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    Plenarprotokoll 11/140 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 140. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Folketing des Königreichs Dänemark, Herrn Erik Ninn-Hansen, und der Mitglieder seiner Delegation 10291 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Hoss 10291 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 10291 B Absetzung des Punktes 18 — Regelung des Geschäftswertes bei land- oder forstwirtschaftlichen Betriebsübergaben — und der Aktuellen Stunde — Chancen der Deeskalation infolge der Unterbrechung des Hungerstreiks durch zwei RAF-Mitglieder — von der Tagesordnung 10291 C Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur künftigen Regierungsarbeit Dr. Kohl, Bundeskanzler 10291 D Dr. Vogel SPD 10304 D Dr. Dregger CDU/CSU 10316B Genscher, Bundesminister AA 10322 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 10326 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 10329 C Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . 10332 C Frau Matthäus-Maier SPD 10339 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 10342 B Frau Trenz GRÜNE 10348A Dr. Penner SPD 10349 B Frau Traupe SPD (zur GO) 10351 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI (zur GO) 10352 A Bohl CDU/CSU (zur GO) 10352 B Dr. Vogel SPD (zur GO) 10353 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg 10354 A Schäfer (Offenburg) SPD 10356 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10359A Frau Wollny GRÜNE 10360A Dreßler SPD 10361A Cronenberg (Arnsberg) FDP 10363 C Eich GRÜNE 10364 C Jahn (Marburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 10365 C Namentliche Abstimmungen . . . 10366A, B, C Ergebnisse 10372A, 10373C, 10375A Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Gesundheitsgefährdung durch Kosmetika — Verbot von Natriumlaurylsulfat in Zahncremes und Deklarationspflicht für alle Inhaltsstoffe von Kosmetika (Drucksachen 11/871, 11/2978) 10366D Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN: Stopp der Atomexporte (Drucksachen 11/1169, 11/3001) 10366D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Saibold, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kennzeichnung von Milch, Milchprodukten und Säuglingsnahrung mit Werten radioaktiver Belastung und Ausweitung des Meßstellennetzes (Drucksachen 11/486, 11/3925) . . . 10366D Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Massendemonstrationen in den baltischen Staaten (Drucksachen 11/2729, 11/4004) 10367 A Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Menschenrechten in der Sowjetunion (Drucksachen 11/255, 11/4005) . . . 10367 A Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zur Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Errichtung einer europäischen Stiftung für Osteuropa-Forschung (Drucksachen 10/6274, 11/883 Nr. 9, 11/4029) . . . 10367 B Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1986 — (Drucksachen 11/1508, 11/4157) 10367 B Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in Düsseldorf gem. § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksachen 11/3797, 11/4162) 10367 C Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung a) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide b) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates mit Grundregeln für die Prämie zur Verwertung von Getreide als Futtermittel im Wirtschaftsjahr 1989/90 (Drucksachen 11/3882 Nr. 3.5, 11/4167) 10367 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 11 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 11/4207) . 10367 D Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das LINGUA-Programm zur Förderung der fremdsprachlichen Ausbildung in der Europäischen Gemeinschaft Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Förderung des Fremdsprachenunterrichts in der Europäischen Gemeinschaft als Bestandteil des LINGUA-Programms (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.43, 11/4240) 10367 D Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Änderung von Anhang A der Richtlinie 85/397/EWG bezüglich des Gefrierpunktes der Milch (Drucksachen 11/3927 Nr. 3.9, 11/4243) 10368 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für die 12. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (Drucksachen 11/2724 Nr. 1, 11/2766, 11/4346) 10368A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 III Tagesordnungspunkt 17: Beratung der Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 107 und 108 zu Petitionen (Drucksachen 11/4382, 11/4383) 10386A Tagesordnungspunkt 19: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität (Drucksache 11/4307) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/985) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Eid, Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Bezuschussung von bundesdeutschem Managementpersonal in der Dritten Welt aus der Entwicklungshilfe (Drucksache 11/1667) d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Steuerrechtliche Behandlung von Entschädigungszahlungen für HIV-infizierte Hämophile (Drucksache 11/4140) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Toetemeyer, Westphal, Dr. Ehmke (Bonn), Bahr, Bindig, Brück, Duve, Gansel, Dr. Glotz, Großmann, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Koschnick, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Renger, Schanz, Dr. Scheer, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Dr. Timm, Verheugen, Voigt (Frankfurt), Wieczorek-Zeul, Wischnewski, Würtz, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Mitbestimmung im Deutschen Entwicklungsdienst (Drucksache 11/4170) f) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Änderung des Berichtszeitraums für die Halbjahresberichte der Bundesregierung über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft, des Europarats und der Westeuropäischen Union (Drucksache 11/4241) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerster (Worms), Horn, Erler, Frau Fuchs (Verl), Heistermann, Dr. Klejdzinski, Kolbow, Koschnick, Leonhart, Steiner, Zumkley, Leidinger, Opel, Ibrügger, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Auszahlung der Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz an wehrübende Reservisten (Drucksache 11/3712) h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hoss, Frau Schoppe, Frau Unruh, Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Anrechnung nicht durchsetzbarer Unterhaltsansprüche auf die Arbeitslosenhilfe (Drucksache 11/4180) 10369 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Abgeordneten Horn, Frau Fuchs (Verl), Gerster (Worms), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Verlängerung von Grundwehrdienst und Zivildienst und zur Neuregelung der Dauer des Zivildienstes (Drucksache 11/4379) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Esslingen), Breuer, Kossendey, Dr. Uelhoff und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ronneburger, Dr. Hoyer, Nolting, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes (Drucksache 11/4436) Gerster (Worms) SPD 10370 C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 10376 C Frau Schilling GRÜNE 10377 C Dr. Hoyer FDP 10378 B Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial (Drucksache 11/3990) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Atommüllendlager „Schacht Konrad" in Salzgitter-Blekkenstedt (Drucksache 11/2002) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Leukämiemorbidität in der Umgebung des AKW Würgassen (Drucksache 11/2353) d) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterrichtung der Bevölkerung über die im Hanauer ALKEM-Bunker gelagerten Spaltstoffe (Drucksache 11/1682) IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 e) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Entsorgung der Kernkraftwerke und anderer kerntechnischer Einrichtungen (Drucksache 11/1632) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Stillegung und sicherer Einschluß des THTR 300 (Drucksache 11/4418) Harries CDU/CSU 10380 A Schütz SPD 10382 A Baum FDP 10384 B Frau Wollny GRÜNE 10385 C Dr. Friedrich CDU/CSU 10387 B Schmidt (Salzgitter) SPD 10389 C Dr.-Ing. Laermann FDP 10390 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . 10391 D Reuter SPD 10393 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10396 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 10399 A Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (Drucksachen 11/4085, 11/4390) Müntefering SPD 10399 D Pesch CDU/CSU 10401 A Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE . . . 10401D Zywietz FDP 10402 C Echternach, Parl. Staatssekretär BMBau 10403 C Vizepräsident Cronenberg 10404 D Tagesordnungspunkt 23: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Schmidbauer, Carstensen (Nordstrand), Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Kleinert (Hannover), Frau Dr. Segall, Dr. Weng (Gerlingen), Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffoxidemissionen aus Kraftfahrzeugen zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein, Bachmaier, Frau Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abgasentgiftung der Kraftfahrzeuge (Drucksachen 11/3598, 11/2009, 11/4402) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags des Abgeordneten Brauer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen überhöhte Geschwindigkeiten durch Lastkraftwagen (Drucksache 11/4419) Schmidbauer CDU/CSU 10405 B Frau Dr. Hartenstein SPD 10408 B Baum FDP 10412A Brauer GRÜNE 10413 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10414 D Brauer GRÜNE (zur GO) 10416D Bohl CDU/CSU 10417 A Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des KriegsdienstverweigerungsNeuordnungsgesetzes (Drucksachen 11/1942, 11/4388, 11/4409) Sauer (Stuttgart) CDU/CSU 10417 D Gilges SPD 10419 A Eimer (Fürth) FDP 10420 D Frau Schilling GRÜNE 10421 D Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG . 10422 D Tagesordnungspunkt 25: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Forderungen zur Situation der Polizeien in Bund und Ländern (Drucksachen 11/2243, 11/4056) Graf SPD 10424 B Kalisch CDU/CSU 10426 A Such GRÜNE 10428 A Dr. Hirsch FDP 10429 B Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 10430 C Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD . . . . 10431 D Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsver- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 V mittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) (Zu Protokoll gegebene Reden siehe Anlage 2) 10434 C Nächste Sitzung 10434 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10435* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) 10435* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 10291 140. Sitzung Bonn, den 27. April 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 2 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 28. 04. 89** Dr. Apel SPD 28.04.89 Dr. Blens CDU/CSU 27.04.89 Buschbom CDU/CSU 28.04.89 Büchner (Speyer) SPD 27.04.89 Clemens CDU/CSU 27.04.89 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 27. 04.89 Daweke CDU/CSU 28.04.89 Gattermann FDP 28.04.89 Großmann SPD 28.04.89 Dr. Hauff SPD 28. 04.89 Dr. Hitschler FDP 28.04.89 Dr. Holtz SPD 27. 04.89 Höffkes CDU/CSU 28. 04.89 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 28.04.89 Ibrügger SPD 28.04.89*** Kittelmann CDU/CSU 28.04.89 Koschnick SPD 28.04.89 Dr. Kreile CDU/CSU 28.04.89 Lamers CDU/CSU 27.04.89 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 28.04.89 Menzel SPD 28.04.89 Meyer SPD 27.04.89 Mischnick FDP 28.04.89 Dr. Mitzscherling SPD 28.04.89 Dr. Neuling CDU/CSU 28.04.89 Niegel CDU/CSU 28.04.89 * Dr. Osswald SPD 28.04.89 Frau Pack CDU/CSU 28.04.89 Paintner FDP 28.04.89 Poß SPD 27.04.89 Reddemann CDU/CSU 28.04.89 Reschke SPD 27.04.89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 28.04.89 Schröer (Mülheim) SPD 28.04.89 Spranger CDU/CSU 27.04.89 Stiegler SPD 28.04.89 Stobbe SPD 28.04.89 Frau Teubner GRÜNE 28.04.89 Dr. Unland CDU/CSU 28.04.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 28.04.89 Wischnewski SPD 28.04.89 Wüppesahl fraktionslos 27.04.