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    Plenarprotokoll 11/140 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 140. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Inhalt: Begrüßung des Präsidenten des Folketing des Königreichs Dänemark, Herrn Erik Ninn-Hansen, und der Mitglieder seiner Delegation 10291 A Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Hoss 10291 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 10291 B Absetzung des Punktes 18 — Regelung des Geschäftswertes bei land- oder forstwirtschaftlichen Betriebsübergaben — und der Aktuellen Stunde — Chancen der Deeskalation infolge der Unterbrechung des Hungerstreiks durch zwei RAF-Mitglieder — von der Tagesordnung 10291 C Tagesordnungspunkt 3: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zur künftigen Regierungsarbeit Dr. Kohl, Bundeskanzler 10291 D Dr. Vogel SPD 10304 D Dr. Dregger CDU/CSU 10316B Genscher, Bundesminister AA 10322 D Frau Dr. Vollmer GRÜNE 10326 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD 10329 C Dr. Waigel, Bundesminister BMF . . 10332 C Frau Matthäus-Maier SPD 10339 D Dr. Graf Lambsdorff FDP 10342 B Frau Trenz GRÜNE 10348A Dr. Penner SPD 10349 B Frau Traupe SPD (zur GO) 10351 D Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI (zur GO) 10352 A Bohl CDU/CSU (zur GO) 10352 B Dr. Vogel SPD (zur GO) 10353 C Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMVg 10354 A Schäfer (Offenburg) SPD 10356 A Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10359A Frau Wollny GRÜNE 10360A Dreßler SPD 10361A Cronenberg (Arnsberg) FDP 10363 C Eich GRÜNE 10364 C Jahn (Marburg) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 10365 C Namentliche Abstimmungen . . . 10366A, B, C Ergebnisse 10372A, 10373C, 10375A Tagesordnungspunkt 4: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Gesundheitsgefährdung durch Kosmetika — Verbot von Natriumlaurylsulfat in Zahncremes und Deklarationspflicht für alle Inhaltsstoffe von Kosmetika (Drucksachen 11/871, 11/2978) 10366D Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN: Stopp der Atomexporte (Drucksachen 11/1169, 11/3001) 10366D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Saibold, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kennzeichnung von Milch, Milchprodukten und Säuglingsnahrung mit Werten radioaktiver Belastung und Ausweitung des Meßstellennetzes (Drucksachen 11/486, 11/3925) . . . 10366D Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Massendemonstrationen in den baltischen Staaten (Drucksachen 11/2729, 11/4004) 10367 A Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zu den Menschenrechten in der Sowjetunion (Drucksachen 11/255, 11/4005) . . . 10367 A Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zur Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Errichtung einer europäischen Stiftung für Osteuropa-Forschung (Drucksachen 10/6274, 11/883 Nr. 9, 11/4029) . . . 10367 B Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers für Wirtschaft Rechnungslegung über das Sondervermögen des Bundes „Ausgleichsfonds zur Sicherung des Steinkohleneinsatzes" — Wirtschaftsjahr 1986 — (Drucksachen 11/1508, 11/4157) 10367 B Tagesordnungspunkt 11: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in Düsseldorf gem. § 64 Abs. 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksachen 11/3797, 11/4162) 10367 C Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung a) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide b) Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates mit Grundregeln für die Prämie zur Verwertung von Getreide als Futtermittel im Wirtschaftsjahr 1989/90 (Drucksachen 11/3882 Nr. 3.5, 11/4167) 10367 C Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung des Rechtsausschusses: Übersicht 11 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht (Drucksache 11/4207) . 10367 D Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über das LINGUA-Programm zur Förderung der fremdsprachlichen Ausbildung in der Europäischen Gemeinschaft Vorschlag für eine Entscheidung des Rates zur Förderung des Fremdsprachenunterrichts in der Europäischen Gemeinschaft als Bestandteil des LINGUA-Programms (Drucksachen 11/4019 Nr. 2.43, 11/4240) 10367 D Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Änderung von Anhang A der Richtlinie 85/397/EWG bezüglich des Gefrierpunktes der Milch (Drucksachen 11/3927 Nr. 3.9, 11/4243) 10368 A Tagesordnungspunkt 16: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für die 12. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie des Rates betreffend Gesellschaften mit beschränkter Haftung mit einem einzigen Gesellschafter (Drucksachen 11/2724 Nr. 1, 11/2766, 11/4346) 10368A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 III Tagesordnungspunkt 17: Beratung der Beschlußempfehlungen des Petitionsausschusses: Sammelübersichten 107 und 108 zu Petitionen (Drucksachen 11/4382, 11/4383) 10386A Tagesordnungspunkt 19: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Europäischen Übereinkommen vom 16. Mai 1972 über Staatenimmunität (Drucksache 11/4307) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Änderung der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (Drucksache 11/985) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Eid, Volmer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Bezuschussung von bundesdeutschem Managementpersonal in der Dritten Welt aus der Entwicklungshilfe (Drucksache 11/1667) d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Steuerrechtliche Behandlung von Entschädigungszahlungen für HIV-infizierte Hämophile (Drucksache 11/4140) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Toetemeyer, Westphal, Dr. Ehmke (Bonn), Bahr, Bindig, Brück, Duve, Gansel, Dr. Glotz, Großmann, Dr. Hauchler, Dr. Holtz, Koschnick, Luuk, Dr. Niehuis, Dr. Osswald, Renger, Schanz, Dr. Scheer, Schluckebier, Dr. Soell, Stobbe, Dr. Timm, Verheugen, Voigt (Frankfurt), Wieczorek-Zeul, Wischnewski, Würtz, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Mitbestimmung im Deutschen Entwicklungsdienst (Drucksache 11/4170) f) Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Änderung des Berichtszeitraums für die Halbjahresberichte der Bundesregierung über die Tätigkeit der Europäischen Gemeinschaft, des Europarats und der Westeuropäischen Union (Drucksache 11/4241) g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerster (Worms), Horn, Erler, Frau Fuchs (Verl), Heistermann, Dr. Klejdzinski, Kolbow, Koschnick, Leonhart, Steiner, Zumkley, Leidinger, Opel, Ibrügger, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Auszahlung der Leistungen nach dem Unterhaltssicherungsgesetz an wehrübende Reservisten (Drucksache 11/3712) h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Hoss, Frau Schoppe, Frau Unruh, Frau Beck-Oberdorf und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Anrechnung nicht durchsetzbarer Unterhaltsansprüche auf die Arbeitslosenhilfe (Drucksache 11/4180) 10369 B Tagesordnungspunkt 20: Erste Beratung des von den Abgeordneten Horn, Frau Fuchs (Verl), Gerster (Worms), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aufhebung der Verlängerung von Grundwehrdienst und Zivildienst und zur Neuregelung der Dauer des Zivildienstes (Drucksache 11/4379) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Abgeordneten Hauser (Esslingen), Breuer, Kossendey, Dr. Uelhoff und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Ronneburger, Dr. Hoyer, Nolting, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Aussetzung der Verlängerung des Grundwehrdienstes (Drucksache 11/4436) Gerster (Worms) SPD 10370 C Hauser (Esslingen) CDU/CSU 10376 C Frau Schilling GRÜNE 10377 C Dr. Hoyer FDP 10378 B Tagesordnungspunkt 21: a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 26. Oktober 1979 über den physischen Schutz von Kernmaterial (Drucksache 11/3990) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Atommüllendlager „Schacht Konrad" in Salzgitter-Blekkenstedt (Drucksache 11/2002) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Leukämiemorbidität in der Umgebung des AKW Würgassen (Drucksache 11/2353) d) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterrichtung der Bevölkerung über die im Hanauer ALKEM-Bunker gelagerten Spaltstoffe (Drucksache 11/1682) IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 e) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung zur Entsorgung der Kernkraftwerke und anderer kerntechnischer Einrichtungen (Drucksache 11/1632) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Brauer, Dr. Daniels (Regensburg), Frau Flinner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Stillegung und sicherer Einschluß des THTR 300 (Drucksache 11/4418) Harries CDU/CSU 10380 A Schütz SPD 10382 A Baum FDP 10384 B Frau Wollny GRÜNE 10385 C Dr. Friedrich CDU/CSU 10387 B Schmidt (Salzgitter) SPD 10389 C Dr.-Ing. Laermann FDP 10390 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . 10391 D Reuter SPD 10393 D Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10396 B Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 10399 A Tagesordnungspunkt 22: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung über den Abbau der Fehlsubventionierung im Wohnungswesen (Drucksachen 11/4085, 11/4390) Müntefering SPD 10399 D Pesch CDU/CSU 10401 A Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE . . . 10401D Zywietz FDP 10402 C Echternach, Parl. Staatssekretär BMBau 10403 C Vizepräsident Cronenberg 10404 D Tagesordnungspunkt 23: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu dem Antrag der Abgeordneten Schmidbauer, Carstensen (Nordstrand), Dörflinger, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Baum, Kleinert (Hannover), Frau Dr. Segall, Dr. Weng (Gerlingen), Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP: Weitere Maßnahmen zur Reduzierung der Stickstoffoxidemissionen aus Kraftfahrzeugen zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Hartenstein, Bachmaier, Frau Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abgasentgiftung der Kraftfahrzeuge (Drucksachen 11/3598, 11/2009, 11/4402) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags des Abgeordneten Brauer und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen überhöhte Geschwindigkeiten durch Lastkraftwagen (Drucksache 11/4419) Schmidbauer CDU/CSU 10405 B Frau Dr. Hartenstein SPD 10408 B Baum FDP 10412A Brauer GRÜNE 10413 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . 10414 D Brauer GRÜNE (zur GO) 10416D Bohl CDU/CSU 10417 A Tagesordnungspunkt 24: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des KriegsdienstverweigerungsNeuordnungsgesetzes (Drucksachen 11/1942, 11/4388, 11/4409) Sauer (Stuttgart) CDU/CSU 10417 D Gilges SPD 10419 A Eimer (Fürth) FDP 10420 D Frau Schilling GRÜNE 10421 D Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMJFFG . 10422 D Tagesordnungspunkt 25: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Forderungen zur Situation der Polizeien in Bund und Ländern (Drucksachen 11/2243, 11/4056) Graf SPD 10424 B Kalisch CDU/CSU 10426 A Such GRÜNE 10428 A Dr. Hirsch FDP 10429 B Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 10430 C Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD . . . . 10431 D Tagesordnungspunkt 26: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsver- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 V mittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) (Zu Protokoll gegebene Reden siehe Anlage 2) 10434 C Nächste Sitzung 10434 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 10435* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) 10435* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 10291 140. Sitzung Bonn, den 27. April 1989 Beginn: 9.00 Uhr
