Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich begrüße ausdrücklich, daß es seit einigen Monaten in der Bundesrepublik Deutschland eine breite öffentliche Diskussion über ein ökologisches Steuer- und Abgabensystem gibt, mit dessen Hilfe der ökologische Umbau der industriellen Produktion in Angriff genommen werden kann.
Ich begrüße, daß all diejenigen, die die Forderungen der GRÜNEN nach Ökosteuern und -abgaben noch vor vier Jahren als phantastische Tagträumereien vom Tisch wischen wollten,
nun endlich die ernsthafte Diskussion darüber beginnen, wie wir beim Galopp in die ökologische Krise dieses Wirtschaftssystems die Zügel wieder in die Hand bekommen können.
Ich begrüße, daß endlich die Einsicht Raum greift, daß sich Umweltpolitik nicht in Reparatur-Klein-Klein erschöpfen kann, sondern alle Ressorts umfassen muß, daß Umweltpolitik keine geringere Aufgabe hat, als die Wirtschaft und das Leben der Zukunft auf eine naturverträgliche Grundlage zu stellen.
Diese gesellschaftliche Bewußtseinsveränderung ist ein Erfolg der Umweltbewegung. Es ist ein Erfolg all derer, die seit Jahren oder Jahrzehnten in unendlich vielen Streitgesprächen, auf Demonstrationen, in Aktionen und in geduldiger Informationsarbeit dazu ihren Beitrag geleistet haben.
An all die möchte ich diesen Beifall jetzt weitergeben.
— In der Koalition klatscht keiner.
Nun ändert sich durch viele Worte allein nichts, und so geht es heute auch darum, den Haushalt der Bundesregierung daran zu messen, welche Antwort er auf die zentrale Überlebensfrage dieser Industriegesellschaft, auf die ökologische Krise gibt.
Das Ergebnis ist so erschreckend wie ernüchternd: Es findet sich nämlich keine Antwort. Keine einzige ernstzunehmende umweltpolitische Initiative haben Sie aufzuweisen, Herr Waigel. Ihr Haushalt ist die ökologische Bankrotterklärung dieser Regierung.
Das wiegt um so schwerer, als der jetzt vorgelegte Haushaltsplan der letzte dieser Legislaturperiode ist, der letzte, der von dieser Regierung noch bewirtschaftet wird, und damit möglicherweise auch der letzte dieser Koalition. In diesem Ihrem hoffentlich letzten Haushalt, Herr Waigel, dokumentieren Sie vor allem, daß die Bundesregierung auch im Haushaltsjahr '90 entschlosen ist, die Kraftprobe mit unseren Lebensgrundlagen weiterhin aussitzen zu wollen.
Dieser Haushalt schreit nach einer ökologischen Alternative.
Die Debatte um die ökologische Reform unseres Steuersystems ist nichts anderes als das Ringen um diese Alternative für die Zukunft. Hier formiert sich im Disput die gesellschaftliche Mehrheit für den Umbau der Industriegesellschaft, deren Ziel die politische Mehrheit der nächsten Legislaturperiode ist.
Die lächerliche Antwort der Bundesregierung auf die Umweltbewegung ist und bleibt die Einsetzung eines Umweltministers, der herzlich wenig zu sagen hat. Aber solange ein Umweltminister nicht die gleichen Kompetenzen hat wie ein Bundesfinanzminister, ist dieses Ministerium nichts weiter als der schnöde Versuch, Umweltpolitik in ein Reparaturressort einzusperren. Dieser Versuch der Domestizierung der Umweltbewegung ist der Bundesregierung gründlich mißlungen. Die Antwort auf 120 Milliarden DM Umweltschäden, die pro Jahr verursacht werden, kann nicht nachträgliche Reparatur sein, ganz abgesehen davon, daß Sie noch nicht einmal das ernsthaft versuchen.
Die Umweltbewegung haben Sie in Ihren Zielen nicht kleinkriegen können. Kleinkariert ist weiterhin Ihr Verständnis von Umweltpolitik, Herr Kohl und Herr Waigel. Genau dem entspricht auch die relative Zaghaftigkeit, mit der Herr Töpfer und Herr Haussmann versuchen, jetzt in der Debatte um Ökosteuern und -abgaben ebenfalls mitreden zu können, nachdem die Regierung Kohl sieben Jahre lang wirksame Umweltpolitik verhindert hat.
Die Einsicht in die Notwendigkeit des ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft ist nicht mit den Parteien dieser Koalition stark geworden, sondern in der Auseinandersetzung gegen sie ist sie dabei, gesellschaftlich tragfähig zu werden. Deshalb muß jede Forderung nach der ökologischen Alternative zu diesem Haushalt auf die Ablösung der Regierung hinauslaufen.