidigen, die uns immer zumuten wollten, doch ganz auf das Wiedervereinigungsgebot im Grundgesetz endlich zu verzichten.

    (Lowack [CDU/CSU]: Leider wahr!)

    Wir hatten nie Zweifel daran — Herr Kollege Büchler, das wissen Sie — , daß sich die Menschenrechte tatsächlich durchsetzen würden, und heute sind wir Gott sei dank mitten in dieser Entwicklung, auch wenn sich die kommunistische SED in der DDR dagegen noch heftig sträubt.
    Wie falsch im übrigen die Sozialdemokratie

    (Lowack [CDU/CSU]: Die kooperiert mit der SED!)

    — das habe ich bereits gesagt — ihren so umhegten Gesprächspartner SED eingeschätzt hat, zeigt sich heute an der offen zutage tretenden Reformunwilligkeit der SED. Ein prominenter Wissenschaftler in der DDR, zuständig für die sozialistische Ideologie, Professor Reinhold, Ihr bevorzugter Gesprächspartner, hat mittlerweile unumwunden zugegeben, daß es für die DDR eigentlich keine Existenzberechtigung gebe, es sei denn, das sozialistische System. Das mag aus der Sicht eines Kommunisten scheinbar ausreichend sein, nicht aber aus der Sicht der betroffenen Menschen und schon gar nicht aus der Sicht unserer Demokratie.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn wieso — so muß man doch fragen — soll eigentlich ein sich elitär gebendes kommunistisches Regime das Recht haben, Menschen zu entmündigen, zu bevormunden, zu gängeln, auszubeuten und auch noch einzusperren, wenn sie sich dagegen sträuben?

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Wir dürfen als Demokraten doch erst gar nicht auf den Gedanken kommen, all diese Opfer den Deutschen in der DDR aus Rücksicht auf den Herrschaftsanspruch einer Schicht kommunistischer Feudalherren zumuten zu wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber leider, meine Damen und Herren, gerade aus den Reihen der GRÜNEN, gibt es solche Ratschläge bei uns in der Bundesrepublik.
    Unser ständiger Vertreter in der DDR, in Ost-Berlin, der Herr Bertele, hat die Verantwortlichkeit für die
    Fluchtbewegung aus der DDR bei der Messeeröffnung in Leipzig mit erfreulicher Klarheit öffentlich angesprochen

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    und damit beispielhaft für die ganze Bundesregierung auch Flagge gezeigt.
    Den SED-Machthabern in der DDR fehlt jegliche Legitimation, um ihrer Bevölkerung solche Opfer zuzumuten. Angesichts der Fluchtbewegung aus der DDR, Hunderttausender von Ausreiseanträgen und unzähliger offensichtlicher Wahlfälschungen wird ja niemand behaupten können, die SED habe auch nur den Schein einer Legitimation für ihre Herrschaft vorzuweisen.
    Aber fragen wir uns heute: Wie soll denn die Entwicklung nun weitergehen, welche Konsequenzen müssen beispielsweise wir aus der gegebenen Lage ziehen? Zunächst einmal können wir feststellen: Die bisherige Politik der kleinen Schritte hat sich bewährt; sie muß fortgesetzt werden.

    (Lowack [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Sie hat insbesondere den Zusammenhalt der Deutschen gestärkt und dazu beigetragen, das Entstehen einer nationalen Legitimation der DDR, der berühmten sozialistischen Nation, zu verhindern. Jetzt beginnt aber eine Phase, wo es nicht mehr nur um die kleinen Schritte gehen kann, sondern um demokratische Kernsubstanz und dabei naturgemäß auch um die Perspektive des Selbstbestimmungsrechts der Deutschen geht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Diesem historischen Prozeß kann die DDR ohnehin nicht entgehen, sosehr sie sich auch dagegen wehrt. Je länger sie Widerstand leistet, um so dramatischer kann die Realität dann werden.

    (Lowack [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Um die Bereitschaft zu Reformen in der DDR zu fördern, ist öffentlicher Druck auf die SED notwendig, und zwar von hier aus, aber auch durch unsere ausländischen Freunde und Partner und unter operativer Nutzung dafür geeigneter multilateraler und auch internationaler Vereinbarungen und Einrichtungen. Dabei können uns unsere Freunde im Europarat und im Europäischen Parlament wie schon bisher tatkräftig helfen. Auch die übrigen Institutionen der EG sollten sich vielleicht mehr als bisher daran beteiligen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es sollte auch keinerlei Zweifel unterliegen — da gebe ich dem Kollegen Egon Bahr jetzt wiederum recht, Herr Büchler — : Ein da und dort vorgeschlagener Marshall-Plan für die DDR oder wirtschaftliche und finanzielle Hilfen haben so lange keinen Sinn, wie die SED zu den von uns geforderten substantiellen Reformen nicht bereit ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ohne diese Veränderung ist die DDR — wie im übrigen alle kommunistischen Staaten — ein Faß ohne Boden. Es wäre nicht zu rechtfertigen, da noch Finanz- und Steuermittel hineinzuschütten.



