Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine sehr verehrte Vorrednerin ist nach eigenen Angaben im Handbuch des Bundestages Kriegsdienstverweigerin. Ich würde sehr begrüßen, wenn sie eines Tages auch Redeverweigerung ausüben würde.
Der Herr Präsident hat dankenswerterweise einige ihrer Äußerungen bereits zurückgewiesen. Ich werde mich mit dem nicht auseinandersetzen, Frau Schilling, was Sie in dieser Debatte hier gesagt haben, sowenig ich noch bereit sein werde, im Verteidigungsausschuß auf Ihre Argumente einzugehen.
Meine Damen und Herren, die Entscheidung über die Entsperrung von Haushaltsmitteln für die Entwicklungsphase des Jägers 90 ist am 4. Mai dieses Jahres im Verteidigungs- und im Haushaltsausschuß gefallen. Die Entscheidung dieser beiden Ausschüsse ist während der Beratungen im Rahmen des Einzelplans 14 in der vergangenen Woche bestätigt worden. Vorbehalte für diese Entscheidung gab es überhaupt nur im Hinblick auf die Spanier, weil deren Entscheidung noch ausstand. Inzwischen ist klar, daß sich die Spanier mit ihrem vollen Anteil von 13 % beteiligen werden und daß nur für den Fall, Frau Kollegin Fuchs, daß die Spanier zu irgendeiner technischen Leistung nicht in der Lage sind, diese technische Leistung bei voller Zahlung der Spanier von der Industrie der anderen Partnerländer übernommen wird. Die Spanier sind also ohne jeden Vorbehalt dabei.
Es gibt deswegen keine neuen Fakten, weder im Hinblick auf die Entscheidung des Verteidigungsausschusses noch — ich füge das für mich persönlich hinzu — auf die Beschlußlage meines Bundesparteitages in Wiesbaden.
Ich komme dann aber zu einem für mich sehr wesentlichen Vorwurf im Rahmen dieser Debatte. Ich habe mehrfach öffentlich erklärt, daß der Eintritt in die Entwicklungsphase — der Kollege Francke hat darauf noch einmal hingewiesen — keine endgültige Entscheidung sein wird, sondern daß sich die Fortsetzung der Entwicklung genauso wie der Eintritt in die Produktionsphase nur dann vollziehen wird, wenn nicht etwa in der Zwischenzeit Ergebnisse der Abrüstungsverhandlungen den Verzicht auf ein solches Waffensystem möglich machen.
Mir ist immer wieder gesagt worden, das sei reine Theorie. Aber, meine Damen und Herren, für diese Theorie gibt es in der Vergangenheit eine ganze Anzahl von Beweisen.
Ich erinnere Sie daran, daß z. B. das senkrechtstartende Transportdüsenflugzeug DO 31 während der 60er Jahre entwickelt worden ist und heute im Innenhof des Deutschen Museums zu besichtigen ist, weil die Produktion trotz der vorzüglichen Leistungen dieses Flugzeugs nicht aufgenommen wurde. Das zweite Modell war das senkrechtstartende Düsenkampfflugzeug VAK 191. Dieses Modell wurde in etwa parallel in der Anfangsphase des allseits bekannten britischen Kampfflugzeugs Harrier entwickelt. Großbritannien setzte das Programm bis heute fort. Wir haben auch dieses Modell nicht produziert. Es gibt zwei weitere Beispiele; ich will das im Augenblick aus Zeitgründen nicht fortsetzen.
Es ist also keine Theorie, wenn ich sage: Wenn Abrüstungsverhandlungen einen Verzicht auf dieses Waffensystem möglich machen, wird Entwicklung gestoppt oder Produktion nicht aufgenommen.
8190 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Ronneburger
Im übrigen kann ja wohl nicht bestritten werden, daß dieses Waffensystem entgegen Ihren Aussagen, Frau Fuchs, ein reines Verteidigungssystem ist, ein reines Jagdflugzeug.
Weswegen haben wir denn auf Hornet 2000 verzichtet? Weil dieses amerikanische System eben ein Mixtum compositum zwischen Jäger und Jagdbomber ist. Das, was die deutsche Luftwaffe nach eigenen Aussagen braucht — wir haben das in jahrelangen Verhandlungen und Informationen sowohl hier im Lande wie auch mit unseren möglichen Vertragspartnern in den USA geklärt —, ist ein reines Jagdflugzeug.
