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ID1114405400

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    Plenarprotokoll 11/144 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 144. Sitzung Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 9: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zum § 218 StGB nach dem Memminger Urteil Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 10681B, 10689D Geis CDU/CSU 10682 C Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 10684 A Frau Würfel FDP 10685 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10686 B Frau Dr. Skarpelis-Sperk SPD 10687 B Frau Limbach CDU/CSU 10688 D Kleinert (Hannover) FDP 10690 C Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10691 C Singer SPD 10692 C Dr. Hüsch CDU/CSU 10693 C Wüppesahl fraktionslos 10694 D Frau Dempwolf CDU/CSU 10695 C Frau Conrad SPD 10696 C Werner (Ulm) CDU/CSU 10697 D Präsidentin Dr. Süssmuth . . . 10682C, 10690A Tagesordnungspunkt 18: Zweite und Dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. de With, Frau Dr. Däubler-Gmelin, Frau Schmidt (Nürnberg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Vergewaltigung, der sexuellen Nötigung und des sexuellen Mißbrauchs in der Ehe (Drucksachen 11/474, 11/3878) Dr. de With SPD 10699 A Eylmann CDU/CSU 10701 B Frau Nickels GRÜNE 10703 C Kleinert (Hannover) FDP 10705 B Engelhard, Bundesminister BMJ 10707 B Frau Becker-Inglau SPD 10708 D Frau Männle CDU/CSU 10710A Frau Dr. Lehr, Bundesminister BMJFFG 10711A Tagesordnungspunkt 19: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Regelung von Fragen der Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/4268) b) Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Wartenberg (Berlin), Dr. Penner, Bernrath, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit (Drucksache 11/2795) Wartenberg (Berlin) SPD 10713 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 10715 A Frau Trenz GRÜNE 10717 C Dr. Hirsch FDP 10719A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 10720A Schröer (Mülheim) SPD 10721 B Lüder FDP 19723 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 Zusatztagesordnungspunkt 10: Erste Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Steuerreformgesetzes 1990 sowie zur Förderung des Mietwohnungsbaus und von Arbeitsplätzen in Privathaushalten (Drucksache 11/4507) Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . . 10724 C Poß SPD 10726A Dr. Solms FDP 10728 C Hüser GRÜNE 10730 B Glos CDU/CSU 10732 A Huonker SPD 10734 A Dr. Daniels (Bonn) CDU/CSU 10736D Nächste Sitzung 10737 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 10739* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 10739* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 144. Sitzung. Bonn, Freitag, den 12. Mai 1989 10681 144. Sitzung Bonn, den 12. Mai 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Adler SPD 12. 05. 89 Dr. Ahrens SPD 12. 05. 89 * Amling SPD 12. 05. 89 Antretter SPD 12. 05. 89 ** Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 12. 05. 89 Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 12. 05. 89 Bindig SPD 12. 05. 89 * Frau Blunck SPD 12. 05. 89 * Böhm (Melsungen) CDU/CSU 12. 05. 89 ** Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Briefs GRÜNE 12. 05. 89 Buschbom CDU/CSU 12. 05. 89 Büchner (Speyer) SPD 12. 05. 89 * Bühler (Bruchsal) CDU/CSU 12. 05. 89 * Carstens (Emstek) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Conrad SPD 12. 05. 89 Cronenberg (Arnsberg) FDP 12. 05. 89 Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 12. 05. 89 Dr. Ehrenberg SPD 12. 05. 89 Eich GRÜNE 12. 05. 89 * Feilcke CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Feldmann FDP 12. 05. 89 ** Frau Fischer CDU/CSU 12. 05. 89 * Francke (Hamburg) CDU/CSU 12. 05. 89 Funk (Gutenzell) CDU/CSU 12. 05. 89 Gallus FDP 12. 05. 89 Gattermann FDP 12. 05. 89 Dr. Gautier SPD 12. 05. 89 Frau Geiger CDU/CSU 12. 05. 89 Genscher FDP 12. 05. 89 Dr. Glotz SPD 12. 05. 