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) Frau Dr. Lehr, Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Lassen Sie mich kurz den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes begründen, der heute in erster Lesung hier behandelt wird. Wir haben uns heute abend mit einem Gesetzentwurf zu beschäftigen, der auf einem schweren menschlichen Problem beruht. In unserem Land wird häufig vergessen, daß es eine große Gruppe von Ehepaaren gibt, die keine Kinder bekommen können, obwohl sie Kinder wollen. Dies ist keine kleine Gruppe; die Schätzungen schwanken zwischen 10 und 15 %. Und, meine Damen und Herren: Ich kann diesen Wunsch gut verstehen, denn Kinder machen Freude, Kinder bereichern das Leben, Kinder gehören einfach zum Leben dazu. Es gibt viele Wege, diesen Paaren zu helfen. Hierzu gehören neben der Verbesserung der medizinischen Diagnostik und Therapie ein Ausbau der Erforschung von Ursachen der Unfruchtbarkeit sowie verbesserte Beratungsmöglichkeiten für betroffene Paare. Hierzu bereitet die Bundesregierung einen Forschungsschwerpunkt vor. Doch mit den medizinischen Möglichkeiten, aber auch mit der engeren weltweiten Verflechtung haben sich auch neue Möglichkeiten für gewissenlose Geschäftemacher ergeben, die den Wunsch nach Kindern in nicht zu verantwortender Weise kommerziell ausnutzen. Mit dem heute in erster Lesung zu beratenden Entwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes sollen zwei Wege verbaut werden, bei denen Kinder auf ethisch nicht vertretbare Weise vermittelt werden. Dies ist zum ersten die Vermittlung von Leihmüttern, wie sie in Frankfurt und anderen Städten versucht worden ist. Hier gibt das geltende Recht schon Eingriffsmöglichkeiten, doch wir müssen hier mit größerer Härte vorgehen können. Wir müssen Umgehungspraktiken - bis hin zum Kinderhandel - unterbinden. Dies soll dieser Gesetzentwurf erreichen. Zum zweiten gibt es Vermittler, die kinderlosen Ehepaaren gegen Geld schwangere Frauen - meist aus der dritten Welt - zuführen und den Ehemann nach der Geburt des Kindes zu einer wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung veranlassen, um auf dem Wege einer anschließenden Ehelichkeitserklärung zu einem Kind zu kommen. Eine solche Vermittlung und Umgehung des Adoptionsvermittlungsgesetzes ist im besonderen Maße verwerflich. Wir können doch nicht zulassen, daß Frauen aus der Dritten Welt aus materieller Not von Geschäftemachern dazu gebracht werden, ihre Kinder zu verkaufen. Ich sage hier mit aller Entschiedenheit: Wer den Wunsch von Frauen und Männern, ein Kind zu bekommen, mit der materiellen Not anderer Frauen verbindet, um daraus Kapital zu schlagen, dem muß das Handwerk gelegt werden. 10436* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Der Gesetzentwurf stellt jedoch jede Form der Vermittlung von Ersatzmüttern unter Strafe — auch die unentgeltliche. Eine Strafverschärfung ist vorgesehen, wenn der Vermittler gegen Entgelt oder geschäftsmäßig handelt. Die Suche oder das Angebot von Bestelleltern oder Ersatzmüttern in Zeitungsanzeigen und sonstigen öffentlichen Erklärungen sollen mit Bußgeld bedroht werden. Auch wird der angesprochene zweite Fall mit Bußgeld belegt, nämlich derjenige, in dem schwangere Frauen an Männer vermittelt werden, die wahrheitswidrig die Vaterschaft für das Kind anerkennen. Diese Änderungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes sind nur ein erster, allerdings dringlicher Schritt zur Klärung der rechtlichen Fragen, die sich durch den medizinischen Fortschritt in der Fortpflanzungsmedizin ergeben. Ich bitte Sie, dieses Gesetz zügig zu beraten, damit wir den Mißständen entgegentreten können. Die Bundesregierung wird ihrerseits bald den Entwurf eines Embryonenschutzgesetzes vorlegen, das die sonstigen auf Bundesebene zu regelnden Fragen der Fortpflanzungsmedizin abdeckt. Schmidt (Salzgitter) (SPD): Mit der vorgelegten Novelle zum Adoptionsvermittlungsgesetz soll dem Unwesen des Kinderhandels über den Adoptionsmißbrauch Einhalt geboten werden. Es waren zwar vor einer Reihe von Monaten nicht sehr viele Fälle von mißbräuchlicher Form der Auslandsadoptionen, sie waren jedoch — siehe die Meldungen aus Frankfurt — außerordentlich spektakulär. Ein besonderer Teil des Adoptionsmißbrauchs ist die Ersatzmutterschaft. Sie ist spezieller Inhalt der vorliegenden Novelle. Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Gesetzesvorschlag, weil er die Not von Frauen einzugrenzen hilft und zugleich der Geschäftemacherei mit Kindern einen Riegel vorschiebt. Schon seit Jahren tritt die SPD für eine Beendigung der Ersatzoder Leih-Mutterschaft ein. Der Körper einer Frau darf — auch nicht zum Zwecke neu entstehenden Lebens — nicht zum Handelsobjekt und zum käuflichen Organ werden. Insofern gibt es auch mit der SPD hier keine Probleme, wenngleich wir feststellen, daß die Regelung mehr als überfällig ist; schließlich reden wir alle schon seit Beginn der Legislaturperiode von einer konkreten Umsetzung dieses Ansatzes. Kritik üben wir aber mit allem Nachdruck an der Unvollständigkeit des Gesetzeswerks, das wir als Stückwerk bezeichnen müssen. Immerhin fehlen die übrigen wichtigen Vorschriften gegen den Adoptionsmißbrauch, vor allem aber — wie es auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme ausgedrückt hat — die Vorschläge der Bundesregierung für ein Gesamtkonzept der Fortpflanzungsmedizin. Leider besteht trotz interessanter Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin" keine Kraft auf der Regierungsseite, die ebenfalls überfällige Initiative zu unternehmen. Der vorgesehenen Überweisung des Gesetzes-Entwurfs an die Ausschüsse stimmen wir zu. Frau Männle (CDU/CSU): „Babys auf Bestellung, Mütter à la carte zu Preisen ab 30 000 S." Mit diesem Angebot löste ein amerikanischer Babymakler im Oktober 1987 eine Welle öffentlicher Empörung angesichts moderner Formen der Vermarktung menschlichen Lebens im zivilisierten Westen aus, provozierte viele zum Nachdenken über die moralischen Grundlagen unseres Rechtssystems und zwang die politisch Verantwortlichen zum Handeln. Zeigt sich darin übertriebene Entrüstung einer fortschrittsskeptischen neuen Generation, die die Segnungen einer erfolgversprechenden Dienstleistungsbranche mit unbegründeter Verachtung straft? Ignorieren wir durch Verbote die berechtigten Interessen vieler Ehepaare, deren Wunsch nach einem eigenen Kind unerfüllt blieb? Leihmutterschaft ist keineswegs — wie einige meinen — eine Chance für selbstbestimmte Geschäfte, eine legitime und lukrative Einnahmequelle für Frauen, das Ende individuellen Leides für viele Ehepaare. Leihmutterschaft und Leihmuttervermittlung, eine schönfärberische Umschreibung für freiwilligunfreiwilligen Verkauf des eigenen Körpers bzw. für organisierte Vermarktung der Gebärfähigkeit von Frauen, für Degradierung menschlichen Lebens zur Handelsware, sind Ausdruck gesellschaftlich-kulturellen Rückschritts, erschreckende Beispiele einer totalen Entkopplung von Ethik und Kommerz. Für die Unionsparteien ist die Antwort eindeutig und vorbehaltlos: Nein zur Leihmutterschaft. Die Werteordnung des Grundgesetzes gilt auch für das Privatrecht; sie gebietet staatliche Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts von Frauen. Bei der Abwägung der legitimen Interessen von Ehepaaren auf Erfüllung ihres Kindeswunsches und dem gesellschaftlichen Interesse am Schutz des historisch gewachsenen Wertekodex müssen die langfristigen Folgen für die möglichen Verschiebungen unseres ethisch-moralischen Koordinatensystems, die negativen Wirkungen auf die gesellschaftliche Rolle und das Selbstverständnis von Frauen, die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, die Achtung des Rechts des Kindes auf einheitliche Elternschaft sowie die rechtlichen Probleme bei Vertragsstörungen stärker gewichtet werden. Aber auch die sozialen und psychischen Probleme, die in Leihfamilien entstehen könnten, müssen berücksichtigt werden. Durch eine Auftragsschwangerschaft, die vom Partner der Leihmutter, von ihren in der eigenen Familie lebenden Kindern einen erheblichen Rollenwechsel, ein zeitlich befristetes emotionales Sicheinstellen auf das werdende Leben fordern, könnten diese in unerträgliche Konfliktsituationen verstrickt werden. Mit dem heute in erster Lesung zu beratenden Gesetzentwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes löst die Bundesregierung ihr Versprechen ein, auf die perfiden Praktiken von Babyvermittlern mit klaren Verbotsnormen zu reagieren. Unter Strafe gestellt werden alle Formen der Ersatzmuttervermittlung, werden sie unentgeltlich, gegen Entgelt, Bewerbs- oder geschäftsmäßig betrieben. Darüber hinaus wird das Suchen — besser gesagt — Anheuern von sowie das Anbieten von bzw. Werben mit Leih- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 10437* müttern, z. B. durch Anzeigen oder Berichte in Zeitungen, verboten und mit einem Bußgeld belegt. Auch dubiose Geschäftspraktiken wie die des Grafen Adelmann von Adelmannsfelden werden durch den heute vorliegenden Gesetzentwurf rechtlich untersagt. Das Adoptionsvermittlungsgesetz wurde dadurch zu umgehen versucht, daß Adoptionswillige wahrheitswidrig die Vaterschaft für ein nichteheliches Kind zum Zwecke der Ehelicherklärung anerkennen. In den Ausschußberatungen müssen eingehend die Bedenken des Bundesrates, der gehörten Verbände sowie einiger Organisationen erörtert werden, insbesondere die Frage der Plazierung des Verbots der Ersatzmuttervermittlung im bestehenden Rechtssystem, die Koordinierung der einzelnen Gesetzesmaßnahmen im Bereich Fortpflanzungstechnologie, das Problem der Einstufung von Tatbeständen als Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Ferner muß überprüft werden, inwieweit das Adoptionsvermittlungsgesetz in der ergänzten Fassung ein effektives Instrumentarium zur Bekämpfung von Privatadoptionen und Kinderhandel aus der Dritten Welt, die unter dem Deckmantel der Legalität betrieben werden, darstellt. Über die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns, die Bestrafung der Ersatzmuttervermittlung, besteht weitgehend Konsens unter den Parteien. Mit einem enggeschnürten Gesetzespaket gegen alle Formen der Ersatzmuttervermittlung, gegen Mißbrauch bzw. Umgehungsversuche der Adoptionsvermittlung sind aber keineswegs die gesellschaftlichen Probleme gelöst. Die Motive von Bestelleltern und Leihmüttern müssen erforscht, die psychischen Folgekosten des vermeintlich technisch-medizinischen Fortschritts für Familien analysiert und den betroffenen Familien durch ein breit angelegtes Beratungsnetz wirksam geholfen werden. Die moralische Entrüstung über die Mißbrauchspraktiken in Ländern der Dritten Welt, Rufe nach Strafverschärfung, laufen ins Leere, wenn wir an Symptomen kurieren statt Ursachen zu bekämpfen. Korruption, Elend und Verzweiflung in den Ländern der Dritten Welt sind durch wohlklingende Absprachen auf höchster Regierungsebene nicht zu beheben. Trotz der vielen Fragezeichen sollten wir unverzüglich ein Signal setzen. Es geht um mehr als um die Bekämpfung unlauterer Geschäfte, es geht um die Achtung des Gebots unserer Verfassung: „Die Meschenwürde ist unantastbar" . Leihmutterschaft ist kein befristetes Beschäftigungsverhältnis auf Honorarbasis, Leihmutterschaft ist Pervertierung unseres kulturellen Erbes. „Rent an uterus" muß ein Fremdwort im deutschen Sprachgebrauch bleiben. Eimer (Fürth) (FDP): Die moderne Fortpflanzungsmedizin hat unsere Welt verändert. Die Medizin kann heute in vielen Fällen helfen, daß Ehepaare sich ihren Wunsch nach Kindern erfüllen können, der vorher nicht erfüllbar war. Die Fortpflanzungsmedizin hat aber auch viel Verunsicherung gebracht, weil die genetische Mutter nicht mehr automatisch mit der Mutter übereinstimmen muß, die das Kind austrägt. Daran schließen sich viele Fragen und Probleme juristischer vor allem aber ethischer Art. So muß man fragen, was passiert, wenn ein Kind behindert ist, wenn es von den Bestelleltern nicht abgenommen wird oder wenn die Leihmutter ihr Kind, das sie ausgetragen hat, nicht mehr abgeben will. Daneben gibt es eine Reihe von Fragen zu den überzähligen Embryonen, die bei dieser Technik entstehen und zur Zeit eingefroren sind. Nur einen Teil dieser auftretenden Probleme kann und will dieses Gesetz regeln. So soll die Vermittlung von Leihmüttern verboten werden, ganz gleich ob dies kommerziell oder unentgeltlich geschieht, desgleichen die Werbung in Anzeigen, die Ersatzmütter entweder sucht oder anbietet. Nicht bestraft werden sollen nach diesem Gesetz die Ersatzmutter und die Bestelleltern. Daneben bleiben eine Reihe von Fragen offen, die ich zum Teil bereits angesprochen habe, aber auch solche nach der Beurteilung der Ärzte, die solche Handlungen an Leihmüttern vornehmen, die, wie gesagt, in diesem Gesetz nicht geregelt werden können, sondern einem vorgesehenen Embryonenschutzgesetz vorbehalten bleiben sollen. Ich muß gestehen, daß ich mich bei der Regelung dieser Probleme schwertue, daß ich mir meiner Sache nicht sehr sicher bin. Ich glaube, es besteht Einigkeit, daß keine großen Sympathien für den kommerziellen Handel mit Ersatzmüttern und Kindern in unserem Volk bestehen. Aber die Probleme sind vielschichtig, und wir werden dieses Gesetz sehr eingehend beraten müssen, gerade unter ethischen Gesichtspunkten. Ich hoffe, daß gerade dieses Gesetz in den Ausschüssen mit sehr viel Ernsthaftigkeit beraten wird, daß wir uns im klaren sind über die Tragweite unserer Beschlüsse, ganz gleich, in welche Richtung wir tendieren, und ich halte es für wichtig, daß wir uns alle darüber im klaren sind, daß wir möglicherweise etwas beraten, das sich einer perfekten Regelung und einem menschlichen Richterspruch entzieht. Die FDP ist sich ihrer Verantwortung gerade bei dieser Diskussion bewußt, und wir hoffen auf eine entsprechende ernsthafte Beratung.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Vielen Dank, Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ihre Rede, Herr Kollege Vogel, war so, wie Sie sind:

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Ein Beckmesser!)

    selbstgefällig — davon sprachen Sie — , selbstgerecht, in weiten Passagen anmaßend — ich denke an Ihre europapolitischen Ausführungen — und vor allem ohne den menschlichen Respekt,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

    den sich auch politische Gegner in diesem Hause entgegenbringen sollten.

    (Zuruf von der SPD: Das sagen Sie!)

    Meine Damen und Herren, das hat uns nicht beeindruckt. Ein Oppositionsführer sollte mehr können, als Schmähreden auf die Regierung zu halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Er kann nicht mehr!)

    Er sollte in der Lage sein, intelligent und konstruktiv Alternativen zur Regierungspolitik zu entwickeln.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das hat er gemacht!)

    — Nein! Er hat zwölf Überschriften hintereinandergefügt, ohne eine einzige Überschrift näher darzulegen und zu begründen. Das waren keine Alternativen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Er hat sein Gefieder verloren!)

    Noch eines, Herr Kollege Vogel: Sie waren einmal Regierungsmitglied. Wer einmal Regierungsmitglied war, sollte nie die Fehlleistungen vergessen, für die er, seine damalige Regierung und seine Partei verantwortlich sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wundere mich, daß Sie so wenig von dem Argument Gebrauch machen, das wir in der Opposition immer verwandt haben. Wir haben in den 13 Jahren unserer Opposition immer auf die 20 Jahre glanzvoller CDU/CSU-Politik — in der Regel mit der FDP — hingewiesen, in der Deutschland aus den Trümmern des Krieges nach oben in die Spitze der Weltrangliste vorgerückt ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das kann die SPD nicht!)

    Sie reden nie von Ihrer Regierungszeit. Warum nicht?
    — Offenbar schämen Sie sich Ihrer Regierungszeit.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU — Lachen und Zurufe von der SPD)

    Am liebsten würden Sie ein Redeverbot verhängen, und Sie nehmen es uns übel, wenn wir diese Fehlleistungen in Erinnerung rufen. Ich muß Ihnen den Spiegel vorhalten, und zwar nicht nur Ihrer Worte, die flüchtig sind, sondern auch Ihrer Taten, als Sie in der Regierungsverantwortung standen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren von der SPD, 1969 übernahmen Sie ein glänzendes Erbe. Ich brauche nur den damaligen Oppositionsführer Rainer Barzel mit zwei Sätzen zu zitieren.

    (Dr. Vogel [SPD]: Es freut den Bundeskanzler aber, daß Sie Barzel zitieren!)

    Er sagte damals ohne Ihren Widerspruch: Sie
    — gemeint war Herr Brandt —
    treten Ihr Amt an bei Vollbeschäftigung, stabilem Geld und wohlgeordneten Finanzen. Seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland stand kein Bundeskanzler bei seinem Amtsantritt in einer vergleichbaren Situation.
    In der Tat, so war es 1969, bevor Sie die Regierung übernahmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Brück [SPD]: Weltwirtschaft!)

    — Reden Sie nur von der Weltwirtschaft! Auch heute sind wir in der Weltwirtschaft und müssen uns in ihr bewähren!



    Dr. Dregger
    Als Sie, meine Damen und Herren, 1982 nach 13 Jahren das Steuer des Staates wieder an uns abgeben mußten, hatte sich die Lage unseres Landes grundlegend verändert, und zwar grundlegend verschlechtert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus Vollbeschäftigung war Massenarbeitslosigkeit geworden,

    (Zuruf von der SPD: Und was haben Sie jetzt?)

    aus weitreichender Schuldenfreiheit ein hoch verschuldeter Staat, dessen Zinslast heute noch unsere Handlungsfähigkeit einschränkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch gewiß bemerkenswert, daß die jetzige Nettoneuverschuldung im wesentlichen zur Abdeckung der Zinslast für Ihre Altschulden in Anspruch genommen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Frau MatthäusMaier [SPD]: Lächerlich!)

    1982, als Sie mit Ihrem Regierungslatein am Ende waren, schien auch unser Land am Ende zu sein. Man sprach im Ausland schon von der „deutschen Krankheit" . Man glaubte, die Deutschen gehörten nicht mehr zur ersten Garnitur der Industrienationen.
    Der wirtschaftliche Abstieg unter Ihrer Verantwortung hatte schwerwiegende soziale Folgen. Die Verbraucherpreise stiegen damals im Jahresdurchschnitt um 5,3 %, mehr als jemals zuvor und mehr als jemals danach. Das blieb Ihrer Regierungszeit vorbehalten.
    Die Reallöhne der Arbeitnehmer und Rentner gingen zurück. Jetzt steigen sie wieder wie in der Zeit, bevor Sie die Regierungsverantwortung übernahmen.

    (Bohl [CDU/CSU]: So ist es! — Zuruf von der SPD: Wo?)