— Wir werden im Ausschuß Gelegenheit haben, über Einzelheiten dessen zu reden, was jetzt aus Zeitgründen nicht im einzelnen erörtert werden kann.
Ich sage Ihnen hier als meine feste Überzeugung und als Ergebnis meiner Eruierungen, daß es sich hier um ein Verteidigungsinstrument und nicht um ein Angriffsinstrument handelt.
Ich möchte an dieser Stelle genauso deutlich sagen: Alles, was wir an Abrüstungsmaßnahmen oder Verzicht auf Waffensysteme machen, muß darauf geprüft werden, ob damit mehr Sicherheit erzeugt wird oder weniger Sicherheit herbeigeführt wird.
Deswegen sage ich Ihnen das eine: Solange nicht auf der anderen Seite, auf der nach deren eigenen Angaben ohnehin Überlegenheit besteht,
zumindest die Produktion eingeschränkt und das Waffensystem entsprechend der anderen Seite auf einem bestimmten Niveau festgeschrieben wird — —
— Frau Fuchs, Sie können so oft dazwischenrufen, wie Sie wollen. Ich habe nur noch drei Minuten Redezeit und werde mich durch Ihre Zwischenrufe im Augenblick auch nicht irritieren lassen können.
Solange die andere Seite ihr Niveau nicht mindestens festschreibt, solange auf der anderen Seite die Überlegenheit noch gesteigert wird, ist es wohl doch nicht vernünftig, wenn wir auf unserer Seite nicht ein entsprechendes Gegengewicht vorhalten, und zwar nicht, um Krieg zu führen, nicht, um anzugreifen, sondern, wie es unser Prinzip, das Prinzip der NATO seit langem ist, um den Ausbruch eines Krieges zu verhindern, um zu verhindern,
daß diese Waffen eingesetzt werden müssen.
Wir wollen nicht weniger Sicherheit, sondern wir wollen mehr Sicherheit.
Wir wollen wie in der Vergangenheit verhindern, daß aus Spannungen — die es in der Vergangenheit durchaus gegeben hat —
eine kriegerische Auseinandersetzung wird. Aus diesem und aus keinem anderen Grund
halten wir die Entscheidung für richtig, die wir für die Entwicklung getroffen haben. Frau Kollegin Fuchs, wenn wir für diese Entwicklung 6 Milliarden DM ausgeben sollten und wenn diese 6 Milliarden DM dazu führen sollten, daß der Friede sicherer wird als vorher, dann wäre das gut angelegtes Geld, dann wäre dies weiß Gott gut angelegtes Geld.
Wir sollten uns das nicht als eine Vorbereitung für Kriegshandlungen von irgend jemandem unterstellen lassen.
Wir sehen die Notwendigkeit einer solchen Entscheidung für die Entwicklung eines Jagdflugzeuges. Diese Notwendigkeit haben die Kollegen Ihrer Fraktion im Frühjahr offenbar auch noch gesehen.
— Dann lesen Sie bitte einmal die Presseerklärung Ihrer eigenen Fraktion nach. Danach sollte nur darauf verzichtet werden, den Jäger 90 zu bauen, aber es wurde empfohlen, das amerikanische Alternativmodell zu kaufen, weil es billiger sei.
— Ich werde Ihnen nachher, Herr Kollege Horn, die Presseerklärung Ihrer Fraktion noch hier im Saal vorlegen
und werde Ihnen nachweisen, daß genau das richtig ist, was ich eben gesagt habe.
— Solange Sie lesen können, werden Sie mir nachher zugeben, daß ich recht habe und nicht Sie.
Wir werden diese Entscheidung nicht deswegen treffen, weil wir über ein bestimmtes Waffensystem begeistert sind, sondern wir werden sie treffen, weil wir wie in der Vergangenheit, auch nach Prüfung unseres Gewissens, davon überzeugt sind, daß eine solche Entscheidung notwendig und richtig ist. Wir
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Ronneburger
werden jederzeit bereit sein, sie zu korrigieren — ich sage dies noch einmal —,
wenn das, was Ziel unserer Politik ist, erreicht wird, nämlich Waffen auf beiden Seiten abzubauen,
Überlegenheiten zu beseitigen, die heute noch eine Gefahr für den Frieden sein können.