Rede von
Horst
Günther
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin, ich bedanke mich für das gesamte Parlament.
Darauf können sich die Menschen bereits heute einstellen. Sie können dafür auch heute bereits materielle Vorsorge treffen. Das ist fair und sozialverträglich; es ist gerecht gegenüber der nachwachsenden Generation, und es vermeidet künftige schwere Konflikte.
Lassen Sie mich also dazu zusammenfassen: Wir nehmen mit der Reform jetzt ganz wichtige Weichenstellungen vor. Die SPD trägt diese Entscheidungen mit. Das ist um der Sache willen wichtig. Daß sich das Konzept der Union grundsätzlich durchgesetzt hat, ist natürlich auch sehr erfreulich. Aber ich würde das hier vielleicht nicht einmal erwähnen, wenn nicht seitens der SPD auch heute morgen wenigstens zu einem Teil wieder der Versuch unternommen würde, den Eindruck zu erwecken, eine gute Rentenreform komme erst durch ihre Mitwirkung zustande.
Ich muß demgegenüber feststellen: Das jetzt vorgelegte gemeinsame Reformkonzept entspricht in allen wesentlichen Punkten der Koalitionsvereinbarung, der entsprechenden Regierungserklärung des Bundeskanzlers und dem Ergebnis der Beratungen der Koalitionskommission zur Rentenreform, das in dem Diskussions- und Referentenentwurf des Bundesarbeitsministeriums vom November vorigen Jahres niedergelegt ist und von jedem nachzulesen ist.
Der Diskussionsentwurf war Grundlage der Beratung. Sämtliche in dem Diskussionsentwurf enthaltenen Grundentscheidungen für die Reform sind auch Inhalt des jetzt gemeinsamen Gesetzentwurfs. Sie wurden überhaupt nicht verändert, sondern das Ergebnis der Verhandlungen besteht in einigen Ergänzungen,
die ich in ihrer Bedeutung nicht schmälern will — lachen Sie nicht zu früh!
Lachen Sie nicht zu früh! — , von denen man
aber selbst beim besten Willen nicht sagen kann, daß erst diese Ergänzungen die Reform ausmachen. Das kann man im übrigen jederzeit überprüfen.
Ich nenne ein Beispiel, das charakteristisch ist. Die Koalition hat gesagt: Bei Arbeitslosigkeit sollen sich die Zahlung und die Bewertung von Rentenbeiträgen an der Lohnersatzleistung, also an der Bemessung des Arbeitslosengeldes oder der Arbeitslosenhilfe orientieren. Man soll aber nicht so tun, als werde der bisherige Lohn unvermindert weitergezahlt, meine Damen und Herren.
Unser Diskussionsentwurf sah deshalb die Zahlung der Beiträge nach 75 % des ausgefallenen Lohnes vor. Die SPD hat dagegen 100 % gefordert. Wir haben uns auf 80 % geeinigt. Dies sei nur als ein Beispiel für vielleicht viele andere Dinge genannt. Die genannten 5 aber — das füge ich hinzu; das war auch in den Vordiskussionen bekannt — hätte die Koalition wahrscheinlich selber geschafft.
Zeitweilig wurde auch versucht, meine Damen und Herren, das Reformkonzept der Koalition als frauenfeindlich abzustempeln. Das war und wäre barer Unsinn; das weiß auch die SPD, meine Damen und Herren. Wir haben aber gemeinsam einige zusätzliche Maßnahmen vereinbart, die sich vor allem zugunsten langfristig berufstätiger Frauen auswirken. Wir haben auch der Fortführung der Rente nach Mindesteinkommen bis 1991, aber bis dahin befristet, zugestimmt. Die SPD sieht diese Regelung noch mehr als unter frauenpolitischen Gesichtspunkten unter dem Gesichtspunkt der Ausweitung eines Mindestsicherungselementes. Gerade wegen dieses Aspektes sind wir gegenüber dieser Maßnahme etwas skeptisch. Wir haben sie aber zugestanden, weil die SPD auf ihre sehr viel weiter gehenden Mindestsicherungsvorstellungen im Gegenzug verzichtet hat. Deshalb und weil die Maßnahme tatsächlich vor allem Frauen zugute kommt, was wir im Interesse der Frauen ausdrücklich begrüßen, war das für uns kein Problem.
