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ID1114104200

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    Plenarprotokoll 11/141 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 141. Sitzung Bonn, Freitag, den 28. April 1989 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 6: Aktuelle Stunde betr. Haltung der Bundesregierung zur Untersagung des Fusionsantrages Daimler-Benz/Messerschmidt-Bölkow-Blohm (MBB) durch das Bundeskartellamt Roth SPD 10439 B Doss CDU/CSU 10440 A Frau Vennegerts GRÜNE . . . 10441B, 10449 B Dr. Solms FDP 10442 B Dr. Jens SPD 10443 A Dr. Sprung CDU/CSU 10444 A Grünbeck FDP 10445 A Frau Bulmahn SPD 10446 C Dr. Haussmann, Bundesminister BMWi . 10447 C Dr. Friedrich CDU/CSU 10449 B Müller (Pleisweiler) SPD 10450 D Dr. Schwörer CDU/CSU 10451 D Dr. Abelein CDU/CSU 10452 D Tagesordnungspunkt 27: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Forderungen an ein abrüstungspolitisches Gesamtkonzept (Drucksache 11/4053) b) Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Fortsetzung des atomaren Abrüstungsprozesses (Drucksachen 11/2438, 11/4404) Dr. Scheer SPD 10454 A Lamers CDU/CSU 10457 A Frau Beer GRÜNE 10458 C Dr. Feldmann FDP 10459D Genscher, Bundesminister AA 10461 B Voigt (Frankfurt) SPD 10462 D Graf Huyn CDU/CSU 10466 B Dr. Mechtersheimer GRÜNE 10469 B Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg . 10470A Petersen CDU/CSU 10471 C Frau Beer GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 10472 C Tagesordnungspunkt 28: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Fortentwicklung der Datenverarbeitung und des Datenschutzes (Drucksache 11/4306) Dr. Schäuble, Bundesminister BMI . . . 10473 A Wartenberg (Berlin) SPD 10474 D Dr. Blens CDU/CSU 10476D Such GRÜNE 10480A Dr. Hirsch FDP 10481 C Dr. Emmerlich SPD 10483 B Lüder FDP 10485 C Überweisung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Europaabgeordnetengesetzes — Drucksache 11/4445 — an Ausschüsse 10486 C Nächste Sitzung 10486 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. April 1989 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10487 * A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) 10487 * C Anlage 3 Amtliche Mitteilungen 10488 * C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. April 1989 10439 141. Sitzung Bonn, den 28. April 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 28. 04. 89 Dr. Apel SPD 28. 04. 89 Dr. Briefs GRÜNE 28. 04. 89 Brück SPD 28. 04. 89 Buschbom CDU/CSU 28. 04. 89 Buschfort SPD 28. 04. 89 Daweke CDU/CSU 28. 04. 89 Duve SPD 28. 04. 89 Dr. Faltlhauser CDU/CSU 28. 04. 89 Gattermann FDP 28. 04. 89 Dr. Gautier SPD 28. 04. 89 Dr. von Geldern CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Glotz SPD 28. 04. 89 Dr. Götz CDU/CSU 28. 04. 89 Großmann SPD 28. 04. 89 Dr. Hauff SPD 28. 04. 89 Haungs CDU/CSU 28. 04. 89 Hauser (Krefeld) CDU/CSU 28. 04. 89 Hedrich CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Hitschler FDP 28. 04. 89 Frau Hoffmann (Soltau) CDU/CSU 28. 04. 89 Höffkes CDU/CSU 28. 04. 89 * Huonker SPD 28. 04. 89 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Hüsch CDU/CSU 28. 04. 89 Ibrügger SPD 28. 04. 89 *** Jungmann SPD 28. 04. 89 Kittelmann CDU/CSU 28. 04. 89 ** Dr. Klejdzinski SPD 28. 04. 89 ** Klose SPD 28. 04. 89 Koschnick SPD 28. 04. 89 Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Kreile CDU/CSU 28. 04. 89 Leidinger SPD 28. 04. 89 Louven CDU/CSU 28. 04. 89 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 28. 04. 89 Menzel SPD 28. 04. 89 Mischnick FDP 28. 04. 89 Dr. Mitzscherling SPD 28. 04. 