    Lintner
    Die Menschen flüchten aus der DDR ja ohnehin nicht nur, weil es uns hier in der Bundesrepublik wirtschaftlich besser geht, sondern weil in der DDR ein Klima der Unterdrückung, der Bevormundung und der Leistungsfeindlichkeit herrscht, das zu einer grenzenlosen Hoffnungslosigkeit und Perspektivlosigkeit führt. Es ist geradezu mit den Händen zu greifen, daß es in der DDR so nicht weitergehen kann. Die SED ist nun, ob sie das einsehen will oder nicht, über kurz oder lang am Ende. Mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln der Gewalt — die Divisionen hat der Kollege Brandt am Freitag hier angesprochen — wird sie ihre Herrschaft auf die Dauer nicht erhalten können.
    Im Interesse der Stabilität und des Friedens in Europa wäre es deshalb in höchstem Maße wünschenswert, meine Damen und Herren, wenn sich auch in der DDR Kräfte finden würden, die bereit sind, sich auf demokratische Reformen einzulassen. Daß dabei allerdings die deutschlandpolitische Perspektive, nämlich das Selbstbestimmungsrecht, nicht ausgeklammert werden kann, versteht sich meines Erachtens von selbst. Es gehört zur demokratischen Kernsubstanz.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Denn, meine Damen und Herren, wer wollte es denn unter einer demokratischen Ordnung lebenden Deutschen in der DDR verwehren, ihr Selbstbestimmungsrecht einzufordern, auszuüben und dabei dafür zu plädieren, daß sich die DDR und die Bundesrepublik Deutschland zu Deutschland wiedervereinigen sollen?
    Das bedeutet, daß sich die Kommunisten in der DDR früher oder später auf diese Perspektive einlassen müssen. Sie haben in diesem geradezu zwangsläufigen Prozeß am ehesten dann eine Chance bei der Bevölkerung, wenn sie sich ohne unnötiges Zögern auf diesen Weg begeben.
    Die DDR droht durch die Starrköpfigkeit ihrer Führung zum eigentlichen Hindernis im Europäischen Haus des Michail Gorbatschow zu werden, denn sie blockiert damit das Zusammenrücken Europas. Natürlich mag es für die herrschenden Altstalinisten in der DDR eine deprimierende Erkenntnis sein, daß ihre ganzen Anstrengungen, die kommunistische Herrschaft endgültig zu etablieren, umsonst waren. Aber wenn sie nicht können oder nicht wollen, dann sollten sie wenigstens ihrer Partei und der Bevölkerung noch den Dienst erweisen, jüngeren Kräften Platz zu machen, um diese dann in die Lage zu versetzen, sich den Anforderungen der Zeit zu stellen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    In dem Zusammenhang sei noch gesagt: Nicht die Forderung nach Menschenrechten und Freiheit, sondern die Aufrechterhaltung einer perspektivlosen kommunistischen Diktatur ist destabilisierend.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, daß wir als Demokraten
    uns niemals bereitfinden dürfen, diese Diktatur als
    etwas Endgültiges anzuerkennen, gehört eigentlich
    zum Selbstverständnis eines jeden Demokraten und braucht eigentlich gar nicht diskutiert zu werden.

    (Lowack [CDU/CSU]: Das sollte auch der SPD klar sein!)

    Es wäre zutiefst unmoralisch, wie es der Präsident unseres Verfassungsgerichts, Herr Professor Herzog, bei seiner Ansprache hier zum 17. Juni ausgedrückt hat, wenn wir hier im Westen unsere Landsleute in der DDR einfach im Stich lassen würden.
    Es bieten sich also neue Chancen in der Deutschlandpolitik, meine ich. Wir sollten dies einmütig begrüßen und versuchen, diese Chancen durch möglichst viel Gemeinsamkeit — das sei mein Appell an Sie, meine Herren — auch optimal zu nutzen, im Interesse der Deutschen auch in der DDR.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Frieß.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Sieglinde Frieß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute steht wieder einmal das Thema „Innerdeutsches" auf der Tagesordnung und damit auch die Definition von „deutsch sein" und die Frage: Was ist Deutschland? Die Frage, was deutsch ist, hat uns Herr Boenisch schon beantwortet:
    Man darf als Deutscher zwar dümmer sein als Stalin, aber nicht weniger deutsch.
    Wer deutsch ist, bestimmt das Gesetz: alle Staatsbürger und Staatsbürgerinnen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik und die Deutschstämmigen aus Polen, der UdSSR, der CSSR, Ungarn, Bulgarien und Rumänien, ja sogar aus Albanien und China; ausgenommen sind laut Bundesvertriebenengesetz Deutschstämmige, die gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung sind; denn Deutschsein ist anscheinend auch immer gleichzeitig: für die FDGO sein.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Für was?) — Freiheitlich demokratische Grundordnung.


