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ID1115506200

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    Plenarprotokoll 11/155 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 155. Sitzung Bonn, Montag, den 4. September 1989 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Becker (Nienberge) 11655 A Wahl der Abg. Frau Schätzle zur Schriftführerin als Nachfolgerin der Abg. Frau Pack 11655B Wahl der Abg. Frau Hoffmann (Soltau) als stellvertretendes Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates an Stelle der ausscheidenden Abg. Frau Pack 11655 B Begrüßung einer ungarischen Gymnasiumsklasse 11674 B Tagesordnungspunkt 1: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1990 (Haushaltsgesetz 1990) (Drucksache 11/5000) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1989 bis 1993 (Drucksache 11/5001) Dr. Waigel, Bundesminister BMF 11655C, 11705 B Frau Matthäus-Maier SPD 11666 A Borchert CDU/CSU 11674 C Frau Rust GRÜNE 11680A Dr. Weng (Gerlingen) FDP 11682C Wieczorek (Duisburg) SPD 11688D Dr. Friedmann CDU/CSU 11692 B Frau Vennegerts GRÜNE 11696 B Glos CDU/CSU 11699A Esters SPD 11702 A Wüppesahl fraktionslos 11709B Cronenberg (Arnsberg) FDP 11711 C Tagesordnungspunkt 2: Einspruch des Abgeordneten Volmer gegen den am 23. Juni 1989 erteilten Ordnungsruf 11712 C Nächste Sitzung 11712 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 11713* A Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 GO des Abg. Volmer (DIE GRÜNEN) 11713* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Montag, den 4. September 1989 11655 155. Sitzung Bonn, den 4. September 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 07. 09. 89 * Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 07. 09. 89 Büchner (Speyer) SPD 07. 09. 89 * Frau Conrad SPD 4. 09. 89 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 5. 09. 89 Duve SPD 04. 09. 89 Egert SPD 04. 09. 89 Eich GRÜNE 07. 09. 89 Frau Eid GRÜNE 07. 09. 89 *** * Frau Fischer CDU/CSU 07. 09. 89 *** Frau Garbe GRÜNE 05. 09. 89 Frau Geiger CDU/CSU 07. 09. 89 *** Dr. Geißler CDU/CSU 4. 09. 89 Genscher FDP 07. 09. 89 Graf SPD 04. 09. 89 Gröbl CDU/CSU 04. 09. 89 Haack (Extertal) SPD 5. 09. 89 Hauser (Krefeld) CDU/CSU 04. 09. 89 Heimann SPD 05. 09. 89 Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 4. 09. 89 Frau Hensel GRÜNE 5. 09. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 4. 09. 89 Dr. Holtz SPD 07. 09. 89 *** Frau Hürland-Büning CDU/CSU 07. 09. 89 Hüser GRÜNE 05.09.89 Ibrügger SPD 5. 09. 89 ** Jaunich SPD 05. 09. 89 Klein (Dieburg) SPD 07. 09. 89 Dr. Klejdzinski SPD 07. 09. 89 *** Kossendey CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 07. 09. 89 Kretkowski SPD 04. 09. 89 Kreuzeder GRÜNE 05. 09. 89 Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU 07. 09. 89 Frau Luuk SPD 07. 09. 89 *** Lüder FDP 07. 09. 89 Magin CDU/CSU 07. 09. 89 Meyer SPD 05. 09. 89 Dr. Müller CDU/CSU 07. 09. 89 * Frau Nickels GRÜNE 05. 09. 89 Niegel CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Nöbel SPD 07. 09. 89 Rappe (Hildesheim) SPD 4. 09. 89 Rauen CDU/CSU 04. 09. 89 Reddemann CDU/CSU 04. 09. 89 Regenspurger CDU/CSU 07. 09. 89 Repnik CDU/CSU 04. 09. 89 Reuschenbach SPD 07. 09. 89 Frau Saibold GRÜNE 5. 09. 89 Schartz CDU/CSU 04. 09. 89 Schäfer (Mainz) FDP 04. 09. 89 Frau Schätzle CDU/CSU 04. 09. 89 Dr. Scheer SPD 07. 09. 89 Frau Schilling GRÜNE 04. 09. 89 Schröer (Mülheim) SPD 04. 09. 89 Dr. Stercken CDU/CSU 07. 09. 89 *** Stratmann GRÜNE 05. 09. 89 Such GRÜNE 05. 09. 89 Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Tietjen SPD 07. 09. 89 Frau Dr. Vollmer GRÜNE 05. 09. 89 Vosen SPD 04. 09. 89 Westphal SPD 07. 09. 89 Wimmer (Neuötting) SPD 04. 09. 89 Wolfgramm (Göttingen) FDP 07. 09. 89 *** Dr. Wulff CDU/CSU 07. 09. 89 *** Zander SPD 04. 09. 89 Dr. Zimmermann CDU/CSU 04. 09. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung *** für die Teilnahme an der Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Einspruch gemäß § 39 GO des Abgeordneten Volmer (GRÜNE) vom 26. Juni 1989 In der Debatte am Freitag, dem 23. Juni 1989, zum Tagesordnungspunkt 27 bekam ich von der Frau Vizepräsidentin Renger einen Ordnungsruf. Gerügt wurde meine Aussage: Ausgerechnet der Vertreter einer Bundestagsfraktion, die öfter nachgewiesen hat, daß sie nur über ein vordemokratisches Bewußtsein verfügt, deren Mitglieder hier durch rassistische Zwischenrufe aufgefallen sind, will Nachhilfeunterricht in Demokratie geben (Plenarprotokoll 11/153, S. 11601D). Ich möchte nach § 39 der Geschäftsordnung Einspruch gegen den Ordnungsruf einlegen. Begründung: Es scheint mir durchaus „vordemokratisch" zu sein, wenn etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Fraktion der CDU/CSU, Dr. Bötsch, in einer Debatte dem Begehren meiner Fraktion nach einem Sitz im Bundestagspräsidium entgegenhält, die Abgeordneten der Fraktion DIE GRÜNEN übten ihr Mandat in einer Art und Weise aus, wie er, Dr. Bötsch, es nicht akzeptieren könne, weshalb der Fraktion DIE GRÜNEN auch jenseits der formalen Hindernisse aus grundsätzlichen Überlegungen ein Platz im Präsidium zu verwehren sei. Hier wird von einem Mitglied des Deutschen Bundestages ein Meta-Standpunkt zur Ausübung des Mandats eingenommen, von dem aus der Vertreter der Mehrheitsfraktion Vertretern einer Minderheitsfraktion die Art ihrer Mandatsausübung vorschreiben will. Dies ist ein eklatanter Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichheit der Abgeordneten. Herr Dr. Bötsch hat faktisch einen obrigkeitlichen Standpunkt über den freien Willen der Abgeordneten gesetzt. Der Vorwurf „rassistischer Zwischenrufe" scheint mir hinreichend gerechtfertigt mit Verweis auf die protokollierten Anwürfe der Herren Fellner (CSU) und Straßmeir (CDU) gegen meinen Fraktionskollegen Meneses Vogl. Nun möchte ich einräumen, daß mir in der frei gehaltenen Rede eine Verallgemeinerung unterlaufen ist, die suggeriert, daß alle Unionsabgeordneten dieselbe Geisteshaltung verträten wie die drei genannten Herren. Die Verallgemeinerung bitte ich als lapsus linguae zu verstehen, der selbst aber noch seine Rechtfertigung dadurch erfährt, daß sich die Fraktion der CDU/CSU von den Entgleisungen ihrer Mitglieder bisher nicht distanziert hat.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Aber gern, Herr Gattermann.