89 Dr. Müller CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Neuling CDU/CSU 28. 04. 89 Niegel CDU/CSU 28. 04. 89 * Oostergetelo SPD 28. 04. 89 Dr. Osswald SPD 28. 04. 89 Frau Pack CDU/CSU 28. 04. 89 ** Paintner FDP 28. 04. 89 Reddemann CDU/CSU 28. 04. 89 Reuschenbach SPD 28. 04. 89 Rind FDP 28. 04. 89 von Schmude CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 28. 04. 89 Schröer (Mülheim) SPD 28. 04. 89 Stiegler SPD 28. 04. 89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Stobbe SPD 28. 04. 89 Frau Teubner GRÜNE 28. 04. 89 Dr. Unland CDU/CSU 28. 04. 89 Vahlberg SPD 28. 04. 89 Dr. Vondran CDU/CSU 28. 04. 89 Vosen SPD 28. 04. 89 Dr. Waigel CDU/CSU 28. 04. 89 Dr. Wieczorek SPD 28. 04. 89 Frau Wieczorek-Zeul SPD 28. 04. 89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 28. 04. 89 Wischnewski SPD 28. 04. 89 Wissmann CDU/CSU 28. 04. 89 Würtz SPD 28. 04. 89 Zander SPD 28. 04. 89 Zeitlmann CDU/CSU 28. 04. 89 Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Rede zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) * ) Frau Schmidt (Hamburg) (GRÜNE): Der Gesetzentwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes kann nur als Stückwerk bezeichnet werden. Offenbar wegen der Eröffnung einer sogenannten „Leihmütteragentur" in Frankfurt hat die Bundesregierung in aller Eile eine Handhabe gegen die Praktiken solcher Vermittler schaffen wollen. So begrüßenswert dies auch sein mag: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf ist es ihr aber nicht gelungen, den gesamten Komplex der Adoptionsvermittlung zu erfassen. So gehört die Frage der sogenannten Leihmütterschaft nicht in das Adoptionsvermittlungsgesetz, sondern in ein gesondertes Gesetz, das die komplexen Fragen der Reproduktionsmedizin und des Embryonenschutzes insgesamt erfaßt. Verräterisch z. B. ist die Verwendung des Begriffes „Ersatzmutter". Die Frau, die ein Kind austrägt, ist die Mutter und nicht eine Ersatzmutter. Nach dem vorliegenden Entwurf aber hat ein Kind, das mit Hilfe der Reproduktionstechniken von einer Frau für „Bestelleltern" geboren wird, keine Mutter. Es hat lediglich eine Ersatzmutter und Bestelleltern. Der Gesetzentwurf ist jedenfalls - einmal abgesehen von Definitionsfragen - nicht geeignet, die Vermittlungspraktiken, die jetzt bereits üblich sind, zu unterbinden. Er wird lediglich eine Verlagerung des „Geschäftes" ins Ausland bewirken, wie dies ja schon bei „normalen" Adoptionen der Fall ist. Im vorliegenden Gesetzentwurf fehlt ebenfalls eine Antwort auf die Überlegungen der bayerischen Staatsregierung. Sie will nämlich Frauen, die einen Schwangerschaftsabbruch erwägen, durch Adoptionsgarantie dazu bewegen, die Schwangerschaft *) Vgl. 140. Sitzung Seite 10434 C 10488* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 141. Sitzung. Bonn, Freitag, den 28. April 1989 auszutragen. Im Gesetzentwurf ist nichts darüber gesagt, wie mit solchen Adoptionsvermittlern „von Staats wegen" umgegangen werden soll. Hier würde ein Staat das Strafrecht des § 218 benutzen, um Frauen zum Austragen der Schwangerschaft zu bringen, um dann die ungewollten Kinder zur Adoption zu vermitteln. Behinderte Kinder, die ja bekanntlich schwer zu vermitteln sind, adoptiert dann der Freistaat selbst, als „Staatsmündel". Wollen wir denn wirklich den Staat als „Bestellvater" ? Man muß sich schon fragen, um wen es hier eigentlich geht: um das vielbeschworene Kind, um die schon nicht mehr so vielbeschworene Mutter? Oder nicht vielleicht doch bloß um eine verquaste Moralvorstellung, die auf dem Rücken beider verwirklicht werden soll. Mit sinnvoller Politik für Kinder und in Not geratene Mütter hat dies wahrlich nichts mehr