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ID1114411100

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    Plenarprotokoll 11/144 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 144. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum § 218 StGB nach dem Memminger Urteil Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 10681B, 10689D Geis CDU/CSU 10682 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 10684 A Frau Würfel FDP 10685 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10686 B Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 10687 B Frau Limbach CDU/CSU 10688 D Kleinert (Hannover) FDP 10690 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10691 C Singer SPD 10692 C Dr. Hüsch CDU/CSU 10693 C Wüppesahl fraktionslos 10694 D Frau Dempwolf CDU/CSU 10695 C Frau Conrad SPD 10696 C Werner (Ulm) CDU/CSU 10697 D Präsidentin Dr. Süssmuth . . . 10682C, 10690A Tagesordnungspunkt 18: Zweite und Dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksachen 11/474, 11/3878) Dr. de With SPD 10699 A Eylmann CDU/CSU 10701 B Frau Nickels GRÜNE 10703 C Kleinert (Hannover) FDP 10705 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10707 B Frau Becker-Inglau SPD 10708 D Frau Männle CDU/CSU 10710A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10711A Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/4268) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Wartenberg (Berlin), Dr. Penner, Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/2795) Wartenberg (Berlin) SPD 10713 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 10715 A Frau Trenz GRÜNE 10717 C Dr. Hirsch FDP 10719A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 10720A Schröer (Mülheim) SPD 10721 B Lüder FDP 19723 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (Drucksache 11/4507) Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 10724 C Poß SPD 10726A Dr. Solms FDP 10728 C Hüser GRÜNE 10730 B Glos CDU/CSU 10732 A Huonker SPD 10734 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 10736D Nächste Sitzung 10737 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10739* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10739* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 10681 144. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Adler SPD 12. 05. 89 Dr. Ahrens SPD 12. 05. 89 * Amling SPD 12. 05. 89 Antretter SPD 12. 05. 89 ** Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 12. 05. 89 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 12. 05. 89 Bindig SPD 12. 05. 89 * Frau Blunck SPD 12. 05. 89 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 12. 05. 89 ** Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Briefs GRÜNE 12. 05. 89 Buschbom CDU/CSU 12. 05. 89 Büchner (Speyer) SPD 12. 05. 89 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 12. 05. 89 * Carstens (Emstek) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Conrad SPD 12. 05. 89 Cronenberg (Arnsberg) FDP 12. 05. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 12. 05. 89 Dr. Ehrenberg SPD 12. 05. 89 Eich GRÜNE 12. 05. 89 * Feilcke CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Feldmann FDP 12. 05. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 12. 05. 89 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 12. 05. 89 Funk (Gutenzell) CDU/CSU 12. 05. 89 Gallus FDP 12. 05. 89 Gattermann FDP 12. 05. 89 Dr. Gautier SPD 12. 05. 89 Frau Geiger CDU/CSU 12. 05. 89 Genscher FDP 12. 05. 89 Dr. Glotz SPD 12. 05. 89 Günther CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Haack SPD 12. 05. 89 Dr. Hauff SPD 12. 05. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 12. 05. 89 Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Hennig CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Hensel GRÜNE 12. 05. 89 Heyenn SPD 12. 05. 89 Hiller (Lübeck) SPD 12. 05. 89 Höffkes CDU/CSU 12. 05. 89 * Irmer FDP 12. 05. 89 Jungmann (Wittmoldt) SPD 12. 05. 89 Kalisch CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Kelly GRÜNE 12. 05. 89 Kittelmann CDU/CSU 12. 05. 89 ** Klein (Dieburg) SPD 12. 05. 89 Dr. Klejdzinski SPD 12. 05. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 12. 05. 89 Kroll-Schlüter CDU/CSU 12. 05. 89 Dr.-Ing. Laermann FDP 12. 05. 89 Leidinger SPD 12. 05. 89 Lenzer CDU/CSU 12. 05. 89 * Link (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Luuk SPD 12. 05. 89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 12. 05. 89 Dr. Müller CDU/CSU 12. 05. 89 * Niegel CDU/CSU 12. 05. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Pack CDU/CSU 12. 05. 89 * Paintner FDP 12. 05. 89 Pfeifer CDU/CSU 12. 05. 89 Pfuhl SPD 12. 05. 89 * Rappe (Hildesheim) SPD 12. 05. 89 Reddemann CDU/CSU 12. 05. 89 * Frau Renger SPD 12. 05. 89 Reuschenbach SPD 12. 05. 89 Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 12. 05. 89 Rühe CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Schäuble CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Scheer SPD 12. 05. 89 * Schemken CDU/CSU 12. 05. 89 Schmidt (München) SPD 12. 05. 89 * von Schmude CDU/CSU 12. 05. 89 * Schütz SPD 12. 05. 89 Dr. Soell SPD 12. 05. 89 * Spilker CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 12. 05. 89 Voigt (Frankfurt) SPD 12. 05. 89 Vosen SPD 12. 05. 89 Dr. Warrikoff CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 12. 05. 89 Windelen CDU/CSU 12. 05. 89 Wissmann CDU/CSU 12. 05. 89 Wittich SPD 12. 05. 89 Dr. Wulff CDU/CSU 12. 05. 89 * Würzbach CDU/CSU 12. 05. 89 Zander SPD 12. 05. 89 Zierer CDU/CSU 12. 05. 89 ** Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/3196 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/4161 Nr. 2.4-2.7, 2.9, 2.10 Drucksache 11/4238 Nr. 2,2, 2.3 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/3831 Nr. 12-19 Drucksache 11/3882 Nr. 3.22-3.27, 3.29-3.40 Drucksache 11/3927 Nr. 3.5-3.8 Drucksache 11/4019 Nr. 2.18-2.25, 2.27-2.30 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2465 Nr. 2.22 Drucksache 11/4238 Nr. 2.13 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/2724 Nr. 28 Drucksache 11/2841 Nr. 15, 16, 17 Drucksache 11/3703 Nr. 2.29 Drucksache 11/4019 Nr. 2.40 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/3117 Nr. 2.14 Drucksache 11/3703 Nr. 2.30, 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Erika Trenz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In der Bundesrepublik haben Ausländerinnen und Ausländer weniger Rechte als die deutsche Bevölkerung. Das Rechtsgefälle ist enorm. Wer mit Deutschen gleichgestellt am gesellschaftlichen Leben teilnehmen will, könne sich ja, so hören wir seit Jahr und Tag von Ihnen allen, einbürgern lassen; das liege doch im beiderseitigen Interesse: dem der Immigranten und Flüchtlinge einerseits und dem des bundesdeutschen Staates andererseits.
    Mit unserem Einbürgerungsgesetz, das Ihnen mittlerweile vorliegt, nehmen wir Sie beim Wort: Ich nenne kurz die wichtigsten Bestimmungen: Es besteht ein Rechtsanspruch auf Einbürgerung nach fünfjährigem Aufenthalt in der Bundesrepublik. Doppelte Staatsbürgerschaft ist für uns kein Problem:

