Rede von
Prof.
Ursula
Männle
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! „Wer wie der Ehemann auf den Beischlaf ein vollkommenes Recht hat, macht sich durch die Erzwingung desselben keiner Notzucht schuldig. " Diese eben zitierte Rechtsauffassung stammt aus dem 19. Jahrhundert. Sie beschreibt ein Eheleitbild, das durch patriarchalisches Herrschaftsdenken über Frauen gekennzeichnet ist. Zwar haben sich glücklicherweise in den vergangenen Jahrzehnten die Vorstellungen über die Ehe und das Verhältnis der Geschlechter grundlegend gewandelt. Auch heute noch präsent und, wie eine im Auftrag des Bundesministeriums der Justiz im Jahre 1986 durchgeführte Emnid-Untersuchung betätigte — Herr de With hat heute auch schon daraus zitiert, und ich darf einige andere Zahlen nennen — , sogar weit verbreitet ist die Anschauung, daß die eheliche Lebensgemeinschaft die Pflicht des Ehepartners beinhalte, jederzeit sexuell verfügbar zu sein. Nur 58 % der Befragten war bekannt, daß Ehemänner vor Gericht verurteilt werden können, wenn sie ihre Ehefrau gegen deren Willen durch Gewalt oder mittels Drohung zum Geschlechtsverkehr gezwungen haben.
Ich bin überzeugt, daß die lebhaften und kontrovers, häufig jedoch leider zu emotional geführten Diskussionen und Beratungen über den heute in zweiter und dritter Lesung zu behandelnden Gesetzentwurf Problembewußtsein geschaffen sowie Umdenkungsprozesse eingeleitet haben. Dennoch lehnen wir — es ist bereits gesagt worden — diesen Gesetzentwurf ab, da er durch seine schematische Anpassung der besonderen Situation in der Ehe nicht gerecht wird. Ich freue mich aber, daß durch die langjährigen Appelle der Frauengruppe der Unionsfraktion innerhalb der Fraktion ein Umdenkungsprozeß eingesetzt hat. Wir wollen diese Diskussionen und diese Schwierigkeiten, Frau Nickels, nicht unter den Teppich kehren. Wir wollen offen darüber sprechen.
Aber es ist nicht nur die Unionsfraktion, die hier Schwierigkeiten hatte, sondern auch die FDP.
Als Ergebnis des zähen Ringens um die geeignete strafrechtliche Lösung wird nun, wie Herr Kollege Eylmann dargelegt hat, ein Gesetzentwurf zur Ergänzung des Strafgesetzbuches vorbereitet. Wir Frauen tragen diesen Gesetzentwurf mit; denn er trägt dazu bei, dem Wesen der Ehe als engster Lebensgemeinschaft, die unter dem besonderen Schutz der staatlichen Ordnung steht, Rechnung zu tragen. Erzwungene sexuelle Handlungen in der Ehe — darüber dürfte zwischen Kollegen und Kolleginnen aller Fraktionen Konsens bestehen — sind nicht nur für das Opfer zutiefst entwürdigend, demütigend und verletzend, sie bedeuten auch einen Mißbrauch der ehelichen Lebensgemeinschaft, die auf Liebe, gemeinsame Verantwortung, Respekt, Toleranz und gegenseitige Rücksichtnahme der Partner aufgebaut ist. Die Ausnützung physischer Überlegenheit, um sexuelle Gefügigkeit zu erreichen, ist kein Kavaliersdelikt, sondern strafwürdiges Unrecht. Eine Sanktionierung derartigen Verhaltens dient dem verfassungsrechtlich gebotenen Schutz der Ehe.
Allerdings — und das betone ich ausdrücklich — muß der staatliche Strafanspruch vor dem ernsthaften gemeinschaftlichen Willen der Ehepartner, sich zu versöhnen, zurücktreten. Das Selbstbestimmungsrecht des Opfers, das durch die neue Strafvorschrift geschützt werden soll, würde nämlich gerade mißachtet, wenn gegen dessen ausdrücklich erklärten Willen ein Strafverfahren durchgeführt oder fortgesetzt werden könnte. Persönliche Motive, der Wunsch, dem Partner in einer langjährigen menschlichen Verbindung zu verzeihen, sind zu respektieren. Ein Widerspruchsrecht des verletzten Ehepartners wird daher sicherstellen, daß der Charakter der Straftat als Offizialdelikt unberührt, das Opfer dennoch Herr oder Herrin des Verfahrens bleibt.
Wir sind der Meinung, daß die bestehende Gesetzeslücke geschlossen werden muß. Der bisher praktizierte hilfsweise Rückgriff der Rechtsprechung auf den Auffangtatbestand des allgemeinen Nötigungsparagraphen wird dem Unrechtsgehalt einer ehelichen Vergewaltigungshandlung in keiner Weise gerecht. Wir Frauen werden deshalb gemeinsam mit zahlreichen Männern in unserer Fraktion dafür kämpfen, daß der Gesetzentwurf bald vorgelegt und in dieser Legislaturperiode letztlich auch verabschiedet werden kann. Wir setzen auf Zusammenarbeit. Wie wir gesehen haben, hat die Beschwörungsformel von Herrn Eylmann, es könnte eine Frauenkoalition geben, doch einiges bewirkt. Aber wir wollen auf die Einsicht der noch nicht überzeugten Männer hoffen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich muß leider zum Schluß kommen: Im Zivilrecht ist das partnerschaftliche Eheverständnis mit dem Gleichberechtigungsgesetz von 1957 und dem Familienrechtsänderungsgesetz von 1961 umgesetzt worden.