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    *) Anlage 2 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) Fraktion entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens SPD 28. 04. 89** Dr. Apel SPD 28.04.89 Dr. Blens CDU/CSU 27.04.89 Buschbom CDU/CSU 28.04.89 Büchner (Speyer) SPD 27.04.89 Clemens CDU/CSU 27.04.89 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 27. 04.89 Daweke CDU/CSU 28.04.89 Gattermann FDP 28.04.89 Großmann SPD 28.04.89 Dr. Hauff SPD 28. 04.89 Dr. Hitschler FDP 28.04.89 Dr. Holtz SPD 27. 04.89 Höffkes CDU/CSU 28. 04.89 Frau Hürland-Büning CDU/CSU 28.04.89 Ibrügger SPD 28.04.89*** Kittelmann CDU/CSU 28.04.89 Koschnick SPD 28.04.89 Dr. Kreile CDU/CSU 28.04.89 Lamers CDU/CSU 27.04.89 Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 28.04.89 Menzel SPD 28.04.89 Meyer SPD 27.04.89 Mischnick FDP 28.04.89 Dr. Mitzscherling SPD 28.04.89 Dr. Neuling CDU/CSU 28.04.89 Niegel CDU/CSU 28.04.89 * Dr. Osswald SPD 28.04.89 Frau Pack CDU/CSU 28.04.89 Paintner FDP 28.04.89 Poß SPD 27.04.89 Reddemann CDU/CSU 28.04.89 Reschke SPD 27.04.89 Dr. Schneider (Nürnberg) CDU/CSU 28.04.89 Schröer (Mülheim) SPD 28.04.89 Spranger CDU/CSU 27.04.89 Stiegler SPD 28.04.89 Stobbe SPD 28.04.89 Frau Teubner GRÜNE 28.04.89 Dr. Unland CDU/CSU 28.04.89 Frau Wilms-Kegel GRÜNE 28.04.89 Wischnewski SPD 28.04.89 Wüppesahl fraktionslos 27.04.89 * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zu Punkt 26 der Tagesordnung: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes (Drucksache 11/4154) Frau Dr. Lehr, Bundesminister für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit: Lassen Sie mich kurz den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes begründen, der heute in erster Lesung hier behandelt wird. Wir haben uns heute abend mit einem Gesetzentwurf zu beschäftigen, der auf einem schweren menschlichen Problem beruht. In unserem Land wird häufig vergessen, daß es eine große Gruppe von Ehepaaren gibt, die keine Kinder bekommen können, obwohl sie Kinder wollen. Dies ist keine kleine Gruppe; die Schätzungen schwanken zwischen 10 und 15 %. Und, meine Damen und Herren: Ich kann diesen Wunsch gut verstehen, denn Kinder machen Freude, Kinder bereichern das Leben, Kinder gehören einfach zum Leben dazu. Es gibt viele Wege, diesen Paaren zu helfen. Hierzu gehören neben der Verbesserung der medizinischen Diagnostik und Therapie ein Ausbau der Erforschung von Ursachen der Unfruchtbarkeit sowie verbesserte Beratungsmöglichkeiten für betroffene Paare. Hierzu bereitet die Bundesregierung einen Forschungsschwerpunkt vor. Doch mit den medizinischen Möglichkeiten, aber auch mit der engeren weltweiten Verflechtung haben sich auch neue Möglichkeiten für gewissenlose Geschäftemacher ergeben, die den Wunsch nach Kindern in nicht zu verantwortender Weise kommerziell ausnutzen. Mit dem heute in erster Lesung zu beratenden Entwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes sollen zwei Wege verbaut werden, bei denen Kinder auf ethisch nicht vertretbare Weise vermittelt werden. Dies ist zum ersten die Vermittlung von Leihmüttern, wie sie in Frankfurt und anderen Städten versucht worden ist. Hier gibt das geltende Recht schon Eingriffsmöglichkeiten, doch wir müssen hier mit größerer Härte vorgehen können. Wir müssen Umgehungspraktiken - bis hin zum Kinderhandel - unterbinden. Dies soll dieser Gesetzentwurf erreichen. Zum zweiten gibt es Vermittler, die kinderlosen Ehepaaren gegen Geld schwangere Frauen - meist aus der dritten Welt - zuführen und den Ehemann nach der Geburt des Kindes zu einer wahrheitswidrigen Vaterschaftsanerkennung veranlassen, um auf dem Wege einer anschließenden Ehelichkeitserklärung zu einem Kind zu kommen. Eine solche Vermittlung und Umgehung des Adoptionsvermittlungsgesetzes ist im besonderen Maße verwerflich. Wir können doch nicht zulassen, daß Frauen aus der Dritten Welt aus materieller Not von Geschäftemachern dazu gebracht werden, ihre Kinder zu verkaufen. Ich sage hier mit aller Entschiedenheit: Wer den Wunsch von Frauen und Männern, ein Kind zu bekommen, mit der materiellen Not anderer Frauen verbindet, um daraus Kapital zu schlagen, dem muß das Handwerk gelegt werden. 10436* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 Der Gesetzentwurf stellt jedoch jede Form der Vermittlung von Ersatzmüttern unter Strafe — auch die unentgeltliche. Eine Strafverschärfung ist vorgesehen, wenn der Vermittler gegen Entgelt oder geschäftsmäßig handelt. Die Suche oder das Angebot von Bestelleltern oder Ersatzmüttern in Zeitungsanzeigen und sonstigen öffentlichen Erklärungen sollen mit Bußgeld bedroht werden. Auch wird der angesprochene zweite Fall mit Bußgeld belegt, nämlich derjenige, in dem schwangere Frauen an Männer vermittelt werden, die wahrheitswidrig die Vaterschaft für das Kind anerkennen. Diese Änderungen des Adoptionsvermittlungsgesetzes sind nur ein erster, allerdings dringlicher Schritt zur Klärung der rechtlichen Fragen, die sich durch den medizinischen Fortschritt in der Fortpflanzungsmedizin ergeben. Ich bitte Sie, dieses Gesetz zügig zu beraten, damit wir den Mißständen entgegentreten können. Die Bundesregierung wird ihrerseits bald den Entwurf eines Embryonenschutzgesetzes vorlegen, das die sonstigen auf Bundesebene zu regelnden Fragen der Fortpflanzungsmedizin abdeckt. Schmidt (Salzgitter) (SPD): Mit der vorgelegten Novelle zum Adoptionsvermittlungsgesetz soll dem Unwesen des Kinderhandels über den Adoptionsmißbrauch Einhalt geboten werden. Es waren zwar vor einer Reihe von Monaten nicht sehr viele Fälle von mißbräuchlicher Form der Auslandsadoptionen, sie waren jedoch — siehe die Meldungen aus Frankfurt — außerordentlich spektakulär. Ein besonderer Teil des Adoptionsmißbrauchs ist die Ersatzmutterschaft. Sie ist spezieller Inhalt der vorliegenden Novelle. Die SPD-Fraktion begrüßt diesen Gesetzesvorschlag, weil er die Not von Frauen einzugrenzen hilft und zugleich der Geschäftemacherei mit Kindern einen Riegel vorschiebt. Schon seit Jahren tritt die SPD für eine Beendigung der Ersatzoder Leih-Mutterschaft ein. Der Körper einer Frau darf — auch nicht zum Zwecke neu entstehenden Lebens — nicht zum Handelsobjekt und zum käuflichen Organ werden. Insofern gibt es auch mit der SPD hier keine Probleme, wenngleich wir feststellen, daß die Regelung mehr als überfällig ist; schließlich reden wir alle schon seit Beginn der Legislaturperiode von einer konkreten Umsetzung dieses Ansatzes. Kritik üben wir aber mit allem Nachdruck an der Unvollständigkeit des Gesetzeswerks, das wir als Stückwerk bezeichnen müssen. Immerhin fehlen die übrigen wichtigen Vorschriften gegen den Adoptionsmißbrauch, vor allem aber — wie es auch der Bundesrat in seiner Stellungnahme ausgedrückt hat — die Vorschläge der Bundesregierung für ein Gesamtkonzept der Fortpflanzungsmedizin. Leider besteht trotz interessanter Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Fortpflanzungsmedizin" keine Kraft auf der Regierungsseite, die ebenfalls überfällige Initiative zu unternehmen. Der vorgesehenen Überweisung des Gesetzes-Entwurfs an die Ausschüsse stimmen wir zu. Frau Männle (CDU/CSU): „Babys auf Bestellung, Mütter à la carte zu Preisen ab 30 000 S." Mit diesem Angebot löste ein amerikanischer Babymakler im Oktober 1987 eine Welle öffentlicher Empörung angesichts moderner Formen der Vermarktung menschlichen Lebens im zivilisierten Westen aus, provozierte viele zum Nachdenken über die moralischen Grundlagen unseres Rechtssystems und zwang die politisch Verantwortlichen zum Handeln. Zeigt sich darin übertriebene Entrüstung einer fortschrittsskeptischen neuen Generation, die die Segnungen einer erfolgversprechenden Dienstleistungsbranche mit unbegründeter Verachtung straft? Ignorieren wir durch Verbote die berechtigten Interessen vieler Ehepaare, deren Wunsch nach einem eigenen Kind unerfüllt blieb? Leihmutterschaft ist keineswegs — wie einige meinen — eine Chance für selbstbestimmte Geschäfte, eine legitime und lukrative Einnahmequelle für Frauen, das Ende individuellen Leides für viele Ehepaare. Leihmutterschaft und Leihmuttervermittlung, eine schönfärberische Umschreibung für freiwilligunfreiwilligen Verkauf des eigenen Körpers bzw. für organisierte Vermarktung der Gebärfähigkeit von Frauen, für Degradierung menschlichen Lebens zur Handelsware, sind Ausdruck gesellschaftlich-kulturellen Rückschritts, erschreckende Beispiele einer totalen Entkopplung von Ethik und Kommerz. Für die Unionsparteien ist die Antwort eindeutig und vorbehaltlos: Nein zur Leihmutterschaft. Die Werteordnung des Grundgesetzes gilt auch für das Privatrecht; sie gebietet staatliche Einschränkungen des Selbstbestimmungsrechts von Frauen. Bei der Abwägung der legitimen Interessen von Ehepaaren auf Erfüllung ihres Kindeswunsches und dem gesellschaftlichen Interesse am Schutz des historisch gewachsenen Wertekodex müssen die langfristigen Folgen für die möglichen Verschiebungen unseres ethisch-moralischen Koordinatensystems, die negativen Wirkungen auf die gesellschaftliche Rolle und das Selbstverständnis von Frauen, die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder, die Achtung des Rechts des Kindes auf einheitliche Elternschaft sowie die rechtlichen Probleme bei Vertragsstörungen stärker gewichtet werden. Aber auch die sozialen und psychischen Probleme, die in Leihfamilien entstehen könnten, müssen berücksichtigt werden. Durch eine Auftragsschwangerschaft, die vom Partner der Leihmutter, von ihren in der eigenen Familie lebenden Kindern einen erheblichen Rollenwechsel, ein zeitlich befristetes emotionales Sicheinstellen auf das werdende Leben fordern, könnten diese in unerträgliche Konfliktsituationen verstrickt werden. Mit dem heute in erster Lesung zu beratenden Gesetzentwurf zur Änderung des Adoptionsvermittlungsgesetzes löst die Bundesregierung ihr Versprechen ein, auf die perfiden Praktiken von Babyvermittlern mit klaren Verbotsnormen zu reagieren. Unter Strafe gestellt werden alle Formen der Ersatzmuttervermittlung, werden sie unentgeltlich, gegen Entgelt, Bewerbs- oder geschäftsmäßig betrieben. Darüber hinaus wird das Suchen — besser gesagt — Anheuern von sowie das Anbieten von bzw. Werben mit Leih- Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 140. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. April 1989 10437* müttern, z. B. durch Anzeigen oder Berichte in Zeitungen, verboten und mit einem Bußgeld belegt. Auch dubiose Geschäftspraktiken wie die des Grafen Adelmann von Adelmannsfelden werden durch den heute vorliegenden Gesetzentwurf rechtlich untersagt. Das Adoptionsvermittlungsgesetz wurde dadurch zu umgehen versucht, daß Adoptionswillige wahrheitswidrig die Vaterschaft für ein nichteheliches Kind zum Zwecke der Ehelicherklärung anerkennen. In den Ausschußberatungen müssen eingehend die Bedenken des Bundesrates, der gehörten Verbände sowie einiger Organisationen erörtert werden, insbesondere die Frage der Plazierung des Verbots der Ersatzmuttervermittlung im bestehenden Rechtssystem, die Koordinierung der einzelnen Gesetzesmaßnahmen im Bereich Fortpflanzungstechnologie, das Problem der Einstufung von Tatbeständen als Straftat oder Ordnungswidrigkeit. Ferner muß überprüft werden, inwieweit das Adoptionsvermittlungsgesetz in der ergänzten Fassung ein effektives Instrumentarium zur Bekämpfung von Privatadoptionen und Kinderhandel aus der Dritten Welt, die unter dem Deckmantel der Legalität betrieben werden, darstellt. Über die Notwendigkeit gesetzgeberischen Handelns, die Bestrafung der Ersatzmuttervermittlung, besteht weitgehend Konsens unter den Parteien. Mit einem enggeschnürten Gesetzespaket gegen alle Formen der Ersatzmuttervermittlung, gegen Mißbrauch bzw. Umgehungsversuche der Adoptionsvermittlung sind aber keineswegs die gesellschaftlichen Probleme gelöst. Die Motive von Bestelleltern und Leihmüttern müssen erforscht, die psychischen Folgekosten des vermeintlich technisch-medizinischen Fortschritts für Familien analysiert und den betroffenen Familien durch ein breit angelegtes Beratungsnetz wirksam geholfen werden. Die moralische Entrüstung über die Mißbrauchspraktiken in Ländern der Dritten Welt, Rufe nach Strafverschärfung, laufen ins Leere, wenn wir an Symptomen kurieren statt Ursachen zu bekämpfen. Korruption, Elend und Verzweiflung in den Ländern der Dritten Welt sind durch wohlklingende Absprachen auf höchster Regierungsebene nicht zu beheben. Trotz der vielen Fragezeichen sollten wir unverzüglich ein Signal setzen. Es geht um mehr als um die Bekämpfung unlauterer Geschäfte, es geht um die Achtung des Gebots unserer Verfassung: „Die Meschenwürde ist unantastbar" . Leihmutterschaft ist kein befristetes Beschäftigungsverhältnis auf Honorarbasis, Leihmutterschaft ist Pervertierung unseres kulturellen Erbes. „Rent an uterus" muß ein Fremdwort im deutschen Sprachgebrauch bleiben. Eimer (Fürth) (FDP): Die moderne Fortpflanzungsmedizin hat unsere Welt verändert. Die Medizin kann heute in vielen Fällen helfen, daß Ehepaare sich ihren Wunsch nach Kindern erfüllen können, der vorher nicht erfüllbar war. Die Fortpflanzungsmedizin hat aber auch viel Verunsicherung gebracht, weil die genetische Mutter nicht mehr automatisch mit der Mutter übereinstimmen muß, die das Kind austrägt. Daran schließen sich viele Fragen und Probleme juristischer vor allem aber ethischer Art. So muß man fragen, was passiert, wenn ein Kind behindert ist, wenn es von den Bestelleltern nicht abgenommen wird oder wenn die Leihmutter ihr Kind, das sie ausgetragen hat, nicht mehr abgeben will. Daneben gibt es eine Reihe von Fragen zu den überzähligen Embryonen, die bei dieser Technik entstehen und zur Zeit eingefroren sind. Nur einen Teil dieser auftretenden Probleme kann und will dieses Gesetz regeln. So soll die Vermittlung von Leihmüttern verboten werden, ganz gleich ob dies kommerziell oder unentgeltlich geschieht, desgleichen die Werbung in Anzeigen, die Ersatzmütter entweder sucht oder anbietet. Nicht bestraft werden sollen nach diesem Gesetz die Ersatzmutter und die Bestelleltern. Daneben bleiben eine Reihe von Fragen offen, die ich zum Teil bereits angesprochen habe, aber auch solche nach der Beurteilung der Ärzte, die solche Handlungen an Leihmüttern vornehmen, die, wie gesagt, in diesem Gesetz nicht geregelt werden können, sondern einem vorgesehenen Embryonenschutzgesetz vorbehalten bleiben sollen. Ich muß gestehen, daß ich mich bei der Regelung dieser Probleme schwertue, daß ich mir meiner Sache nicht sehr sicher bin. Ich glaube, es besteht Einigkeit, daß keine großen Sympathien für den kommerziellen Handel mit Ersatzmüttern und Kindern in unserem Volk bestehen. Aber die Probleme sind vielschichtig, und wir werden dieses Gesetz sehr eingehend beraten müssen, gerade unter ethischen Gesichtspunkten. Ich hoffe, daß gerade dieses Gesetz in den Ausschüssen mit sehr viel Ernsthaftigkeit beraten wird, daß wir uns im klaren sind über die Tragweite unserer Beschlüsse, ganz gleich, in welche Richtung wir tendieren, und ich halte es für wichtig, daß wir uns alle darüber im klaren sind, daß wir möglicherweise etwas beraten, das sich einer perfekten Regelung und einem menschlichen Richterspruch entzieht. Die FDP ist sich ihrer Verantwortung gerade bei dieser Diskussion bewußt, und wir hoffen auf eine entsprechende ernsthafte Beratung.
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    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der letzten Woche habe ich das Bundeskabinett umgebildet.