zu tun! Wir hätten uns gewünscht, daß die Bundesregierung die Problematik von sogenannten Leihmüttern, Bestelleltern und gewinnsüchtigen Vermittlern im Bereich der Reproduktionstechnik regelt, und zwar mit einem eigenständigen Gesetzentwurf. Sie hätte sich bei der Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes viel mehr darum kümmern sollen, was auf dem internationalen Kindermarkt und im privaten, illegalen oder kriminellen Adoptionssektor vor sich geht. Hier hätte sie Gelegenheit gehabt, zu beweisen, daß es ihr wirklich um die Mütter und Kinder geht. Sie hätte nur die Forderungen der anerkannten Adoptionsvermittlungsstellen, wie z. B. der GZA in Hamburg oder von terre des hommes, erfüllen müssen — die im übrigen schon lange bekannt sind. Es wäre ein leichtes gewesen, im Änderungsentwurf festzuschreiben, daß sämtliche Bestimmungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes auch und besonders für ausländische Kinder gelten. Es wäre ein leichtes gewesen, festzuschreiben, daß von Jugendämtern erstellte Berichte über die Eignung von Adoptionsbewerbern auf keinen Fall in deren Hände gelangen dürfen. Bekanntlich reisen diese dann nämlich oft genug mit dem Bericht ins Ausland und kaufen sich dort ein Kind — wobei diese Kinder häufig von skrupellosen Kinderhändlern geraubt werden. Es wäre ein leichtes gewesen, das Augenmerk endlich einmal wirklich auf die betroffenen Kinder und ihre abgebenden Mütter — wie sie so schön euphemistisch genannt werden — zu richten, seien sie nun sogenannte Leihmütter oder nicht. Das hätte aber auch bedeutet, die Strafvorschriften des § 14 nicht in diesen Entwurf hineinzunehmen. Statt dessen müßten die §§ 234 ff. des Strafgesetzbuches ausgeweitet werden: Menschenhandel und Kindesentziehung gegen Geldleistung oder Versprechen einer solchen müssen unter Strafe gestellt werden (auch dies übrigens eine der dringenden Forderungen von terre des hommes, einer Organisation, der man ja wahrlich nicht nachsagen kann, daß sie nicht weiß, wovon sie spricht). So können wir nur sagen: Das Anliegen, die kriminellen Geschäftspraktiken mit sogenannten Leihmüttern zu bestrafen, finden wir richtig, jedoch halten wir es nach wie vor für notwendig, diesen Bereich der Reproduktionsmedizin gesondert aufzugreifen. Die Chance, mit einer Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes eine Antwort auf die schon lange bekannten Methoden internationaler Kinderhändler zu geben und so tatsächlich Kindern und Müttern zu helfen, hat die Bundesregierung ohne Not vertan. Anlage 3 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 21. April 1989 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung und der Geldleistungen der gesetzlichen Unfallversicherung Im Jahre 1989 Erstes Gesetz zur Änderung des Seefischereigesetzes Viertes Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Ausübung der Berufe des Masseurs, des Masseurs und medizinischen Bademeisters und des Krankengymnasten Gesetz zu dem IAEO-Übereinkommen vom 26. September 1986 über die frühzeitige Benachrichtigung bei nuklearen Unfällen sowie über Hilfeleistungen bei nuklearen Unfällen oder radiologischen Notfällen (Gesetz zu dem IAEO-Benachrichtigungsübereinkommen und zu dem IAEO-Hilfeleistungsübereinkommen) Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/3406 Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/595 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Ausschuß für Forschung und Technologie Drucksache 11/3831 Nr. 27 Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Drucksache 11/4238 Nr. 2.15
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl Lamers