    (Fellner [CDU/CSU]: Das überrascht uns auch nicht!)

    Die Übernahme der deutschen Staatsbürgerschaft soll ohne Zwang zur Aufgabe der ursprünglichen Staatsangehörigkeit möglich sein.

    (Glos [CDU/CSU]: Das Ende Deutschlands würde das!)

    Die Einbürgerung erfolgt auf einfachen Antrag ohne Kosten und sonstige Auflagen.
    Vielleicht trägt ja die heutige Debatte dazu bei, daß wir von den derzeit herrschenden restriktiven Einbürgerungsbestimmungen endlich Abschied nehmen. Ehrlich gesagt, viele Anzeichen dafür sehe ich allerdings nicht.
    Rund 2,8 Millionen Menschen ausländischer Staatsangehörigkeit hielten sich am 31. Dezember 1987 zehn und mehr Jahre im Bundesgebiet auf. Sie erfüllen damit die jetzt noch geltenden zeitlichen Voraus-



    Frau Trenz
    setzungen für eine Einbürgerung. Aber nur ein verschwindend geringer Teil von ihnen — 0,3 % —scheint von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen. Mehr noch: Die Bundesrepublik weist im europäischen Vergleich die niedrigste Einbürgerungsquote auf.
    Es könnte glatt der Eindruck entstehen, als würde da ein großzügiges Angebot von den Betroffenen einfach nicht genutzt. Dieser Eindruck verfliegt allerdings im Nu, wenn wir uns die Richtlinien zum Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz von 1913 ansehen, die auch die Einbürgerspraxis in der Bundesrepublik regeln. Da muß ausreichender Unterhalt nachgewiesen werden; Sozialhilfebezug bedeutet das Aus beim „Deutschwerden" ; das ist ganz unabhängig davon, wie lange ein Mensch bereits in der Bundesrepublik gelebt hat. Da wird „Unbescholtenheit" vorausgesetzt. Was aber diese sogenannte „einwandfreie Lebensführung" ist, darüber entscheiden allein die Behörden. Da muß sich gleich die ganze Familie einbürgern lassen; individuelle Entscheidungen gibt es nicht.
    Wie immer spielt auch das Geld eine große Rolle: Es ist sicher kein Zufall, daß die Bundesregierung keine genauen Angaben darüber macht, wie viele Einbürgerungsanträge an der Frage des Geldes scheitern. Immerhin stellt die Bundesregierung in der Antwort auf die Große Anfrage fest, daß mehr Anträge zurückgezogen als von den Behörden abgelehnt werden. Sie „erledigen sich", heißt es dort lapidar, „dadurch, daß die Bewerber, bei denen Hinderungsgründe vorliegen, auf Grund eingehender Beratungsgespräche zur Vermeidung von Verfahrenskosten ihre Einbürgersanträge zurückstellen". Vorausgesetzt sind schließlich auch die Aufgabe der bisherigen Staatsbürgerschaft und „eine freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland".
    Meine Damen und Herren, einmal ganz abgesehen davon, daß wir seit 1945 nur über die Bundesrepublik zu entscheiden haben, nicht über ein Großdeutsches Reich, macht diese Bestimmung auch recht anschaulich klar, worum es in dieser Debatte um die deutsche Staatsbürgerschaft letztlich geht: Mit der Einbürgerung, so will es die Bundesregierung, soll — ich zitiere —
    die Integration der Ausländer in das gesellschaftliche Leben der Bundesrepublik Deutschland .. . zum Abschluß gebracht werden.
    Daran besteht aus der Sicht der Bundesregierung „ein besonderes öffentliches Interesse", und es ergeben sich — ich zitiere weiter —
    zunächst einmal Erwartungen an die Adresse derjenigen Ausländer, die sich für immer bei uns niedergelassen haben ... Die Bundesregierung appelliert an ihre Einsicht, sich voll für das Land zu entscheiden, in dem sie ihren Lebensmittelpunkt haben und das sie politisch mitgestalten wollen.