89 Günther CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Haack SPD 12. 05. 89 Dr. Hauff SPD 12. 05. 89 Frhr. Heereman von CDU/CSU 12. 05. 89 Zuydtwyck Frau Dr. Hellwig CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Hennig CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Hensel GRÜNE 12. 05. 89 Heyenn SPD 12. 05. 89 Hiller (Lübeck) SPD 12. 05. 89 Höffkes CDU/CSU 12. 05. 89 * Irmer FDP 12. 05. 89 Jungmann (Wittmoldt) SPD 12. 05. 89 Kalisch CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Kelly GRÜNE 12. 05. 89 Kittelmann CDU/CSU 12. 05. 89 ** Klein (Dieburg) SPD 12. 05. 89 Dr. Klejdzinski SPD 12. 05. 89 ** Dr. Kreile CDU/CSU 12. 05. 89 Kroll-Schlüter CDU/CSU 12. 05. 89 Dr.-Ing. Laermann FDP 12. 05. 89 Leidinger SPD 12. 05. 89 Lenzer CDU/CSU 12. 05. 89 * Link (Frankfurt) CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Luuk SPD 12. 05. 89 * Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 12. 05. 89 Dr. Müller CDU/CSU 12. 05. 89 * Niegel CDU/CSU 12. 05. 89 * * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Frau Pack CDU/CSU 12. 05. 89 * Paintner FDP 12. 05. 89 Pfeifer CDU/CSU 12. 05. 89 Pfuhl SPD 12. 05. 89 * Rappe (Hildesheim) SPD 12. 05. 89 Reddemann CDU/CSU 12. 05. 89 * Frau Renger SPD 12. 05. 89 Reuschenbach SPD 12. 05. 89 Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU 12. 05. 89 Rühe CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Schäuble CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Scheer SPD 12. 05. 89 * Schemken CDU/CSU 12. 05. 89 Schmidt (München) SPD 12. 05. 89 * von Schmude CDU/CSU 12. 05. 89 * Schütz SPD 12. 05. 89 Dr. Soell SPD 12. 05. 89 * Spilker CDU/CSU 12. 05. 89 Dr. Todenhöfer CDU/CSU 12. 05. 89 Voigt (Frankfurt) SPD 12. 05. 89 Vosen SPD 12. 05. 89 Dr. Warrikoff CDU/CSU 12. 05. 89 Frau Dr. Wilms CDU/CSU 12. 05. 89 Windelen CDU/CSU 12. 05. 89 Wissmann CDU/CSU 12. 05. 89 Wittich SPD 12. 05. 89 Dr. Wulff CDU/CSU 12. 05. 89 * Würzbach CDU/CSU 12. 05. 89 Zander SPD 12. 05. 89 Zierer CDU/CSU 12. 05. 89 ** Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses hat mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu der nachstehenden Vorlage absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 11/3196 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/4161 Nr. 2.4-2.7, 2.9, 2.10 Drucksache 11/4238 Nr. 2,2, 2.3 Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/3831 Nr. 12-19 Drucksache 11/3882 Nr. 3.22-3.27, 3.29-3.40 Drucksache 11/3927 Nr. 3.5-3.8 Drucksache 11/4019 Nr. 2.18-2.25, 2.27-2.30 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2465 Nr. 2.22 Drucksache 11/4238 Nr. 2.13 Ausschuß für das Post- und Fernmeldewesen Drucksache 11/2724 Nr. 28 Drucksache 11/2841 Nr. 15, 16, 17 Drucksache 11/3703 Nr. 2.29 Drucksache 11/4019 Nr. 2.40 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/3117 Nr. 2.14 Drucksache 11/3703 Nr. 2.30, 2.31
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Christa Nickels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Debatte über den vorliegenden Gesetzentwurf hatte in der parlamentarischen Beratung ja sehr viele unerfreuliche Seiten. Aber ich möchte doch auch das sagen, was daran sehr ermutigend ist: Diese Debatte wäre nie möglich geworden, wenn es nicht — über Jahre — den großen Aufbruch von Frauen gegeben hätte, die es sich erkämpft haben — entgegen dem, was in den Parlamenten vertreten wurde —, daß das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen hier angesprochen und sichtbar gemacht werden kann.
    Und, Herr de With: Der Stand der frauenpolitischen Erkenntnisse und des frauenpolitischen Wissens umfaßt viel mehr als das, was Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorlegen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das Ausmaß der Gewalt gegen Frauen und auch der rechtlichen Ungleichstellung der Frauen ist erheblich größer. Ihr Gesetzentwurf beinhaltet einen Aspekt, den wir begrüßen: die Gleichstellung der ehelichen mit der nichtehelichen Vergewaltigung. Aber es fehlen einige andere Komponenten.