Rede von Hans H. Gattermann
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Kollege, glauben Sie das eigentlich selbst, was Sie gerade gesagt haben?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Wieczorek


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Diese Frage gibt hervorragenden Einblick in Ihr Seelenleben, Herr Kollege.
    Aber lassen Sie mich zu dem eigentlichen Thema zurückkommen. Ich war über Ihren Gedanken ja schon hinweg. Ich darf noch einmal wiederholen: Wir geben zwei Milliarden DM jährlich dafür aus — das müssen unsere Steuerzahler aufbringen —, daß wir sinnlos gehortete Überschüsse aus der Agrarproduktion vergammeln lassen. Das müssen wir uns nur einmal überlegen. Das ist genau der Beitrag, Herr Kollege Borchert, der in diesem Jahr bei Qualifizierungs-
    und Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen der Bundesanstalt für Arbeit gestrichen wurde. Auch darüber muß man sich einmal Gedanken machen.
    Meine Damen und Herren, wo bleibt eigentlich das Konzept der Regierung für den Kohlebergbau? Erst wurde dem Bundesminister Haussmann die Zuständigkeit entzogen, und nun wird durch Einsetzung einer neuen Kommission wieder auf Zeit gespielt; man will wohl über einige Wahldaten hinwegkommen.
    Der krasse Widerspruch zwischen dieser Bestandsaufnahme und den pharisäerhaften Erfolgsbilanzen der Bundesregierung könnte nicht größer sein.

