Rede von
Katrin
Fuchs
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Lieber Kollege Biehle, ich wäre ja sehr froh, wenn ich noch sehr viel mehr Kollegen aus Ihren Reihen zitieren könnte, denn dann hätten wir heute die Mehrheit gegen den Jäger.
Herr Wimmer, das, was ich soeben vorgelesen habe, ermöglicht, so finde ich, interessante und wichtige Erkenntnisse über den Zusammenhang zwischen dem militärisch-industriellen Komplex und der parlamentarischen Demokratie in unserem Land. In der
Tat, wir sind neben den Entscheidungen hergelaufen. Die wahren Entscheidungen sind auf Konzernetagen und nicht im Parlament gefallen. Die Mehrheit dieses Hauses hat das alles unter falschen Vorzeichen abgesegnet. — Auch wenn Sie lachen, Herr Wimmer: Ich finde es schlimm, wie beflissen trotz aller Zweifel und Skepsis Politik und Militär der Industrie am Ende doch in die Hände gearbeitet haben.
Das ist ein Triumpf des militärisch-industriellen Komplexes und eine Niederlage der parlamentarischen Demokratie.
Die Bürger und Bürgerinnen fragen uns: Wer regiert hier eigentlich:
hinter Zweckargumenten versteckte Industrieinteressen oder die Versammlung der gewählten Volksvertreter und Volksvertreterinnen?
Hier stellt sich die Frage nach dem Selbstverständnis des Parlaments, und es stellt sich die weitere Frage, ob das Parlament überhaupt noch in der Lage ist, in so wesentlichen Fragen souverän und selbständig zu entscheiden.
Diese Zweifel, meine Herren und Damen, sind der tiefere Grund für den allenthalben beklagten Glaubwürdigkeitsverlust der Politik, für das Mißtrauen der Bürger und Bürgerinnen, für die Politikmüdigkeit und für die verbreitete Auffassung von der Politik als schmutzigem Geschäft. Solange Dutzende von Milliarden DM für Wahnsinnsprojekte vom Schlage des „Jägers 90" aus dem Fenster geworfen werden,
während gleichzeitig alten Leuten das Taxigeld für die Fahrt zum Arzt gestrichen wird, können Sie sich jegliches Gerede von Glaubwürdigkeit schenken.
Ich kann Ihnen, meine Herren und Damen von der Koalition, heute nur noch sagen: Lassen Sie sich von Ihrem kleinen Erfolg, daß Spanien das Projekt „Jäger 90" nun doch noch unterschrieben hat, nicht täuschen. Wir werden weiterhin gegen dieses unverantwortliche Mammutprojekt angehen. Wir können auch noch in der Entwicklungsphase aussteigen;
eine sozialdemokratisch geführte Regierung würde aussteigen.
Das wären verlorene 6 Milliarden DM, die Sie verschuldet haben; das würde jedoch zu einer Ersparnis von Dutzenden von weiteren Milliarden DM führen, die sonst ebenfalls verloren wären. Die Mehrheit unseres Volkes sieht das ganz genauso wie wir.
8186 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Frau Fuchs
Ich habe nach wie vor die Hoffnung, daß bei einigen von Ihnen, insbesondere aus den Reihen der FDP —Herr Mischnick, ich freue mich, daß Sie bestätigt haben, daß wir in der Entwicklungsphase aussteigen können; ich hoffe, daß Sie uns vorangehen;
Sie dürfen nur nicht sagen, daß wir es tun können, sondern müssen sagen, daß wir es tun werden, daß wir es tun wollen —,
daß also bei einigen von Ihnen noch ein bißchen mehr Einsicht einkehrt und daß es die FDP im Laufe der Zeit wagen wird, entsprechend dem zu handeln, was sie längst als richtig erkannt hat.
Deswegen stellt die SPD-Fraktion den Antrag „Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben ,Europäisches Jagdflugzeug/ Jagdflugzeug 90' ' jetzt nicht zur Abstimmung,
sondern wir beantragen, diesen Antrag an die Ausschüsse zu überweisen, denn wir wollen Ihnen Zeit und Gelegenheit geben, Ihre Meinung doch noch einmal zu überdenken.