    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Dann sagen Sie es in Zukunft auch so!)

    Wo Gesamtdeutschland ist, steht im Grundgesetz, und zwar in den Grenzen der Bundesrepublik Deutschland und der Deutschen Demokratischen Republik. Manche — wie Herr Waigel — legen das noch ein bißchen großzügiger aus.

    (Lintner [CDU/CSU]: Artikel 116 mal lesen! — Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Das Bundesverfassungsgericht auch!)

    Da die Bundesrepublik nun die einzige demokratische Gesellschaft in Frieden und Freiheit ist, erhebt sie logischerweise den Alleinvertretungsanspruch für alle deutschen und muß deshalb, wie Franz Josef Strauß früher einmal bemerkte, „die Ostdeutschen aus der Sowjetknute befreien".



    Frau Frieß
    Innerdeutsch und damit der Traum vom Großdeutschen Reich ist so aktuell wie nie;

    (Lintner [CDU/CSU] : Wie wäre es mit dem Grundkurs Deutschlandpolitik in der Volkshochschule?)

    denn die Grenzen sind „künstlich", meinte Herr Dregger am Freitag, der gleichzeitig auch erkannte, daß Stalin die Schuld am Ausbruch des Zweiten Weltkrieges trägt. Folglich muß endlich Schluß sein mit Schuld und Sühne, und Deutschland muß wieder das werden, was es war:

    (Müller [Schweinfurt] [SPD]: Was denn?)

    der entscheidende Machtfaktor in einem vereinten Europa.
    Doch die früher aggressiveren Töne der Bundesrepublik haben sich mehrheitlich in moderatere Klänge verwandelt. Es heißt jetzt nicht mehr „Schlesien ist unser", sondern wir bauen auf das „Gesamteuropäische Haus", es heißt nicht mehr „Deutschland in seinen Grenzen nach '37", sondern wir fordern „ein Europa ohne Grenzen". Das Ziel bleibt allerdings das gleiche. Das Ziel ist ein großdeutsches Reich unter bundesrepublikanischer Führerschaft als wirtschaftlicher Machtfaktor in einem vereinten Europa.
    Auf einem Symposium der Stadt Frankfurt zum Verhältnis zwischen Deutschen und Polen hat sich ein Teilnehmer dazu sinngemäß geäußert. Er sagte:
    Die Frage der deutschen Grenzen ist heutzutage kein Thema mehr, wenn der Aufkauf Polens auf der Tagesordnung steht.
    Ich denke, das ist der eigentliche Wandel in der derzeitigen Politik von Ihnen von den Regierungsparteien, aber auch Teilen der SPD.

    (Kühbacher [SPD]: Frau Frieß, sind Sie eigentlich in dem richtigen Raum hier?)

    — Ich bin in dem richtigen Raum.

    (Kühbacher [SPD]: Aber ernsthaft! — Müller [Schweinfurt] [SPD]: Was reden Sie da für einen Krampf zusammen?)

    Der bundesrepublikanische Machtbereich soll nach dem Osten ausgeweitet werden. Polen wird im bundesrepublikanischen Interesse durch Kredite mit Bedingungen demokratisiert, und auf kurz oder lang wird auch die Deutsche Demokratische Republik wirtschaftlich erobert werden. Und auf diesem Hintergrund stellt sich in einem Gesamteuropa auch, wie Willy Brandt bemerkte, die Frage der Grenzen nicht mehr. Auf diesem Hintergrund ist es für die Bundesrepublik langfristig auch völlig egal, ob es formale DDR-Grenzen gibt oder nicht. Hauptsache, der östliche Markt kann erobert werden, und die Bundesrepublik ist damit d i e Wirtschaftsmacht Europas.

    (Kühbacher [SPD]: Mein Gott!)

    Diesen Großmachtinteressen sollte die deutsche Teilung nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ende setzen. Und diesen Großmachtbestrebungen erteilen wir GRÜNEN eine eindeutige Absage.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU] [an die Fraktion der GRÜNEN gewandt]: Ist das wirklich eure Meinung?)

    Unsere Position ist trotz der aktuellen Ereignisse immer noch dieselbe: Wir fordern die Anerkennung der DDR und damit auch die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft — ohne irgendwelche Vorleistungen.

    (Sauer [Salzgitter] [CDU/CSU]: Sie kriegen nicht einmal Beifall von Ihrer Fraktion!)

    Mit diesem Schritt wird die Grundlage für mehr Gleichberechtigung zwischen den zwei Staaten geschaffen, die entspanntere Beziehungen möglich macht.