    (Borchert [CDU/CSU]: Na, na!)

    An der Schwelle der 90er Jahre stehen wir vor der absurden Situation, daß das reiche Land Bundesrepublik trotz denkbar guter wirtschaftlicher Rahmenbedingungen immer noch mit den Strukturproblemen der 80er Jahre ringt.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    Stellen wir uns doch einmal vor, der seit über sieben Jahren anhaltende Wirtschaftsaufschwung wäre genutzt worden, um die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Aufgaben anzupacken und zu bewältigen!

    (Borchert [CDU/CSU]: Um den Staat total auszunehmen, wie zu Ihrer Zeit!)

    Wir müßten dann nicht Jahr für Jahr zweistellige Milliardenbeträge für alte Rechnungen ausgeben, der Bundeshaushalt wäre für die nächsten Jahre fit,

    (Borchert [CDU/CSU]: Der ist auch fit!)

    und wir könnten uns nach vorn orientieren. Statt dessen sind die Probleme unerledigt liegengeblieben, und der Bundeshaushalt 1990 ist in Wirklichkeit in schlimmer Unordnung.

    (Beifall bei der SPD)

    Es wird hier eindeutig die Krise Ihrer Finanzpolitik deutlich, und ich werde es Ihnen beweisen.

    (Borchert [CDU/CSU]: Da bin ich aber gespannt!)

    Es ist nämlich die Krise einer Bundesregierung, die
    jahrelang wie Don Quichotte gegen Windmühlenflü-



    Wieczorek (Duisburg)

    gel angerannt ist. Ihre Windmühlen, meine Damen und Herren von der Koalition, sind abstrakte Quoten- und Wachstumsziele, auf die Sie buchhalterisch starren und dabei die Realitäten aus den Augen verlieren. Es ist die Krise einer Politik, die sich für überzogene Steuersenkungen, verfehlte Subventionen und unsinnige Großprojekte bis über beide Ohren verschuldet und den Bundeshaushalt ohne Not geplündert hat.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Heute sind die Kassen leer, und in einem Boomjahr muß eine Bundesregierung 34 Milliarden DM neue Schulden aufnehmen, um ihre Aufgaben überhaupt finanzieren zu können.

    (Borchert [CDU/CSU]: Haben Sie denn mal überlegt, woher der Boom kommt?)

    — Das ist eine Bankrotterklärung, Herr Kollege Borchert; da gibt es überhaupt nichts zu beschönigen.
    Sie nehmen mit dieser überhöhten Neuverschuldung weder auf die Konjunktur noch auf die steigende Schuldenlast im nächsten Haushalt Rücksicht. Die Zinslast im Bundeshaushalt, die 1982 bei 22 Milliarden DM lag, liegt heute bei 32 Milliarden DM — Herr Kollege Borchert, das nur, weil Sie den absurden Vergleich in der Schuldenbilanz gemacht haben — , und sie wird bis 1993 auf 41 Milliarden DM steigen. Dann muß allein für die Zinsen auf bestehende Schulden weit mehr ausgegeben werden als für die Bereiche Umwelt, Jugend, Familie, Frauen, Gesundheit, Wohnungsbau, Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Das sind alles Einzelpläne, die in ihrer Summe geringer sind als der Einzelplan Zinslasten.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich!)

    Sehen Sie wirklich nach vorne, und sehen Sie die Probleme so, wie sie sind. Wenn wir diese absurde Entwicklung nicht stoppen, wenn wir nicht alle Anstrengungen darauf richten, das Wachstum des Schuldenbergs und der Zinslast zu begrenzen, dann droht unausweichlich das Aus für eine gestaltende Haushaltspolitik; dann fehlen auf Jahre hinaus die Mittel, die wir für neue Aufgaben dringend brauchen.