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Meine Fraktion begrüßt nachdrücklich, daß die Bundesregierung nunmehr ihre Position für den NATO-Gipfel am 29. Mai formuliert hat.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Ward ja ok Tied!)

    Die CDU/CSU teilt die Überzeugung der Bundesregierung, daß auch die atomaren Systeme mit unter 500 km Reichweite in den Abrüstungsprozeß einbezogen werden müssen. Dafür sprechen, wie mir scheint, drei zwingende Gründe.
    Erstens. Die Sowjetunion besitzt in dieser Waffenkategorie nach ihrem eigenen Eingeständnis eine gewaltige, ja beängstigende Kapazität mit einer nicht genau feststellbaren, jedoch nach Tausenden zählenden Zahl von Raketen mit atomaren, konventionellen und chemischen Sprengköpfen.
    Zweitens. Alle diese Waffen sind sowohl atomar als auch konventionell als auch chemisch verwendbar. Wie will man das Ziel der Wiener Verhandlungen — konventionelle Stabilität auf der Basis von Gleichgewicht — je erreichen, wenn man eine ganze Waffenkategorie dauerhaft aus diesen Verhandlungen ausschließt?

    (Frau Traupe [SPD]: Richtig!)

    Drittens. Die nach dem INF-Abkommen verbleibende Struktur der atomaren Waffen ist nicht nur aus deutscher — aber gerade aus deutscher — Sicht alles andere als befriedigend. Sie zu verbessern ist allerdings nicht nur durch Verhandlungen möglich, sondern muß auch durch einseitige Maßnahmen zu ihrer Neustrukturierung erfolgen.
    Der strategische Zweck dieser Systeme auf westlicher Seite bezieht sich im Rahmen der Vorneverteidigung auf die konventionelle Überlegenheit des Warschauer Paktes. Daher stehen Beginn und Ergebnis von Verhandlungen über diese Systeme in einem unlösbaren Zusammenhang mit Verlauf und Ergebnis der Wiener Verhandlungen, deren Ziel ja die Beseitigung dieser östlichen konventionellen Überlegenheit ist.
    Wer Verhandlungen über die SNF-Systeme zeitlich und sachlich unabhängig von der VKSE fordert, setzt sich dem Verdacht der Alliierten aus, es gehe ihm weniger darum, die östliche Überlegenheit als vielmehr die eigenen Waffen wegzuverhandeln. Unerläßlich aber wird es sein, auf dem NATO-Gipfel für diese Systeme zumindest eine rüstungskontroll-politische
    Perspektive zu eröffnen und etwa eine hochrangige Arbeitsgruppe mit der Ausarbeitung der näheren Einzelheiten für ein Verhandlungsmandat zu beauftragen — und dies mit Nachdruck und mit Vorrang.
    Die deutsche Auffassung, eine Entscheidung über Produktion und Stationierung eines Nachfolgesystems für die Lance nicht jetzt, sondern erst 1991/92 zu treffen, haben sich bereits seit einiger Zeit offensichtlich auch die Vereinigten Staaten zu eigen gemacht.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Weil es eine vernünftige Position ist!)