    Sie sollen sich, so heißt es, „freiwillig und dauerhaft" hinwenden zu Deutschland. So will es die Einbürgerungsrichtlinie Nr. 3,1, und die Behörde wacht darüber. Dies ist gängige Praxis, hat aber mit dem Gesetz selbst nichts zu tun.
    Bei der Verabschiedung des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes waren im Osten, Norden und Westen des damaligen Reiches ethnische Minderheiten ansässig, die ebenso deutsche Reichs- und Staatsangehörige waren wie die deutsche Bevölkerungsmehrheit. Bei der damaligen Zusammensetzung der Wohnbevölkerung erscheint die Annahme, das Gesetz habe den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit an die „freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland" binden wollen, absurd.
    Auch in der Weimarer Republik vollzog sich der Erwerb der Staatsangehörigkeit ohne nationale Komponente. Von Einbürgerungsbewerbern und -bewerberinnen wurde Loyalität gegenüber dem Staat verlangt, aber nicht die Aufgabe von Sprache, Sitte, eigener Geschichte und der daraus gewachsenen kulturellen Identität.
    Das änderte sich grundlegend im Dritten Reich. Seine „Volksgemeinschaft" bestand aus „deutschen Volksgenossen" , das waren Menschen „deutschen Blutes". Zugang zur deutschen Volksgemeinschaft fanden nur Volksdeutsche. „Fremdvölkische" wurden als Arbeitssklaven ins Reich geholt oder verschleppt, Juden wurden ausgebürgert und vergast. „Rassenschande" galt als Staatsverbrechen, die „Reinerhaltung deutschen Blutes" war vorrangiger Staatszweck.
    An diese völkische Tradition wird angeknüpft beim Erfordernis der „Hinwendung zu Deutschland" . Die „Vollintegration" läuft im Endergebnis darauf hinaus, die ausländische Bevölkerung von sprachlichen, kulturellen, ethnischen und nationalen Bindungen zu „säubern" . Sie werden gezwungen, diese Bindungen abzubrechen oder zu verleugnen.
    Diese „freiwillige und dauernde Hinwendung zu Deutschland" , die aus — ich zitiere — „der grundsätzlichen Einstellung zum deutschen Kulturkreis geschlossen werden soll" , entbehrt jeder Rechtsgrundlage und auch jeglicher Spur von freiheitlichem und demokratischem Denken. Hier kommt ein völkischnationaler Geist zum Ausdruck, der juristisch unhaltbar und politisch bekämpfenswert ist.
    Um so schlimmer, daß er nicht nur die Vorlagen der Bundesregierung durchzieht, sondern auch in Ihren Köpfen verankert ist, meine Damen und Herren von der SPD; denn auch Sie fordern in ihrem Gesetzentwurf eine Einbürgerung als „Abschluß der Integration", und die eigentlichen Erleichterungen wollen Sie nur denjenigen, nämlich nur der dritten Generation, zukommen lassen, bei denen Sie voraussetzen, daß ihre Bindungen an ein anderes Land — ich zitiere — „weitgehend abgerissen sind".
    Auch Sie wollen die doppelte Staatsbürgerschaft für die erste und zweite Generation verhindern und treten weiter dafür ein, daß die Integration im Einbürgerungsverfahren nachgewiesen wird. Immer noch soll die Behörde feststellen, ob sich einer hier — Zitat — „schon als Deutscher heimisch fühlt".
    Ich wiederhole: Ob ein Mensch hierzulande eingebürgert wird oder nicht, das soll nach Ihren Vorstellungen nicht davon abhängen, daß er sich in der Bundesrepublik niedergelassen hat, hier lebt, liebt, arbeitet und damit schlichtweg zur Bevölkerung gehört,