    (Borchert [CDU/CSU]: Wir warten auf Ihre Kürzungsvorschläge!)

    Die nach uns kommenden Generationen werden durch die hohe Schuldenlast in unverantwortlicher Weise doppelt belastet. Sie haben nicht nur die Schulden, sondern zusätzlich noch die Probleme, die wegen zu hoher Zinsausgaben finanziell nicht mehr bewältigt werden konnten.
    Sie betreiben in Wahrheit eine Finanzpolitik unter dem Motto: Nach mir die Sintflut. Es schert Sie nicht, daß sich Ihre Versprechen und Arbeitshypothesen, unter denen Sie 1982 angetreten sind, längst als falsch herausgestellt haben. Sie bleiben stereotyp bei Ihrem „Weiter so".
    Sie nehmen die tiefe Glaubwürdigkeitskrise Ihrer Politik einfach nicht zur Kenntnis. Sie tun so, als sei der öffentliche Widerstand gegen Ihre Politik, der Sie in immer kürzeren Abständen zwingt, gerade getroffene Entscheidungen wieder umzuwerfen, das Machwerk böswilliger Journalisten. Es ist diese Arroganz der Macht, die viele Menschen in die Arme von politischen Marktschreiern und Hasardeuren mit scheinbar einfachen Rezepten treibt.
    Ich rate Ihnen und uns allen dringend: Lassen Sie uns eine ehrliche Politik machen; lassen Sie uns Fehler eingestehen, die begangen worden sind. Herr Kohl, hören Sie auf, jedes Jahr mehr Steuergelder für sinnlose Propaganda zu verschwenden, durch die Ihre Politik nicht besser wird.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Eine gute Politik spricht doch für sich selbst und braucht keinen hochdotierten Informationsminister.
    Meine Damen und Herren, Probleme muß man erkennen und benennen. Regieren und Verantwortung tragen, heißt für mich vor allem, daß man vorausdenkt

    (Borchert [CDU/CSU]: Das sieht man in Nordrhein-Westfalen! )

    und die erkannten Probleme anpackt. Im Gegensatz zur Bundesregierung hat sich die SPD mit den vor uns liegenden Problemen der neunziger Jahre intensiv auseinandergesetzt.

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Wo denn?)

    Erstmals seit Menschengedenken sind unsere natürlichen Lebensgrundlagen ernsthaft bedroht. Täglich wird diese existentielle Bedrohung sichtbarer. Sie kann längst nicht mehr als Horrorvision von ÖkoFreaks abgetan werden. Wir müssen sie als hinreichend gesicherte Erkenntnisse zur Grundlage unseres politischen Handelns machen. Wir alle haben uns jahrelang des gedankenlosen Raubbaus an der Natur schuldig gemacht, und wir haben die frühen Warnungen beispielsweise des Club of Rome, die sich nun bewahrheiten, zu lange überhört. Wir haben die Natur geplündert, ohne uns über die Endlichkeit der Ressourcen dieser Erde Gedanken zu machen.
    Allein in der Bundesrepublik richten wir jährlich Umweltschäden in einer Größenordnung von über 100 Milliarden DM an. Auch das sind Schulden, die wir unseren Kindern hinterlassen.
    Der Begriff vom ökologischen Umbau der Industriegesellschaft darf deswegen nicht ein Modewort sein, das wir in unsere Parteiprogramme schreiben. Wenn wir die Umweltkrise wirklich angehen wollen, dann müssen wir die Ursachen beim Namen nennen und konkret bei den Ursachen ansetzen. Einen anderen Weg gibt es dazu nicht.
    Die Ursachen der Umweltkrise liegen vor allem im verschwenderischen Umgang mit Energie und im Straßenverkehr mit seinen hohen Schadstoffemissionen. Sie liegen in den Abfallbergen, die unsere Wohlstandsgesellschaft produziert, und in der hohen Zahl von Umweltgiften, die tagtäglich in Industrie und Landwirtschaft freigesetzt und ausgebracht werden. Sie liegen letztlich in unserem Denken und in unserem Lebensstil begründet, der Wohlstand nur in materiellen Gütereinheiten und Bequemlichkeiten mißt. Hier müssen wir ansetzen, wenn es gelingen soll, unser Leben und Produzieren umweltverträglicher zu gestalten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




    Wieczorek (Duisburg)

    Ich zitiere gern Kurt Biedenkopf, der vor einem Jahr in einem Vortrag die Aufgaben klar benannt hat. Ich will das wiederholen. Er hat gesagt: „Wir müssen unserer gesellschaftlichen Ordnung neben der wirtschaftlichen und sozialen eine ökologische Dimension hinzufügen. Wir müssen uns von unserem rein quantitativen Wachstumsdenken lösen und die Umweltqualität als einen Wohlstandsfaktor mit berücksichtigen."

