Nein. Das kann ich nicht so sehen wie Sie. Es gibt kluge und gute Institute, die gerade das Gegenteil festgestellt haben.
Gerade bei den Unternehmensteuern können Sie sich natürlich auf Verbände berufen. Aber das hilft nicht. Die werden dafür bezahlt, daß sie Steuersenkungen fordern. Eine kluge Unternehmensteuerreform wird umschichten, das Steuersystem von schädlichen Verzerrungen befreien und sich im übrigen besonders um die bei Ihnen zu kurz gekommenen kleinen und mittleren Unternehmen kümmern. Deswegen wollen wir eine Investitionsrücklage.
Wenn Sie, Herr Waigel, Ihr Amt wirklich ernst nähmen, würden Sie auch endlich den Zustand beenden, daß Jahr für Jahr Milliarden DM an große und größte Steuerhinterzieher verschenkt werden.
Im Einkommensteuergesetz steht, daß Kapitaleinkünfte genau so zu versteuern sind wie die Löhne der Arbeitnehmer und die Gewinne der Unternehmen. Bei den Arbeitnehmern greift das Finanzamt in voller Härte zu. Da wird die Lohnsteuer gleich vom Arbeitslohn abgezogen, bevor sie überhaupt nur eine Mark auf dem Konto haben. Ganz anders ist es bei Kapitaleinkünften. Hier findet jährlich Steuerhinterziehung in Milliardenhöhe statt. Der Bundesrechnungshof hat die Bundesregierung mehrmals aufgefordert, dagegen einzuschreiten und die Einhaltung von Recht und Gesetz sicherzustellen.
Ihre Quellensteuer war dazu ganz und gar ungeeignet. Wir sind froh, daß dieses bürgerfeindliche Monstrum wieder weg ist.
Unerträglich aber ist, daß Sie Ihren § 30 a, den Sie neu in die Abgabenordnung aufgenommen haben, nicht wieder abschaffen wollen. Sie wollen ganz bewußt die Finanzbeamten daran hindern, den großen Steuerhinterziehern auf die Spur zu kommen.
Dies ist eine politische Begünstigung der großen Steuerhinterzieher.
Die Deutsche Steuergewerkschaft hat vor wenigen Tagen heftig kritisiert, daß die Bundesrepublik durch diese Gesetzesänderung ein „sicherer Hort für Schwarzgeld" geworden ist. Auch von seiten der Wirtschaft kommt die Forderung, Kapitaleinkünfte nach Recht und Gesetz steuerlich zu erfassen, damit Investitionen in Produktivkapital steuerlich nicht länger schlechter behandelt werden als Finanzanlagen. Leider sind Ihnen aber die großen Steuerhinterzieher wichtiger als eine gute Wirtschaftspolitik.
Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie begünstigen die großen Steuerhinterzieher und wollen an das Geld der Normalsparer. Uns interessiert das Geld der Normalsparer nicht. Aber wir wollen an die großen Steuerhinterzieher ran.
Wir werden die Sparerfreibeträge für Zinseinkünfte auch gegen Ihren Widerstand auf 3 000 DM für Ledige und 6 000 DM für Verheiratete im Jahr erhöhen. Dies bedeutet: Zinseinkünfte aus Sparvermögen bis rund 100 000 DM werden bei uns steuerfrei sein, und zwar völlig legal. Mindestens 80 % aller Sparer fallen dadurch aus der Besteuerung völlig heraus. Das Ergebnis ist: Die Millionen Normalsparer werden von der Steuer befreit, die Besitzer von Millionenvermögen müssen aber endlich nach Recht und Gesetz Steuern zahlen.
Dies kann durch ein unbürokratisches und bürgerfreundliches Stichprobenverfahren sichergestellt werden. Das würde uns übrigens auch bei der Steuerharmonisierung in Europa weiterbringen. Überall in Europa werden Kapitalerträge steuerlich erfaßt. Nur die Bundesrepublik und Luxemburg drücken beide Augen zu. Wenn hier endlich auch die Bundesrepublik ihre Schularbeiten macht, dann wird Luxemburg nachziehen müssen, und dann wird Kapitalflucht nach Luxemburg kein Thema mehr sein, meine Damen und Herren.
Herr Waigel, wenn all diese guten Gründe Sie nicht überzeugen, habe ich eine Frage an Sie: Wie können Sie es eigentlich moralisch verantworten, daß unsere Kinder und Enkel Jahr für Jahr Zinsen für die Schulden bezahlen, die Sie, Herr Waigel, deswegen machen, weil Sie sich weigern, nach Gesetz und Recht die Steuern bei den großen Steuerhinterziehern reinzuholen?
Haben Sie sich schon einmal die Frage gestellt, ob dies mit Ihrem Amtseid und mit Ihrer Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Generationen vereinbar ist?
Ich sage Ihnen: Auf eines können Sie sich verlassen: Wir Sozialdemokraten werden nicht hinnehmen, daß Sie mit Ihrer famosen Steuerreform bei den Arbeitnehmern den Essenszuschuß von 1,50 DM steuerlich erfassen, aber gleichzeitig vor den großen Steuerhinterziehern kapitulieren.
11670 Deutscher Bundestag 11. Wahlperiode — 155. Sitzung. Bonn, Montag, den 4. September 1989
Frau Matthäus-Maier
Ihr Haushalt zeigt: Auch in der Familienpolitik fehlt jeder politische Gestaltungswille. Jedermann weiß, daß wir die Familien mit Kindern stärker entlasten müssen. Der SPD-Vorschlag, 200 DM Kindergeld vom ersten Kind an für alle Kinder, findet überall Zustimmung. Nur Sie wehren sich dagegen. Warum eigentlich? Unser Vorschlag ist kinderfreundlich, gerecht, einfach und solide durchfinanziert. Wir ersetzen die ungerechten Kinderfreibeträge bei der Steuer und vermindern bei den Hoch- und Höchstverdienern den Splittingvorteil. Das Splitting kostet heute 24 Milliarden DM im Jahr. Wir wollen davon 6 Milliarden DM zugunsten der Familien mit Kindern umschichten.
Ich stelle hier eindeutig fest: Sozialdemokraten wollen das Ehegattensplitting nicht abschaffen. Selbstverständlich muß bei der Steuer berücksichtigt werden, wenn der eine Ehepartner den anderen Ehepartner unterhält.
— Herr Kollege, ich finde, Zwischenrufe sind ja gut, aber Sie müssen dem Redner ein bißchen folgen. Wenn ich sage: von 24 Milliarden 6 herausnehmen, dann können Sie doch hoffentlich drei und drei zusammenzählen und feststellen, daß wir es damit nicht abschaffen.
Wir wollen ändern, daß durch das jetzige Splitting Höchstverdiener, auch wenn sie keine Kinder haben, 22 842 DM Steuervorteil im Jahr erhalten, während sich Eltern mit einem Kind mit 1 200 DM im Jahr zufrieden geben müssen.
Sie selbst, Herr Dregger, haben doch 1984 vorgeschlagen, beim Splitting 5 Milliarden DM — das ist kein so großer Unterschied zu uns — umzuschichten. Auch Ministerpräsident Späth hat erklärt, daß es in diese Richtung gehen muß. Warum sträuben Sie sich dann noch? Machen Sie endlich mit, den Familien mit Kindern zu ihrem Recht zu verhelfen!