    (Haha-Rufe bei der SPD)

    Wir haben wichtige Sachentscheidungen getroffen. Mit dieser Regierungserklärung werde ich erläutern, welches Arbeitsprogramm wir uns bis zur Bundestagswahl 1990 vorgenommen haben und was unsere Perspektiven für die 90er Jahre sind.



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Die Wahlen dieses Jahres haben in bedrückendem Ausmaß Parteien am rechten und linken Rand gestärkt.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Daran sind Sie doch schuld!)

    Dies muß für die demokratischen Parteien Anlaß sein, sich selbstkritisch zu fragen, ob sie etwas übersehen, falsch eingeschätzt oder vernachlässigt haben. Wir in der Koalition müssen darüber nachdenken,

    (Schily [GRÜNE]: Zurückzutreten!)

    ob wir uns zu stark auf den sachlichen Fortgang unserer Arbeit konzentriert haben

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    und uns zuwenig Zeit genommen haben, sie den Bürgern zu erläutern und zu begründen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, jetzt steht viel auf dem Spiel;

    (Zurufe von der SPD: Ja!)

    denn Freiheit, Wohlstand und sozialer Ausgleich haben keine Zukunft, wenn Radikale das Sagen haben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Radikale wollen den Austritt aus der NATO. Sie wollen den Austritt aus der Europäischen Gemeinschaft. Sie kämpfen gegen die Soziale Marktwirtschaft. Sie haben ein gestörtes Verhältnis zum Rechtsstaat, und nicht wenige von ihnen sympathisieren offen mit den terroristischen Gewalttätern in der Bundesrepublik Deutschland.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mich macht die Lage in Berlin besorgt. Dort hat ein Wortführer der Senatskoalition den Besuch des amerikanischen Präsidenten für unerwünscht erklärt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Meine Damen und Herren, das ist ein Alarmsignal für Berlin. Es wäre verhängnisvoll, wenn dies Politik für die Bundesrepublik Deutschland würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir begrüßen den amerikanischen Präsidenten, Präsident Bush, als Freund der Deutschen. Er ist uns herzlich willkommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich sage gerade auch an die Adresse der Sozialdemokraten: Mit radikalen Gruppierungen von links oder rechts darf es für Demokraten keine Zusammenarbeit geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Meine Damen und Herren, bei allen Fehlern, die uns unterlaufen sein mögen: Die Bürger wissen, daß wir in den Existenzfragen unseres Volkes verläßlich sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Prinzipientreue schließt nicht aus, daß wir dort Korrekturen vornehmen, wo sie sich als notwendig erweisen. Aber entscheidend ist, daß wir — die Koalition — in diesen Jahren die Fundamente unseres Gemeinwesens neu gesichert haben, daß wir den Berg von Problemen abgetragen haben, den wir bei unserem Amtsantritt 1982 vorfanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, für die 90er Jahre stehen wir vor drei großen Herausforderungen:
    Erstens. Wir erleben einen atemberaubenden Aufstieg neuer Wirtschaftszentren. Ich nenne die neue Freihandelszone USA/Kanada, und ich nenne die Entwicklung im ostasiatisch-pazifischen Raum. Schon dies allein macht einen engen Zusammenschluß der Staaten Europas dringender denn je. Unsere Antwort auf diese Herausforderung ist der große gemeinsame Binnenmarkt 1992. Schon jetzt erweist sich dieser Binnenmarkt als das größte Konjunkturprogramm seit der Währungsreform 1948.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir sind Zeugen beim Aufbruch Europas in eine neue Epoche, und wir müssen bereit sein, diesen Aufbruch maßgeblich mitzugestalten. Europa — ganz Europa! — steht ein umfassender Wandel bevor, eine tiefgreifende Veränderung in Wirtschaft und Gesellschaft. Kulturell tun sich neue Horizonte auf. Zum erstenmal seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zeichnet sich die Chance ab, daß es uns gelingt, aus dem Schatten des Ost-West-Konflikts herauszutreten.
    Was sich auf unserem alten Kontinent entwickelt, schlägt Menschen weltweit in den Bann. Soziale Marktwirtschaft, meine Damen und Herren, findet heute selbst in den sozialistisch-kommunistischen Staaten wachsende Zustimmung. Die freiheitlichen Ideen von Ludwig Erhard verdrängen mehr und mehr die alte Ideologie von Karl Marx.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bei unseren Nachbarn im Osten und Südosten bricht sich der Wille nach Menschenrechten, nach mehr Freiheit Bahn. Meine Damen und Herren, welches Volk könnte an diesem Fortschritt stärkeres Interesse haben als das unsere?
    Das Zerbröckeln jahrzehntelanger Verkrustungen in Europa schafft neue Hoffnung für die Einheit unseres Vaterlandes.
    Ich beklage, daß Teile der Opposition den jetzt bestehenden Zustand festschreiben möchten und sich in Wahrheit längst von der Präambel unseres Grundgesetzes verabschiedet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Spätere Generationen werden dies unbegreiflich finden. Ich sage für mich, ich sage für die Bundesregierung und die Koalition: Unser Ziel bleibt ein freies und geeintes Deutschland in einem freien und geeinten Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Zweitens. Globale Umweltgefährdungen, wie z. B. die weltweiten Klimaveränderungen, rühren an den Lebensnerv aller Völker. Wir brauchen deshalb eine weltumspannende Umweltpartnerschaft.
    Globale Gefährdungen erfordern die ökologische Pionierleistung einer jeden großen Industrienation. Die Bundesrepublik Deutschland bekennt sich zu dieser Verantwortung. Deshalb haben wir auch im Innern dem Umweltschutz hohe Priorität eingeräumt.

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Was war mit dem Naturschutzgesetz?)

    — Meine Damen und Herren, wer wie Sie in vielen Jahren eigener Regierungsverantwortung nahezu nichts getan hat, dem bleibt nur das Lachen übrig.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Die 80er Jahre waren die Phase des umweltpolitischen Aufbruchs in Europa mit uns, der Bundesrepublik Deutschland, als treibender Kraft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Die 90er Jahre sollen und müssen das Jahrzehnt eines weltweiten ökologischen Aufbruchs werden. Dazu gehört auch eine neue Solidarität zwischen den armen und den reichen Ländern.
    Drittens. In einer Zeit raschen gesellschaftlichen und technologischen Wandels wissen viele Menschen nicht mehr, woran sie sich halten sollen. Gewohnte Wertmaßstäbe und traditionelle Bindungen werden in Frage gestellt. Diese Unsicherheit gefährdet die innere Balance unserer freiheitlichen Gesellschaft. Um so mehr sind heute Heimat und Geborgenheit gefragt.
    Deshalb müssen wir alles tun, um die Institutionen zu stärken, die Halt geben; an erser Stelle die Familie. Sie bleibt der wichtigste Ort für die persönliche Entwicklung und für die Vermittlung von Werten und Tugenden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch der Staat muß verläßlich sein, vor allem wenn es um die friedensstiftende Funktion des Rechts geht.
    Wer diesen drei grundlegenden Herausforderungen gerecht werden will, muß Mut zu Entscheidungen haben.

    (Zuruf von der SPD: Nur Mut!)

    Ich weiß, daß Wandel auch unterschwellige Ängste erzeugt. Diese Ängste verstärken den Wunsch, nach Möglichkeit alles so zu lassen, wie es ist. Zugleich, meine Damen und Herren, nutzen diese Ängste den radikalen politischen Kräften von links und rechts, jenen politischen Scharlatanen, die mit scheinbar einfachen Antworten eine Welt ohne Probleme verheißen.
    Wir müssen unseren Bürgern klar sagen: Vordergründige Patentrezepte bringen uns nicht weiter. Wir müssen jetzt rechtzeitig Vorsorge für Entwicklungen treffen, die sich schon heute deutlich abzeichnen, deren Auswirkungen jedoch noch in der Ferne liegen. Eine solche Politik setzt die Bereitschaft und die Fähigkeit voraus, um der Zukunft willen notfalls auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Frau Unruh [GRÜNE]: Das haben Sie doch gemacht!)

    In der Krise von 1981/82 war für jedermann offensichtlich, daß es so nicht weitergehen konnte, wenn nicht das Ganze aufs Spiel gesetzt werden sollte.
    Heute geht es den meisten insgesamt besser als je zuvor.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Gerade deshalb ist es für viele sehr viel schwieriger geworden, ihre persönliche Alltagserfahrung mit der Notwendigkeit von Reformen in Übereinstimmung zu bringen, Reformen, die weit in die Zukunft reichen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Massenarbeitslosigkeit!)

    Wohlstand und soziale Leistungen sind jedoch nicht automatisch garantiert. Wir können Arbeitsplätze, wir können Einkommen und eine intakte Umwelt nur sichern, wenn wir diesen Herausforderungen bereits heute offensiv begegnen. Stillstand bedeutet gerade in dieser Zeit Rückschritt, und zwar auf Kosten der Generationen unserer Kinder und Enkel.
    Meine Damen und Herren, weil unsere Politik über den Tag hinaus angelegt ist, haben wir die großen Reformvorhaben dieser Legislaturperiode in Angriff genommen, und wir haben sie weitgehend abgeschlossen. Ich weiß, daß auf diesem Feld noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden muß. Aber es ist meine feste Überzeugung, daß diese Reformen die Grundlagen für eine gute, für eine sichere Zukunft unseres Landes schaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Steuerreform 1990 setzen wir ein Steuersystem durch, daß Leistung honoriert, mittelstandsfreundlich ist und gleichzeitig alle Arbeitnehmer nachhaltig entlastet.

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    Insgesamt 4,5 Millionen Erwerbstätige werden dann überhaupt keine Lohn- oder Einkommensteuer mehr zahlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Gesundheitsreform haben wir verhindert, daß die Krankenversicherung unbezahlbar wird. Damit sichern wir die Leistungsfähigkeit unseres Gesundheitssystems.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit der Rentenreform tragen wir dem tiefgreifenden Umbruch im Altersaufbau unserer Bevölkerung beizeiten Rechnung. Die Renten sind jetzt wieder langfristig sicher.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Stimmt doch gar nicht!)

    Es ist gut — ich will das noch einmal ausdrücklich betonen — daß auch Sie, die sozialdemokratische Fraktion und Partei, an diesem Werk mitarbeiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Mit der Postreform sorgen wir für eine moderne Infrastruktur auf dem Zukunftsmarkt „Telekommunikation". Nur so können wir im Wettbewerb mit anderen Industrienationen bestehen und auch in Zukunft die Arbeitsplätze bei der Post sichern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, „Die Schöpfung bewahren — die Zukunft gewinnen", unter diesem Leitgedanken steht unser Arbeitsprogramm für diese Legislaturperiode. Heute können wir feststellen, daß wesentliche Teile dieses umfangreichen Programms angepackt wurden und bewältigt sind.

    (Zuruf von der SPD: Und jetzt zurückgenommen werden!)

    Im Blick auf das nächste Jahrzehnt werden wir die bis zum Ende dieser Legislaturperiode noch anstehenden Aufgaben konzentriert und konsequent angehen. Ich nenne einige Schwerpunkte.
    Konsequenter Umweltschutz gehört zu einer wertorientierten Politik. Wer für den umfassenden Schutz menschlichen Lebens und menschlicher Würde eintritt, dem kann die uns anvertraute Schöpfung nicht gleichgültig sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen den Umweltschutz als Staatsziel in die Verfassung aufnehmen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie bei der FDP)

    Ich hoffe, daß die Gespräche der Fraktionsvorsitzenden darüber zu einem Erfolg führen.
    Ich bejahe ebenso die Novellierung des Naturschutzgesetzes.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN: Aha!)

    Aber dazu, meine Damen und Herren, ist es notwendig — das entspricht unserer Verfassungsordnung —, daß wir die sehr schwierigen Fragen der Finanzierung mit den Bundesländern klären.

    (Conradi [SPD]: Erst den Kiechle absetzen!)

    Wir wollen den Ordnungsrahmen unserer Sozialen Marktwirtschaft noch stärker um die ökologische Dimension erweitern.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Hört! Hört!)

    Ein breites Spektrum marktwirtschaftlicher Steuerungsinstrumente steht hierfür bereit. Eines davon nutzen wir, indem wir die Kfz-Steuer künftig nicht nach dem Hubraum, sondern nach dem Schadstoffausstoß festlegen wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Auch bei diesem Thema brauchen wir die Zustimmung der Bundesländer, und wir werden diese Gespräche zügig führen.
    Meine Damen und Herren, darüber hinaus haben wir für diese Legislaturperiode ein klares umweltpolitisches Sachprogramm.
    Erstens. Wir werden die zivilrechtliche Verantwortung der Verursacher von Umweltschäden neu regeln und die Überprüfung gefährlicher Stoffe forcieren.
    Zweitens. Noch in dieser Legislaturperiode werden wir für Kraftfahrzeuge unter zwei Litern Hubraum die gleiche steuerliche Förderung des Drei-Wege-Katalysators einführen, wie sie bisher für Kraftfahrzeuge über zwei Litern Hubraum galt. Ferner soll die Nachrüstung von Altfahrzeugen mit Katalysator durch einen einmaligen Zuschuß weiter gefördert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Drittens. Noch in dieser Legislaturperiode wollen wir in der EG durchsetzen, daß bei Neuzulassungen von Benzin-Pkw der geregelte Drei-Wege-Katalysator vorgeschrieben wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Bereits jetzt haben mehr als 60 % der Neuwagen bei uns einen geregelten Drei-Wege-Katalysator. Zum 1. Oktober 1991 müssen es 100 % sein. Notfalls werden wir dazu nationale Regelungen erlassen.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Bei Neuzulassungen von Diesel-Pkw sollen die strengeren amerikanischen Grenzwerte in der EG verpflichtend werden.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Und was ist mit den Lkw?)

