Rede von
Wolfgang
Lüder
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Vielzweckwaffe, Herr Kittelmann. Aber das wissen Sie seit langem. — Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Dokumente der dunklen Jahre Deutschlands dürfen nicht verlorengehen. Das ist für mich eine vordringliche Forderung, die sich in Auswertung der Sachverständigenanhörung zum Berlin-Document-Center ergibt. Das Berlin-Document-Center enthält alle Namen von Mitgliedern von NS-Organisationen, mit deutscher Gründlichkeit gesammelt und archiviert. Während wir Politiker noch darüber stritten — das war ja auch Grund für den der Debatte zugrunde liegenden Antrag — , wer für das Archiv zuständig und wer zum Einblick berechtigt sein sollte, belehrten uns die Sachverständigen, daß der Zahn der Zeit ganz schlicht am Papier nagt. Wenn nicht bald etwas zur Sanierung der Dokumente geschieht, gehen sie kaputt. Wir wissen auch, daß die Fotokopierarbeiten deswegen sorgfältiger als bei Normaldokumenten üblich gemacht werden müssen. Auch wenn das vielleicht etwas mehr kostet oder etwas länger dauert: Es ist wichtig, daß die Dokumente erhalten bleiben. Deswegen müssen die Fachleute — und das sind nun einmal die Mitarbeiter des Bundesarchivs — schnell und eigenverantwortlich darangehen können, dieses Archiv zu konservieren.
Wir bitten die Bundesregierung — dabei unterstreiche ich das, was Kollege Neumann gesagt hat — , mit den Alliierten, insbesondere den Amerikanern, intensiv darüber zu verhandeln, daß das Archiv zügiger als bisher geplant in deutsche Verantwortung übertragen wird. Wir bitten die Bundesregierung, dabei darauf zu drängen, daß keine bürokratischen Umwege gewählt werden, etwa durch Einschaltung des Bundesverwaltungsamtes, Außenstelle Berlin, oder ähnliches.
Ich habe aus der Anhörung den Eindruck gewonnen, daß es ein umfassendes Anliegen in Ost und West ist, dieses Archiv zu sichern, und das geht nun einmal nur, wenn auch die erfahrenen Praktiker damit beauftragt werden. Das muß man in West und Ost wissen und akzeptieren.
Die Übertragung auf das Bundesarchiv hat für uns auch die weitere Konsequenz, daß über die Nutzungs-und Einsichtsmöglichkeiten diejenigen wachen, die das deutsche Archivrecht anzuwenden verstehen. Frau Hämmerle, ich bin Ihnen dankbar, daß Sie bestätigt haben, daß die Praxis, gerade was die Forschungsarbeiten betrifft, hier keinerlei Grund zur Beanstandung gibt. Uns kam und kommt es darauf an, kein Sonderrecht für ehemalige Naionalsozialisten zu schaffen.
Nicht mit der Denunziation der persönlichen Vergangenheit der einzelnen Nazis können wir die politische Auseinandersetzung mit dem NS-System der Vergangenheit oder auch den Rechtsextremisten der Gegenwart führen, sondern nur mit sachlichen Argumenten, die auch in der Gegenwart Bestand haben.
Meine Damen und Herren, wir bekämpfen Schönhuber und seine rechtsradikalen Extremisten nicht allein deswegen, weil er und seine Freunde Nazis waren, sondern weil er und seine Freunde sich zu einer Vergangenheit als SS-Schergen uneingeschränkt bekennen und vor allem, weil seine Parteipolitik den Grundsätzen des NS-Regimes zu nahe verbunden ist. Um das zu erkennen, brauchen wir weiß Gott kein Berliner Document Center.
Für das Berlin-Document-Center gilt für uns unverändert, worauf ich in der ersten Lesung hingewiesen habe: Es bleibt ein unverrückbarer Grundsatz, daß Persönlichkeitsschutz, Datenschutz aus Archiven, Anwendung des Archivgesetzes Grundlage auch im Umgang mit den Unterlagen sein muß, die sich auf die NS-Zeit beziehen. Wir wollen keine Sondertatbestände haben. Das Archivgesetz ist die geeignete Grundlage für die Nutzung der Daten auch des BerlinDocument-Centers für Wissenschaft und Forschung. Hier muß in der Zukunft der Schwerpunkt der Auswertung liegen. Deswegen lehnen wir auch den heute neu gestellten Antrag der Fraktion der GRÜNEN und auch den der SPD ab. Das Bundesarchivgesetz gilt für alle und jeden. Wir wollen keine Ausnahmegesetze. Das hilft uns auch politisch nicht weiter.