Danke schön; ich möchte jetzt nicht.
Ich bin sehr froh darüber, daß zumindest in der Frage der Wiederkehroption vom Innenminister heute ein positives Zeichen gesetzt worden ist, wobei ich es nicht für richtig halte, daß dieses — da bin ich wieder sehr skeptisch, wenn Sie es sagen — eine Härteregelung sein soll. Ich meine, es muß eine gesetzliche Regelung sein, die der Bund trifft.
Ich will Ihnen, um das zu untermauern, weil es nicht nur Härtefälle sind, sondern eine größere Gruppe ist, einen der vielen Briefe vorlesen, die an die Ausländerbeauftragte Frau Funcke gerichtet sind. Ich glaube, es ist auch ihr Verdienst mit, daß es in diesem Punkt heute über die Fraktionen hinweg Goodwill gibt. Dies gilt nicht nur für Frau Funcke. Ich möchte auch einmal an meine frühere Kollegin, die frühere Familienministerin Antje Huber erinnern, die jetzt nicht mehr im Parlament ist, und die diesen Punkt sehr frühzeitig angesprochen hat.
Ich zitiere aus diesem Brief an Frau Funcke, weil vielen Menschen nicht bewußt ist, um was es sich hier handelt:
Ich bin in Deutschland geboren und aufgewachsen. Ich bin türkisch. Wir sind 1983 in die Türkei zurückgekehrt. Mein Vater ging 1963 nach Deutschland. Ich habe mich noch immer nicht in die Türkei eingewöhnt und möchte nach Deutschland zurück! Denn schließlich bin ich in Deutschland geboren und aufgewachsen, und ich fühle mich genau so. Ich kann noch nicht einmal die
— türkische —
Sprache richtig. Wenn ich spreche, lachen alle Leute. Alle meine Freunde, die ich liebe, sind in Deutschland. Alles ist wegen meiner Eltern passiert. Wären sie nicht zurückgekehrt, wäre das alles nicht passiert! Ist das meine Schuld?
Wenn ich volljährig wäre, wäre ich in Deutschland geblieben, und ich hätte auch die Staatsangehörigkeit angenommen ... Ich bin im Vaterland, aber wo ist mein Heimatland? Für mich ist es Deutschland! Es muß möglich sein, im Land, wo man geboren und aufgewachsen ist, zu leben und glücklich zu sein. Ich habe überall geschrieben, wo mir eingefallen ist, aber leider vergebens!
Ich möchte leben, wo ich geboren und aufgewachsen bin ... Denn schließlich bin in in Deutschland geboren und aufgewachsen. Hilfe, Hilfe, bitte retten Sie mich!
Wir wissen, daß bei vielen Rückkehrern ein sehr großer Anteil von jungen Leuten ihre Schulbildung, ihre Berufsausbildung hier gemacht haben und dann mit den Eltern, weil die etwa die Rückkehrhilfen in Anspruch genommen haben, zurückgegangen sind. Diese Menschen sind in der Türkei todunglücklich und geraten dort zwischen Baum und Borke, werden von den Einheimischen dort häufig nicht akzeptiert, weil sie nicht als richtige Türken zählen.
Nun haben manche bei uns Angst vor der großen Zahl derjenigen, die über eine solche Regelung zurückkommen könnten. Inzwischen haben einige Institute und auch die Bundesanstalt für Arbeit ausgerechnet, um wieviele Menschen es sich handelt, wieviele zurückkehren könnten: Das wären im Augenblick 4 000 junge Leute. Zukünftig werden es natürlich erheblich weniger werden, weil unter diesen 4 000 jungen Menschen der Rückstau der letzten Jahre enthalten ist. Ich meine, wir haben es nicht nötig, für diese Gruppe eine komplizierte Härteregelung und Verwaltungsvorschriften zu machen, sondern man sollte ein wirklich bundeseinheitliches Gesetz machen.
Wir sollten, glaube ich, auch unter dem Aspekt, daß jetzt in allen Fraktionen der gute Wille da ist und man dieses Problem erkannt hat, diesen Gesetzentwurf zum Anlaß nehmen, ein Gesetz zu verabschieden. Wir sind bereit, über Einzelheiten zu reden.
Das ist ein Angebot.
Ich glaube, daß sehr deutlich geworden ist, daß von uns aus gehandelt wird, um diesen Menschen gerecht zu werden, für die wir Verantwortung haben, für deren Sozialisation wir mitverantwortlich sind.
Meine Damen und Herren, das Ausländerrecht wird so lange umstritten bleiben und in der Bundesrepublik Deutschland immer wieder zu einer unsäglichen Situation führen, solange ein Teil der Politiker, insbesondere der konservativen, meint, sie könnten mit Stimmungsmache einen Teil des rechten Randes binden. Das führt dazu, daß durch eine solche Stimmungsmache in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt keine gesetzlichen Regelungen zustande kommen.
Dem steht gegenüber, daß nicht nur in der SPD, bei den GRÜNEN und bei der FDP — man braucht nur mit vielen Kolleginnen und Kollegen zu sprechen — , sondern auch in der CDU viele Kollegen bereit wären, ein liberales Ausländerrecht zu konzipieren. Das heißt, es gibt in Wirklichkeit in diesem Haus eine ganz große Mehrheit für ein vernünftiges Ausländerrecht. Das wird durch die Profilierungsdiskussion vom konservativen Rand systematisch verhindert.
Ich kann Sie nur dringend auffordern, auch Sie, Herr Innenminister, dieser Mehrheit, die in diesem Hause vorhanden ist, um ein passables Ausländerrecht zu beschließen, endlich Rechnung zu tragen und genauso, wie sich jetzt bei der Wiederkehroption angedeutet, den Versuch eines großen Konsensus in der Bundesrepublik Deutschland zu unternehmen. Die Chance dazu besteht. Wir werden auch bei Schwierigkeiten, die in Teilen der Bevölkerung vorhanden sind, mit Hilfe von Kirchen, Gewerkschaften und Wohlfahrtsverbänden viel Verständnis finden.
Wenn wir in der Lage wären, in unserer politischen Kultur, in diesem so wichtigen Bereich, ein Stück wei-
8204 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Wartenberg
terzukommen, dann ist es dringend notwendig, daß wir gemeinsam zu einem Grundkonsens zurückkommen und das Thema Ausländer- und Minderheitenpolitik nicht zur Profilierung mißbrauchen.
Vielen Dank.