    Frau Trenz
    d. h. nicht davon, ob jemand sich hier zu Hause fühlt. Nein, er soll sich hier „als Deutscher heimisch" fühlen!
    Wann werden Sie endlich aufhören, meine Damen und Herren von der Bundesregierung und von der SPD, diffuse deutsch-nationale Gefühle als Preis für soziale und politische Rechte zu fordern?

    (Zuruf von der FDP: Sie reden Unsinn! — Fellner [CDU/CSU]: Das ist ja wieder sehr penetrant!)

    Wann werden Sie endlich begreifen, daß sich ein lebendiges und demokratisches Zusammenleben in unserer Gesellschaft niemals auf völkisch-nationalem Bewußtsein gründen kann, sondern einzig und allein darauf, daß alle, die in diesem Land auf Dauer leben, gleiche Rechte haben und sich auf dieser Grundlage über ihre verschiedenen politischen, kulturellen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen auseinandersetzen?
    Danke.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Hirsch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich frage mich, warum eigentlich jede Debatte in eine Art moralische Überheblichkeit dem jeweils anderen gegenüber ausarten muß. Ich verstehe das nicht. Ich habe den Eindruck, Frau Trenz, daß Sie in einem großen Teil Ihrer Rede Assimilierungen und Integrierungen miteinander verwechselt haben. Das Assimilieren in der Bundesrepublik oder in Deutschland ist schon deswegen ein sehr schwieriger Vorgang, weil sich dieses Deutschland im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern eigentlich aus ganz unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen oder — wenn ich die Begriffe des 19. Jahrhunderts wählen sollte — Volksstämmen, zusammensetzt. Ich glaube, daß das Bild, das Sie gezeichnet haben, nicht stimmt.
    Aber es ist richtig, daß unser Ausländerrecht traditionell ein Fremdenrecht ist, in dem wir den Ausländern exakte Pflichten auferlegen und uns ein außerordentlich freies Ermessen erhalten. Das muß geändert werden. Deshalb sind wir in der Koalition uns darüber einig — das hat Herr Gerster vorgetragen — , daß wir das Ausländerrecht noch in dieser Legislaturperiode verändern wollen.
    Die Eckwerte sind: drastische Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit; eine sogenannte Wiederkehroption für die Ausländer der zweiten Generation; eine Familienzusammenführung, die dem Begriff der Familie gerecht wird; ein eigenes Aufenthaltsrecht auch des nachgezogenen Ehegatten; Rechtsicherheit für die Erteilung von Aufenthaltserlaubnis und Aufenthaltsberechtigung, aber auch eine entschiedene Regelung der Ausweisung bei nachgewiesener schwerer Kriminalität. Das sind die wesentlichen Elemente.
    Bei diesem Gesetzentwurf betreffend die Frage der Einbürgerung, über den wir hier reden, begegne ich alten Bekannten. Ich selber habe Ende der 70er Jahre unter großen Schwierigkeiten einen entsprechenden Gesetzentwurf durch das nordrhein-westfälische Landeskabinett gebracht. Herr Baum hat — als damaliger Bundesinnenminister — einen entsprechenden Gesetzentwurf hier in den Bundestag eingebracht. Wir begegnen hier wieder denselben Fragen.