    (Dr. de With [SPD]: Das steht in § 178! Das müssen Sie mal genau nachschauen!)

    — Wir waren aber dafür, daß man hier nicht einen einzigen Aspekt herausgreift, sondern die gesamte Debatte, die hier geführt werden muß, auch führt.

    (Vorsitz: Vizepräsident Westphal)

    Der Stand der frauenpolitischen Diskussion ist zur Zeit, daß erstens eine Gleichstellung der ehelichen mit der nichtehelichen Vergewaltigung kommen muß, zweitens ist klar, daß der Vergewaltigungsbegriff geändert werden muß. Nicht nur die erzwungene vaginale Vergewaltigung ist als solche zu bezeichnen, sondern auch andere erzwungene Formen der Penetration müssen dazu.

    (Dr. de With [SPD]: Das kommt doch dazu!)

    Der Gewaltbegriff, der heute im Gesetz ist, muß auch geändert werden; das haben Sie auch nicht drin. Da war Frau Süssmuth in dem Entwurf, den sie im Kabinett eingebracht hat, fortschrittlicher als der SPD-Entwurf, wo quasi davon abgesehen wurde, daß eine Vergewaltigung nur vorlag, wenn akute Gefahr für Leib und Leben bestand. Im Süssmuth-Entwurf war die Formel „Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben der Frau" durch „gegen ihren Willen" ersetzt. Das muß rein.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Das sind alles Punkte, die im SPD-Entwurf fehlen, und aus dem Grund haben wir GRÜNEN gesagt — und uns im Rechtsausschuß auch entsprechend ver-



    Frau Nickels
    halten — : Wir stimmen der Gleichstellung der ehelichen und nichtehelichen Vergewaltigung zu. Dagegen haben wir der in Ihrem Entwurf vorhandenen Milderungsmöglichkeit nicht zugestimmt, weil wir der Meinung sind: Das ist eine Konstruktion, die es sonst im ganzen Strafrecht nicht gibt, und das dient nicht dem Schutz der Frauen, sondern dem Schutz der Ehemänner.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Wenn die Frau den Mann nicht verurteilt sehen will — sie ist meistens die einzige Zeugin —, dann kann sie die Aussage verweigern. Sie brauchen diese Abmilderungsklausel nicht; es ist im Endeffekt ein Zugeständnis an den alten Rechtszustand. Darum sahen wir uns leider genötigt, uns in der Gesamtabstimmung zu enthalten, und das ist, glaube ich, begründenswert.
    Dann haben Sie uns vorgeworfen, Herr de With, wir hätten ja unseren eigenen Entwurf nicht eingebracht. Aber es war in den Rechtsausschußberatungen doch so, daß alle Modelle, die — auch informell — vorlagen, z. B. das Modell des Bundesjustizministers, das Modell von Frau Süssmuth, das für die CDU/CSU erstaunlich fortschrittlich war — das muß ich sagen —, und auch unsere Vorstellungen, immer mit diskutiert worden sind. Ich sage Ihnen, Herr de With — das habe ich auch im Rechtsausschuß gesagt — : Wenn absehbar gewesen wäre, daß hier eine Mehrheit für eine Reform des Sexualstrafrechts im Interesse der Frauen zustande kommt, hätten wir unseren Entwurf auch wieder eingebracht. Aber das war überhaupt nicht absehbar. Wir finden es besser, jetzt, wo Ihr Ansatz hier voraussichtlich niedergestimmt wird, unseren Entwurf einzubringen. Damit haben wir eine erneute Beratungsgrundlage für eine erneute Diskussion hier im Bundestag. Das finden wir wichtig.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Jetzt möchte ich gern auf dieses Trauerspiel in mehreren Akten im Rechtsausschuß und hier im Parlament zu sprechen kommen. Herr de With, Sie haben mir viel abgenommen. Sie haben gesagt, es ist eine über Jahre und fast Jahrzehnte gehende Debatte,