Frauenfeindlich aber war der Diskussionsentwurf mitnichten. Die neue Gesamtleistungsbewertung ist vielmehr ausgesprochen frauenfreundlich. Wir fördern damit die Vereinbarung von Erwerbsarbeit und Familienarbeit, und zwar so, daß auch langfristige Unterbrechungen von Erwerbstätigkeit zugunsten von Familientätigkeit möglich sind und rentenrechtlich nach Möglichkeit ausgeglichen werden. Dem liegt bei uns die Erkenntnis zugrunde, daß Familie und Kinder die entscheidende Voraussetzung für das langfristige Funktionieren des Generationenvertrages in der Rentenversicherung sind. Ich sage das, weil der Fraktionsvorsitzende gerade hereingekommen ist, zu ihm ganz besonders gerne.
Die Erwerbstätigkeit allein ist nicht ausreichend, meine Damen und Herren.
Ein weiterer Punkt, zu dem von SPD-Seite nicht immer Zutreffendes gesagt wird, ist z. B., daß die SPD keine Erhöhung des Bundeszuschusses erreicht hat. Dazu habe ich in jüngster Vergangenheit in der Zeitung etwas anderes gelesen. Deshalb erwähne ich das. Vielmehr stabilisiert sich der Bundeszuschuß
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 132. Sitzung. Bonn, Freitag, den 10, März 1989 9749
Günther
alleine auf Grund des Koalitionskonzeptes mittelfristig bei 19,5 % der Rentenausgaben.
Andere Forderungen, meine Damen und Herren — auch das will ich hinzufügen — , nämlich den Wertschöpfungsbeitrag, konnten wir nicht mittragen.
Damit komme ich zu einer abschließenden Bewertung des Reformkonzeptes und des Konsenses. Ich habe dargelegt, daß es unser Konzept ist, das Konzept der Union und der Koalition, daß es aber gelungen ist, dieses Konzept so auszugestalten, auszutarieren und zu ergänzen, daß sich die SPD bereitgefunden hat und sich auch bereitfinden konnte, es mitzutragen, es sich mit zu eigen macht und sich dort auch wiederfindet.
Wir haben dafür an einigen Stellen gewisse Maßnahmen und Elemente oder Ansätze von Elementen zugestanden, die für die SPD wichtig waren. Eine ganze Reihe tragender Elemente ist zudem unstrittig, beispielsweise die Bemessung der künftigen Rentenanpassung an die Entwicklung der verfügbaren Einkommen der Erwerbstätigen oder der Regelungsmechanismus von Beitragssatz, Bundeszuschuß und Rentenanpassung.
Aus all diesen Gründen denke ich: Wir machen eine gute Reform für die Menschen. Wichtiger als manche parteipolitisch motivierte Äußerung ist es, daß die Rentenversicherung auch in den kommenden Jahrzehnten ihre Aufgabe erfüllt.
Das ist für alle das Entscheidende. Ohne Inkaufnahme von Belastungen, ebenfalls für alle, aber ausgewogen, geht es dabei nicht ab. Beides müssen alle, die diese Reform tragen, den Bürgern deutlich sagen, meine Damen und Herren — aber alle, bitte.
Man kann dies aber nicht zugleich sagen und anschließend einseitig auf soziale Elemente, Vergünstigungen usw. eingehen und damit so tun, als gäbe es vor allem noch etwas zu verteilen und als sei vor allem man selbst der Verteiler und als seien die anderen die bösen Konsolidierer.
Wir müssen und werden darauf bestehen, daß sich keiner der Partner des Konsenses auf derartige Spielchen auf Kosten der anderen zurückzieht. Das gilt selbstverständlich auch für uns. Entscheidend ist: Die Konsolidierung der Alterssicherungssysteme erfordert vor allem Begrenzungen der Erwartungen und gewisse Einschränkungen. Man kann auch in Zukunft dasselbe Rentenniveau erreichen wie heute, aber man wird dafür mehr Gegenleistung aufbringen müssen. Das müssen wir dem Bürger ganz klar sagen. Wer das verschleiert und andere Eindrücke erweckt, meldet sich aus der Verantwortung ab.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich begrüße dieses vorgelegte Konzept seitens meiner Fraktion. Wir werden weiterhin konstruktiv mit den Beteiligten zusammenarbeiten, und ich bin sicher, wir werden Ende dieses Jahres den Bürgern unserer Republik
eine gemeinsame Reform präsentieren können, die die Zukunft der alten Menschen sichert.
Vielen Dank.