Rede von
Ludwig
Gerstein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Aktuellen Stunde macht bereits deutlich: Wir müssen wirklich alle Konsequenzen, die sich aus der beabsichtigten Zusammenarbeit zwischen der VEBA und der COGEMA ergeben, sehr sorgfältig prüfen, und zwar ohne Hast und ohne Emotion.
Ich glaube, die Gemeinsame Erklärung zur Zusammenarbeit bei der friedlichen Nutzung der Kernenergie, wie sie als Ergebnis der deutsch-französischen Gipfelkonsultationen entstanden ist, macht auch deutlich, daß alle anstehenden Fragen vor allen Dingen im Hinblick auf den europäischen Binnenmarkt zu betrachten sind. Und die Verwirklichung dieses Binnenmarktes verlangt ja doch wohl eine stärkere Integration und Harmonisierung in allen energierelevanten Bereichen. Die Frage, ob die von der VEBA geplante Aufgabe der Wiederaufarbeitung in der Bundesrepublik nun diesen Anspruch wirklich erfüllt oder nicht, muß aber vor den anstehenden Entscheidungen schlüssig beantwortet werden.
Ich persönlich bin der Meinung, daß eine einseitig isolierte Aufgabe der Aufarbeitung in Wackersdorf zugunsten der Konzentration und damit auch wohl zugunsten einer Monopolisierung der Entsorgung in Frankreich nicht zur Harmonisierung, sondern zur Deharmonisierung der europäischen Energiewirtschaft führen würde. Daher ist es richtig, wenn, wie das gerade auch der Bundesminister Töpfer deutlich gemacht hat, der gesamte Vorgang in einen größeren energiepolitischen Zusammenhang gestellt wird.
Ich bin auch davon überzeugt, daß der einfache Verzicht auf eine eigene Wiederaufarbeitungsanlage eben doch auch die Aufgabe eines ganz wichtigen, entscheidenden Elements des deutschen Entsorgungskonzeptes bedeutet und damit auch unsere nationale Energiepolitik erheblich verändern würde.
Sicher ist wohl auch, daß der deutschen Nukleartechnik durch eine einfache Aufgabe der deutschen Wiederaufarbeitung ein empfindlicher Schlag versetzt werden würde. Einige — wie soeben Herr Vosen — werden sich darüber freuen. Ich glaube aber, für die Betroffenen, für die Belegschaften, die in diesen Gebieten tätig sind, und für die Ingenieure, sieht das ganz anders aus. Die industrielle Stellung der Bundesrepublik in Europa und in der Welt würde sicher geschwächt, wenn man das so einfach machen würde.
Es gibt ja auch durchaus unterschiedliche Auffassungen, insbesondere was den künftigen Strommarkt in der Europäischen Gemeinschaft angeht. Man muß auch sicherstellen, daß die beabsichtigte Zusammenarbeit nicht etwa bedeutet, daß damit eine unbegrenzte Öffnung für französischen Kernenergiestrom mit allen negativen Konsequenzen einhergehen wird.
Meine Herren und Damen von der SPD, Sie bieten heute ein sehr zwielichtiges Schauspiel.
Ich möchte darauf hinweisen, daß der Herr von Bennigsen-Foerder ja glaubt, man könne durch die Aufgabe der Wiederaufarbeitung ein Stück Konsens zurückgewinnen. Sie haben in mehreren Presseerklärungen — ich weise besonders auf das Interview von Herrn Lafontaine im Deutschlandfunk hin — deutlich gemacht, daß davon überhaupt keine Rede sein kann. Denn wo soll ich einen neuen Konsens sehen, wenn Herr Lafontaine im Zusammenhang mit dem Problem, mit dem wir uns heute befassen, ganz einfach erklärt: Aber am Kernenergieabwicklungsgesetz wird festgehalten, und wenn wir die Mehrheit haben, werden wir dieses Gesetz vollziehen. Das kann doch wirklich der mögliche Konsens nicht sein.
Daher, meine Damen und Herren, wird Ihr Triumphgeschrei von kurzer Dauer sein, zumal da — Herr Schmidbauer hat darauf hingewiesen — die Frage, mit der wir uns hier befassen, natürlich auch eine durchaus akute und elementare Gefährdung der deutschen Steinkohle ergeben könnte. Denn wenn das Argument, das wir bisher benutzen — daß wir für die Sicherheit unserer Energieversorgung sowohl ein nationales Entsorgungskonzept als auch eine nationale Energiereserve brauchen — , im Fall der Wiederaufarbeitung aufgehoben wird, frage ich mich, wie man dieses Argument noch verwenden kann, um z. B. deutsche Steinkohle bei der Stromversorgung einzusetzen und ihr zu helfen.
Ich erwarte, daß bei den anstehenden Entscheidungen dies alles berücksichtigt wird und daß am Standort der Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf festgehalten werden kann.
Danke schön.