    (Dr. de With [SPD]: 17 Jahre!)

    wozu auch die Strafrechtler schon gesagt haben: Es ist im Endeffekt eine Deklassierung der Ehefrauen zu Bürgerinnen zweiter Klasse vom rechtlichen Standpunkt aus. Es hat Anhörungen genug gegeben, früher und heute.
    Was die CDU/CSU-Abgeordneten im Rechtsausschuß geboten haben, war ungeheuerlich. Ich war die meiste Zeit als einzige Frau dabei, und ich kann sagen: Ich habe manchmal gar nicht ausgehalten, was da wirklich vorgeschoben worden ist.

    (Wiefelspütz [SPD]: Von wem, Frau Nickels?)

    — Von seiten der CDU/CSU, also nicht von der SPD.
    Wir haben etliche Beratungen gehabt. In den Rechtsausschußsitzungen wurde erst einmal deutlich, daß es hier offensichtlich Unklarheiten hinsichtlich der Haltung der Regierung gegeben hat. Wir sind da widersprüchlich informiert worden. Ich muß sagen: Ausdrückliches Kompliment an Herrn Lenz, der das BMJFFG vertreten hat; er war wenigstens sehr ehrlich. Dagegen erklärte das BMJ im Sommer letzten Jahres, lange nachdem es schon auf Chefebene eine Einigung gegeben hatte, nämlich im Januar letzten Jahres, im Rechtsausschuß, es habe diese Einigung noch nicht gegeben.
    Wir mußten einen Geschäftsordnungsantrag zur Herbeizitierung des Ministers stellen, um diese Unstimmigkeiten zu klären. Wohlgemerkt, wir wollten beide Ressortminister haben, die Ministerin und den Minister. Das ist von seiten der CDU/CSU-Mehrheit mit dem Argument abgelehnt worden, federführend sei der Justizminister und nicht die Frauenministerin. Daraufhin haben wir als GRÜNE beantragt, Frau Süssmuth zu einer nächsten Sitzung zu laden, und zwar deshalb, weil Sie, Frau Süssmuth — ich nehme an, auch die neue Frauenministerin — in der Kabinettsitzung vom 7. Juli 1987 bereits besondere Kompetenzen erhalten haben. Diese sind sehr gerühmt worden, und es wurde festgestellt: Die Frauenministerin hat die Mitfederführung in frauenpolitisch relevanten Angelegenheiten.
    Wir haben den Begriff „Mitfederführung" von Anfang an als sehr problematisch empfunden. Was ist denn eine „Mitfederführung"? Im juristischen Sinne gibt es so etwas nicht.
    Leider Gottes haben sich diese Befürchtungen bestätigt, daß das eigentlich nur ein Etikettenschwindel war, denn der Justizminister hat erklärt, selbstverständlich habe er die Hauptfederführung, und von daher seien die Positionen der Frauenministerin nicht so maßgeblich.
    In den Chefgesprächen hat Frau Süssmuth eine Niederlage nach der anderen einstecken müssen. Die fortschrittlichen Ansätze, die da waren und die auch über das hinausgingen, was im SPD-Entwurf enthalten ist, sind fast samt und sonders der Kabinettsdisziplin oder anderen Interessen geopfert worden. Es gab dann eine Einigung auf den BMJ-Entwurf, den ich in vielen Punkten als rückschrittlich bezeichnen muß. Das habe ich sehr bedauert.
    Sie haben auch, Frau Süssmuth — ich nehme an, die neue Frauenministerin ebenfalls —, in dieser Kabinettssitzung vom 7. Juli 1987 das Recht erhalten, zu allen frauenpolitisch relevanten Angelegenheiten in den Ausschüssen zu reden. Ich habe Ihnen damals einen Brief geschrieben und Sie gebeten, in unseren Ausschuß zu kommen. Herr Lenz hat Sie dann vertreten. Er war auch, wie gesagt, immer sehr offen und hat sich da nicht irgendwie herumlaviert. Aber ich hätte es richtig gefunden, Frau Süssmuth, wenn Sie persönlich gekommen wären, wenn Sie die Sachen offengelegt und sich hier, protestierend gegen das, was im Kabinett und in den Reihen Ihrer Fraktion abgelaufen ist, den Rückhalt der Frauen geholt hätten. Daß Sie das nicht getan haben, habe ich sehr bedauert.