    Viertens. Auf dem bevorstehenden Weltwirtschaftsgipfel in Paris werde ich meine Initiative vom letzten Weltwirtschaftsgipfel in Toronto fortführen, das Thema Umweltschutz mit Schuldenfragen zu verknüpfen. Ein erstes praktisches Beispiel war unser Schuldenerlaß für Kenia. Wir haben ihn davon abhängig gemacht, daß freiwerdende Mittel möglichst für konkrete Umweltmaßnahmen eingesetzt werden.
    Fünftens. Die Bundesregierung wird ihre Zustimmung zu internationalen Krediten nur geben, wenn die jeweiligen Projekte auch unter Umweltaspekten verantwortet werden können; dies gilt insbesondere für Energieprojekte im Bereich tropischer Regenwälder.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Die Ankündigung Brasiliens, neue Maßnahmen zum Schutz des Regenwaldes einzuleiten, finde ich ermutigend. Ich hoffe, daß der Ankündigung die Taten folgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, heute reden viele über Umweltschutz.

    (Lachen und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    — Ja, das ist der Unterschied: Sie lachen, und wir tun etwas. —

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb will ich bei dieser Gelegenheit noch einmal auf ein wichtiges Thema hinweisen: Nur mit modernster Spitzentechnologie läßt sich die Umwelt besser schützen. Wer gegen technischen Fortschritt ist, kann



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    die Schöpfung nicht bewahren. Das haben Sie von der Opposition bis zum heutigen Tag nicht verstanden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Schutz unserer Umwelt ist besonders bei der Energieversorgung wichtig. Gerade hier muß das ökologisch Gebotene mit dem ökonomisch Richtigen in Einklang gebracht werden. Ich weiß, daß viele bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie ihre Sorgen und ihre Zweifel haben. Deshalb will ich hier noch einmal unterstreichen, was Politik der Bundesregierung ist: Wir gehen von dem Grundsatz aus, daß die Sicherheit Vorrang vor allen anderen — insbesondere wirtschaftlichen — Überlegungen hat.
    Aber, meine Damen und Herren, wir wissen auch: Wir bleiben auf Kernenergie angewiesen, wenn wir unsere Umwelt schützen wollen.

    (Zurufe von den GRÜNEN: Was?)

    Wer beispielsweise an die Veränderung des Weltklimas denkt, kann doch nicht für den Ausstieg aus der Kernenergie plädieren, solange kein anderer umweltfreundlicher Energieträger gefunden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Zur friedlichen Nutzung der Kernenergie

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Die gibt es nicht!)

    gehört, daß der Entsorgungsnachweis gerichtsfest erbracht werden muß. Deshalb hat die Regierung von Bundeskanzler Helmut Schmidt 1979 mit Ihrer Zustimmung, mit unserer Zustimmung und mit der Zustimmung aller Bundesländer ein integriertes Entsorgungskonzept beschlossen, an dem die von mir geführte Bundesregierung festhält.
    Aus der Energiewirtschaft sind jetzt Möglichkeiten für eine deutsch-französische Zusammenarbeit bei der Wiederaufarbeitung vorgeschlagen worden. Ich habe, wie Sie wissen, vor wenigen Tagen mit Staatspräsident Mitterand die notwendigen Gespräche vereinbart. Dabei müssen Fragen der Sicherheit, der technologischen Entwicklung und der Industriepolitik sowie rechtliche und europapolitische Probleme sehr rasch, aber auch sehr sorgfältig untersucht werden.
    Unsere beiden Regierungen werden vor allem zu klären haben, inwieweit die Zusammenarbeit bei der Energiepolitik insgesamt verstärkt werden kann. Das gilt insbesondere auch für die Wiederaufarbeitung. Auf dieser Grundlage werden wir gemeinsam mit den beteiligten Bundesländern die notwendigen Entscheidungen treffen. Ich sage hier klar und deutlich: Mir kommt es dabei besonders auf das Einvernehmen mit dem Freistaat Bayern an.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Herr Streibl hat gerade gesagt, ihm kommt es nicht mehr so darauf an!)

    Denn Bayern hat beträchtliche Lasten für die Bundesrepublik Deutschland übernommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Kernenergie schafft zudem die Voraussetzung dafür, daß die heimische Kohle auch in Zukunft einen wichtigen Beitrag für unsere Energieversorgung leisten kann. Wer diesen
    Zusammenhang ignoriert — das sollten Sie auch im Ruhrgebiet und an der Saar sagen —, stellt die Existenzgrundlage des deutschen Bergbaus in Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundesregierung wird sehr bald ein Konzept zur längerfristigen Sicherung der Verstromung deutscher Steinkohle nach Auslaufen des Jahrhundertvertrags vorlegen. Wir stehen in Gesprächen mit allen Beteiligten. Wir suchen hierfür das Einvernehmen mit den Bundesländern. Wir sprechen mit den beteiligten Unternehmen der Kohle und mit der Elektrizitätswirtschaft, mit den Bergbauländern, mit den revierfernen Ländern und nicht zuletzt mit der zuständigen Gewerkschaft. Alle müssen zur Lösung dieses Problems ihren Beitrag einbringen. Der laufende Vertrag muß dabei auf eine finanziell tragfähige Grundlage gestellt werden. Das bedeutet auch, daß die Verstromungsmenge nicht ausgeweitet werden kann.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Also offensichtlich Kürzung!)

    Wir müssen bei der Kohle tragfähige Lösungen finden. Denn es geht um das Schicksal vieler Menschen an Rhein und Ruhr und an der Saar. Gerade die Bergleute und ihre Familien haben nach dem Krieg in bitterer Not viel für den Aufbau unserer Bundesrepublik Deutschland geleistet. Sie haben in ihrer jetzigen Lage einen besonderen Anspruch auf unsere Solidarität.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bergleute wissen sehr genau: Nur derjenige kann soziale Sicherheit gewährleisten, der erfolgreich für Wachstum, Beschäftigung und Preisstabilität sorgt. Dies war, ist und bleibt der Kern der Sozialen Marktwirtschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es war die Koalition der Mitte, die den zu Beginn der 80er Jahre unaufhaltsam scheinenden Niedergang in immer größere Massenarbeitslosigkeit und internationale Zweitklassigkeit gestoppt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    — Meine Damen und Herren, daß Sie sich bei diesem Thema überhaupt rühren angesichts des Erbes, das Sie hinterlassen haben, ist schon erstaunlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen und Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Wir haben jetzt — das ist der Rückblick auf sieben Jahre — die längste und zugleich stabilste wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung in der Nachkriegszeit zu verzeichnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dadurch haben wir mehr als 1 Million neue, zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Schnell steigende Beschäftigung und die zunehmende Zahl offener Stellen führen dazu, daß die



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Mehrheit der Arbeitslosen heute eine bessere Chance hat, bald wieder einen Arbeitsplatz zu finden.

    (Zuruf von den GRÜNEN: Das sagen Sie schon seit sieben Jahren!)

    Trotz dieser Erfolge übersehen wir nicht die Probleme derjenigen, die länger als ein Jahr arbeitslos sind. Dies ist auch nach meiner Überzeugung der eigentliche Kern des Problems Arbeitslosigkeit. Solidarität und ökonomische Vernunft gebieten es, unseren Anstrengungen auf die Langzeitarbeitslosigkeit zu konzentrieren. Wir wollen dabei nach dem Grundsatz handeln, den Menschen zu Arbeit zu verhelfen, statt Ihnen nur den Lebensunterhalt zu sichern. Das heißt konkret:
    Erstens. Wir werden die Bundesanstalt für Arbeit durch zusätzliche Mittel in die Lage versetzen, mit Lohnkostenzuschüssen in Höhe von 1,5 Milliarden DM

    (Hüser [GRÜNE]: Der Sie vorher das Geld abgenommen haben!)

    bis einschließlich 1991 Arbeitgebern die Einstellung von Langzeitarbeitslosen zu erleichtern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich appelliere an die Wirtschaft, an die Unternehmer und an die Gewerkschaften, alles zu tun, daß diese Chance auch wahrgenommen wird.
    Zweitens. Die Bundesregierung stellt im gleichen Zeitraum zusätzlich 250 Millionen DM bereit, um für Langzeitarbeitslose in besonders schwieriger Lage eine gezielte Betreuung und Unterstützung zu ermöglichen.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Und Arbeitslosenhilfe streichen!)

    Drittens. Wir werden zusammen mit Ländern und Gemeinden, mit den Kirchen und den gesellschaftlichen Gruppen kurzfristig ein weitergehendes Konzept zusätzlicher Maßnahmen zur Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit entwickeln.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Viertens. Das Beschäftigungsförderungsgesetz hat zusätzliche Dauerarbeitsplätze geschaffen. Bei verantwortlicher Handhabung wird es auch künftig zur Entlastung von Arbeitslosigkeit beitragen. Deshalb wird es verlängert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Fünftens. Wir müssen erreichen, daß der internationale Rückstand der Bundesrepublik Deutschland beim Angebot von Teilzeitarbeitsplätzen möglichst bald abgebaut wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Vor allem berufstätige Frauen müssen mehr als bisher die Möglichkeit erhalten, Teilzeitarbeit zu wählen, wenn sie dies wünschen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das gilt für die Wirtschaft insgesamt, das sage ich
    selbstkritisch auch im Hinblick auf Bund, Länder und
    Gemeinden. Auch der öffentliche Dienst muß hier einen größeren Beitrag leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In erster Linie sind aber über bloße Bereitschaftserklärungen hinaus Gewerkschaften und Unternehmer gefordert. Die Bundesregierung hält entsprechende konkrete Maßnahmen für erforderlich, etwa im Rahmen von Manteltarifverträgen. Sollten hier dennoch keine erkennbaren Fortschritte erzielt werden, haben wir zu prüfen, ob die Rechtslage der Teilzeitarbeitsuchenden verbessert werden muß.
    Sechstens. Meine Damen und Herren, wir müssen endlich zu aussagefähigeren Zahlen über das tatsächliche Angebot an offenen Stellen kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Sollten die jetzt laufenden Bemühungen der Wirtschaftsverbände und der Bundesanstalt für Arbeit in naher Zukunft nicht zu befriedigenden Ergebnissen kommen, wird die Bundesregierung selbst geeignete Schritte prüfen, um die Lücke zwischen Statistik und Realität endlich auf ein erträgliches Maß zu reduzieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist doch kein Statistikproblem! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich weiß gar nicht, warum Sie sich bei diesem Punkt aufregen. Ihre Freunde in den Niederlanden waren durchaus bereit, mit der dortigen Koalition zu einer vernünftigen Abmachung zu kommen. Wenn Sie zu solchem Tun fähig wären, wären wir viel weiter, auch in dieser Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Wer regiert denn hier?)

    Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren, nur wenn unsere Wirtschaft auch international mithalten kann, sind die Arbeitsplätze in unserem Land auf Dauer sicher. Der internationale Wettbewerb verschärft sich, und viele der Länder, mit denen wir konkurrieren, haben daraus Konsequenzen gezogen. Wenn wir als führendes Exportland bestehen wollen, müssen wir uns auf diese Entwicklung einstellen.
    Dazu gehört als erstes — und das bleibt ein Gütesiegel dieser Regierungskoalition —, daß wir an der Solidität der Staatsfinanzen festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Dazu gehört des weiteren, daß wir die große Steuerreform durchgesetzt haben — mit ihrer Entlastung von rund 50 Milliarden DM in drei Stufen. Allein mit der dritten Stufe zum 1. Januar 1990 geben wir dem Steuerzahler rund 20 Milliarden DM zurück. Ich nehme die Gelegenheit gerne wahr, in einer schnelllebigen Zeit darauf hinzuweisen, daß die meisten Kritiker aus der Politik und vor allem aus der Wirtschaft, die uns geraten hatten, die dritte Stufe der Steuerreform bereits zum 1. Januar 1989 in Kraft zu setzen, jetzt sehr glücklich darüber sind, daß wir an dem Zeitpunkt 1. Januar 1990 festgehalten haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Die Bundesregierung wird, wie ich schon angekündigt habe, eine Kommission einsetzen, um Vorschläge für die nach 1990 fällige Reform der Unternehmensbesteuerung zu erarbeiten. Auf dieser Grundlage werden dann die notwendigen Entscheidungen so rechtzeitig getroffen, daß die deutsche Wirtschaft ihre Planungen für den Europäischen Binnenmarkt 1992 auf eine zuverlässige Grundlage stellen kann.
    Richtig ist auch, meine Damen und Herren — und das sage ich ebenso offen —, daß die Erfahrungen der letzten Monate einige Korrekturen notwendig machen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Die kleine Kapitalertragsteuer, die sogenannte Quellensteuer, wird ab 1. Juli 1989 aufgehoben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Starke Leistung!)

    Wir werden uns in der Europäischen Gemeinschaft um eine für alle Partner tragfähige Regelung der Besteuerung von Kapitalerträgen bemühen, die den Zielen des europäischen Binnenmarktes entspricht.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wie denn?)

    Insbesondere im Interesse des Mittelstandes — auch das gehört zu diesen Korrekturen —

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    wollen wir bei der Versteuerung von sogenannten Veräußerungsgewinnen nach § 34 Einkommensteuergesetz eine Korrektur vornehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Donnernder Beifall!)

    Meine Damen und Herren, entsprechend meiner Ankündigung in der Regierungserklärung vom März 1987 werden wir noch in dieser Legislaturperiode einen Gesetzentwurf einbringen, mit dem wir die Anreize zur Gründung von Stiftungen verstärken wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Vogel [SPD]: Und dann alsbald wieder zurücknehmen!)