    — Weil das eine sachlich begründete, vernünftige Position ist. — Das Drängen auf einen früheren Zeitpunkt ist auch von der Sache her überhaupt nicht erklärlich. Vielmehr verbarg sich hinter ihm — ähnlich wie bei der soeben erwähnten Frage des Zeitpunkts von Verhandlungen — die Befürchtung der Alliierten, die Bundesrepublik strebe eine dritte Null-Lösung an oder treibe doch zumindest darauf zu.
    Deswegen möchte ich hier eindeutig klären: Wir, die CDU/CSU-Fraktion, halten nicht nur, wie es ja auch in der Ziffer 1 der Regierungsposition heißt, an dem Prinzip der nuklearen Abschreckung fest, sondern auch daran, daß auf dem Boden der Bundesrepublik Deutschland atomare Waffen auch in Zukunft stationiert bleiben, was einschließt, daß sie auf dem gebotenen Stand gehalten werden müssen. Eine dritte Null-Lösung kommt für uns nicht in Betracht.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das ist der nächste Streit in der Koalition!)

    Aber ich möchte, Herr Kollege Voigt, mit derselben Deutlichkeit hinzufügen: Die Art der Lösung, die sich wesentliche Alliierte bislang — und manche bis heute — vorstellen, ist unannehmbar, weil sie nicht nur den Eindruck erweckt, es könne sich nichts Grundlegendes ändern, sondern zuweilen sogar, dies solle auch nicht geschehen. Es ist in der Tat zutiefst widersprüchlich, wenn der Westen auf der einen Seite Abrüstungsvorschläge unterbreitet, deren Realisierung genau denselben Zweck erfüllte wie die hier in Rede stehenden atomaren Systeme, und dann auf der anderen Seite gleichzeitig Rüstungsentscheidungen vorschlägt, die diese Perspektive eines Erfolgs in Wien überhaupt nicht ins Auge fassen. Andererseits wäre es sowohl unter dem Gesichtspunkt der Sicherheit als auch aus verhandlungstaktischer Sicht töricht, so zu tun, als gäbe es schon ein solches Ergebnis der Wiener Verhandlungen.
    Wir müssen in diesem Fall wie künftig überhaupt lernen, ausgehend vom Status quo, aber in der Perspektive des Status quo plus unsere Entscheidungen zu treffen. Eben daran hat es bei der bisherigen Diskussion in der Allianz gemangelt. Das aber, meine verehrten Kollegen und Kolleginnen, ist nicht nur ein Vorwurf an die Alliierten, sondern, wie ich in Deutlichkeit sagen möchte, auch an uns — und an uns sogar in besonderer Weise —, weil wir mehr als die anderen an einer Überwindung des Status quo interessiert sind. Deswegen müssen wir auch in besonderer Weise Vorstellungen entwickeln, wie denn die künftige militärische Ordnung, aber nicht nur sie, sondern darüber hinaus die politische Ordnung in Europa



    Lamers
    konkret aussehen könnte und sollte, Vorstellungen, die aber nicht nur für uns, sondern auch für unsere Alliierten und natürlich auch für die Länder im anderen Teil unseres Kontinents attraktiver sind, verglichen mit der derzeitigen Ordnung. Für die heute hier in Rede stehende Frage bedeutet dies: Wenn wir das Ziel der Wiener Verhandlungen tatsächlich erreichen, d. h. konventionelle Stabilität auf der Basis von Gleichgewicht und weitestgehender Nichtangriffsfähigkeit beider Seiten, dann wünsche ich mir nicht nur eine drastisch verringerte Zahl von atomaren Waffen, sondern auch andere atomare Waffen als die derzeitig hier lagernden, und das heißt natürlich auch eine andere Strategie. Wir müssen bereit sein, auch darüber zu sprechen. Dazu habe ich durchaus die eine oder andere Idee, die heute hier auszubreiten nicht möglich ist. Die Richtung muß sein: Minimalabschreckung im wörtlichen Sinne; das heißt weitreichende Systeme, und das heißt eine Repolitisierung der atomaren Abschreckung.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    Ich fordere uns und natürlich auch unsere Alliierten auf, in einer solchen Perspektive zu denken. Ich fordere uns vor allen Dingen auf, zu sehen, daß wir uns mit einer dritten Null-Lösung, die zwangsläufigerweise eine vierte und fünfte und daher eine atomwaffenfreie Bundesrepublik Deuschland zur Folge haben müßte, aus diesem gemeinsamen Prozeß des Nach-, ja des Umdenkens ausschlössen. Das widerspricht nun allen Interessen unserer Alliierten, und es widerspricht nicht nur aus dem eben von mir erwähnten Grunde, sondern auch aus sicherheitspolitischen Gründen auch unseren Interessen. Wir würden uns isolieren.