    (Beifall bei den GRÜNEN und der SPD)




    Frau Nickels
    Dann komme ich zu dem Allerschlimmsten; ich komme zu diesen Argumenten dieser Herren der CDU/CSU.

    (Eylmann [CDU/CSU]: Auch ich bin einer!)

    — Ja, Herr Eylmann, Sie sind vielleicht ein aufrichtiger Mann. Aber Sie sind kein Herr in diesem etwas negativen Sinne; das muß ich wirklich sagen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Herren hatten gegen den BMJ-Entwurf, der nun wirklich schon bis zum „geht nicht mehr" abgespeckt war und teils rückschrittliche Punkte beinhaltete, folgendes zu monieren:
    Erstens haben sie befürchtet, daß durch die Gleichstellung der ehelichen mit der nichtehelichen Vergewaltigung die Anwendungsmöglichkeiten der kriminologischen Indikation ausgeweitet werden würden.
    Zweitens sahen sie den Intimbereich der Ehe und den besonderen Schutz der Familie gefährdet. Was ich besonders abgeschmackt fand: Einer der Herren sah die Koalitionsfrage gestellt. Ich sage Ihnen, das ist so etwas von blödsinnig; Entschuldigung. Da hätte man wirklich nur den Fraktionszwang bei Ihnen aufheben müssen, dann wären diese Patriarchen als — was weiß ich, wieviel — 20 Reaktionäre übriggeblieben, und es hätten hier vielleicht Mehrheiten für eine Verbesserung der Rechtsstellung von Frauen gegeben. Das verstehe ich überhaupt nicht.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich sage Ihnen: Sie schätzen Ehe und Familie und auch den Intimbereich so hoch. Auch ich schätze Ehe, Familie und den Intimbereich der Ehe. Aber welchen Begriff haben Sie eigentlich von Würde und Intimbereich von Ehe und Familie — das frage ich Sie —, wenn Sie das gleichzeitig als Argument benutzen, um Gewalt in der Ehe nicht als solche zu brandmarken und nicht als solche rechtlich zu behandeln?

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Dann haben Sie ein Verständnis von Ehe und Familie, bei dem die Institution und die Ehemänner wichtiger sind als die Würde der Frauen, die in Ehe und Familie sind. Das finde ich zutiefst unmenschlich, unwürdig und mit der Verfassung unvereinbar.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich bitte Sie zum Schluß, Frau Frauenministerin: Lassen Sie die berechtigten Interessen von Frauen, die hier für Gerechtigkeit und Würde berechtigte Forderungen geltend machen, nicht in der Kabinettsküche von irgendwelchen Männern zerschwatzen. Das ist unwürdig. Es müßte endlich Schluß damit sein. Hier muß im Interesse der Frauen gehandelt werden.
    Danke schön.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Heinz Westphal
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Kleinert (Hannover).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Die sehr schwierige Entstehungsgeschichte verschiedener
    Überlegungen, die teils offiziell, teils inoffiziell zu diesem Bereich vorliegen, ist hier schon ausführlich dargestellt worden.