    Wir wollen das Engagement der Bürger und der Wirtschaft für Wissenschaft, für Kunst und Kultur, aber auch für die sozialen Belange, ermutigen.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Dregger [CDU/ CSU]: Sehr gut!)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir brauchen eine Kultur des Helfens und der Nachbarschaft, den Geist freiheitlichen und sozialen Bürgersinns. Auch für jedes einzelne Unternehmen eröffnet sich hier ein zusätzliches Feld sinnvoller sozialer Tätigkeit zur Förderung des Gemeinwohls. Diese Aufgabe ist nur in enger Zusammenarbeit mit Kirchen, Wohlfahrtsverbänden und kommunalen Initiativen zu leisten. Ohne ihren hervorragenden und dankenswerten Einsatz ginge unserem Land viel an Menschlichkeit verloren.
    Das Füreinander-Einstehen der Generationen, die Partnerschaft zwischen Mann und Frau und nicht zuletzt Liebe und gegenseitiger Respekt zwischen Eltern und Kindern: dies alles kann unsere Gesellschaft nur prägen, wenn es sich zuvor in der Familie bewährt
    hat. Gerade auch in einer Zeit tiefgreifender Veränderungen gewinnt die Familie als Quelle von menschlicher Wärme und Geborgenheit weiter an Bedeutung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Sie bedeutet für viele Verläßlichkeit in einer Zeit schnellen Wandels.
    Es bleibt unsere vornehmste Pflicht, die Familie zu stärken. Wir haben hier eine grundlegende Neuorientierung erreicht. Dies ist bereits Hunderttausenden von Familien zugute gekommen. Ab 1990 werden den Familien jährlich insgesamt rund 18 Milliarden DM mehr zur Verfügung stehen als vor dem Jahre 1985.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Mit Erziehungsgeld und Erziehungsurlaub und mit der Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht haben wir neue Wege beschritten, und an diesem Kurs halten wir fest.
    Deshalb werden wir das Erziehungsgeld und den Erziehungsurlaub zunächst auf 15, dann auf 18 Monate verlängern,

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf von der SPD: Wann denn?)

    das Kindergeld für das zweite Kind erhöhen und Erleichterungen bei Familien- und Pflegehilfen schaffen. Allein im Rahmen der Gesundheitsreform — auch dies verdient hervorgehoben zu werden — sind jährlich schon über 5 Milliarden DM für die häusliche Pflege von schwer pflegebedürftigen Personen vorgesehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    In der Lebenssituation von Frauen und Müttern hat sich im letzten Jahrzehnt Entscheidendes gewandelt.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Gott sei Dank!)

    Frauen wollen frei zwischen Familie und Beruf entscheiden und immer häufiger beides miteinander verbinden können.

    (Frau Schoppe [GRÜNE]: Männer nicht! Die wollen das nicht!)

    Ihre Berufstätigkeit verstehen sie dabei nicht als Absage an Familie und Kinder, sondern sie versuchen im Alltag, oft unter großen persönlichen Opfern, beidem gerecht zu werden.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist bei den Männern natürlich anders!)

    Davor habe ich großen Respekt. Staat und Gesellschaft müssen alles tun, um ihnen in dieser Lage zu helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere Anerkennung, aber auch unsere politischen Anstrengungen gelten selbstverständlich genauso den Frauen, die sich auf Grund ihrer persönlichen Entscheidung vor allem der Familie und der Erziehung ihrer Kinder widmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich wende mich dagegen, daß der Einsatz und das Engagement der Hausfrau und Mutter geringer gewertet wird als Erwerbsarbeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb bleibt die Verbesserung des Familienlastenausgleichs auf der Tagesordnung. Für mich ist dies ein Herzstück unserer Politik.
    Meine Damen und Herren, wir müssen auch wieder mehr darüber reden, wie unersetzlich die Erziehungsleistung der Mütter für unsere Gesellschaft ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wo sind die Väter?)

    Wenn wir in diesen Wochen das 40jährige Jubiläum der Bundesrepublik Deutschland feiern, dann sollten wir uns bei dieser Gelegenheit besonders an jene Frauen erinnern, die damals unter den allerschwierigsten Bedingungen für ihre Kinder, für ihre Familie gesorgt haben. Sie haben unsere Republik mit aufgebaut, und dafür schulden wir Ihnen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von der SPD und den GRÜNEN)

    Unser Land soll ein familien- und vor allem ein kinderfreundliches Land sein.

    (Lebhafte Zurufe von den GRÜNEN)

    — Ich weiß gar nicht, warum Sie lärmen. Sie sind nicht einmal in der Lage, Respekt und Achtung entgegenzubringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Sie sollen die Altersarmut abschaffen!)

    Unser Auftrag zugunsten einer kinderfreundlichen Gesellschaft ist längst noch nicht erfüllt.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Das stimmt!)

    Kinder bedeuten Leben, Wärme, Fröhlichkeit und letztlich Zukunft. Sie brauchen in besonderem Maße Schutz, Hilfe und Zuwendung.

    (Oh-Rufe und Lachen bei der SPD)

    Dies — meine Damen und Herren, Sie sollten das wenigstens ertragen und anhören —

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir ertragen Sie ja schon so lange! — Weitere Zurufe von der SPD)

    gilt vor allem für die schwächste Form menschlichen Lebens: für das ungeborene Kind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ungeborenes Leben ist ohne Einschränkung menschliches Leben, und daran darf kein Zweifel aufkommen. Es liegt mir sehr daran — bei allen Schwierigkeiten in der Koalition — , daß das zugesagte Beratungsgesetz zustande kommt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: „Schwierigkeiten"?)

    Zu einer Gesellschaft mit menschlichem Gesicht gehört auch das gute Miteinander mit unseren ausländischen Mitbürgern.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Aha! bei der SPD)

    Ich wende mich gegen jede Form von Ausländerfeindlichkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und bei Abgeordneten der SPD — Zurufe von den GRÜNEN)

    Wir verdanken unseren ausländischen Mitbürgern viel.
    Aber wir können nicht alle Ausländer aufnehmen, die noch zu uns kommen wollen.

    (Zuruf von der SPD: Aha, Einschränkungen!)

    — Wenn Sie schon das als eine Einschränkung empfinden, dann frage ich mich, wo Sie die Grenze ziehen wollen. Wir sind kein Einwanderungsland, und wir können es auch nicht werden!

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deshalb wird die Bundesregierung dem weiteren Zuzug von Ausländern Grenzen setzen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Aha!)

    Die Integration jener aber, die seit langem bei uns leben, wollen wir fördern.
    In Abstimmung mit den Bundesländern wollen wir dem Deutschen Bundestag noch in dieser Legislaturperiode ein neues Ausländergesetz vorlegen. Es soll u. a. folgende Schwerpunkte enthalten.

    (Duve [SPD]: Was sagt Herr Bötsch denn dazu?)

    — Der Kollege Bötsch ist ein Christlich-Sozialer, der etwas von Humanität und Menschlichkeit versteht, was Sie offenbar nicht wahrhaben wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Der Aufenthaltsstatus von Ausländern, die seit langer Zeit bei uns leben, wird verbessert. Es soll grundsätzlich weiterhin möglich bleiben, daß Ehegatten und Kinder nachziehen.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber nur bei bestimmten Voraussetzungen!)

    Die Einbürgerung soll erleichtert werden; eine automatische Einbürgerung wird es jedoch ebensowenig geben wie ein kommunales Wahlrecht für alle Ausländer.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das werden wir ja sehen!)

    Es sollen auch die Möglichkeiten erweitert werden, ausländische Schwerkriminelle auszuweisen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Das ist ja ungeheuer diffamierend!)

    Ein besonderes Thema ist der Mißbrauch des Grundrechts auf Asyl. Unsere Verfassung will aus gutem Grund — das ist ein Stück der politischen Kultur



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    unseres Landes, erwachsen aus der bitteren Erfahrung dieses Jahrhunderts —, daß wir politisch, rassisch oder religiös Verfolgten Asyl gewähren. Hieran wollen und werden wir auch in Zukunft nichts ändern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wir alle wissen, es gibt unendlich viel Armut in der Welt, und wir können den vielen Millionen von Menschen, die in großer Not leben, nicht dadurch helfen, daß wir sie bei uns aufnehmen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wir müssen versuchen, ihnen im Rahmen des uns Möglichen zu Hause, in ihrer Heimat, zu helfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Hier bei uns müssen wir zu schnelleren Entscheidungen kommen, damit Asylbewerber, die keinen Anspruch auf Asyl haben, auch wirklich wieder in ihre Heimat zurückkehren.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Im übrigen ist dies überhaupt kein Problem der Bundesrepublik Deutschland allein. In einem Europa der offenen Grenzen müssen wir auch Asylpraxis und Asylrecht harmonisieren. Wenn Sie heute die Aussagen des stellvertretenden Vorsitzenden der Sozialistischen Internationale, des Ministerpräsidenten von Spanien, Felipe Gonzalez, zu diesem Thema hören, wenn Sie die Äußerungen der französischen Regierung hören, dann wissen Sie, daß dort ein dringender Regelungsbedarf gesehen wird. Auf meinen ausdrücklichen Wunsch hin wird dieses Thema auf dem nächsten EG-Gipfel im Sommer in Madrid beraten werden. Ich hoffe, daß es zu einer abschließenden Entscheidung auf dem EG-Gipfel in Paris im Dezember kommen wird.
    Wir müssen und wollen — und zwar auch um der Öffnung in Europa willen — in der Gemeinschaft einheitliche Maßstäbe finden. Dies ist auch ein Akt der Humanität, weil es der Rechtssicherheit für die Betroffenen dient.
    Meine Damen und Herren, es gilt, unseren demokratischen Rechtsstaat zu pflegen und zu stärken. Denn das Recht schützt die Schwachen. Der Begriff „Recht" ist heute für viele schon fast gleichbedeutend nur mit ihren subjektiven Ansprüchen. Eine solche Haltung muß auf die Dauer zur Erosion unseres Rechtsstaats führen.

    (Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE])

    Denn Recht ist nicht nur Anspruch, Recht ist auch Verpflichtung, Herr Schily. Das Bewußtsein dafür zu schärfen, ist nicht nur Aufgabe des Staates, sondern aller verantwortlichen Kräfte in unserer Gesellschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, deshalb müssen wir allen entschlossen entgegentreten, die sich rechtswidrig eine Sonderstellung anmaßen. Wer — wie in der Hamburger Hafenstraße — rechtsfreie Räume entstehen läßt und duldet, wer die Polizei daran hindert,
    Straftaten zu verfolgen, macht sich zum Komplizen des Rechtsbruchs.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Angesichts dieser Erfahrungen will ich hier für die Bundesregierung unsere besondere Sympathie für unsere Polizeibeamten bekunden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir stehen zu ihnen und unterstützen sie bei ihrem Auftrag. Sie leisten ihren Beitrag zum inneren Frieden unseres Landes.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Celler Loch nicht vergessen! — Gegenruf von der CDU/CSU: Binger Loch!)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Kampf gegen den Terrorismus darf es keine Kompromisse geben. Die Terroristen müssen wissen: Unser freiheitlicher Rechtsstaat ist nicht erpreßbar.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Angesichts mancher Diskussion in den letzten Wochen will ich noch einmal für die Bundesregierung sagen: Mit terroristischen Gewalttätern darf nicht in einer Weise verhandelt werden, als stünden sich hier Tarifpartner gegenüber.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Conradi [SPD]: Wie bei Kronzeugen! — Duve [SPD]: Kronzeuge!)

    Diese Straftäter haben schwerste Kapitalverbrechen begangen. Sie müssen, wie andere Kriminelle auch, dafür die Konsequenzen tragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD: Kronzeuge!)

    Herr Abgeordneter Vogel

    (Dr. Vogel [SPD]: Ja, hier! — Heiterkeit)

    — ich finde es ganz gut, daß Sie sich melden, Herr Vogel —,

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    wir waren mit vielen anderen hier im Saal in einer schwierigen und schlimmen Zeit beisammen. Wir haben damals ungeachtet unserer politischen Herkunft gemeinsam versucht, das Richtige für den Rechtsstaat zu tun.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Aber die bleierne Zeit ist jetzt vorbei, Herr Kohl!)

    Gerade in Erinnerung an diese Tage und Nächte sage ich mit Bedacht: Unsere besondere Sympathie gilt den Opfern und ihren Angehörigen und nicht den Tätern und ihren Helfershelfern.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf des Abg. Schily [GRÜNE]: Nehmen Sie sich mal ein Beispiel an von Braunmühl!)

    — Daß Sie an dieser Stelle dazwischenrufen, wundert mich nicht, Herr Schily.
    Terrorismus, organisiertes Verbrechen und Rauschgiftkriminalität sind zu einer neuen Herausforderung geworden, einer Herausforderung, die die nationalen Polizeidienststellen meiner Überzeugung nach auf



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Dauer mit den bisherigen Mitteln nicht mehr werden bewältigen können. Wenn wir den Weg nach Europa gehen und wenn wir die Grenzen öffnen, dann ist es notwendig, daß wir — ähnlich wie die Amerikaner mit dem FBI — zu einer europäischen Polizei kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Auch das noch!)

    Meine Damen und Herren, dies ist für mich im übrigen ein gutes Beispiel dafür, daß es beim europäischen Binnenmarkt eben um mehr geht als um wirtschaftliche Fragen. Unsere Bürger erwarten zu Recht, daß wir auch überzeugende europäische Lösungen für andere Probleme finden, die sie bewegen. Dazu gehören neben der inneren Sicherheit auch der Umweltschutz und die Sozialpolitik. Wir wollen in der EG Ergebnisse erreichen, mit denen es uns gelingt, die gemeinsamen sozialen Standards auf unser Niveau heranzuführen, und nicht umgekehrt.

    (Zustimmung des Abg. Scharrenbroich [CDU/CSU])

    Es wird also nach dem Willen der Bundesregierung kein Sozialdumping geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es ist im übrigen, meine Damen und Herren, ebenso erstaunlich wie gelegentlich amüsant, daß die notorischen Kritiker unserer Sozialpolitik hier in der Bundesrepublik auf der Ebene EG-Europas das hier Erreichte als einfach beispielhaft loben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Wer hat es denn erkämpft?)

    Meine Damen und Herren, wenn wir über die EG sprechen, will ich auch ein kurzes Wort zum Thema Landwirtschaft sagen, denn ich weiß, daß sich unsere Bauern Sorgen um ihre Zukunft machen. Ich will hier noch einmal als Politik der Bundesregierung unterstreichen, daß wir auch in Zukunft den bäuerlichen Familienbetrieb brauchen und daß wir dafür gerade in dieser Legislaturperiode wichtige Entscheidungen getroffen haben.

