Rede von
Gunter
Huonker
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Nein, jetzt will ich keine Frage mehr zulassen. Sonst gibt es Ärger, weil wir die Zeit überziehen.
Steuergeschenke für eine Handvoll Multimillionäre werden garniert mit Steuererleichterungen für Arbeit-
Huonker
geber von Personen, die im Privathaushalt beschäftigt sind. Meine Damen und Herren, bei genauer Betrachtung — und jetzt spreche ich Sie, Herr Scharrenbroich, und die christlich demokratischen Arbeitnehmer an — wird, wenn man rechnen kann, deutlich, daß diese Bestimmung für die große Mehrzahl aller Eltern ins Leere läuft. Sie ist ein bodenloser Verstoß gegen das Prinzip der Steuergerechtigkeit. Sie ist arbeitsmarktpolitisch, Herr Dr. Waigel — eigentlich müßte ich mich an Herrn Blüm wenden — , wirkungslos. Und sie ist — und das finde ich schlimm — offenkundig verfassungswidrig.
Einer Regierung, die nicht merkt, was ein Student im ersten Semester kapiert: daß eine Regelung verfassungswidrig ist, die besagt, daß ein zunächst unverheiratetes Paar, das zusammen unter einem Dach wohnt, ein Kind hat und nach Ihrem Entwurf den Sonderausgabenabzug bei einem Kind bekommt, wenn es heiratet diesen Abzugsbetrag verliert, d. h. als Sanktion für die Eheschließung den Wegfall einer Begünstigung hinnehmen muß, ist wirklich nicht mehr zu helfen.
Ich sage Ihnen, Sie können nicht Alleinerziehenden den Sonderausgabenabzug bei einem Kind gewähren und bei Ehepaaren zwei Kinder verlangen. Dies ist ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot des Schutzes der Ehe.
Jetzt will ich Ihnen mal vorrechnen, warum die Geschichte auf dem Arbeitsmarkt nicht funktioniert. Die Sache rechnet sich nicht. Ich bitte Sie, Herr Dr. Waigel: Vollziehen Sie diese Rechnung nach. Legen Sie sie uns im Finanzausschuß auf den Tisch. Dann können wir miteinander sinnvoll reden.
Nehmen wir an, eine inoffiziell arbeitende Haushaltshilfe verdient heute 550 DM im Monat, also 6 600 DM im Jahr. Für sie und ihren Arbeitgeber ist brutto gleich netto. Wird der Lohn auf Grund der geplanten Regelung als Sonderausgabe geltend gemacht, so müssen Sozialversicherungsabgaben und Steuern bezahlt werden. Wer nicht will, daß die Haushaltshilfe geht, muß ihr auch künftig netto so viel wie vorher zahlen. Das weiß jeder. Um die Netto-Position der Haushaltshilfe in diesem Fall zu halten, muß der Lohn von 6 600 auf über 10 000 DM erhöht werden. Da fallen nämlich Sozialabgaben an, da fallen Steuern an, und da fällt der Arbeitgeberanteil an. Kurzum, der Aufwand des Arbeitgebers steigt um 5 400 DM auf 12 000 DM. Die Steuervergünstigung ist aber von der Höhe des Grenzsteuersatzes abhängig. Wenn die Sache sich rechnen soll, dann muß in meinem Beispiel das Ehepaar 190 000 DM zu versteuerndes Jahreseinkommen haben — Ledige 95 000 DM. Jeder Privathaushalt mit einem geringeren Einkommen muß draufzahlen.
Wer das weiß — und das hat doch nichts mit der Diskriminierung von Beschäftigungsverhältnissen in Privathaushalten zu tun — , der weiß auch, warum das Ifo-Institut, das im Auftrag des Bundesministers für Wirtschaft eine Untersuchung gemacht hat, klipp und klar zu dem Ergebnis kommt: Wenn man diese Steuervergünstigung von der Sozialversicherungspflichtigkeit des Arbeitsverhältnisses abhängig macht —wofür ja vieles spricht —, wird der Beschäftigungseffekt der Operation
Null sein.
Das ist ein Gutachten, das die Regierung in Auftrag gegeben hat. Unsere Aussage ist richtig. Darüber können auch die Briefe von Herrn Solms nicht hinwegtäuschen. Die armen Frauen, die das schreiben, wissen gar nicht, wie der Mechanismus Ihrer gesetzlichen Regelung wirkt.
Wenn das hier Gesetz wird, beschließen Sie — auch nach einer etwaigen Korrektur in Sachen Verfassungsmäßigkeit in diesem Punkt — nichts anderes als eine Steuerbegünstigung für wohlhabende Leute, die sich Butler, Hausdamen oder Dienstmädchen leisten können.
Das ist die Wahrheit. Das läßt sich leicht nachrechnen. Deswegen sage ich Ihnen: Wir freuen uns auf die Beratungen in den Ausschüssen, was die Verfassungsfragen und was den Beschäftigungseffekt angeht. Ich befürchte, da wird von Ihrem Vorschlag nichts, aber auch gar nichts übrigbleiben. Für den Fall, daß Sie ihn dennoch verwirklichen, prognostiziere ich Ihnen: Karlsruhe spätestens wird ihn aufheben. Wer das Urteil zum Ehegattensplitting aus dem Jahr 1982 kennt — ich habe damals die Bundesregierung in Karlsruhe vertreten — , der weiß: Diese Regelung, wie sie hier vorliegt, ist verfassungswidrig und durch keine noch so schönen Wortschöpfungen zu heilen.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.