Rede von
Michael
Weiss
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (DIE GRÜNEN/BÜNDNIS 90)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Letztes Jahr im Juni hat eine Arbeitsgruppe der Koalitionsfraktionen entschieden, daß eine erste Referenzstrecke für das Magnetschnellbahnsystem Transrapid von Hamburg nach Hannover gebaut werden soll. Es wurde eine Alternative oder Ausweichmöglichkeit mit Essen—Bonn angeboten. Gleichzeitig wurde aber betont, daß eine Konkurrenzierung der Deutschen Bundesbahn ausgeschlossen sein soll. Damit wurden zwei Beschlüsse gefaßt, die eigentlich nicht miteinander vereinbar sind.
Tatsache ist, daß inzwischen selbst eine von der Magnetbahn-Betriebsgesellschaft, MVP, erstellte Studie nachweist, daß der Transrapid dort, wo er jetzt eingesetzt werden soll, eindeutig zu Lasten der Deutschen Bundesbahn fährt. Die errechneten Verkehrsgewinne von 8,5 Millionen Personenfahrten pro Jahr, die der Transrapid auf dieser Strecke aufnehmen könnte, würden zu 7,3 Millionen Fahrten zu Lasten der Bahn gehen und nur zu 1,2 Millionen Fahrten zu Lasten des Autoverkehrs.
Es wird immer betont, daß ein solches Verkehrsmittel notwendig sei, um die Straßen zu entlasten. Wenn dieses Verkehrsmittel dann 80 % seines Verkehrs aber von der Schiene, von der Bahn und nur 20 % von der Straße holt, so stellt das in keiner Weise eine Umweltentlastung dar. Wenn schon die Straßen nur um 1,2 Millionen Personenfahrten entlastet werden können, dann sage ich: Dafür brauchen wir nicht das teure und aufwendige System Transrapid, dafür genügt eigentlich ein sehr viel einfacheres System. Mit sehr viel weniger finanziellem Aufwand und mit einem Tempolimit oder anderen verkehrspolitischen Maßnahmen wären weit größere Verkehrsverlagerungen von der Straße auf ein schienengebundenes Verkehrsmittel möglich als mit diesem Zug.
Man könnte jetzt sagen: Es ist noch Zeit, das Kabinett hat noch gar nicht entschieden, und wir haben Zeit, uns etwas zu überlegen, die Sache ist noch nicht ausdiskutiert. Nur ist das nicht so einfach. In Niedersachsen wird ganz konkret ein Raumordnungsverfahren für eine bestimmte Strecke eingeleitet.
Man muß sich einmal überlegen: Die Deutsche Bundesbahn hat in einem Schreiben vom 21. Juni 1988 an den Bundesverkehrsminister eindeutig erklärt, daß für den Fall, daß der Transrapid von Hamburg nach Hannover fährt, der Intercity ICE in Hannover wenden würde und damit die Strecke Hamburg—Hannover, die ohnehin schon eine nicht allzu wirtschaftliche Auslaufstrecke für das Schnellfahrsystem ICE darstellt, nicht mehr bedient würde. Dann ist es aber geradezu absurd, daß die Deutsche Bundesbahn zur Zeit Millionen DM investiert, um in Hamburg—Eidelstedt das Betriebswerk für den ICE zu bauen. Da muß man sich einfach mal überlegen, daß dieser Beschluß so, wie er gefaßt wurde, generell eine Aushöhlung der Deutschen Bundesbahn bedeutet und daß auf diese Art und Weise der Transrapid jedenfalls klar und eindeutig gegen die Bahn fährt. Von einem komplementären Verkehrsmittel kann dann auf keinen Fall die Rede sein. Man muß sich ja auch überlegen, was man eigentlich mit dem Transrapid erreichen will. Das kann doch höchstens eine Demonstrationsstrecke sein; denn Sie können ihn sinnvoll nur irgendwo in der Wüste einsetzen, wo man 500 km ohne Halt durchfahren kann. In der Bundesrepublik geht das nicht. Das entspricht überhaupt nicht der Siedlungsstruktur.
— Wenn ich gerade Ihren Zwischenruf höre: Luftraum entlasten, dann sage ich Ihnen: Überlegen Sie sich das einmal. Denken Sie beispielsweise an die am stärksten beflogene Strecke der Lufthansa von München nach Frankfurt. Dort sind am Tag 22 Flieger im Einsatz. In diesen 22 Fliegern stehen 2 700 Sitzplätze zur Verfügung. Die durchschnittliche Auslastung beträgt
1 900 Plätze. Und was heißt das? Weniger als 2 000
Reisende. Und 2 000 Reisende sind das Kriterium, bei
dem die Bundesbahn sagt: Strecken mit weniger als
2 000 Reisenden pro Tag legen wir still.
Sie müssen sich einmal eine realistische Größenordnung überlegen. Sie wollen für diese paar Fluggäste ein neues Schnellverkehrssystem in die Landschaft stellen, das dann noch gegen die Bahn fährt, das die Bahn kaputtmacht und das nicht imstande ist, die größten Probleme, die wir haben, zu lösen.
Die größten Probleme kommen in diesem Land vor allem mit dem Güterverkehr auf uns zu. Wenn Sie nun ein Verkehrssystem haben, das keinen Güterverkehr ermöglicht, dann ist das verkehrspolitisch absolut unsinnig.
— Wenn es zugelassen wird, bitte.