    Es ist wahr: Sie, meine Damen und Herren von der SPD, sind nicht nur die Partei der Geldentwertung und der Massenarbeitslosigkeit, Sie sind auch die Partei der sinkenden Reallöhne für Lohnempfänger und auch für Rentner.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Sie sind auf der falschen Veranstaltung!)

    Aber nicht nur das, Frau Matthäus-Maier — damals waren Sie noch nicht dabei — : Die SPD ist auch die Partei der massiven Steuererhöhungen. Sozialdemokraten haben in ihrer kurzen Regierungszeit von 1969 bis 1982 die Umsatzsteuer gleich dreimal erhöht, nämlich 1978, 1979 und 1981. Sozialdemokraten haben die Mineralölsteuer dreimal erhöht, nämlich 1972, 1973 und 1981. Am liebsten-würden Sie sie jetzt noch einmal ganz kräftig erhöhen. Das haben Sie doch auch angekündigt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Sozialdemokraten haben die Heizölsteuer, die Kraftfahrzeugsteuer und die Schaumweinsteuer je einmal erhöht, nämlich 1972, 1981 und 1982. Sozialdemokraten haben die Tabaksteuer dreimal erhöht, nämlich 1972, 1977 und 1982. Sozialdemokraten ha-
    ben die Branntweinsteuer gleich fünfmal erhöht, nämlich 1972, 1976, 1977, 1981 und 1982. Sie haben dem kleinen Mann nicht sein Schnäpschen gegönnt. Das ist die innere Einstellung der Sozialdemokraten.

    (Kühbacher [SPD]: Bei Ihnen sind Entzugserscheinungen festzustellen!)

    Sie erwarben sich in Ihrer Regierungszeit eben auch dieses Markenzeichen: Sie sind die Partei der massiven Steuererhöhungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Opel [SPD]: Herr Dregger, das nimmt Ihnen doch kein Mensch mehr ab!)

    Seit 1976 brachte jeder Ihrer Haushalte Einsparungen zu Lasten der sozial Schwachen, gekoppelt mit Strohfeuermilliarden für Investitionsprogramme, die ihre Wirkung nicht erzielten, sondern nur die Schulden erhöhten.
    Wie katastrophal Sie selbst die Lage beurteilt haben, wurde durch die Spargesetze vom 12. November 1981 deutlich, mit denen Sie dem kleinen Mann die Rechnung präsentierten. Über dreißigmal haben Sie damals zugegriffen, über dreißigmal haben Sie abkassiert, über dreißigmal haben Sie umverteilt.

    (Opel [SPD]: Sie sollten keine Geschichtsbücher schreiben!)

    Und wo? Sie haben gekürzt, gestrichen, verteuert bei der Krankenversicherung, bei der Rentenversicherung, beim Mutterschaftsgeld, beim Wohngeld, beim Schlechtwettergeld.

    (Kühbacher [SPD]: Und das ist im Bundesrat _ alles einstimmig verabschiedet worden!)

    Diese hektischen Reparaturversuche kurz vor dem Ende Ihrer Regierungszeit machen mehr als alles andere das völlige Scheitern sozialdemokratischer Regierungspolitik deutlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da das so ist, reden Sie nie über Ihre eigene Regierungszeit. Die Ergebnisse waren zu miserabel. Ich kann das ja verstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Bohl [CDU/ CSU]: Und der Herr Vogel war dabei!)

    Nach alldem ist es schon eine Frechheit, daß ausgerechnet die SPD sich jetzt in ihrer Propaganda als Anwalt der Armen und Entrechteten aufzuspielen versucht. Wer heute den sozialen Robin Hood spielen will, sollte nicht gestern im Steuer- und Sozialbereich die kleinen Leute so ausgenommen haben, wie Sie es in Ihrer Regierungsverantwortung getan haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Diese sozialdemokratische Panikpolitik


    (Müller [Pleisweiler] [SPD]: Das sind doch nur Unwahrheiten!)

    — das ist alles wahr; Sie können nichts bestreiten! — sollte nach Vorstellung der SPD mit dem Haushaltsentwurf 1983 und seinen Begleitgesetzen fortgesetzt werden. Es war gut für unsere Mitbürger und gut für



    Dr. Dregger
    Deutschland, daß Sie im Oktober 1982 aus der Regierungsverantwortung abgelöst wurden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Er träumt von der Vergangenheit, der besonnten Vergangenheit! Die Gegenwart tut es nicht!)

    Seit 1982 können wir mit der FDP wieder eine Politik der Stabilität, der Solidität, des Wirtschaftswachstums und der steigenden Realeinkommen für die breiten Schichten unseres Volkes verwirklichen.
    Dabei haben wir nicht nur, Herr Kollege Vogel, die Möglichkeiten der Europäischen Gemeinschaft, die wir ja vorangetrieben haben, und der weltwirtschaftlichen Entwicklung genutzt. Wir haben uns nicht nur in einem Geleitzug des Aufstiegs aufwärts bewegt.
    Wir sind seit 1986 die größte Exportnation der Erde, was wir vorher nicht gewesen sind. Wir sind seitdem auch Weltmeister in der Geldwertstabilität. Die Franzosen bezeichnen heute die D-Mark als die „force de frappe" der Deutschen. Deswegen werden wir zusammen mit der Bundesbank das Notwendige tun, um Auftriebstendenzen in Grenzen zu halten.

    (Stahl [Kempen] [SPD]: Weltmeister im Zickzack!)

    Ich weiß, ich weiß, das hören Sie nicht gern, und Sie hatten das offenbar auch nicht erwartet.

    (Dr. Vogel [SPD]: Ich hätte gedacht, Sie wählen einen zivilen Vergleich!)

    Seit Verlust Ihrer Regierungsverantwortung haben Sie mit Hilfe Ihnen genehmer Medien — leider nicht ohne Erfolg — versucht, ein Schweigegebot über Ihre Fehlleistungen zu verhängen. Wir durchbrechen dieses Schweigegebot, und wir durchbrechen es auch, wenn es um die Darstellung unserer großen Erfolge in den letzten sechseinhalb Jahren geht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Toll! — Stahl [Kempen] [SPD]: Reparaturbetrieb !)

    Sechseinhalb Jahre Bundeskanzler Helmut Kohl!

    (Dr. Vogel [SPD]: Bravo!)

    Wir haben in dieser kurzen Zeit nicht nur wirtschaftlich und sozial einen internationalen Status erreicht, um den uns die Welt beneidet. Fahren Sie doch ins Ausland — was Sie alle tun — und fragen Sie dort, wie die uns beurteilen.

    (Kühbacher [SPD]: Nur die in der Bundesrepublik nicht!)

    Wir haben vier große Reformen angepackt, die seit langem überfällig waren und die anzupacken Sie nicht die Kraft hatten.

    (Dr. Vogel [SPD]: Die heute zurückgepackt werden!)

    Es sind: die große Steuerreform,

    (Dr. Vogel [SPD]: Haha!) die Gesundheitsstrukturreform,


    (Dr. Vogel [SPD]: Quellensteuer!)

    die Rentenreform und die Postreform.

    (Dr. Vogel [SPD]: Flugbenzinsteuer!)

    Ich frage jetzt die Opposition konkret: Was davon wollen Sie rückgängig machen?

    (Dr. Vogel [SPD]: Das machen Sie doch schon selber!)

    Wollen Sie, daß die 500 000 Kleinverdiener, die dank unserer Steuerreform keine Lohn- und Einkommensteuer mehr zu zahlen brauchen, in Zukunft ihr Geld wieder beim Finanzamt abliefern sollen? Wollen Sie das?

    (Dr. Vogel [SPD]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Wollen Sie den durchgehenden Lohn- und Einkommensteuertarif rückgängig machen,

    (Kühbacher [SPD]: Bis ganz oben hin! — Dr. Vogel [SPD]: Durchgängig!)

    der zu einer Dauerentlastung unserer mittleren Leistungselite vom gut verdienenden Facharbeiter bis zum mittelständischen Unternehmer führt? Wollen Sie das rückgängig machen?

    (Zuruf von der SPD: Weiter! — Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt schweigen sie! — Gegenruf des Abg. Dr. Vogel [SPD]: „Schweigegebot"!)

    Wollen Sie das Ergebnis unserer Gesundheitsstrukturreform, nämlich Beitragssenkung und Beitragsstabilität und ambulante Hilfe für Schwerstpflegebedürftige bei sich zu Hause, rückgängig machen?

    (Dr. Penner [SPD]: Antworten Sie doch selber!)

    — Wir natürlich nicht. Denn das ist ja unsere Leistung.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das sagt ihr doch immer!)

    Wollen Sie den nun in das achte Jahr gehenden Aufschwung unserer wirtschaftlichen Leistungskraft stoppen? Wollen Sie den Anstieg der verfügbaren Arbeitnehmereinkommen um real 12 % seit 1982 kassieren, wie Sie es früher gemacht haben?

    (Dr. Vogel [SPD]: Warum muß der Finanzminister zurücktreten, wenn das alles so wunderbar ist?)

    Wollen Sie über 1 Million oder — wie die angesehene „Wirtschaftswoche" unter Bezugnahme auf die Volkszählung schreibt — 1,5 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze, die während unserer Regierungsverantwortung entstanden sind, gefährden?
    Wollen Sie unsere zusätzlichen jährlichen Leistungen an die Familien in Höhe von jetzt rund 16,5 Milliarden DM und, wie der Bundeskanzler heute morgen erklärt hat, ab 1990 von 18 Milliarden DM rückgängig machen?

    (Zuruf von der SPD: Die Familien wissen, wem Sie das zugeschustert haben!)

    Wollen Sie rückgängig machen, daß Europa an Dynamik gewonnen hat und den Durchbruch zum größten Markt der Erde vollzieht?