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist wirklich Quatsch!)

    Meine Damen und Herren, die Bundesrepublik Deutschland hat eine zentrale Bedeutung für alles, wirklich für alles, was innerhalb des Westens wie innerhalb ganz Europas von Belang ist. Genau dies ist aber zugleich der Grund, weshalb wir in besonderer Weise abhängig und verletzlich sind, denn von unseren Entscheidungen sind unmittelbar und mittelbar alle Staaten in Europa und natürlich auch die USA betroffen. Das, worum es im Kern der Diskussion, die wir derzeitig führen, geht, ist keineswegs nur militärisch-technischer Art, sondern es geht in der Tat um die Nachkriegsordnung in Europa. Wenn das richtig ist, dann ist es auch einleuchtend, daß unsere Entschlossenheit, sie im Interesse unseres Volkes, und zwar in diesem Fall unseres ganzen Volkes, zu überwinden, mit einer ebenso großen Besonnenheit gepaart sein muß. Ich frage uns alle, ob dies in letzter und auch in allerletzter Zeit zu jedem Zeitpunkt der Fall gewesen ist. Ich bin sicher, daß wir jetzt, wenn wir nach dem Doppelprinzip „Entschlossenheit und Besonnenheit" handeln, nach wie vor eine gute Chance haben, auf dem NATO-Gipfel in Brüssel ein gutes Ergebnis zu erreichen. Die Bereitschaft unserer Alliierten — ich habe mich gerade gestern in Brüssel davon überzeugen können —, mit uns einen Konsens zu finden, ist natürlich gegeben, weil sie wissen, daß ohne uns eine zukunftsorientierte Politik der Allianz
    nicht gemacht werden kann. Aber wir müssen doch wissen, meine Freunde, daß wir den Konsens mindestens ebenso brauchen.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Voigt [Frankfurt] [SPD]: Für einen CDUMann eine gute Rede!)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat die Abgeordnete Frau Beer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Angelika Beer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die gestrige Scheindebatte hat verdeutlicht: Diese Bundesregierung sitzt sicherheits- und innenpolitisch auf der Abschußrampe, und daran werden Kosmetikerklärungen auch nichts mehr ändern können.
    Wie sieht es wirklich aus? Auf der einen Seite steht das NATO-Bündnis und der de facto schon gefaßte Entschluß zu einer neuen Aufrüstungsrunde, die verharmlosend „Modernisierung" genannt wird. Insbesondere die „anglo-amerikanische Achse" läßt keinen Zweifel daran erkennen, daß die nuklearen Kurzstreckenraketen nicht zur Disposition stehen. Auf der anderen Seite steht die bundesdeutsche Öffentlichkeit, deren Mehrheit die Antwort auf einseitige Abrüstungsschritte Gorbatschows erwartet. Diese kann nicht in der Stationierung neuer Atomwaffen bestehen!
    Was heißt das denn anderes als die faktische Zustimmung zur weiteren Aufrüstung, wenn die Nukleare Planungsgruppe in der vergangenen Woche beschließt, daß „die Streitkräfte auf dem gebotenen Stand gehalten werden müssen, wo immer dies erforderlich ist"? Ist das die Antwort der NATO auf den Abbau der sowjetischen Streitkräfte um 500 000 Mann, auf den in dieser Woche begonnenen Abzug in Ungarn und auf den heute beginnenden Abzug in der DDR?

