Rede von: Unbekanntinfo_outline
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Bundesregierung strebt eine umfassende Reform des allgemeinen Ausländerrechts an. Das geltende Gesetz von 1965, nun 23 Jahre alt, das die materiellen Voraussetzungen für den Aufenthalt von Ausländern
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8199
Bundesminister Dr. Zimmermann
nicht zureichend regelt, erweist sich zunehmend als problematisch. Die Ausländerbehörden der Länder brauchen einheitliche und inhaltlich hinreichend bestimmte Entscheidungsgrundlagen. Sie benötigen klare gesetzliche Vorgaben. Die ausländerrechtlichen Grundentscheidungen müssen deshalb bundesgesetzlich vorgeschrieben werden. Nur auf diesem Wege läßt sich die Einheitlichkeit im Ausländerrecht wiederherstellen und für die Zukunft gewährleisten.
Aber es genügt nicht, wenn wir uns nur in dem formalen Ziel, ein neues Ausländergesetz zu schaffen, einig sind. Wir müssen versuchen, auch über die wesentlichen Inhalte einen Konsens zu erzielen. Die Bundesregierung wird das Ihre dazu beitragen. Sie ist zum Gespräch bereit, und zwar sowohl zum Gespräch mit der Opposition als auch mit den Ländern und Gemeinden, die die Hauptbetroffenen sind.
Diese Konsensbereitschaft vermisse ich jedoch in dem Antrag der SPD-Fraktion über Grundsätze für ein neues Ausländergesetz. Sie haben zwar verbal bekundet, Herr Schröer, daß wir kein Einwanderungsland sind; aber es ist kein Ausländergesetz, es ist ein Einwanderungsgesetz, was Sie hier vorgelegt haben. Dieser Entschließungsantrag setzt damit ein falsches Signal.
In der gegenwärtigen Situation kann es überhaupt nicht darum gehen, mit einem neuen Ausländergesetz eine radikale Abkehr von der bisherigen Ausländerpolitik zu vollziehen. Wer den seit langen Jahren bestehenden Grundkonsens in der Ausländerpolitik jetzt aufkündigt, der will kein neues Ausländergesetz, sondern der will ein neues Ausländergesetz verhindern.
Bei der Neuregelung muß die bisherige gemeinsame Ausländerpolitik von CDU/CSU, SPD und FDP in Bund, Ländern und Gemeinden zugrunde gelegt werden. Diese Ausländerpolitik verfolgte auch bisher zwei Ziele: einerseits die Integration der bisher rechtmäßig zugewanderten ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehörigen und andererseits die konsequente Begrenzung der weiteren Zuwanderung von Ausländern aus Nicht-EG-Staaten.
Darüber, daß dieses Problem mit dem Herannahen des Binnenmarkts nicht einfacher wird, sind wir alle uns doch sicher einig.
Eine solche duale Ausländerpolitik ist bereits von der SPD-geführten Bundesregierung in den Jahren 1981 und 1982 unmißverständlich ausformuliert worden. Am 11. November 1981 hat die damalige Bundesregierung festgestellt:
Es besteht Einigkeit im Kabinett, daß die Bundesrepublik Deutschland kein Einwanderungsland ist und auch nicht werden soll.
Weiter heißt es in diesem Kabinettbeschluß:
Das Kabinett ist sich einig, daß für alle Ausländer,
die aus Ländern außerhalb der EG kommen, ein
weiterer Zuzug unter Ausschöpfung aller rechtlichen Möglichkeiten verhindert werden soll.
Die konsequente Zuwanderungsbegrenzung bildet zudem die notwendige Voraussetzung für eine erfolgreiche Integrationspolitik. Auch darauf hat die damalige Bundesregierung hingewiesen, als sie am 3. Februar 1982 ihre ausländerpolitischen Grundsatzpositionen bestätigte. Es heißt:
Nur durch eine konsequente und wirksame Politik zur Begrenzung des Zuzugs aus Ländern, die nicht Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft sind, läßt sich die unverzichtbare Zustimmung der deutschen Bevölkerung zur Ausländerintegration sichern. Das ist zur Aufrechterhaltung des sozialen Friedens unerläßlich.
Meine Damen und Herren, ich könnte Ihnen heute nichts anderes sagen — ich sage auch nichts anderes — , denn diese Feststellungen sind auch heute noch — ich meine sogar: in noch höherem Maße — gültig. Eine realistische und ehrliche Ausländerpolitik muß an diesen Zielen festhalten.
Erlauben Sie mir noch ein Wort zu dem Gesetzentwurf der SPD über die Wiederkehrerlaubnis. Auch die Bundesregierung verkennt nicht, daß der Ausschluß einer Wiederkehrmöglichkeit zu unverhältnismäßigen Härten bei Ausländern führen kann, die hier aufgewachsen sind und als Minderjährige ihren Eltern ins Herkunftsland folgen mußten. Deshalb werden derzeit zwischen Bund und Ländern die Möglichkeiten erörtert, ohne Änderung des Ausländergesetzes auf Verwaltungsebene eine bundeseinheitliche Härtefallregelung zu treffen. Damit entfiele die Notwendigkeit, die Wiederkehroption vorab durch ein besonderes Gesetz zu regeln.
Meine Damen und Herren, die Situation hat sich seit den Jahren 1980 bis 1982 nicht entspannt, sondern sie hat sich eher verschärft. Wir sind einem unveränderten Zuwanderungsdruck ausgesetzt. Er wird sich angesichts der Bevölkerungsentwicklung sowie der politischen, sozialen und wirtschaftlichen Verhältnisse in vielen Ländern vornehmlich der Dritten Welt eher noch weiter verstärken. Das belegt die Entwicklung der Ausländerzahlen. Nachdem von Ende 1982 bis Ende 1985 die Zahl der Ausländer nicht zuletzt infolge der Rückkehrförderungspolitik zurückgegangen war, ist seitdem wieder ein erheblicher Anstieg zu verzeichnen.
Dieser Entwicklung müssen wir Einhalt gebieten. Wir brauchen kein neues Einwanderungsrecht, sondern wir brauchen ein Ausländergesetz, das die Zuwanderung weiterer Ausländer aus Nicht-EG-Staaten den Interessen unseres Landes entsprechend begrenzt. Ich bitte, daran zu denken, daß die anderen elf EG-Partner das auch von uns erwarten und daß eine Harmonisierung im Asyl- und im Ausländerrecht eine der Forderungen der Innen- und Sicherheitsminister der Gemeinschaft ist. Im übrigen ist das auch eine Forderung der Innenministerkonferenz der Län-
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der. Die A- und B-Länder haben diese Forderung in der letzten Sitzung gemeinsam an mich gerichtet.
Ich appelliere deshalb an die Damen und Herren Kollegen von der SPD: Lassen Sie uns auf der Grundlage unserer bisherigen gemeinsamen Ausländerpolitik die vernünftigen und notwendigen Lösungen durchsetzen. Denken Sie bitte an die Länder und Gemeinden, die alle erhebliche Belastungen tragen müssen. Mit der von Ihnen im Entschließungsantrag propagierten Politik der offenen Schleusen schaden Sie den Interessen der Bundesrepublik Deutschland ebenso wie den Integrationsbemühungen für die bei uns lebenden Ausländer. Sie wären gut beraten, mit Ihren Kollegen in den Gemeinden und in den Ländern eng Fühlung zu halten, damit Sie sich in die Lage versetzt sehen, diesen eingeschlagenen falschen Kurs zu korrigieren.