    Dr. Dregger
    Wollen Sie rückgängig machen, daß mehr Deutsche als jemals zuvor aus den beiden Staaten in Deutschland einander begegnet sind?
    Wollen Sie die von uns herbeigeführte Verminderung der Bleiemissionen von jährlich 2 000 t rückgängig machen? Wollen Sie also die Ausrüstung der Kraftfahrzeuge mit Katalysatoren rückgängig machen?
    Meine Damen und Herren der Opposition, keine unserer Leistungen und Erfolge werden Sie rückgängig machen können und in Wahrheit rückgängig machen wollen. Was Sie an Kritik äußern, ist nichts anderes als verzweifelte Pflichtübung und billige Effekthascherei. Meine Damen und Herren, daran kommen Sie nicht vorbei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Kühbacher [SPD]: Fragen Sie doch einmal, ob wir statt Sonnenschein Regen haben wollen! Das ist doch dieses Niveau!)

    Ich könnte unsere Erfolgsbilanz fortsetzen. Ich will darauf verzichten und zugleich bekennen, daß es unter unserer Verantwortung Einzelentscheidungen gegeben hat, die sich inzwischen als falsch herausgestellt haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Hört! Hört!)

    — Ihnen passiert so etwas nicht. Sie machen nichts falsch; ich weiß das. Herrn Kollegen Vogel wäre das bestimmt nicht passiert; der macht keine Fehler,

    (Sehr gut! bei der SPD) zumindest räumt er sie nicht ein.

    Nun wäre die Selbstkorrektur für Sie, meine Damen und Herren der SPD, in den Jahren Ihrer Regierungsverantwortung auch schwieriger gewesen, weil Einzelkorrekturen nicht gereicht hätten, weil Sie das Steuer insgesamt hätten herumwerfen müssen, wie wir als Ihre Nachfolger es dann getan haben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Kühbacher [SPD]: Und das immer mit der FDP!)

    Das brauchen wir jetzt nicht, denn unsere Politik ist richtig und außerordentlich erfolgreich.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!) Aber Einzelkorrekturen sind notwendig.

    Das gilt zunächst — ich wiederhole, was der Bundeskanzler gesagt hat — für die Wehrpflichtdauer. Die Bundeswehr ist eine Bündnisarmee. Wir haben Verständnis, daß unsere Alliierten darauf achten, daß wir einen angemessenen Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit in der Allianz leisten.

    (Kühbacher [SPD]: Die Bundeswehr ist auch kein Verschiebebahnhof!)

    Zugesagt haben wir aber nicht die Dauer der Wehrpflicht, sondern eine bestimmte Truppenpräsenz.

    (Zurufe von der SPD: Aha!)

    Nachdem sich herausgestellt hat, daß wir diese Truppenstärke in den nächsten Jahren auch ohne Wehrpflichtverlängerung zustande bringen können, setzen wir die Wehrpflichtverlängerung selbstverständlich aus.
    Meine Damen und Herren, es sind unsere Söhne, es sind die Söhne unseres Volkes, die in der Bundeswehr dienen. Wir fordern von unseren Söhnen, was für die Sicherheit unseres Landes notwendig ist, aber keinen Tag mehr.

    (Dr. Vogel [SPD]: Die haben Sie ganz schön schikaniert!)

    — Ich weiß nicht, ob Ihre Söhne auch in der Bundeswehr dienen.

    (Dr. Vogel [SPD]: In dem Alter nicht mehr! 38jährige brauchen wohl nicht mehr!)

    Wir korrigieren uns auch bei der Zinssteuer, einer Vorerhebungssteuer, die ja leider als Quellensteuer bezeichnet wurde und daher für die meisten unserer Mitbürger nicht begreifbar war. Es handelt sich um eine Vorerhebungssteuer, nicht um eine zusätzliche Steuer. Deswegen, Herr Kollege Vogel, kann auch nichts zurückgezahlt werden, denn die Steuerpflicht bestand vorher, und sie besteht auch in Zukunft, weil Zinseinkommen steuerpflichtig sind.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Irreführung!)

    Aber das Wort „Quellensteuer" zeigt, daß Fehler in der Semantik häufig größere Wirkungen haben, als sich sogenannte Fachleute selber eingestehen. Daß eine Zinssteuer von 10 %, die voll auf die Lohn- und Einkommensteuer anrechenbar ist, derartige Kapitalverlagerungen ins Ausland bewirken würde, haben wir, habe jedenfalls ich nicht erwartet.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Dilettantisch gemacht!)

    Die Harmonisierung im europäischen Bereich läßt auf sich warten. Es ist daher vernünftig, die sogenannte Quellensteuer abzuschaffen und bis zu einer europäischen Lösung, von der niemand weiß, wann und wie sie kommt, den alten Zustand wiederherzustellen.
    Schließlich überarbeiten wir das Fremdrentengesetz und das Sozialabkommen, das Bundeskanzler Helmut Schmidt 1975 mit der Volksrepublik Polen abgeschlossen hat und das zu Auswüchsen in einzelnen Fällen geführt hat, die wohl auch Bundeskanzler Helmut Schmidt nicht wollte, aber bewirkt hat.
    Wir wollen, daß diejenigen, die als Deutsche zu uns kommen, als unsere Mitbürger gleiche Rechte und gleiche Pflichten wie wir haben. Wir vergessen auch nicht, daß sie bei dem jüngeren Durchschnittsalter der Aussiedler im Vergleich zur Wohnbevölkerung hier keine zusätzliche Belastung, sondern eine Entlastung unserer Rentenversicherung bedeuten.
    Wie dem auch sei: Wir wollen vermeiden, daß auch nur der Anschein erweckt wird, als ob wir für irgend jemanden eine Vorzugsbehandlung haben wollten. Diejenigen, die als Deutsche zu uns kommen — die Aussiedler kommen als Deutsche zu uns — , haben eine solche Vorzugsbehandlung auch nie erwartet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind glücklich, daß sie nach jahrzehntelanger nationaler Unterdrückung unter kommunistischer Herrschaft jetzt als Deutsche mit Deutschen hier bei uns



    Dr. Dregger
    frei leben können. Wir sollten sie herzlich empfangen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, Wehrpflichtdauer, Quellensteuer, Fremdrentengesetz, das sind die großen Korrekturen, die wir in der Mitte der Legislaturperiode vornehmen. Es treten weitere von geringerer Bedeutung hinzu.
    Parlamentarier und auch Regierungsmitglieder sind keine Götter; wir alle sind irrende Menschen. Wer handelt, macht Fehler. Wer sich selbst korrigiert, bleibt regierungsfähig. Wer an seinen alten Fehlern festhält, ist regierungsunfähig. Das war Ihre Lage am Ende Ihrer Regierungsperiode.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich frage die SPD: Was haben Sie eigentlich getan, um wenigstens in der Zeit der Opposition aus Ihren Fehlern in Ihrer Regierungszeit zu lernen? Wo sind Ihre Korrekturen? Alles, was Sie von sich geben, erweckt den Eindruck: Sie waren nicht nur sehr teure Studenten — Franz Josef Strauß hat Helmut Schmidt einmal als den teuersten Studenten der Volkswirtschaft in Deutschland bezeichnet —, Sie und Ihre Oppositionsklasse — Herr Kollege Vogel, Sie werden manchmal als Oberlehrer bezeichnet — haben auch nichts dazugelernt. Sie müssen noch sehr lange lernen, ehe Sie wieder regierungsfähig werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, das zeigt Ihre Oppositionspolitik. Sie müssen erst noch Opposition lernen. Dafür einige Beispiele:
    Am 10. September 1987 behauptete der Kollege Vogel allen Ernstes, daß „die breiten Schichten geschröpft" würden. Er sah in der angeblich ungerechten Entwicklung der Arbeitnehmereinkommen ein „soziales Ärgernis". Tatsache ist, Herr Kollege Vogel: Die Realeinkommen der Arbeitnehmer sanken in den letzten Jahren Ihrer Regierungszeit.

    (Schluckebier [SPD]: In Ihrer doch auch!)

    Die Realeinkommen der Arbeitnehmer sind nicht wie in SPD-Zeiten gesunken; sie stiegen 1988 um etwa 3,5 bis 4,5 %. Zuvor von 1985 bis 1987 war es ein Realzuwachs von 8,5 %.
    Zweite Fehlprognose Vogels: Kollege Vogel sprach am 10. September 1987 von einer „Massenarbeitslosigkeit, die von neuem steigt" . Tatsache ist: Allein von November 1987 bis November 1988 sind 170 000 Arbeitsplätze hinzugekommen. Über eine Million zusätzliche Arbeitsplätze sind seit 1983 entstanden. Das ist mehr, als von der SPD in ihrer Regierungsverantwortung abgebaut wurden; das waren nämlich 820 000.
    Die „Wirtschaftswoche" spricht davon, daß die Zahl der Erwerbstätigen im ersten Quartal 1989 mit über 27 Millionen auf dem höchsten Stand seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland liegt. Darauf sind
    wir stolz, meine Damen und Herren. Das ist eine große Leistung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zwei wichtige Aufgaben der Arbeitsmarktpolitik hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung hervorgehoben: ein Programm zur Eingliederung der Dauerarbeitslosen und die Förderung von Teilzeitarbeitsplätzen. Das letzte hat nicht nur Bedeutung für den Arbeitsmarkt, sondern es ist auch ein Weg, um Frauen zu ermöglichen, gleichzeitig für ihre Kinder da zu sein und an der beruflichen Arbeit weiterhin teilnehmen zu können. Deswegen muß alles mögliche geschehen, um Teilzeitarbeit in Deutschland zu vermehren.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Teilzeitarbeit für Männer, die für ihre Kinder da sind!)

    Ein letztes Mal Herr Kollege Vogel mit einer Falschmeldung. Am 7. September 1988 behauptete er — ich zitiere ihn — : „Länder und Gemeinden zahlen die Zeche für die Steuerreform." Tatsache ist: Obgleich 1988 die zweite Stufe der Steuerreform in Kraft getreten ist, verzeichneten die Kommunen im ersten Halbjahr 1988 eine Zunahme der Steuereinnahmen von 8,9 %,

    (Dr. Vogel [SPD]: Aber doch nicht durch die Steuerreform!)

    bei der Gewerbesteuer sogar um mehr als 11 %.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das hat doch mit der Steuerreform nichts zu tun!)

    — Sie haben im Hinblick auf die Gemeindefinanzen durch die Steuerreform doch eine Katastrophe vorausgesagt!