    (Schily [GRÜNE]: Wieviel sind denn zugrunde gegangen?)

    Die Entwicklung des ländlichen Raumes hängt vor allem davon ab, daß es für unsere Bäuerinnen und Bauern eine verläßliche Zukunftsperspektive gibt. Das gilt vor allem für junge Bauern, die vor der Entscheidung stehen, ob sie den elterlichen Hof übernehmen.
    Was die aktuellen Fragen betrifft, so gilt: Die Bundesregierung steht zu den Beschlüssen des Europäischen Rats vom Februar 1988, der unter meinem Vorsitz tagte und ganz wesentlich zur Sanierung der Märkte und zur Entlastung des EG-Haushalts beitrug.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Und zum Ruin der landwirtschaftlichen Betriebe!)

    Gegen weitergehende Preissenkungen setzen wir uns
    mit Nachdruck zur Wehr. Wir — vor allem der Kollege
    Kiechle — haben dies in der vergangenen Woche mit
    Erfolg getan. An dieser Linie werden wir auch künftig festhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Die Bauern brauchen bessere Preise!)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In knapp zwei Monaten, am 18. Juni 1989, findet die dritte Direktwahl zum Europäischen Parlament statt.

    (Conradi [SPD]: Da habt ihr Angst!)

    Diese Wahl muß zu einem klaren und überzeugenden Bekenntnis zu Europa werden, zu einem Bekenntnis zur Vollendung des europäischen Binnenmarkts und zur Europäischen Union.

    (Dr. Vogel [SPD]: Zu spät!)

    Wir in der Regierungskoalition sind uns bewußt, daß viele der genannten innen- und gesellschaftspolitischen Aufgaben nur noch durch internationale Zusammenarbeit zu lösen sind. Diese Erfahrung spiegelt sich nicht nur in der Politik der westlichen Regierungen wider, sondern auch mehr und mehr in der Politik der Warschauer-Pakt-Staaten. Generalsekretär Gorbatschow hat in den vier Jahren seiner bisherigen Amtszeit eine umfassende Reformpolitik eingeleitet, die inzwischen die meisten Bereiche in Staat, Partei und Gesellschaft und auch die Außen- und Sicherheitspolitik erfaßt hat. Wenn die Reformen erfolgreich sein sollen, muß sich die Sowjetunion öffnen. Das bedingt internationale Zusammenarbeit, die politische Regelung von Konflikten und den Abbau von erdrükkenden Lasten, die sich aus Rüstungswettlauf, militärischen Interventionen und ideologischem Kampf ergeben.
    Ich weiß — und ich betone dies — : Manches von dem, was ich erwähnte, ist erst angekündigt, anderes gerade erst eingeleitet und vieles noch nicht vollendet. Doch die sowjetische Politik ist kompromißfähiger, offener für Dialog und Zusammenarbeit geworden,

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Anders als die NATO!)

    wobei ich immer davon ausgehe, daß wir allen Grund haben, von den Taten und nicht von den Worten auszugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Aber aus dem, was wir jetzt alle sehen, ergeben sich Chancen und Perspektiven für die zukünftige Gestaltung der West-Ost-Beziehungen.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die müssen wir nutzen!)

    Die Bundesregierung ist fest entschlossen, jede Chance zu nutzen, die zu mehr Verständigung und Zusammenarbeit führt und damit den Frieden in Europa stabilisiert und die Sicherheit gewährleistet.
    Meine Damen und Herren, es ist nicht der Westen, der über Erfolg oder Mißerfolg der Reformpolitik in der Sowjetunion oder anderswo entscheidet, aber wir können gemeinsam einen Beitrag dazu leisten, diese



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Entwicklung durch eine zukunftsgewandte Politik des Gesprächs und der Zusammenarbeit zu fördern.

    (Conradi [SPD]: Richtig!)

    Wir sind dazu entschlossen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Dann tun Sie auch was!)

    Auf diesem Weg fällt der Zusammenarbeit mit der Sowjetunion eine wichtige Rolle zu. Wenn Generalsekretär Gorbatschow in sieben Wochen die Bundesrepublik besuchen wird, werden wir ein gemeinsames Dokument unterzeichnen. Es wird die Perspektiven aufzeigen, wie wir unsere beiderseitigen Beziehungen langfristig gestalten und wie wir zukünftig gemeinsam mit unseren Partnern den Frieden und die Sicherheit in Europa gestalten wollen.
    Darüber hinaus werden wir u. a. konkrete Abkommen über Jugendaustausch, Austausch von Kulturinstituten, über Förderung von Investitionen, über Aus- und Fortbildung unterzeichnen. Jeder sieht: In die deutschsowjetischen Beziehungen ist Bewegung gekommen.
    Bei vielen Gesprächen in diesen Tagen habe ich mich daran erinnert, meine Damen und Herren von der SPD, wie noch vor wenigen Jahren drüben, noch im anderen Plenarsaal, Redner der SPD der Union die „Friedensfähigkeit" abgesprochen haben. Das gehört zu den großen Diffamierungskampagnen in der Geschichte Ihrer Partei.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP)

    Meine Damen und Herren, Sie haben im Jahre 1983 Kriegsangst geschürt, Sie haben mit billigsten Mitteln die Menschen verunsichert, Sie haben eine „neue Eiszeit" prophezeit. Alles, was Sie sagten, war falsch, war frei erfunden.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Es ist wichtig, Ihnen deutlich zu sagen, daß Sie das Klima auf diesem Felde damals weitgehend zerstört haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zurufe von der SPD)

    Gerade in der Amtszeit dieser Bundesregierung entwickeln sich die Beziehungen zu unseren Nachbarn in Mittel- und Südosteuropa ganz besonders günstig. Von vielen wird unser Verhältnis zu Ungarn als beispielhaft betrachtet.

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Wir versuchen, jetzt auch gegenüber Polen ein Verhältnis guter Nachbarschaft zu entwickeln. Ungarn und Polen stehen gemeinsam mit der Sowjetunion an der Spitze der Reformbewegung innerhalb des Warschauer Paktes. Ich habe immer wieder gesagt und wiederhole es, daß es eine enge Wechselwirkung zwischen der inneren Reformpolitik und den Möglichkeiten internationaler Zusammenarbeit gibt.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So ist es!)

    Je umfassender, je tiefgreifender die Reformen, desto
    größer und weitreichender sind die Chancen für eine
    Verbesserung der Beziehungen zwischen West und Ost.
    Verständigung und Aussöhnung zwischen Deutschen und Polen zu schaffen, dies ist ein großes Vermächtnis auch von Konrad Adenauer. Es ist für die Zukunft ganz Europas von Bedeutung, wenn wir dies erreichen.
    Die Vorbereitungen für meinen Besuch in Polen sind umfassend und intensiv — und nicht immer leicht. Aber es zeichnen sich Ergebnisse ab, für die wir uns seit Jahrzehnten eingesetzt haben.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Ja, die 50 Mark!)

    Ich hoffe deshalb, daß ich in naher Zukunft nach Polen reisen kann.
    Wir sollten die Reformkräfte in allen WarschauerPakt-Staaten unterstützen. Bei unseren europäischen und amerikanischen Freunden setzen wir uns mit großem Nachdruck dafür ein, daß auch sie diese Politik mit Sympathie mittragen, und wir haben manches gemeinsame Vorgehen verabreden können.
    Meine Damen und Herren, auch in der DDR werden die Forderungen nach Veränderungen immer drängender erhoben. Die DDR-Führung reagiert hierauf teils mit Repression, teils mit abgestandenen Parolen. Der Ausreisedruck, die jüngsten schweren Zwischenfälle an der Sektorengrenze in Berlin, das Vorgehen gegen Demonstranten, die sich schwieriger gestaltende Lage der Kirchen, das alles ist letztlich Ausdruck der inneren Schwäche der DDR.
    Die Führung der DDR muß sich an dem messen lassen, was wir gemeinsam in der KSZE und auf deren Folgekonferenzen festgeschrieben haben.
    Wir haben die Beziehungen zur DDR auf vielen Gebieten verbessert. Dabei stehen für uns die Menschen im Mittelpunkt unserer Bemühungen. Viele Millionen unserer Landsleute aus der DDR konnten im Rahmen des Besuchsverkehrs bisher zu uns kommen; die Zahlen für dieses Jahr entwickeln sich noch günstiger. Damit konnten wir — bei allen Gegensätzen und bei allen Rückschlägen — viel für den Zusammenhalt der Deutschen und die Einheit der Nation tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Zur deutschen Wirklichkeit von heute gehört auch, daß in den letzten Jahren eine immer größere Zahl von Aussiedlern zu uns kommt, die Deutsche sind. Viele von ihnen haben Schlimmes erdulden müssen, nur weil sie Deutsche sind. Ihnen gebührt unsere besondere Solidarität; das muß immer wieder deutlich gemacht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen ihnen auch in Zukunft zu einer raschen und wirksamen Eingliederung verhelfen. Bund, Länder und Gemeinden sind zu gemeinsamen Anstrengungen aufgefordert.
    Die hohen Zahlen der letzten Jahre erfordern jedoch dringend sozialpolitische Entscheidungen. Dabei muß der Grundsatz gelten: Aussiedler sollen nicht besser, aber auch nicht schlechter gestellt werden als



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    beispielsweise einheimische Arbeitnehmer oder Rentner. Dies gilt auch — das ist ein besonderer Punkt des Ärgernisses in vielen Gemeinden — für die Versorgung mit Wohnraum.
    Wir werden schon in nächster Zeit einen Gesetzentwurf mit den Schwerpunkten Eingliederung, Arbeitsförderung und Entschädigungsrecht einbringen. Fragen der Fremdrenten werden im Rahmen des Rentenreformgesetzes geregelt werden.
    Die Bundesregierung wird darüber hinaus alles in ihren Kräften Stehende tun, um die Lebensverhältnisse unserer Landsleute zu verbessern, damit sie sich dort zu Hause fühlen können, wo sie jetzt leben. Das ist unser erstes und wichtigstes Ziel.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir wollen ihnen ihre kulturellen Rechte sichern. Mit Ungarn haben wir 1987 eine vorbildliche Abmachung geschlossen, mit der Sowjetunion und Polen stehen wir in Verhandlungen, die erfolgversprechend aussehen. Ich verfolge mit Sympathie die Diskussion in der Sowjetunion, den Deutschen dort mehr Autonomie zu gewähren.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Den Gedankenaustausch zu diesem Thema, den ich in Moskau mit Generalsekretär Gorbatschow begonnen habe, will ich hier in Bonn fortsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, auch die Diskussion zu diesem Thema in der Sowjetunion zeigt, wieviel dort in Bewegung gekommen ist. Aber es gibt auch Unsicherheit, ob die von Generalsekretär Gorbatschow eingleitete Reformpolitik andauern, ob sie erfolgreich sein wird. Niemand von uns kann heute diese Frage abschließend beantworten.
    Wer von uns ist nicht von den jüngsten Bildern aus Georgien bedrückt, von solchen aus Armenien und Aserbeidschan? Sie beweisen, daß sich auch die jetzige Führung der Sowjetunion der Panzer und der Soldaten bedient, um Konflikte — hier im Inneren des Landes — beizulegen. Wer kann deshalb auf dem Weg, den wir vor uns sehen, Rückschläge ausschließen?
    Solange überlegene Militärpotentiale im Warschauer Pakt und solange sicherheitspolitische Risiken fortbestehen, können wir im Westen und in Europa insbesondere nicht unsere eigene Verteidigungsfähigkeit und Verteidigungsbereitschaft einseitig reduzieren oder gar vernachlässigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Es bleibt dabei, daß Dialog und Zusammenarbeit mit dem Osten auf der Grundlage gesicherter Verteidigungsfähigkeit auch zukünftig die gemeinsame Strategie der westlichen Allianz bleiben muß.
    Wir lassen auch nicht zu, daß zwischen gesicherter Verteidigungsfähigkeit und Fortschritten in Abrüstung und Rüstungskontrolle ein Widerspruch konstruiert wird, um diesen doppelten Ansatz unserer Sicherheitspolitik in der einen oder anderen Richtung zu amputieren.
    In diesem Sinne wird die Allianz ihre gemeinsame Politik auf dem bevorstehenden NATO-Gipfel am 30. Mai in Brüssel erneut bekräftigen. Wir werden uns dabei auch von der Erfahrung aus vier Jahrzehnten Nachkriegsgeschichte leiten lassen, daß die Freundschaft, daß die enge und vertrauensvolle Partnerschaft mit den drei Westalliierten, mit den USA, mit Frankreich und Großbritannien, für die nationalen Interessen der Bundesrepublik Deutschland von existentieller Bedeutung waren, sind und bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir haben unsere Position für die Beratungen im Bündnis und für die Gespräche im Vorfeld der Entscheidung formuliert:
    Erstens. Die Bundesregierung bekennt sich zu der Feststellung des Bündnisses, daß es — soweit voraussehbar — keine Alternative für das Konzept der Kriegsverhinderung durch Abschreckung auf der Grundlage einer geeigneten Zusammensetzung angemessener und wirksamer nuklearer und konventioneller Streitkräfte gibt. Bei den nuklearen Streitkräften sind unter den gegebenen Umständen land-, see- und luftgestützte Systeme auch in Europa notwendig.
    Zweitens. Die Entwicklung eines Nachfolgesystems für die Kurzstreckenrakete Lance ist eine nationale amerikanische Entscheidung.
    Drittens. Das Bündnis erteilt im Rahmen des Gesamtkonzepts für Rüstungskontrolle und Abrüstung einen Auftrag für die baldige Aufnahme von Verhandlungen über die nuklearen Kurzstreckenraketen mit dem vom Bündnis 1987 in Reykjavik und 1988 in Brüssel formulierten Ziel gleicher Obergrenzen auf einem niedrigeren Niveau.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Viertens. Auch für die nukleare Artilleriemunition wird ein Verhandlungsauftrag mit dem Ziel gleicher Obergrenzen auf einem drastisch verringerten Niveau in das Gesamtkonzept aufgenommen.
    Fünftens. Im Jahre 1992 wird im Lichte der politischen und sicherheitspolitischen Entwicklung insbesondere unter Berücksichtigung der Ergebnisse aller Abrüstungsverhandlungen vom Bündnis entschieden, ob für 1996 die Einführung eines Lance-Nachfolgesystems in das Bündnis und demzufolge Produktion und Stationierung erforderlich ist oder nicht.
    Dafür ist ausschlaggebend und entscheidend — ich will dies jetzt unterstreichen — , ob es gelingt, höhere Sicherheit auf einem niedrigeren Niveau der nuklearen und konventionellen Streitkräfte insgesamt zu schaffen, verbindliche Vereinbarungen mit dem Warschauer Pakt über die Beseitigung der Fähigkeit zu Überraschungsangriffen und zu raumgreifend angelegten Offensiven zu schließen und ein gewachsenes Maß an gegenseitigem Vertrauen auf Grund von erhöhter Transparenz und Berechenbarkeit des militärischen Verhaltens durch entsprechende Vereinbarungen zu schaffen.
    Diese Position haben der Bundesaußenminister und der Verteidigungsminister Anfang dieser Woche unseren Partnern in Washington erläutert. Wir haben mit unseren amerikanischen Freunden vereinbart, daß



    Bundeskanzler Dr. Kohl
    wir unsere Gespräche bis zum Gipfel intensiv fortsetzen. Wir tun dies auch mit allen anderen Partnern. Ich selbst werde am Sonntag mit Frau Premierministerin Thatcher sprechen,

    (Lachen bei der SPD — Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Dann viel Erfolg!)

    am Dienstag mit dem italienischen Ministerpräsidenten de Mita und am Mittwoch mit meinem holländischen Kollegen. — Meine Damen und Herren, ich verstehe Ihre Heiterkeit nicht. Ich begrüße Margaret Thatcher mit großer Freude in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und bei den GRÜNEN — Frau Unruh [GRÜNE]: Fragen Sie doch einmal die deutsche Bevölkerung, was sie will!)

