Herr Kollege Kühbacher, in diesem Falle muß ich Ihnen völlig recht geben.
Bei allen Schulden, die diese Republik im Bundesbereich hat, war die FDP immer mitbeteiligt.
Sie ist insofern auch Spitzenreiter. Nur, sie hat in schwierigen Situationen auch immer haushaltspolitische Sprecher — einmal war es der Herr Hoppe, jetzt ist es der Kollege Weng —, die die Schuld
— ich sah dich gerade kommen — auf die jeweils größere Regierungsfraktion verlagern.
Wer den Haushaltsentwurf 1990 und den Finanzplan an diesem Urteil und den tragenden Gründen mißt, gelangt zu folgenden Feststellungen. Erstens. Art. 115 des Grundgesetzes, wonach die Neuverschuldung eines Haushalts nicht höher sein darf als die Investitionen, ist verletzt. Das Gericht hat ausgeführt, daß sich der Haushaltsgesetzgeber auf den herkömmlichen weiten Investitionsbegriff, der nur durch die bisherige Staatspraxis gedeckt sei, nicht zurückziehen darf, sondern eine gesetzliche Regelung zu treffen hat, die die Investitionen angemessen faßt, soll heißen: auf echte Investitionen beschränkt. Die echten Investitionen, d. h. diejenigen ohne Bürgschaften und BAföG-Gewährungen, belaufen sich auf 33,1 Milliarden DM und liegen mithin um eine halbe Milliarde DM unter der Neuverschuldung. Daß das wie beim Haushaltsgesetz 1981 ausnahmsweise gerechtfertigt sei, weil eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliege, hat die Bundesregierung bisher nicht dargetan.
Zweitens. Das Mißverhältnis zwischen Neuverschuldung und Investition verschlimmert sich noch, weil im Haushaltsentwurf 1990 der Bundesbankgewinn in Höhe von 7 Milliarden DM zur Ausgabenfinanzierung eingestellt ist. Das Bundesverfassungsgericht hat, wenn man so will, Dr. Stavenhagen bestätigt: daß das in der Wirkung einer Kreditaufnahme bei der Notenbank ohne Zins- und Tilgungsverpflichtung gleichkommt. Die Neuverschuldung läge danach tatsächlich bei über 40 Milliarden DM.
Drittens. Das Bundesverfassungsgericht hat bekräftigt, daß die Haushaltswirtschaft nach der Finanzverfassung des Grundgesetzes auf eine antizyklische Steuerung des Konjunkturverlaufes auszurichten ist. Das bedeutet, daß bei einem Konjunkturverlauf, wie wir ihn jetzt erleben, Schulden abzutragen und nicht zu erhöhen sind. Wer die Finanzverfassung und die Rechtslage nach dem Stabilitätsgesetz noch ernst
nimmt, müßte aus Vorsorge für die Zukunft angesichts der Gefahr einer Konjunkturüberhitzung über Konjunkturausgleichsrücklagen — Art. 109 des Grundgesetzes — nachdenken. So wie die Haushaltspolitik der sozialliberalen Koalition im Haushalt 1981 antizyklisch und deshalb verfassungskonform war, so ist Ihre Politik jetzt prozyklisch und nicht mehr verfassungskonform.
Unter diesem Gesichtspunkt ist auch die dritte Stufe Ihrer Steuerreform verfehlt, weil sie in eine Zeit ohnehin hoher Nachfrage fällt. Das Stufensystem Ihrer Steuerreform ist im Timing verfehlt.
Das RWI hat Ihnen die Wirkungslosigkeit der beiden ersten Stufen nachgewiesen.
Die rote Lampe leuchtet auf, Frau Präsidentin?