Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Auch ich beginne mit Ergebnissen der Volkszählung. Seit der Veröffentlichung der ersten Ergebnisse vor wenigen Tagen wissen wir das nun genau: Die Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer hat sich seit der Volkszählung 1970 beträchtlich erhöht, nämlich um 70 % von 2,439 Millionen auf — Herr Schröer —4,146 Millionen. In diesen siebzehn Jahren stieg der Ausländeranteil an der Gesamtbevölkerung von 4 auf 6,8 %. Von den Bundesländern liegt Berlin mit 11,1 an der Spitze.
Bereits diese Zahlen, meine Damen und Herren, machen deutlich, daß es sich bei der Regelung der Rechtsverhältnisse der bei uns lebenden Ausländer sowie derjenigen Ausländer, die noch zu uns kommen wollen, nicht mehr wie noch vor 20 Jahren gewissermaßen um ein politisches Randthema handelt. Wir müssen uns in der Tat neu darauf verständigen, welchen Ausländeranteil wir in der Zukunft noch für sozial verantwortbar, für national vertretbar, für kulturell angemessen und für wirtschaftlich verkraftbar halten wollen.
— Natürlich. — Dazu bedarf es ganz ohne Frage zeitgemäßer Regelungen. Die Koalition aus CDU/CSU und FDP bereitet, wie Sie wissen und wie auch Herr Bundesinnenminister Dr. Zimmermann eben erwähnt hat, entsprechende Gesetze vor. Das gute Recht der Opposition ist es natürlich, jetzt auch eigene Vorschläge hier einzubringen.
Meine Damen und Herren, bevor wir uns allerdings über viele Einzelheiten auseinandersetzen, bedarf es nach meiner Überzeugung dringend gewisser grundsätzlicher Klärungen oder Klarstellungen.
Erstens ist immer wieder gemahnt worden, die Bundesrepublik Deutschland sei kein Einwanderungsland. Tatsächlich jedoch belegen die Zahlen, daß in den vergangenen zwei Jahrzehnten in erheblichem Maße eine faktische Einwanderung stattgefunden hat. Das läßt sich im wesentlichen nicht rückgängig machen, aber für die Zukunft doch ausschließen.
Zweitens muß, wie ich denke, ein wichtiger Maßstab für die Zukunft das Recht auch der deutschen
Nation bleiben, vorrangig die ihr eigene typische Kultur zu bewahren.
Bei aller Bereicherung, Frau Kollegin Olms, durch fremde Kulturkreise, die ich gar nicht bestreite, sollten wir uns nicht gedankenlos auf den Weg machen in eine alles vermischende sogenannte multikulturelle Gesellschaft.
— Ich sehe das anders. Wir reden noch einmal darüber, was das eigentlich bedeutet. Vielleicht reden wir auch über verschiedene Dinge.
Drittens müssen wir, wie ich denke, auch die europäische Dimension des Themas konkreter als bisher definieren. Wir wollen Europa, aber wir wollen keinen Einheitsstaat. Wer bei uns etwa das Wahlrecht als das zentrale Staatsbürgerrecht im demokratischen Staat ausüben darf, kann nicht von europäischen Institutionen entschieden werden.
Die hier eingebrachten Vorschläge der SPD-Fraktion für ein Bundesausländergesetz gehen offenkundig von Grundvorstellungen aus, denen wir in manchen Punkten deutlich widersprechen müssen. Wenn Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, hier beispielsweise vorschlagen, an Stelle der bisherigen Ermessensentscheidung der deutschen Behörden unter bestimmten, sehr großzügig formulierten Voraussetzungen einen Rechtsanspruch des Ausländers auf Erteilung der Aufenthaltserlaubnis zu gewähren oder Auflagen wie das Verbot oder die Beschränkung politischer Betätigung für unzulässig zu erklären oder auszuschließen, daß die Erlaubnis zum dauernden Aufenthalt bei ihrer zweiten Verlängerung nicht mehr aus Arbeitsmarktgründen versagt werden darf oder daß bereits nach acht Jahren Aufenthalt ein umfassendes Niederlassungsrecht zu gewähren sei, was z. B. zugleich das Verbot künftiger Ausweisung bedeuten soll — um nur einige Beispiele zu nennen —, so wird hier deutlich, daß Sie in Wirklichkeit — ich fand, sehr zutreffend, was wir eben vom Bundesinnenminister gehört haben — eine Art Einwanderungsgesetz vorschlagen.
Im wesentlichen stellen Sie doch nur auf die Aufnahmefähigkeit des deutschen Arbeitsmarkts ab, und das, wie gesagt, auch nur bis zur ersten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Sonstige öffentliche Interessen spielen bei Ihnen, soweit ich sehe, kaum noch eine Rolle.
Meine Damen und Herren, wir wollen — ich sage das ganz klar — keine Ausländer-raus-Politik, aber auch keine Ausländer-rein-Gesetze. Wir erkennen an, daß die Integration der schon lange hier lebenden und insbesondere der hier geborenen Ausländer durch integrierende, der Entwicklung angepaßte rechtliche Regelungen gestützt werden muß. Ebenso sicher wird es aber auch mit uns kein Gesetz geben, das unsere deutschen Interessen gegenüber den Interessen einwanderungswilliger Ausländer in einem solchen
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8205
Dr. Kappes
Maße vernachlässigt wie die von Ihnen vorgelegte Konzeption eines Bundesausländergesetzes.
Freilich trifft zu, daß die in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Ausländer einen Anspruch darauf haben, zu wissen, welche Rechte ihnen zustehen und welche Pflichten auf sie zukommen, wenn sie ihre Lebensplanung auf einen Daueraufenthalt in unserem Land einrichten. Insofern stimmen wir Ihrem Entschließungsentwurf grundsätzlich zu.
Dies kann jedoch nicht bedeuten, Herr Kollege Schröer, daß wir z. B. losgelöst von der deutschen Staatsangehörigkeit ein umfassendes Niederlassungsrecht, vielleicht noch verbunden mit dem kommunalen Wahlrecht, gewähren müßten, ohne damit auch entsprechende Pflichten — z. B. die Wehrpflicht — zu verbinden. Wer auf Dauer hier bleiben will und die Voraussetzungen dafür erfüllt, muß sich eben für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit entscheiden.
Die wesentlichen Bedingungen hierfür sollten wir allerdings — das will ich auch klar sagen — nicht zu großzügig ändern. Wer unsere Sprache nicht spricht, Herr Kollege Hirsch, und ein bestimmtes Grundwissen über unsere Staats- und Gesellschaftsordnung nicht nachzuweisen vermag, kann auch in Zukunft nicht Deutscher im Sinne des Grundgesetzes werden.
— Wenn Sie meine Formulierung genau gehört haben, dann werden Sie vielleicht gemerkt haben, daß ich das sehr wohl weiß und auch bedacht habe.
Im übrigen, meine Damen und Herren, ist das geltende Ausländerrecht auch keineswegs so unberechenbar, wie das oft behauptet wird. Auch das Ermessen der Ausländerbehörden darf nur pflichtgemäß ausgeübt werden und bewegt sich nicht im rechtsfreien oder gerichtlich nicht nachprüfbaren Raum. Am Ende müssen die Belange der Bundesrepublik Deutschland maßgebend dafür bleiben, wer sich als Ausländer und wie lange er sich in unserem Land aufhalten kann.