    Es ist unsere feste Absicht, in allen Fragen der Verteidigungspolitik, der Abrüstung und Rüstungskontrolle ein Einvernehmen auf dem NATO-Gipfel zu erreichen. Wir haben ein elementares Interesse, den Zusammenhalt und die Handlungsfähigkeit der Atlantischen Allianz auch zukünftig zu gewährleisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Das war immer unsere Politik, und das wird sie auch bleiben.
    Meine Damen und Herren, diese Bundesregierung hat im Jahre 1983 mehr als jeder andere in der NATO bewiesen, wie ernst es uns ist mit der Festigung und Stabilisierung der NATO. Wir brauchen von niemandem Nachhilfeunterricht in unserer Bereitschaft, für die NATO-Gemeinschaft einzutreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zuruf der Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE])

    Unser Bündnis hat seine Bereitschaft zur Abrüstung immer wieder bewiesen. So hat es in den letzten Jahren einseitig 2 400 nukleare Sprengköpfe in Europa abgebaut. Die Bundesregierung hat sich dafür entschieden, auf die 72 Pershing I a zu verzichten.
    Präsident Bush hat angekündigt, bis Ende 1990 alle chemischen Waffen aus der Bundesrepublik Deutschland vorzeitig und ebenfalls einseitig abzuziehen. Wir hätten uns gewünscht, daß auch die Sowjetunion endlich diesen Schritten folgt

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das wird Zeit!)

    und vor allem ihre vierzehnfache Überlegenheit im nuklearen Kurzstreckenbereich drastisch reduziert, zumal sie im strategischen Nuklearbereich über weit mehr als 10 000 Sprengköpfe verfügt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist mehr als genug!)

    Die Bundesregierung — ich will das noch einmal ins Gedächtnis rufen, weil es einige vergessen haben — hat bereits im Rahmen der INF-Verhandlungen auch Verhandlungen über nukleare Kurzstreckensysteme mit dem Ziel gefordert, die bestehenden Ungleichgewichte durch drastische Reduzierungen abzubauen und gleiche Obergrenzen zu vereinbaren.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ich habe das in mehreren Briefen an den damaligen Präsidenten Reagan seit 1986 immer wieder eingefordert, und das findet ja auch seinen Niederschlag im NATO-Kommuniqué vom 12. Juni 1987 in Reykjavik

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist wahr!) und vom März 1988 in Brüssel.

    Jeder muß und wird verstehen, daß gerade die Bundesregierung — und ich denke, auch der Deutsche Bundestag — diese Position einnimmt. Die Bundesrepublik Deutschland ist angesichts der Reichweite der Kurzstreckensysteme stärker berührt als alle anderen Partner im Bündnis. Von daher ist es für mich selbstverständlich, daß unsere Freunde für unsere Interessen das gleiche Verständnis haben, wie wir es bei vielen Gelegenheiten ebenso selbstverständlich für sie bewiesen haben.

    (Beifall bei CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Der Erfolg unserer Abrüstungsanstrengungen hängt davon ab, daß wir gemeinsam im Bündnis unsere Sicherheit glaubwürdig gewährleisten können. Das ist der friedenssichernde Auftrag unserer Bundeswehr.
    Wegen der geburtenschwachen Jahrgänge hat der Deutsche Bundestag im April 1986 auf Vorschlag der Bundesregierung die Verlängerung des Grundwehrdienstes von 15 auf 18 Monate ab Juni 1989 beschlossen. Um mehr Wehrgerechtigkeit durchzusetzen, haben wir daneben die Tauglichkeitsprüfungen besser gestaltet und Einberufungshindernisse reduziert.
    Inzwischen wissen wir, daß seitdem deutlich mehr Wehrpflichtige eingezogen werden können.

    (Lachen bei der SPD)

    Angesichts dieser Entwicklung ist es gerade unter dem Gesichtspunkt der Wehrgerechtigkeit sinnvoll, die für den 1. Juni 1989 beschlossene Wehrdienstverlängerung bis 1992 zu verschieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Freiheit gibt es nicht zum Nulltarif. Aber wir wollen jungen Leuten nicht mehr Opfer abverlangen, als jetzt wirklich nötig sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bundeswehr wird deshalb nicht weniger Soldaten haben. Wir stehen zu unserer Zusage über die Friedensstärke der Bundeswehr. Wir werden ihre moderne Ausbildung und Ausrüstung weiterhin gewährleisten.
    Die Bundesregierung und die sie tragenden Koalitionsparteien bekennen sich zur Bundeswehr und zu unseren Soldaten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Unsere Soldaten leisten einen Ehrendienst für den Frieden. Sie sind die Garanten unserer Freiheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich wende mich deshalb mit Nachdruck gegen alle Versuche, den Wehrdienst gegenüber dem Zivildienst moralisch herabzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)




    Bundeskanzler Dr. Kohl
    Ich weise auch hier im Deutschen Bundestag noch einmal mit aller Schärfe die jüngsten Aufrufe zur massenhaften Wehrdienstverweigerung aus dem Gewerkschaftsbereich zurück.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Lesen!)

    Ich fordere die Führung des DGB und auch weite Teile der SPD auf,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wir haben uns geäußert!)

    sich eindeutig von diesem schlimmen Versuch zu distanzieren, ein individuelles Grundrecht für eine politische Kampagne gegen unsere Soldaten zu mißbrauchen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Koalition der Mitte befindet sich nun im siebten Jahr ihrer Regierungsverantwortung.

    (Frau Dr. Vollmer [GRÜNE]: Kurz vor ihrem Ende!)

    Die wichtigsten Vorkehrungen zur Sicherung der Zukunft sind getroffen.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deshalb wird der politische Gestaltungsspielraum wieder größer. Wir werden ihn nutzen: mit einer neuen formierten Regierungsmannschaft,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    mit einem klar umrissenen Arbeitsprogramm für den Rest der Legislaturperiode und mit der notwendigen politischen Perspektive für die 90er Jahre.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Koalition der Mitte hat in diesen knapp sieben Jahren unser Land aus der Krise herausgeführt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Frau Unruh [GRÜNE]: Die Rentner haben das nicht gemerkt!)

    Aus wirtschaftlichem Niedergang, aus der Gefahr von Zweitklassigkeit wurde Wiederaufstieg. Wir haben der Wirtschaft das Vertrauen zurückgegeben, und sie antwortet darauf mit umfangreichen Investitionen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die Bürger unseres Landes wissen, daß sich persönliche Leistung wieder auszahlt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Die Decke ist dünn!)

    Umweltschutz und Wohlstand, Spitzentechnologie und Wettbewerbsfähigkeit, ein hoher Ausbildungsstand und das umfassende Netz sozialer Sicherungen — dies alles können wir auf Dauer nur mit einer leistungsfähigen Wirtschaft erhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wenn wir wollen, daß unser Land auch morgen Spitze ist,

    (Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)

    müssen wir heute die Weichen richtig stellen. Fleiß und Energie der Bürger, Kreativität und Freiheitswillen braucht unser Land auch in Zukunft. Wenn wir uns für morgen unseren Spitzenplatz erhalten wollen, dann müssen wir uns heute anstrengen. Der Weg wird nicht leicht sein.
    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich will mit einem persönlichen Wort schließen, auch mit Blick auf den 40. Geburtstag unserer Bundesrepublik Deutschland. Ich war 19 Jahre alt, als im Mai 1949 Konrad Adenauer als Präsident des Parlamentarischen Rats zur Schlußabstimmung über das Grundgesetz aufrief. Wie für viele war dies für mich ein unvergeßlicher Augenblick. Ich saß am Radio und spürte wie viele der Generation: Dies wird unsere Republik.
    In wenigen Tagen werden wir den 40. Geburtstag unserer Verfassung begehen. Für uns gilt heute wie damals: Unser Vaterland verdient jeden Einsatz.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Ich füge hinzu: Wir werden den Radikalen von links und rechts nicht unsere Republik überlassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Gefordert sind Entschlossenheit und Geschlossenheit.
    Die Bundesregierung kennt ihre Pflicht.

    (Langanhaltender Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Lachen bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Danke schön. — Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung, die Sie, Herr Bundeskanzler, soeben vorgetragen haben,

    (Frau Roitzsch [Quickborn] [CDU/CSU]: War gut!)

    diese breite und an manchen Stellen etwas pathetische Regierungserklärung, kann den Eindruck nicht verwischen, den Sie der deutschen Öffentlichkeit schon seit Wochen vermitteln. Und dieser Eindruck lautet: Sie sind auf der Flucht — auf der Flucht vor den Wählerinnen und Wählern,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    die Ihnen von Mal zu Mal schwerere Niederlagen beibringen. Sie räumen auf dieser Flucht Positionen, die Sie immer wieder als völlig unverzichtbar bezeichnet haben.
    Es ist kein geordneter Rückzug. Es ist, um mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" zu sprechen — und das kann ich nicht alle Tage — , eine Politik der manifesten Panik, die Sie hier präsentieren.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)




    Dr. Vogel
    Auch nach dieser Erklärung herrscht der Eindruck vor: Sie setzen ja gar nicht mehr auf Sieg. Sie hoffen — Herr Klein hat das schon mitgeteilt — auf maßvollere Niederlagen in der Zukunft.

    (Heiterkeit bei der SPD — Bohl [CDU/CSU]: Sie sind schon in Panik, Herr Vogel!)

    So bescheiden ist ein Kanzler geworden, der noch vor einem Vierteljahr davon sprach, seine Regierung sei die erfolgreichste im freien Europa.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Bravo!)

    — Sehen Sie, meine Damen und Herren, da ist Ihnen der Bundeskanzler voraus: Sie glauben das noch; der Bundeskanzler glaubt es schon gar nicht mehr.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die manifeste Panik ist denn auch überall zu spüren. Das beginnt schon mit der Reihenfolge Ihrer sogenannten Befreiungsschläge. Überall — nicht nur in unserem Land — verständigt man sich zunächst über Inhalte der Politik und sucht dann die Männer und Frauen, die diese Inhalte am glaubwürdigsten verkörpern und sie am besten zu verwirklichen vermögen. Bei Ihnen war das umgekehrt: Sie haben erst die uns altvertrauten Personen hier auf dieser Bank hin- und hergeschoben, und dann haben Sie nach Inhalten gesucht. Nicht aus Überlegung haben Sie die Reihenfolge umgekehrt, sondern weil Sie keine Luft mehr hatten, weil Sie um Ihr eigenes politisches Überleben fürchteten.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Danach sieht das Ergebnis Ihrer Kabinettsumbildung auch aus. In der Ihnen eigenen, außerordentlich zurückhaltenden, nuancierten Ausdrucksweise haben Sie die Kabinettsumbildung als die bedeutsamste in der Geschichte der Bundesrepublik bezeichnet.

    (Heiterkeit bei der SPD)

    Herr Bundeskanzler, das war sie mit Sicherheit nicht.

    (Zuruf von der SPD: Warum klatscht ihr da hinten nicht?)

    Aber es war die unprofessionellste Kabinettsumbildung seit 1949,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    und es war die Kabinettsumbildung, die am längsten gedauert hat.
    „Über Kabinettsumbildungen redet man nicht, man macht sie" hat Herr Lambsdorff gesagt, und wo er recht hat, hat er gelegentlich auch jetzt noch recht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Sie, Herr Bundeskanzler, haben genau das Gegenteil getan. Es wurde vier Wochen lang geredet, und dann gebar der kreißende Berg eine Maus oder eigentlich nur ein Mäuslein.
    Gewiß, Herr Kollege Waigel ist jetzt Mitglied Ihres Kabinetts. Aber als Landesgruppenvorsitzender und als Landesvorsitzender der CSU war er doch schon bisher für die Misere Ihrer Koalition an vorderster Stelle mitverantwortlich.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Und was der Bundesfinanzminister Waigel jetzt korrigieren will, etwa die Quellensteuer, das hat doch der Landesgruppenvorsitzende Waigel hier mit betrieben und mit beschlossen und genauso beklatscht, wie Sie jetzt das Gegenteil beklatschen müssen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Frau Unruh [GRÜNE]: Volksverdummung ist das!)