    (Wiefelspütz [SPD]: Man kann es auch als Blamage bezeichnen!)

    Auch die Freien Demokraten haben es sich hier keineswegs leichtgemacht. Wir haben uns über Jahre hinweg auf Parteitagen mit dem Thema der Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe befaßt und uns erst nach einer Reihe von Jahren darauf verständigt, einen Entwurf, nämlich den, der hier auch als Entwurf des Bundesjustizministers bezeichnet wird, zu unterstützen.
    Eine Einigung über einen solchen Entwurf hat weder in der Koalition noch mit anderen Fraktionen bisher stattfinden können. Daß aus naheliegenden Gründen, lieber Herr de With, zunächst einmal Einigung in der Koalition erzielt werden muß, ist Ihnen so bekannt wie mir. Daß wir es vielleicht leichter gehabt hätten, will ich nicht ohne weiteres ausschließen. Aber wir stehen zu dieser Koalition und müssen uns auch über die Fragen, in denen unsere Ansichten nun tatsächlich aus sehr grundsätzlichen und einleuchtenden Gründen auseinandergehen, verständigen, um auch in diesen Fragen, und dann möglichst mit Ihnen allen zusammen, gemeinsam zu handeln.
    Die Gründe, die hier über ablehnende Stellungnahmen früherer Zeit oder auch bis heute dargelegt worden sind, möchte ich noch einmal in einigen Punkten streifen. Es hat für Liberale nun wirklich noch nie den geringsten Gedanken dahin gegeben, daß etwa mit dem Trauschein auch nur die Spur einer Einwilligung in Gewaltanwendung in der Ehe gegeben sein könnte. Der Gedanke ist geradezu abwegig. Genauso teile ich die Auffassung von Herrn Eylmann, daß hier eher erhöhte Rücksichtnahme selbstverständlich ist, — um andere Wörter, die mir hier in dem Zusammenhang vielleicht zu anspruchsvoll wären, zu vermeiden.
    Das Ergebnis ist jedenfalls ganz klar: Hier sehen wir keine Hinderungsgründe für eine Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe, sondern wir halten das unter diesen Gesichtspunkten geradezu für notwendig und selbstverständlich. Unsere Bedenken — davon ist erstaunlicherweise heute noch nicht sehr viel die Rede gewesen — gründen sich auf den rechtspolitischen Bereich im engeren Sinne, auf den verfahrenspolitischen Bereich. Wir sind der Meinung, daß hier in der Praxis einer Hauptverhandlung eine Fülle von äußersten Schwierigkeiten auftreten wird, in der die Beweislage so verzweifelt schwierig ist, wie sonst nur in wenigen anderen Fällen, einfach aus der Natur der Sache heraus.
    Deshalb sind Fehlurteile zu befürchten, die dem Anliegen, das einer Strafbarkeit zugrunde liegt, dann nur schaden würde. Diese Bedenken haben — soweit ich sehen kann — die Gegner einer solchen Regelung bei uns längere Zeit in erster Linie bestimmt.

    (Wiefelspütz [SPD]: Das ist doch haltlos!)




    Kleinert (Hannover)

    — Also „haltlos" möchte ich zu Dingen, die wir doch mit einigem Ernst betrachtet und diskutiert haben, nicht so ohne weiteres sagen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich bin allerdings der Meinung — Sie werden es ja hören, wenn Sie mich weiter sprechen lassen — , daß diese mehr technischen Gesichtspunkte — nachdem wir sie lange genug erwogen haben — hinter der grundsätzlichen Erwägung zurücktreten müssen, zu der wir nun Beschluß gefaßt haben.