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Richtig hat er das formuliert und treffend dargestellt.
    Wir müssen in vielen Bereichen unseres menschlichen Zusammenlebens umdenken und uns umweltverträgliche Verhaltensweisen angewöhnen.

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    Daran gemessen, meine Damen und Herren, die Sie mir jetzt so zustimmen, ist der Haushalt 1990 ein schwerer umweltpolitischer Rückschritt. Das medienwirksame Bekenntnis des Bundeskanzlers zum Umweltschutz auf dem Pariser Weltwirtschaftsgipfel war ein reines Lippenbekenntnis.
    Die Umweltkrise findet in Ihrem Haushalt, Herr Waigel, einfach nicht statt. Was tun Sie denn gegen die beginnende Klimakatastrophe und das Ozonloch? Was tun Sie gegen die Folgen der einseitig auf das Auto ausgerichteten Verkehrspolitik, unter denen wir alle in unseren Städten täglich zu leiden haben? Was tun Sie eigentlich gegen die Giftwelle in Trinkwasser und Nahrung und gegen das fortschreitende Sterben des Waldes und das Verkommen der Nordsee? Was tun Sie gegen die Müllflut, in der unsere Städte und Gemeinden ersticken?
    Sie führen die Menschen, die hiernach fragen, einfach hinters Licht. Sie haben keine ehrlichen Antworten. Von den 2,6 Milliarden DM, die im Haushaltsentwurf an Umweltschutzausgaben ausgewiesen sind, entfallen über 850 Millionen DM auf die Atomenergie:

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Genau!)

    vom Nachteilsausgleich für Wackersdorf bis zu durchlaufenden Mitteln für die Endlagerung bei Gorleben. Ist das ehrliche Politik, Herr Waigel?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

    Die Ausgaben für die Endlagerprojekte für Atommüll, die bisher beim Bundeswirtschaftsminister veranschlagt waren, werden ab 1990 im Haushalt des Bundesumweltministers ausgewiesen und werden dadurch über Nacht zu einer Ausgabe für den Umweltschutz. Ab 1. Januar 1990 steigt also der Umweltanteil um 330 Millionen DM.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Trickreich!)

    Sie haben etwas verschoben, was Sie immer schon im Haushalt gehabt haben.

    (Zuruf von der SPD: Die schieben doch nur, Herr Kollege!)

    1990 wird der Umweltminister, Herr Töpfer, mehr Geld für die Atomenergie und ihre Folgekosten ausgeben als für alle anderen Umweltbereiche zusammen, angefangen von der Luft- und Wasserreinhaltung bis zur Abfallbeseitigung und Lärmbekämpfung. Das sind die Tatsachen. Da frage ich Sie: Wo bleibt die Glaubwürdigkeit Ihrer Politik?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Mit billigen Zahlentricks, sozusagen zum Nulltarif, ist Umweltschutz nicht zu haben. Umweltschutz kostet Geld. Da stimme ich Frau Rust ausdrücklich zu.
    Was in Ihrem Haushalt am meisten fehlt, Herr Waigel, sind vernünftige ökologische Weichenstellungen in der Umweltpolitik, in der Energiepolitik, in der Verkehrspolitik und in der Steuerpolitik. Die Mittel dafür sind doch da. Im Haushalt 1990 werden 2,1 Milliarden DM für die Kernforschung ausgegeben, u. a. für den Schnellen Brüter, den niemand will, und für den konkursreifen Hochtemperaturreaktor.

    (Sehr richtig! bei den GRÜNEN)

    Für die Erforschung regenerativer Energien und der rationellen Energieverwendung werden nur 255 Millionen DM bereitgestellt. Ein Mißverhältnis von 8: 1. Warum schichten wir nicht einen Teil der Mittel von der Kernforschung auf die Alternativenergien um, um damit unsere Energieversorgung umweltfreundlicher, sparsamer und für alle billiger zu machen?