    Da hat Herr Geißler, Herr Bundeskanzler, ganz anders reagiert. Herr Geißler ist zwar ebenso mitverantwortlich, aber er hat sich schlicht geweigert, sein Schicksal mit dem Ihren noch zusätzlich zu verketten. Er leidet schon genug darunter, daß er unter Ihnen Generalsekretär ist, und denkt darüber nach, wie man das ändern kann.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Ihre Einladung, in Ihr Kabinett einzutreten, hat Ihr Generalsekretär nicht als Ehre, sondern als einen Anschlag auf sein politisches Urteilsvermögen und auf seine politische Reputation empfunden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Diejenigen, die sich in Ihrer Umgebung genauer auskennen, sagen: Der Mann will sich sein Pulver für den Tag danach trockenhalten.
    Sonst haben wir es, mit Ausnahme von Frau Hasselfeldt, die wir erst kennenlernen müssen und bei der die Qualifikation — das würde ich bei einem Mann genauso sagen; damit da kein Mißverständnis entsteht — für die Bewältigung des besonders schwierigen Wohnungsproblems nicht ohne weiteres ersichtlich ist, mit alten Bekannten zu tun.
    Herr Zimmermann ist selbst nach Meinung seiner Parteifreunde als Innenminister gescheitert. In letzter Zeit hat er außer durch stramme rechte Parolen nur noch als Urlauber und als Großwildjäger von sich reden gemacht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Alles sprach dafür, ihn endgültig und vollständig für diese ehrenvollen Beschäftigungen freizustellen. Es ist Ihr Geheimnis, Herr Bundeskanzler, was Herrn Zimmermann nun ausgerechnet für das Verkehrsministerium prädestiniert. Arme Deutsche Bundesbahn, kann ich da nur sagen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN — Hüser [GRÜNE]: Jetzt werden die Kontrollen in den Zügen verschärft!)

    Auch bei Herrn Stoltenberg, dessen jahrzehntelanges Engagement ich durchaus respektiere, wäre ein ehrlicher Abschied am Platze gewesen. Die Bundeswehr, die sich in einer Umbruchsituation größten Ausmaßes befindet, hätte eine frische Kraft benötigt, die ihr eine verläßliche Orientierung gibt und ihr zu einem neuen Selbstverständnis verhilft. Das wollen



    Dr. Vogel
    nämlich auch wir aus unserer Verantwortung heraus.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundeswehr hätte eine Kraft verdient, die in der Lage ist, mit der Hinterlassenschaft des Herrn Wörner — um die handelt es sich nämlich im Grunde; wenn das Wort von der Erblast je eine Berechtigung gehabt hat, dann gilt es für die Hinterlassenschaft von Herrn Wörner — fertigzuwerden.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Statt dessen setzen Sie einen Kollegen dorthin, der seine politische Zukunft hinter sich und sein politisches Gewicht weitgehend eingebüßt hat. Das kann nicht gutgehen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie werden sich noch wundern!)

    Das Lob, das Sie Herrn Stoltenberg im voraus gespendet haben, wird ihn dabei wahrscheinlich nicht ermutigen. Mit fast den gleichen Worten haben Sie vor elf Monaten Herrn Scholz gelobt. Von Ihnen, Herr Bundeskanzler, gelobt zu werden ist mittlerweile außerordentlich gefährlich, vor allen Dingen wenn es sich um einen Minister handelt.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Bleibt noch Herr Kollege Klein. Er bringt die Zahl der Bundesminister, die am Tag Ihres Amtsantritts, Herr Bundeskanzler, 16 betrug, auf nunmehr 19. Dieses Anschwellen Ihres Kabinetts — mit den Staatssekretären zählt es jetzt 75 Mitglieder, bei Ihrem Amtsantritt waren es 61; das ist ein Zuwachs um 14 — ist ein Beweis mehr dafür, daß Masse nicht auch Qualität bedeutet.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Herr Klein ist übrigens in der Geschichte der Bundesrepublik — ein ähnlicher Vorstoß von Konrad Adenauer scheiterte damals am Widerstand in Ihren eigenen Reihen — der erste Sprecher der Regierung, der ihr gleichzeitig als Minister angehört. Diese Verknüpfung wirft eine Problematik eigener Art auf, die nicht nur von uns als ungut und mißdeutbar empfunden wird. Wir werden sie rückgängig machen, sobald wir dazu in der Lage sind.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Klein [München] [CDU/ CSU]: Das wird aber noch eine Weile dauem!)

    Im übrigen habe ich Herrn Klein keine Ratschläge zu geben. Das versteht er selber: Es liegt doch nicht an der Verpackung; Herr Ost ist doch nicht an der Verpackung gescheitert. Die Ware ist faul; Sie können sie noch so schön einwickeln!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    In München hatten Sie zu meiner Zeit etwas zu verkaufen. Ich habe ja gehört, wie Sie als erstes sagten: Es geht tadellos weiter, auch wenn der Bundeskanzler die Europawahlen verliert. — Stellen Sie sich einmal vor, lieber Herr Klein, Sie hätten damals bei mir in München erklärt: Das wird auch dann eine Bombengeschichte, wenn die Bauten bis zur Olympiade gar nicht fertig sind. —

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD) Das ist alles fabelhaft. Also: Er ist Realist.


    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Ich sagte, Herr Bundeskanzler, Sie sind auf der Flucht. Jeder weiß auch, vor wem Sie fliehen. Wohin Sie allerdings flüchten wollen,

    (Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Vor Ihnen nicht!)

    das ist auch nach Ihrer Regierungserklärung nicht klar erkennbar. — Nun strapazieren Sie sich nicht so! Es kommen noch ganz andere Dinge. Ich sage Ihnen, Sie werden bei dem, was nachher kommt, stehend schreien.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

    Sie sollten sich steigern können; nicht alles immer gleich am Anfang verpulvern. Das hat der Bundeskanzler auch gelernt.
    Zunächst einmal, Herr Bundeskanzler, tun Sie weiterhin so, als ob Ihre bisherige Politik in allen wesentlichen Punkten erfolgreich gewesen sei. Die Darstellung dieser Erfolge hat auch in Ihrer heutigen Erklärung breiten Raum eingenommen. Dabei schwang stets der Vorwurf mit, die Wählerinnen und Wähler seien nicht imstande, die großartigen Erfolge dieser Regierung zu erkennen, der Vorwurf an die Wählerinnen und Wähler, die zuschauen, sie verstünden das nicht, was Sie gemacht haben. Doch, Herr Bundeskanzler, lassen Sie sich sagen: Nicht die Wähler täuschen sich — Sie täuschen sich, und das verstellt Ihnen den Blick für eine klare Analyse der Situation.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Die Wähler laufen Ihnen doch nicht aus Bosheit oder Dummheit weg. Darunter sind doch viele Männer und Frauen, die Ihrer Partei und Ihnen in der Vergangenheit mehr als einmal, ja über viele Jahre hin ihre Stimme gegeben haben. Sie wenden sich ab, weil sie Ihnen nicht mehr zutrauen, und zwar wesentlich auch Ihnen in Person, daß Sie die großen Herausforderungen unserer Zeit erkennen und darauf überzeugende Antworten zu geben vermögen. Sie wenden sich ab, weil nicht wenige zu Recht über schlimmes soziales Unrecht empört sind und ihre Deklassierung fürchten. Daher kommen radikale Stimmen nach rechts.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Sie wenden sich ab — auch das muß in einem freien Parlament gesagt werden dürfen — , weil sie die Art und Weise, in der Sie agieren und Ihre Politik vertreten, nicht länger akzeptieren wollen,

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    weil sie immer wieder — das schließt nun nicht nur Sie ein — von der Bürgerferne des Bonner Politikbetriebes und auch von Zeichen der Arroganz der Macht abgestoßen werden.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade sagen!)




    Dr. Vogel
    — Jawohl, Herr Kollege! — Viele Bürgerinnen und Bürger, viele Wählerinnen und Wähler wenden sich ab, weil sie das selbstgefällige Gerede von der geistigmoralischen Erneuerung oder gar von der christlichen Grundhaltung, die in dieser Politik zum Ausdruck komme, einfach nicht mehr hören und nicht mehr ertragen können.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Die Wählerinnen und Wähler sehen aber auch, daß Sie als Ihre Erfolge Entwicklungen in Anspruch nehmen, die auf ganz anderen Ursachen beruhen, etwa die günstige Konjunkturentwicklung. Könnten wir uns nicht darüber verständigen, daß sie in erster Linie auf dem Fleiß und dem Können unserer Arbeitnehmerschaft, unserer Techniker, Ingenieure und Kaufleute, der Handwerker,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Das ist wahr! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    der kleinen und mittleren Unternehmen und — ich sage es ausdrücklich — vieler Männer und Frauen in den Leitungen der großen Unternehmen beruht? Sie beruht aber auch auf dem Engagement, der Vernunft und dem Verantwortungsbewußtsein unserer Gewerkschaften.

    (Beifall bei der SPD)

    Es war entlarvend, Herr Bundeskanzler, daß Sie die Gewerkschaften nur im Zusammenhang mit einem ungerechtfertigten und empörenden Angriff, nicht aber im Zusammenhang mit ihren großen Leistungen genannt haben.
    Der bis vor kurzem anhaltende Ölpreisrückgang, der unserer Volkswirtschaft seit 1982 rund 100 Milliarden DM erspart hat, während wir es — Herr Lambsdorff war übrigens dabei — in unserer Regierung in vergleichbarer Zeit mit einem rapiden Ölpreisanstieg zu tun hatten, ist doch ebensowenig Ihr Verdienst wie das weltwirtschaftlich übrigens höchst bedenkliche Leistungsbilanzdefizit der USA, das wesentlich zu den Exporterfolgen unserer Wirtschaft beigetragen hat. Sie schmücken sich mit fremden Federn, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der SPD und der Abg. Frau Unruh [GRÜNE])

    Dies tun Sie übrigens auch auf dem Feld der Außen-
    und der Sicherheitspolitik. Denn die Entkrampfung des Verhältnisses zwischen den Weltmächten, ihre wachsende Kooperationsbereitschaft und die Fortschritte im Abrüstungsprozeß — das sind doch vor allem Früchte der Reformpolitik und des Umbaus in der Sowjetunion sowie der einseitigen Abrüstungsmaßnahmen Gorbatschows zum Abbau sowjetischer Überlegenheiten,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Wir brauchen gar nichts zu tun, es kommt alles von selbst!)

    aber auch des wachsenden Verständnisses für diese Entwicklung in den Vereinigten Staaten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sehr schwach!)

    Und wenn Konzepte hierfür Impulse gegeben haben, dann sind das die von uns entwickelten Konzepte einer neuen Ostpolitik

    (Beifall bei der SPD — Dr. Faltlhauser [CDU/ CSU]: Das ist Selbstgerechtigkeit! — Lachen und weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    und des in Helsinki eingeleiteten Weges zu einer europäischen Friedensordnung. — Beides Konzepte, die mit den Liberalen, aber gegen Sie und Ihren erbitterten Widerstand durchgesetzt worden sind. Wie Sie heute vom Prozeß hin zu einer Einigung Europas im europäischen Friedensprozeß reden können, ohne daran zu erinnern, daß Sie Helsinki abgelehnt haben, daß es diesen Prozeß gegen Sie gegeben hat, kennzeichnet Sie einmal mehr.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Schily [GRÜNE] — Bühler [Bruchsal] [CDU/CSU]: Sagen Sie einmal etwas zu Helmut Schmidt und seiner Rolle beim NATO-Doppelbeschluß! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Mein Gott, Ihre Schreiereien sind für die Menschen draußen so langweilig, weil sie deren Sinn überhaupt nicht erkennen können.

    (Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Schreien Sie doch nicht so! — Weitere Zurufe von der FDP und der CDU/CSU)

    — Ich muß sagen, da bekomme ich Sehnsucht nach Herrn Seiters. Er hat noch ein Mindestmaß an Ordnung in diesem Verein gehalten; der Herr Nachfolger übt noch.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der SPD — Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Der Ton ist gut!)

    Auf die von Ihnen auch so gepriesenen Reformen komme ich noch zu sprechen. Auch zu Ihren sonstigen Ausführungen, etwa über Familienpolitik, Umweltpolitik, wird von uns in der Debatte das Erforderliche noch bemerkt werden.
    Zu Ihrem umweltpolitischen Ankündigungskatalog, Herr Bundeskanzler, paßt es im übrigen wie die Faust aufs Auge, daß Sie das, was Sie jetzt konkret tun könnten und was konkret geschehen müßte, nämlich die Novellierung des Naturschutzgesetzes, mit fadenscheinigen Gründen erst einmal wieder verschieben und vertagen: Dichtung und Wahrheit!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Wir Sozialdemokraten kritisieren nicht, daß Sie Ihre Politik ändern, daß Sie, wenn auch verdeckt und unter allerlei Ausflüchten, Fehler und Irrtümer eingestehen. Ich sehe auch, daß Sie sich da und dort — widerwillig genug — unseren Positionen nähern, daß Sie jetzt genau das tun, was Sie über Monate und Jahre hin abgelehnt, bekämpft und verteufelt haben. Es ist ja immer dasselbe: Wir entwickeln ein Konzept, Sie bekämpfen es und verdächtigen uns. Dann streiten Sie untereinander, und schließlich versuchen Sie, die wesentlichen Elemente des Konzepts zu übernehmen und als



    Dr. Vogel
    Ihre Politik auszugeben. Es ist immer wieder dasselbe.

    (Beifall bei der SPD — Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Nur, die Zeiträume, in denen Sie das tun, werden immer kürzer. Bei der Ostpolitik hat es noch über ein Jahrzehnt gedauert; bei der Wehrdienstzeit waren es immerhin noch Jahre; bei der Quellensteuer waren es jetzt nur noch Monate. Ich schlage vor, Sie übernehmen unsere Positionen immer am gleichen Tage. Dann ersparen Sie sich den ganzen Ärger, dann sind Sie allerdings auch überflüssig.

    (Beifall bei der SPD)