    (Dr. Friedmann [FDP]: Wer mehr hat, muß mehr wegbringen!)

    Die NATO-Strategen, die Bundsregierung, aber auch die SPD machen keinen Hehl daraus, daß sie dafür sorgen werden, daß die NATO vielfältige, überlebensfähige und flexible nukleare Streitkräfte über das gesamte Spektrum hinweg besitzen will.
    Was tut diese Bundesregierung? Sie versucht, das Problem einfach durch einen neuen Begriff wegzudefinieren. Die Entwicklung des Nachfolgesystems für die Kurzstreckenrakete vom Typ Lance wird kurzerhand als „nationale amerikanische Entscheidung" und damit für die Bundesregierung scheinbar nicht mehr relevant dargestellt. Diesen Betrug haben wir bei der Entscheidung für die Neuproduktion der binären C-Waffen schon einmal erlebt. Es bleibt dabei: Die Bundesregierung hat der Modernisierung zugestimmt.
    Für wie dumm hält die Bundesregierung eigentlich die bundesdeutsche Bevölkerung, wenn sie ihr weiszumachen versucht, daß die Amerikaner Milliarden von US-Dollar in die Entwicklung eines Waffensystems investieren, um sich dann eventuell zwei Jahre nach der Wahl sagen zu lassen, daß es für die Statio-



    Frau Beer
    nierung dieses Waffensystems in Europa keinen Bedarf mehr gibt? Wer glaubt denn in diesem Land noch an den ernsthaften Abrüstungswillen der NATO,

    (Voigt [Fankfurt] [SPD]: Ich!)

    wenn diese den konkreten Abrüstungsschritten der UdSSR seit Monaten nichts anderes als unverbindliche Phrasen entgegenzusetzen hat?

    (Dr. Feldmann [FDP]: Wer mehr hat, muß mehr wegräumen!)

    Auch die Befürwortung der Aufnahme „baldiger Verhandlungen", wie sie die Bundesregierung empfohlen hat, ist nichts weiter als eine Phrase, ebenso der von den Niederländern gemachte Vorschlag des Mittelwegs. Dieser Mittelweg bedeutet einen neuen Doppelbeschluß. Auch dies werden wir vehement bekämpfen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Was heißt denn im Sprachgebrauch der Bundesregierung „baldig"? Heißt es: in Wochen und Monaten, nach der Bundestagswahl, nach einem Erfolg in Wien, vielleicht in zehn Jahren?
    Den letzten Akt in diesem Theater der Hilflosigkeit und des Dilettantismus gaben Minister Genscher und Verteidigungsminister Stoltenberg mit ihrem Blitzbesuch in den USA: nicht ein einziges konkretes Ergebnis.

    (Wolfgramm [Göttingen] [FDP]: Es lohnt sich bei Ihnen nicht, Zwischenrufe zu machen!)

    Der Streit — das ist der entscheidende Punkt — soll vom Wesentlichen ablenken: nicht nur Scheindebatte, sondern Gespensterdebatte. Die Bundesregierung könnte die Modernisierung durch ein Veto verhindern, aber sie tut es nicht, sie will es nicht. Deshalb laufen zur Tarnung und zur Anpassung an die öffentliche Meinung Geisterdebatten. Wohldosiert wird der latente Antiamerkanismus der Bundesregierung mit dem neuen Lieblingswort „anglo-amerikanisch" überdeckt. Doch die gezielte Schwerpunktsetzung in diesem Streit auf die Kurzstreckenwaffen, auf die Lance, verdeckt den eigentlichen Streitpunkt innerhalb der NATO. Die NATO hat keine konsistente Strategie, die von allen Partnern gleich interpretiert wird.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Das hat sie mit den GRÜNEN gemeinsam!)