    Beim Erwerb der Staatsangehörigkeit geht es eigentlich um eine Frage an uns selbst, nämlich wann und unter welchen Bedingungen wir bereit sind, Ausländern die gleichen Rechte zu gewähren und die gleichen Pflichten aufzuerlegen wie uns selbst. Das ist eine Frage, die nicht nur für die Ausländer wichtig ist, sondern auch für uns selber, weil es auf Dauer nicht gut sein kann, wenn Millionen von Menschen unter uns leben, die auf Dauer keine rechtlich wirklich gesicherte Lebenssituation haben. Aber wir müssen uns bei allem, was wir gesetzgeberisch machen, Rechenschaft darüber ablegen, daß wir die Integrationslasten in unserer Gesellschaft unterschiedlich verteilt haben. Sie konzentrieren sich auf die Bereiche Wohnen, Schule und Arbeit, und sie werden in unterschiedlicher Weise empfunden, je nach der Lebenssituation des Deutschen und je nachdem, wo der einzelne wohnt, ob er einen Ausländer persönlich kennt oder nicht und ob ihm dieser Ausländer als Konkurrent auf dem Lebensweg oder als eine menschliche Bereicherung begegnet.
    Uns interessiert insbesondere das Schicksal der Ausländer der zweiten Generation und der folgenden Generationen, also derjenigen, die nicht selber haben wählen können, in welche Gesellschaft sie hineingeboren werden, in welcher Gesellschaft sie aufwachsen, in welcher Gesellschaft sie bleiben wollen. Mindestens denen müssen wir eine gesicherte Lebensperspektive schaffen. Sie müssen ja mit 16 Jahren, wenn sie die Schule verlassen, entscheiden, was sie tun wollen. Dann darf ihre Entscheidung nicht von dem späteren, nicht mehr berechenbaren Ermessen eines Beamten abhängen, sondern sie müssen klare Werte haben, an denen sie erkennen können, ob sie auf Dauer mit den gleichen Rechten und Pflichten in der Bundesrepublik leben können oder nicht. Das ist der Grund, warum wir für die Ausländer der zweiten Generation und der folgenden Generationen eine Einbürgerungsoption haben wollen.
    Als Voraussetzung können der achtjährige Aufenthalt in der Bundesrepulbik, eine Schulzeit von sechs Jahren im Bundesgebiet, die Straffreiheit — ähnlich wie in dem Gesetzentwurf der SPD — und ein gesicherter Lebensunterhalt, soweit man das in diesem Alter belegen kann, gelten.
    Wir sind uns auch klar darüber, daß eine Doppelstaatsangehörigkeit unter bestimmten Umständen hingenommen werden muß, aber auch hingenommen werden kann, insbesondere dann, wenn der Heimatstaat des Ausländers seine Ausbürgerung ohne vernünftigen Grund erschwert.
    Die Verwirklichung dieser Ziele wird Widerständen begegnen. Es gibt kaum ein Thema, das in unserer Bevölkerung so polarisiert ist wie dieses.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Unglücklicherweise!)




    Dr. Hirsch
    — Ja. Darum ist es wichtig, daß wir versuchen, eine möglichst breite Übereinstimmung zu erzielen. Sie haben verschiedentlich Gespräche angeboten. Wir sind der Meinung, daß diese Gespräche spätestens dann geführt werden sollten und müssen, wenn der von uns angekündigte Gesetzentwurf, der ja ein breiteres Gebiet erfaßt, vorgelegt werden wird; wir wollen das tun.
    Sie können sicher sein, daß sich diese Koalition nicht ihrer Aufgaben entziehen wird, ihre Vorstellungen zu formulieren, sie einzubringen und für ihre Lösung zu werben. In diesem Sinne werden wir der Überweisung des vorliegenden Gesetzentwurfes an die Ausschüsse zustimmen. Wir hoffen, daß wir ihn gemeinsam mit dem angekündigten Gesetzentwurf beraten und mit einer möglichst breiten Mehrheit eine gemeinsame Lösung finden können.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)