    (Zuruf des Abg. Dr. Vogel [SPD])

    — Ich lege gerade dar — Herr Vogel, Sie werden mich nicht daran hindern, das darlegen zu können —, daß diese Prognose absolut falsch war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wissen eben nicht, daß Steuersenkungen im Rahmen einer aktiven Wirtschaftspolitik auch zu höheren Steuereinnahmen führen können, und das ist bei den Gemeindesteuern in diesen Jahren der Fall gewesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kühbacher [SPD]: Fragen Sie doch einmal Herrn Rommel, Herr Dregger!)

    Es ist doch so: Das Haushaltsdefizit der Gemeinden lag 1988 bei 2 Milliarden DM. 1981 hatte es noch 10 Milliarden DM betragen. Und die kommunalen Spitzenverbände sagen für dieses Jahr insgesamt einen Überschuß in den Gemeindefinanzen voraus.
    Meine Damen und Herren, alle diese Fehlbeurteilungen der SPD machen klar: Wer die Wirklichkeit nicht beurteilen kann, ist unfähig, die Zukunft dieses Landes zu gestalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)




    Dr. Dregger
    Herr Vogel, durch Ihr Bündnis mit den GRÜNEN und Alternativen wird es gewiß nicht besser, wie Berlin zeigt.

    (Dr. Vogel [SPD]: Jetzt kommt etwas Neues! Zuhören!)

    Ein Wort zu Berlin. Die Nettoneuverschuldung im Berliner Haushalt soll in diesem Jahr gegenüber dem Haushalt, den die Regierung Diepgen vorgelegt hat, um 80 % auf 1,4 Milliarden DM erhöht werden. Eine vergleichbare hohe Verschuldung hat es in der Geschichte Berlins, der Bundesrepublik Deutschland oder eines ihrer Bundesländer noch nicht gegeben. Wofür dieses Schuldengeld ausgegeben werden soll, ist typisch: natürlich für eine Personalvermehrung im öffentlichen Dienst mit 2 250 Neueinstellungen. Was das wohl für Leute sind, die da neu eingestellt werden sollen, ist eine Frage, die man vielleicht einmal stellen kann.
    Die Erbärmlichkeit der rot-grünen Politik in Berlin wird schließlich auch durch die beabsichtigte Schließung der Akademie der Wissenschaften deutlich. Diese Institution wird beseitigt, weil sie — ich zitiere — „eine elitäre Einrichtung" des früheren Berliner Senats sei, so der heutige Regierende Bürgermeister Momper. Dabei ist nicht die Akademie als solche, sondern ihre Selbständigkeit den Rot-Grünen ein Dorn im Auge. Die Aufgaben der Akademie sollen nämlich in Einrichtungen verlagert werden, die der politischen Kontrolle leichter zugänglich sind. Wann in der Geschichte des demokratischen Deutschlands hat es das jemals gegeben,

    (Dr. Rüttgers [CDU/CSU]: Noch nie! — Heiterkeit bei der SPD)

    daß eine Wissenschaftseinrichtung, eine Forschungsförderungseinrichtung aus politischen Gründen geschlossen werden soll? Das ist wirklich das erstemal; schlimm.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber nicht nur Finanzen und Freiheit der Wissenschaft sind bei Sozialdemokraten in schlechten Händen. Auch bei der inneren Sicherheit, dem Schutz des Bürgers vor Gewalt, ist unser Land mit Sozialdemokraten schlecht beraten. In Hamburgs Hafenstraße und Düsseldorfs Kiefernstraße sieht die SPD tatenlos zu, wie der Rechtsstaat verhöhnt wird. Wenn, meine Damen und Herren, das gewalttätige Tollhaus Hafenstraße in Hamburg den Steuerzahler bereits rund 15 Millionen DM gekostet hat, so wirft das nicht nur ein bezeichnendes Licht auf den Umgang der SPD mit dem Geld der Steuerzahler. Was wirkt zerstörerischer — das ist das Entscheidende für den Rechtsfrieden — als die Erfahrung der Menschen, daß Gewalt und Rechtsbruch nicht nur toleriert, sondern vom demokratischen Rechtsstaat sogar noch subventioniert wird?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir, die CDU/CSU, wünschen, daß SPD-geführte Landesregierungen gegen linke Gewalttäter mit derselben Unnachsichtigkeit vorgehen, wie wir es auch gegenüber rechten Gewalttätern für unabdingbar halten!
    Meine Damen und Herren, was für die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik gilt, gilt auch für unsere AuBen- und Sicherheitspolitik: Sie ist erfolgreich.
    Wir haben die Europapolitik unter deutscher Präsidentschaft vorangebracht. Der gemeinsame Binnenmarkt 1992 hat die Gemeinschaft mit neuem Leben und neuen Hoffnungen erfüllt. Niemand im Ausland bestreitet, daß das der persönliche Erfolg des deutschen Bundeskanzlers gewesen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Wir haben durch Verläßlichkeit sowohl in der Nachrüstungsfrage 1982/83 als auch in der Abrüstungspolitik neues Vertrauen gewonnen — in Ost und West. Das ist ein Fundus, mit dem es uns gelingen wird, den Konflikt durchzustehen, den es in der Allianz in der Frage von Rüstung und Abrüstung im atomaren Kurzstreckenbereich zur Zeit gibt.
    Unsere Interessen stimmen zur Zeit nicht in jeder Hinsicht mit den Vorstellungen unseres Hauptverbündeten überein.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Aha!)

    Wenn wir diesen für unsere deutsche Position, die wir formuliert haben, gewinnen können, dann nur mit Hilfe des großen Vertrauensvorrats, den wir, die Koalition, der Außenminister und insbesondere Bundeskanzler Helmut Kohl, in den hinter uns liegenden Jahren erarbeitet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wer die Weltmacht USA als unbedingten Gegner ansieht, wie die GRÜNEN es tun, oder wer mit einem solchen Gegner unseres Hauptverbündeten ein Regierungsbündnis abschließt wie die SPD — zunächst in Hessen, jetzt in Berlin, und wenn das Wahlergebnis es möglich machen würde, auch in der Bundesrepublik Deutschland — , wer zu einer solchen Politik fähig und bereit ist, ist unfähig, die deutschen Interessen wahrzunehmen. Das ist unmöglich!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn in Berlin eine der Hauptfiguren des SPD/AL-
    gestützten Senats den Präsidenten der USA, ohne die es ein freies Berlin gar nicht gäbe, als in Berlin unerwünscht bezeichnet, dann benimmt sich dieser Koalitionspartner der SPD nicht nur wie ein Rüpel, der alle Gepflogenheiten der internationalen Politik, insbesondere Staatsoberhäuptern gegegnüber, verletzt, sondern er ist zugleich ein politischer Irrläufer, der Berlin und Deutschland schadet, meine Damen und Herren, und mit solchen Leuten koaliert man nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir erwarten für Ende Mai — der Bundeskanzler berichtete es schon — den Besuch des amerikanischen Präsidenten Bush, dem wir seit langem durch Freundschaft verbunden sind. Im Juni kommt der sowjetische Generalsekretär Gorbatschow nach Bonn. Daß beide Besuche so kurz aufeinander folgen, zeigt, welches Ansehen der Bundeskanzler, die Bundesregierung hier und in der Welt besitzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)




    Dr. Dregger
    Ich habe an den Gesprächen des Bundeskanzlers in Moskau vom 24. bis 27. Oktober 1988 teilnehmen können.

    (Zuruf von der SPD: Wie schön für Sie!)

    Es waren gute Gespräche, die wir im Geist der Zusammenarbeit fortsetzen wollen. Wir sind fest entschlossen, auch in unseren Beziehungen zur Sowjetunion keine Chance ungenutzt zu lassen, die dem Frieden in Europa sowie den deutschen und den europäischen Interessen dient.
    Mit zusätzlichem politischen und ökonomischen Gewicht wächst auch unser Land in die Verantwortung für die Dritte Welt stärker hinein. Es gibt heute Probleme, die kein Staat mehr allein lösen kann, die aber Überlebensfragen der Menschheit sind. Dazu gehören die Abwehr der Gefährdung der Ozonschicht und die Einstellung des Raubbaus an den tropischen Regenwäldern. Der Bundeskanzler hat heute morgen dazu Stellung genommen. Wir begrüßen es, daß er gerade diese Frage zu seinem besonderen Anliegen gemacht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir arbeiten in der Koalition von FDP, CSU und CDU gut und vertrauensvoll zusammen.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Na, na! — Dr. Vogel [SPD]: „Pfleglicher Untergang"!)

    Die deutsche Position für die Verhandlungen in der Allianz zum Gesamtkonzept, zur Abrüstungsinitiative, zur Stationierungsentscheidung sind von CDU, CSU und FDP gemeinsam erarbeitet worden. Alle Koalitionspartner tragen dieses Konzept ohne jeden Vorbehalt in gleicher Weise. Ich sage das, damit niemand auf die Idee kommt, er könne die deutsche Position dadurch schwächen, daß er unseren Regierungs- und Koalitionskonsens auflöst. Unsere deutsche Position ist ein Vorschlag an unsere Verbündeten, ein Vorschlag, kein Ultimatum. Unser Ziel ist es, zu einer gemeinsamen Position in der Allianz zu kommen, der alle 16 Allianzpartner zustimmen können.
    Ich bitte unsere Verbündeten heute auch von dieser Stelle aus, sich in die unvergleichbare Lage unseres Volkes hineinzuversetzen, das als einziges in Europa geteilt ist und durch dessen Mitte die Militärgrenze von Ost und West verläuft. Unser Volk ist von allen Gefährdungen und Belastungen im geteilten Europa am meisten betroffen. Wir sind daher in besonderer Weise daran interessiert, die seit 1945 erstarrte Kriegsordnung im Konsens mit unseren Nachbarn und mit beiden Weltmächten schrittweise in eine Friedensordnung zu verwandeln, die auf den Menschenrechten und dem Selbstbestimmungsrecht der Völker beruht.
    Der Bundeskanzler hat seine Regierungsmannschaft umgegliedert.

