Rede von
Volker
Jung
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch diese Debatte zeigt — Herr Harries hat das soeben bestätigt — : Die Ankündigung des Vorstandsvorsitzenden der VEBA AG, Rudolf von Bennigsen-Foerder, sich aus dem Wiederaufarbeitungsprojekt in Wackersdorf zurückzuziehen, hat die Regierungsparteien in schwere Bedrängnis gebracht. Es ist zweifellos das Verdienst von Bennigsens, einer breiten Öffentlichkeit deutlich gemacht zu haben, daß Wackersdorf wirtschaftlich keinen Sinn mehr macht, weil die Wiederaufarbeitung in La Hague um zwei Drittel billiger angeboten wird und die deutsche Stromwirtschaft damit 2 Milliarden DM sparen würde, die, nebenbei gesagt, ja auch zur Finanzierung der Kohleverstromung eingesetzt werden könnten, und daß mit Wackersdorf — das hat von Bennigsen nicht gesagt, aber das hat er gemeint — bei den derzeitigen Ausbauplänen der Kernenergie in Europa Überkapazitäten entstehen würden, die nicht gebraucht werden. Das denken viele in der Energiewirtschaft schon seit längerer Zeit, aber so deutlich ausgesprochen hat das bisher niemand.
Meine Damen und Herren, wenn die Wiederaufbereitungsanlage in Wackersdorf nicht weitergebaut wird, wenn der Schnelle Brüter in Kalkar nicht ans Netz geht, wenn außerdem der Hochtemperaturreaktor in Hamm-Uentrop stillgelegt wird und wenn schließlich die Kernenergie insgesamt als Übergangstechnologie bezeichnet wird, dann sind das in der Tat bemerkenswerte Einsichten und Signale der Energiewirtschaft.
Aber damit kann es nicht sein Bewenden haben. Man muß der breiten Öffentlichkeit auch deutlich machen, warum in La Hague so billig produziert werden kann.
Das liegt — erstens — daran, daß Sicherheitstechnologien und Genehmigungsverfahren in der französischen Atomindustrie weniger aufwendig sind als bei uns. von Bennigsen-Foerder selbst hat in einem Artikel im „Handelsblatt" vor gut einem Jahr vorgerechnet, daß das deutsche Strompreisniveau, das rund ein Drittel über dem französischen Preisniveau liegt, zu einem guten Teil auf die hohen Umweltanforderungen, vor allem auf die teure Bauweise von Kernkraftwerken in unserem Land zurückzuführen ist. Wir können es aber nicht zulassen, meine Damen und Herren, daß es in Europa eine Angleichung der Sicherheitsstandards nach unten, sozusagen auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, gibt.
Das liegt — zweitens — daran, daß die Wiederaufarbeitung in Frankreich immer zugleich auch militärischen Zwecken gedient hat. Dabei spielt auch die Tatsache eine Rolle, daß der französische Staat sowohl
Betreiber der Entsorgungsgesellschaft als gleichzeitig auch deren Genehmigungsbehörde ist, so daß die Preisstellungspraxis von außen gar nicht kontrolliert werden kann.
Angesichts dieser Fakten bestehen wir Sozialdemokraten weiterhin auf einer direkten Endlagerung von abgebrannten Brennelementen.
Das integrierte Entsorgungskonzept, das 1979 beschlossen wurde, Herr Schmidbauer, mit Wiederaufarbeitung und Endlagerung, stand immer unter dem Vorbehalt einer Überprüfung. Die Systemstudie „Andere Entsorgungstechniken" hat eindeutig ergeben, daß die direkte Endlagerung nicht nur sicherer, sondern auch billiger ist, auf jeden Fall in unserem Land, aber sicher auch in ganz Europa. Darum wollen wir diesen Entsorgungsweg nicht nur bei uns, sondern in der gesamten Europäischen Gemeinschaft durchsetzen.
Wir übersehen keineswegs, meine Damen und Herren, daß wir unsere energiepolitischen Probleme auch unter dem Gesichtspunkt des geplanten europäischen Binnenmarktes überdenken müssen. Da haben Sie völlig recht, Herr Töpfer. Aber damit gibt es nach meiner Auffassung im Grunde nur zwei Optionen: Entweder wir definieren unsere Energiepolitik weiterhin national. Dann werden wir uns gegen jeden Druck wehren müssen, französischen Atomstrom in unser Land hineinzulassen, unsere Kohlebasis zu zerstören oder uns zu hindern, differenzierte Energieverbrauchsteuern einzuführen.
Oder wir beginnen unsere Energiepolitik europäisch zu definieren. Dann müssen wir aber in der Zukunft Versorgungssicherheit auf der Basis heimischer Energieträger, Umwelt- und Ressourcenschonung durch eine effizientere Erzeugung und Nutzung von Energie, Sicherheitsstandards auf Höchstniveau und nicht zuletzt den Ausstieg aus der Kernenergie in ganz Europa verwirklichen.
Schönen Dank.