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    6,5 Milliarden DM sollen im nächsten Jahr in neue Straßen investiert werden — den Unterhaltungsaufwand rechne ich gar nicht erst mit — , aber nur 1,3 Milliarden DM in den öffentlichen Personennahverkehr. Warum schichten wir nicht einen Teil der Mittel um?

    (Zustimmung bei der SPD — Borchert [CDU/ CSU] : Fahrräder!)

    — Von mir aus auch eine Umschichtung zugunsten vernünftiger Radfahrwege. Herr Kollege Borchert, auch das wäre eine Möglichkeit, hier gestaltend einzugreifen. Das wäre auch eine Möglichkeit, unsere Städte vor dem Verkehrsinfarkt zu bewahren und letztlich die Gemeindeetats zu entlasten. Jede Straße zieht Verkehr an und produziert Verkehr.
    Aber gehen wir weiter. Um 24 Milliarden DM sollen im nächsten Jahr die Steuern gesenkt werden. Hier, meine Damen und Herren, wird das Bekenntnis der Bundesregierung zum Umweltschutz endgültig zur Farce. Im Rahmen der Steuerreform 1990 ist vorgesehen, die beiden ökologischen Hauptelemente im Steuerrecht, die Förderung von Energieeinsparinvestitionen und von bestimmten Umweltschutzinvestitionen, 1990 und 1991 abzuschaffen,

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Unglaublich!)

    nämlich um die Senkung des Spitzensteuersatzes zu finanzieren. Den Steuerausfall von 1,1 Milliarden DM durch die Senkung des Spitzensteuersatzes holen Sie, Herr Waigel, sich zurück, indem Sie die steuerliche Förderung des Umweltschutzes in gleicher Höhe ersatzlos abschaffen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Ein glatter Skandal!)




    Wieczorek (Duisburg)

    Die Wohlhabenden werden reicher, und die Umwelt wird ärmer. So ist das mit dem Bekenntnis der Bundesregierung zum Umweltschutz.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Während Sie lavieren und mit gefälschten Erfolgsbilanzen die Öffentlichkeit täuschen, hat die SPD intensiv an den Konzepten für einen ökologischen Umbau unserer Gesellschaft gearbeitet, die den Wohlstand sichern und gleichzeitig unsere natürliche Umwelt schützen.
    Im Mittelpunkt steht die ökologische Umgestaltung des Steuersystems, die Frau Matthäus-Maier soeben in aller Breite dargestellt hat. Wer den Umweltschutz schädigt — ich will es nur schlagwortartig zusammenfassen — , muß künftig mehr Steuern und Abgaben zahlen. Wer sich umweltgerecht verhält, zahlt weniger. Die bestehende Steuerlast wird also nicht erhöht, sondern zugunsten der Umwelt gerechter verteilt. Dort, wo wir bestehende und bewährte Abgaben ausbauen und neue Abgaben auf umweltbelastende Produkte und Verfahren erheben, garantieren wir, daß jede Mark, die Bürger und Wirtschaft zahlen, wieder für den Umweltschutz ausgegeben wird. Wir wollen nicht den Staatssäckel füllen, sondern konzentriert die Umweltprobleme angehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die 90er Jahre sind die entscheidenden Jahre für die Rettung der Umwelt. Gefordert ist eine Politik mit Phantasie und langem Atem, denn das Umsteuern dauert Jahre. Eine konservative Politik, die von Selbstgerechtigkeit, Kleinmut und Einfallslosigkeit geprägt ist, wird diese Herausforderung nicht bewältigen.
    Umweltschutz muß genauso wenig an knappen Kassen scheitern wie die Bewältigung der Probleme der 80er Jahre. Die SPD-Fraktion wird bei den Haushaltsberatungen konkrete Vorschläge zur Lösung der Wohnungsnot, der Hochschulkrise, zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit und zum Umweltschutz machen, die sich solide finanzieren lassen und die Neuverschuldung des Bundes nicht erhöhen. Es gibt genügend Möglichkeiten, Geld aus falschen Verwendungen herauszuziehen und für die richtigen Dinge einzusetzen.
    Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)