    (Zuruf von der SPD: „Umgegliedert"!)

    Es sind gute und wohlüberlegte Entscheidungen, die wir voll mittragen. — Wenn Sie nur solche Leute hätten, wie wir sie in der Regierung besitzen!

    (Lachen bei der SPD)

    Was ist denn bei Ihnen? Gähnende Leere!

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Herrn Professor Scholz!)

    Daß der Vorsitzende der CSU, Theo Waigel, ein herausgehobenes Regierungsamt übernommen hat, zeigt, daß beide Unionsparteien fest entschlossen sind, ihr gemeinsames Programm zum Erfolg zu bringen und gemeinsam um den Sieg in Deutschland zu kämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Das habt ihr bisher nicht?)

    Wir haben nicht seit 1982 den Schutt Ihrer Regierungszeit weggeräumt,

    (Frau Traupe [SPD]: Ach, Herr Dregger!)

    wir haben nicht die ungeheuren Reformanstrengungen in den vier großen Reformwerken erfolgreich verwirklicht,

    (Dr. Vogel [SPD]: Genscher, Lambsdorff: Schutt, alles weggeräumt!)

    wir haben nicht unser Land in Ost und West, in Nord und Süd zu neuem Ansehen gebracht, um es 1990 einer rot-grünen Koalition zu überlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Das wäre wirklich das Letzte. Deswegen können Sie sich fest darauf verlassen, daß wir um den Sieg kämpfen werden, weil Deutschland diesen Sieg braucht.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und Beifall bei der FDP — Zurufe von der SPD: Hurra! Hurra! Hurra! — Frau Matthäus-Maier [SPD]: Der Wirtschaftsminister lacht!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Bundesminister des Auswärtigen, Herr Genscher.

(Frau Matthäus-Maier [SPD]: Der ganze Schutt wird weggeräumt! — Dr. Vogel [SPD]: Ein Stück Schutt! Der Mann mit dem Schutt!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege, die von Ihnen benannte Rednerin, Frau Kollegin Vollmer, hat Verständnis dafür gezeigt, daß ich jetzt spreche. Sie wird noch vor der Mittagspause reden können.
    Meine Damen und Herren, bevor ich zu den schwerwiegenden

    (Brück [SPD]: Vorwürfen des Kollegen Dregger komme! — Heiterkeit bei der SPD)

    außenpolitischen Fragen Stellung nehme, möchte ich mich, Herr Kollege, zwar nicht für Ihren Zwischenruf, wohl aber für die Unterstützung bedanken,

    (Amling [SPD]: Es geht um den Schutt!)

    die Herr Kollege Vogel der Hochschulpolitik meines Freundes Jürgen Möllemann zuteil werden ließ.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Ein höflicher Mensch!)




    Bundesminister Genscher
    Ich gehe davon aus, daß nunmehr alle sozialdemokratisch geführten Länder diese Politik unterstützen werden.

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, unsere Aussprache findet in einer Zeit statt, in der Europa in Bewegung geraten ist,

    (Zuruf von der SPD: Auch diese Regierung!)

    und es zeigt sich: Europa ist zwar getrennt, aber Europa ist unteilbar. Der kategorische Imperativ der europäischen Demokratien lautet, erstens den Einigungsprozeß in der Europäischen Gemeinschaft entschlossen fortzusetzen, zweitens die Trennung des ganzen Europa durch Zusammenarbeit, durch Verwirklichung der Menschenrechte, durch vertraglich vereinbarte Abrüstung und durch Vertrauensbildung zu überwinden und drittens niemals zu vergessen, daß beides nur möglich ist auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit in einem handlungsfähigen westlichen Bündnis.
    Eine europäische Friedensordnung, in der Grenzen ihren trennenden Charakter verlieren, in der die Völker ohne Furcht voreinander leben, in der sie über ihre eigene Staats- und Gesellschaftsordnung entscheiden können, ist nicht länger nur eine Vision. Die Chancen ihrer Verwirklichung sind gewachsen. Es geht darum, die kooperativen Elemente des Zusammenlebens auszubauen und zu verstärken. Unaufhaltsam und unübersehbar ist der Gezeitenwechsel in der europäischen internationalen Politik. Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Es ist die Idee der Entfeindung der internationalen Beziehungen.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Es ist die Idee der Entmilitarisierung der West-OstBeziehungen.

    (Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist die Idee der Entideologisierung der West-OstBeziehungen. Es ist die Idee von Dialog und Zusammenarbeit, die Idee vom Aufbau neuer Strukturen des Friedens.

    (Opel [SPD]: Das hört man aber anders aus der CDU!)

    Das sind die Themen, um die es auf der bevorstehenden Gipfelkonferenz des westlichen Bündnisses gehen muß.

    (Beifall bei der FDP, der SPD, den GRÜNEN und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die Kernfrage für den Westen lautet, ob er in der Demokratisierung und Reform der sozialistischen Staaten eine Gefahr sieht oder eine Chance erkennt und diese Chance zu nutzen bereit ist.

    (Beifall bei der FDP, der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der GRÜNEN)

    Die Antwort kann nur lauten: Das ist eine historische Chance. Wir dürfen sie nicht ungenutzt vorübergehen lassen. Nicht distanziert und passiv abzuwarten, sondern gestaltend Einfluß nehmen, das ist unsere Verantwortung. Das Kernelement der künftigen Struktur — —

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Grüner Außenminister!)

    — Frau Kollegin, wenn Sie sich wie ich zur NATO bekennen, wäre das bei Ihnen wirklich ein großer Fortschritt!

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kraus [CDU/CSU]: Die Abschreckung würde glaubwürdiger werden!)

    Ein Kernelement der künftigen Struktur Europas ist die Europäische Gemeinschaft. Sie gibt ein Beispiel schon verwirklichter europäischer Friedensordnung mit dem Herzstück der deutsch-französischen Zusammenarbeit. Nur mit einer dynamischen Europäischen Gemeinschaft kann eine neue und dauerhafte Friedensordnung in ganz Europa entstehen. Jetzt zeigt sich ja die zunehmende Anziehungskraft. Es zeigt sich die Attraktivität, die Faszination, die unser freiheitliches gesellschaftlich erfolgreiches Modell entfaltet. Wir haben wahrlich keinen Anlaß zu Kleinmut oder Sorge, wohl aber zu Zuversicht und Aktivität.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Aber nur mit einem handlungsfähigen westlichen Bündnis werden wir ohne Risiken die neuen Chancen im West-Ost-Verhältnis nutzen können.
    Wer wollte bestreiten, daß die Wahlen in der Sowjetunion gezeigt haben, wie stark der Gedanke der Demokratisierung im Denken und Wollen der Menschen in der Sowjetunion ist!

    (Beifall bei der FDP)

    Meine Damen und Herren, das war nicht nur eine Absage an die Reformgegner in der Sowjetunion, das war auch eine Absage an diejenigen im Westen, die meinten, Perestroika sei nur eine Spielwiese für Intellektuelle.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Nein, meine Damen und Herren, überall in der Welt wollen die Menschen Freiheit; sie machen von den geringsten Möglichkeiten der Freiheit Gebrauch.

    (Kühbacher [SPD]: Dregger, hören Sie mal zu!)

    Freiheit muß niemand lernen — das ist die Erkenntnis.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Dieser Reformprozeß in der Sowjetunion ist Ausdruck europäischer Besinnung. Realistische Perspektiven für eine grundlegend neue Gestaltung der Beziehungen der Staaten zueinander und für eine europäische Friedensordnung, so wie das vom HarmelBericht des Bündnisses gefordert wurde, werden sichtbar.
    Der Vertrag über die nuklearen Mittelstreckenraketen hat gezeigt, daß Abrüstung möglich und daß sie nachprüfbar ist und daß sie mehr Sicherheit schafft. Die Wiener Verhandlungen über die konventionelle



    Bundesminister Genscher
    Stabilität können gefördert werden durch eine neue Anstrengung bei den Genfer Verhandlungen über das weltweite Verbot der chemischen Waffen. Die Zeit ist reif dafür. Abrüstung darf keine Waffenkategorie aussparen. Das Gesamtkonzept, das im Mai in Brüssel verabschiedet werden soll, heißt: Konzept für Rüstungskontrolle und Abrüstung und nicht: für Rüstung.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und des Abg. Dr. Lippelt [Hannover] [GRÜNE])

    Warum also, meine Damen und Herren, sollte es die schon 1987 und 1988 erhobene Verhandlungsforderung aussparen?
    Ich denke, wir haben in Europa und auf dieser Welt vieles zu fürchten; aber was wir ganz gewiß nicht zu fürchten haben, sind Verhandlungen und auch nicht eine verhandlungsbereite Sowjetunion.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wer Abrüstung will, muß über Abrüstung verhandeln. Abrüstung erhält man nicht gegen die andere Seite, sondern nur in Verhandlungen mit ihr. Realistische Abrüstungspolitik verlangt, daß Abrüstungsschritte durch Verhandlungen und durch Verträge unumkehrbar gemacht werden,

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    damit es nicht zu einem Rückfall in einen neuen Rüstungswettlauf kommt.

    (Dr. Penner [SPD]: Wer ist eigentlich Adressat dieser Rede?)

    Die Bundesrepublik Deutschland leistet einen bedeutsamen Beitrag für die gemeinsame westliche Sicherheit; für die konventionelle Verteidigung leistet sie den bedeutsamsten Beitrag. Wir sind es den Bürgern unseres Landes und wir sind es den Soldaten unserer Bundeswehr, die ihren Friedens- und Freiheitsdienst leisten, schuldig, daß wir jede, aber auch jede Möglichkeit, durch Abrüstung zu mehr Sicherheit zu kommen, auch tatsächlich nutzen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Richtig!)