    Die Bundesregierung will weitreichende Waffen, um die USA an das atomare Wahnsinnsrisiko und an die Auslöschung anzubinden. Die USA wollen kurzreichende Waffen, um einen Konflikt begrenzen zu können. Das Schlachtfeld hier, das will die Bundesregierung nicht.
    Der Coup scheint gelungen zu sein: Durch eine zunehmend intensive Diskussion über die FOTL — follow on to Lance — und potentielle Verhandlungen über Kurzstreckenwaffen ist die Implementierung der NATO-Strategie im Bereich der notwendigen Systeme, nämlich der neuen Atomgranaten W 82, der zusätzlichen und/oder neuen „dual capable"-Flugzeuge sowie deren Ausrüstung mit luftgestützten Abstandswaffen, aus dem Licht der öffentlichen Diskussion gerückt. Dieser Anachronismus der verschiedenen Interessen verhindert ein wirkliches Gesamtkonzept. Das wird es nie geben. Die Gespensterdebatte dient der Umgehung des INF-Vertrages; denn die beiden wichtigeren Modernisierungsschritte betreffend Artillerie und luftgestützte Pershings werden nicht zur Debatte oder Disposition gestellt.

    (Richtig! bei den GRÜNEN)

    Abrüstungspolitik ist etwas ganz anderes. Sie bedeutet nicht nur ein Veto, was eine vertrauensbildende Maßnahme wäre, die notwendig ist. Abrüstungspolitik wäre eine deutliche, glaubwürdige Kürzung des Rüstungshaushaltes, und zwar weit hinaus über das, was jetzt in der DDR mit einer zehnprozentigen Kürzung des Rüstungshaushaltes praktiziert wird.
    Abrüstung wäre der Abzug ausländischer Truppen aus der Bundesrepublik Deutschland, die von den WVO-Staaten als besonders bedrohend empfunden werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Der Abzug dieser Truppen wäre der erste Teil einer Initiative — das ist unser längerfristiges Ziel — , sämtliche fremden Streitkräfte aus diesem Land abzuziehen. Die Kündigung des WHNS-Abkommens durch die Bundesregierung wäre ein dringend gebotener Schritt, um die politische Bereitschaft zu substantiellen Abrüstungsschritten zum Ausdruck zu bringen.
    Das Projekt des Jägers 90 — man braucht es kaum noch zu erwähnen — , der die bestehende Überlegenheit der NATO bei den Luftstreitkräften weiter erhöht und stabilisiert und deshalb ein Unsicherheitsfaktor ist, sollte sofort gestoppt werden. Herr Stoltenberg, es ist schrecklich für uns, spricht aber natürlich für diese Regierung, daß Sie als Finanzminister die skandalösen Finanzpläne für dieses Skandalprojekt aufgestellt haben und es nun als dritter Verteidigungsminister in nur zwei Jahren auch noch durchziehen wollen.
    Das, meine Damen und Herren, wären die richtigen Schritte und angemessenen Reaktionen auf die einseitige Abrüstung der Sowjetunion. Sie bieten die Chance, in eine grundlegende neue Logik von Außen-, Sicherheits- und Militärpolitik einzusteigen. Sie wären die Voraussetzung für einen Prozeß, an dessen Ende eine Entmilitarisierung des Ost-West-Konfliktes, die Überwindung von Abschreckungs- und Blocksystemen und eine entmilitarisierte neue europäische Friedensordnung stehen könnten.
    Wir werden dem SPD-Antrag nicht widersprechen. Aber wir wünschen uns, daß dieser Antrag zukünftig der Mehrheitsmeinung in der SPD entspricht. Anders ist eine parallel zu dieser Sitzung stattfindende Pressekonferenz — gerade jetzt in diesen Minuten — Ihres Kollegen von Bülow, auf der er neue Vorschläge macht, nicht zu erklären.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei den GRÜNEN)