    Unser westliches Bündnis hat das große Ziel der Kriegsverhinderung. Das ist der Inhalt unserer gemeinsamen Strategie. Wir bekennen uns zu der Feststellung des Bündnisses, daß es, soweit voraussehbar, keine Alternative für das Konzept der Kriegsverhinderung durch Abschreckung auf der Grundlage einer geeigneten Zusammensetzung angemessener und wirksamer nuklearer und konventioneller Streitkräfte gibt. Bei den nuklearen Streitkräften sind unter den gegebenen Umständen land-, see- und luftgestützte Systeme auch in Europa notwendig. Aber wir wissen auch, daß die Bedeutung nuklearer Waffen für die Abschreckung vom Kriege um so geringer ist, je kürzer ihre Reichweite ist.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Es ist eine unabdingbare Doktrin unseres Bündnisses, daß nukleare Waffen dem politischen Ziel der Kriegsverhinderung dienen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Richtig!)

    Jedes andere Verständnis würde uns hinführen in ein Kriegsführungsszenario, das das Ende des ganzen Europas bedeuten würde.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Deshalb ist es notwendig, ein zusätzliches kooperatives Sicherheitsnetz zu schaffen, das die Verhinderung eines konventionellen und eines nuklearen Krieges noch sicherer macht. Wir wollen auch keinen sogenannten begrenzten Nuklearkrieg. Auch in diesem Sinne darf es keine Zonen unterschiedlicher Sicherheit geben, weder im Bündnis noch in Europa.
    Der Kern der Sicherheitsprobleme in Europa ist und bleibt die konventionelle Überlegenheit des Ostens. Diesen Zustand durch konventionelle Stabilität mit weniger Waffen und durch die Beseitigung der Fähigkeit zum Überraschungsangriff und zur raumgreifenden Offensive zu ersetzen, das ist das Ziel der Wiener Verhandlungen. Deshalb ist es so wichtig, daß für die Bundesregierung bei der Frage, ob sie ein Nachfolgesystem für die Kurzstreckenrakete Lance in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre für notwendig hält oder nicht, entscheidend ist, daß wir Vereinbarungen dieses Inhalts erreichen und daß wir die anderen Ziele erreichen, die in der Regierungserklärung genannt sind. Niemand kann heute hinreichend verläßlich voraussagen, wie die politische und die sicherheitspolitische Lage 1992 sein werden. Deshalb kann auch heute nicht entschieden werden, ob ein solches Nachfolgesystem 1992 für 1996 beschlossen werden muß oder nicht.
    Die Bundesrepublik Deutschland leistet mit ihrer Wehrpflichtarmee, der Bundeswehr, aber auch mit der Akzeptanz unserer Sicherheitspolitik durch die Bevölkerung einen unverzichtbaren Beitrag für die Sicherheit aller Bündnispartner. Meine Damen und Herren, darauf gründet sich unser Anspruch auf ein gewichtiges Wort, auch wenn es um Entscheidungen des Bündnisses über Verteidigung und über Rüstungskontrolle und Abrüstung geht.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Unser Bündnis freiheitlicher Demokratien ist in der Lage, in gleichzeitigem Respekt Verständigung über alle Fragen zu erreichen. Es ist keine Schwäche, wenn sich demokratische Staaten durch Diskussionen um einen gemeinsamen Weg bemühen.
    Wir haben — der Bundeskanzler hat das hier unterstrichen — keinen Nachholbedarf für einen Beweis unserer Entschlossenheit, das für die gemeinsame Sicherheit Notwendige zu tun. Wir haben dafür 1979 und 1983 bedeutsame Entscheidungen getroffen. Aber wir erwarten auch, daß alle Partner an unserer Seite stehen, wenn wir durch Verhandlungen die östliche Überlegenheit bei den Kurzstreckenraketen beseitigen wollen.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Wir erwarten auch Verständnis, wenn wir uns die Entscheidung darüber nicht leichtmachen, ob die Aufstellung neuer nuklearer Kurzstreckenraketen notwendig ist oder nicht.



    Bundesminister Genscher
    Nirgends ist die Überlegenheit des Ostens so groß wie bei den Kurzstreckenraketen. Es liegt daher im elementaren Sicherheitsinteresse des Westens, am Verhandlungstisch durch die Erreichung gleicher Obergrenzen, wie schon in Reykjavik gefordert, diese Überlegenheit abzubauen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Gleiche Obergrenzen! — Zurufe von den GRÜNEN: Null!)

    Die Bundesrepublik Deutschland teilt alle — ich stelle fest: teilt alle — Risiken der gegenwärtigen Sicherheitslage mit den anderen Bündnispartnern. Aber die Bedrohung durch die sowjetischen Kurzstreckenraketen betrifft besonders uns; die meisten anderen Partner erreicht sie nicht.

    (Rühe [CDU/CSU]: Das war schon vor zwei Jahren!)

    Meine Damen und Herren, die sowjetische Überlegenheit bei diesen Raketen durch Verhandlungen zu beseitigen, ist deshalb nicht nur verständlich; es entspricht auch der Grundphilosophie unseres Bündnisses, durch die Beseitigung von Überlegenheiten mehr Stabilität zu schaffen. Auf unserer Seite geht es bei der Entscheidung über neue nukleare Kurzstreckenraketen um Waffensysteme, die das polnische und das tschechische Volk erreichen können, die im Zweiten Weltkrieg so unendliches Leid ertragen mußten. Es geht um nukleare Kurzstreckensysteme, die den anderen Teil unseres Vaterlandes erreichen können.
    Wenn wir also zur Entscheidung darüber berufen sind, dann werden wir nicht vergessen — ich sage das hier in meiner ganz persönlichen Verantwortung — : Die Mitglieder der Bundesregierung leisten den Eid, ihre Kräfte dem Wohl des deutschen Volkes zu widmen. Die Verpflichtung aus diesem Eid endet nicht an der Grenze mitten durch Deutschland.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die damit begründete nationale Verantwortung schließt meine Heimat, schließt die Stadt, in der ich geboren bin, und schließt die Menschen, die in der DDR leben, nicht aus, nein, diese Verantwortung schließt diese Menschen ein.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU und der SPD)

    Wie ernst wir es mit der deutschen Nation meinen, das erweist sich nicht in Sonntagsreden, es erweist sich in dem täglichen Bemühen, Frieden und Stabilität und Menschenrechte in Europa zu stärken, in dem Bemühen um Zusammenarbeit und Abrüstung. Das Friedensangebot unseres Grundgesetzes gilt gegenüber allen europäischen Völkern. Wir haben den Beweis erbracht, daß wir mit Entschlossenheit das für die Bewahrung der Freiheit und Sicherheit Erforderliche tun, aber wir werden mit der gleichen Entschlossenheit jede mögliche Chance für Zusammenarbeit, Entspannung und Abrüstung nutzen.
    Ich appelliere an unsere amerikanischen Freunde, denen wir so unendlich viel verdanken, deren Luftbrücke für Berlin unvergessen ist und deren Beitrag für die europäische Sicherheit unverzichbar ist: Sie müssen keine Sorge haben wegen neuer Nachdenklichkeit bei uns. Sie müßten nur vor neuer Unbedenklichkeit bei uns Angst haben.

    (Beifall bei der FDP, der CDU/CSU, der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Bedenklichkeit und Nachdenklichkeit bei der Entscheidung über neue atomare Waffen ist Ausdruck von Verantwortung; sie ist alles andere als ein Zeichen von Schwäche, und sie sollte auch nicht als solche kritisiert werden. Sie ehrt die Bürger unseres Landes, sie ehrt alle, die zu politischer Verantwortung berufen sind.
    Wir Deutschen — das sagen wir allen unseren Freunden — suchen unsere Zukunft nicht im Alleingang. Mit der Entscheidung für die Demokratie und mit der Entscheidung für das westliche Bündnis und für die Europäische Gemeinschaft haben wir unwiderruflich unseren Standpunkt bezogen. Wir wissen ganz genau: Der Versuch, uns aus dieser Gemeinschaft zu lösen, der Versuch, das deutsche Schicksal aus seiner gesamteuropäischen Einbettung zu lösen, es zu enteuropäisieren, widerspräche dem europäischen Friedensauftrag unserer Verfassung. Das würde uns in West und Ost in die Isolierung führen.
    Wir haben durch unsere Mitgliedschaft in der Gemeinschaft der westlichen Demokratien verantwortlichen Gebrauch von der am 8. Mai 1945 wiedergewonnenen Freiheit gemacht. Wir sind damit die tiefgreifendste Verbindung eingegangen, die Staaten eingehen können, die Verbindung der Grundwerte.
    Aber wir Deutschen haben auch Nachbarn, die dieser Gemeinschaft westlicher Demokratien nicht angehören, die aber Schreckliches im Zweiten Weltkrieg erlitten haben, Nachbarn, die auch Frieden wollen. Wir Deutschen können und wollen nicht vergessen, was dem polnischen Volk geschah, und auch nicht die Leiden und Opfer der Völker der Sowjetunion. Die leidvollen Erfahrungen dieses Jahrhunderts lassen diese Völker aufmerksam und wachsam auf uns blikken. Wenn es wahr ist, daß West und Ost eine Brücke des Vertrauens brauchen, dann müssen wir Deutschen den Hauptpfeiler dieser Brücke des Vertrauens bauen.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

    Es ist keine Anmaßung und es ist keine Überheblichkeit, sondern es ist eine tief begründete Einsicht in unsere geschichtliche Aufgabe, wenn wir Deutschen eine besondere Verantwortung für die Vertrauensbildung zwischen West und Ost spüren und wenn wir danach handeln.
    Meine Damen und Herren, es hat ganz andere Ziele deutscher Politik in diesem Jahrhundert gegeben als das Bemühen um gute Nachbarschaft mit allen Europäern. Europa hat heute nach zwei mörderischen Weltkriegen, nach Jahrzehnten der Konfrontation zwischen West und Ost die historische Chance, sich eine dauerhafte, gesamteuropäische Friedensordnung zu geben. Dabei haben wir als Deutsche einen besonderen Auftrag. 1945 hat der französische Diplomat und Dichter Paul Claudel geschrieben: Deutschland ist nicht dazu da, die Völker zu spalten, sondern dazu all die unterschiedlichen Nationen, die es umge-



    Bundesminister Genscher
    ben, spüren zu lassen, daß sie ohneeinander nicht leben können.
    Dieser Friedensverantwortung werden wir gerecht werden.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Beifall bei der SPD und des Abg. Schily [GRÜNE])