Rede von
Horst
Peter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Warrikoff, wenn sich Ihre Fähigkeit, schnell zu sprechen,
auf Ihre Fähigkeit übertragen würde, lernbereit zu sein,
müßten Sie eigentlich nach den Anhörungen zum Betriebsverfassungsgesetz zu anderen Auffassungen über die Argumentation beim Minderheitenrecht kommen.
Herr Kollege Stratmann, wenn man 5 vor 12 aus der Hüfte geschossen einen Teilaspekt eines DGB-Gesetzentwurfs
— einen zentralen Aspekt eines DGB-Gesetzentwurfs — in die Beratungen des Plenums einbringt,
obwohl wir noch nicht einmal die Gelegenheit hatten, einige der Formulierungen im Ausschuß zu beraten, dann ist das tricky. Dann können Sie nicht erwarten, daß wir solche Tricks mitmachen. Deshalb können wir Ihrem Antrag, den Sie so kurzfristig eingebracht haben, leider nicht zustimmen.
Herr Minister Blüm, trotz Ihrer Ausführungen und auch trotz der Beratungen im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung, die ja geringfügige Veränderungen gebracht haben — in einem Punkt auch eine durchaus begrüßenswerte Veränderung, nämlich bei der Abgrenzung der Kompetenzen der Sprecherausschüsse gegenüber den Betriebsräten — , hat sich die grundsätzliche Bewertung dieses Gesetzentwurfs nicht geändert. Es ist und bleibt ein Kuhhandel zur Abdekkung durchsichtiger Interessen zu Lasten Dritter, nämlich der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie der Einheitsgewerkschaften in unseren Betrieben.
Hier setzt die FDP, im Wort bei der Union der Leitenden Angestellten, ihre Sprecherausschüsse durch. Herr Warrikoff ist da als Mitglied der CDU-Fraktion durchaus gleichrangig einzuordnen. Dort setzen die einflußreichen Förderer des Christlichen Gewerkschaftsbundes die nur ihm, und zwar nur ihm, Herr Kollege Hoss, auf den Leib geschneiderten erweiterten Minderheitenrechte bei der Betriebsratswahl und der Betriebsratsarbeit durch.
Damit die sogenannten Vertreter von Arbeitnehmerinteressen in der CDU bei der Stange bleiben, werden die beiden Elemente erpresserisch verknüpft mit der überfälligen Sicherung der Montan-Mitbestimmung.
Als argumentative Zugabe wird eine Scheinreform geliefert: Verbesserung der Unterrichtungs- und Beratungsmöglichkeiten des Betriebsrats sowie des einzelnen betroffenen Arbeitnehmers bei Planung und Einführung neuer Techniken im Betrieb.
Das ist die knappe, aber richtige Bewertung dieser Mixtur Ihres Gesetzespakets.
Es ist eine vertane Chance für echten Reformbedarf im Bereich der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung. Genauso, wie Sie beim Gesundheits-Reformgesetz am echten Reformbedarf vorbei einen Gesetzentwurf vorgelegt haben, machen Sie es hier im Bereich der Betriebsverfassung und der Mitbestimmung.
Das Beschämende ist, daß diese Mischung aus Kuhhandel und Erpressung vom Sprecher der CDU-Arbeitnehmer, dessen Organisation noch vor Tagen gefordert hat, die neuen Techniken bedürften der Mitbestimmung, als Reform gelobt wird. Das ist mehr als Opportunismus; das ist das Eingeständnis der eigenen Politikunfähigkeit.
Das, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, ist bei vielen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern nicht verborgen geblieben, und das wird auf Sie zurückfallen.
Wenn wir den Reformaspekt, die Bedeutung der Auseinandersetzung mit den neuen Techniken, ernst nehmen wollen, dann müssen wir fragen, ob Ihre Veränderung der §§ 81 und 90 des Betriebsverfassungsgesetzes dem gerecht würde. Ich behaupte: Das ist nicht der Fall, da die notwendige Schlußfolgerung aus der Wirkungsweise der neuen Technologie nur lauten kann: Ausweitung der Mitbestimmung auf Einführung, Anwendung, Änderung oder Erweiterung neuer technischer Einrichtungen und Verfahren. Das, was Sie gemacht haben, ist nicht Ausweitung der Mitbestimmung, sondern das verdient durchaus den Begriff „weiße Salbe"! Nach Ihrem eigenen Gesundheits-Reformgesetz würden Sie das nach § 34 wegen geringen therapeutischen Nutzens unter den Heilmitteln ausgrenzen, die notwendig wären, um im Bereich der neuen Techniken tatsächlich Wirksames zu tun. Es heißt auch: Ausbau der Mitbestimmungs- und Kontrollrechte bei der Personaldatenverarbeitung einschließlich der Erhebung, Veränderung und Übermittlung von Personaldaten.
Zunächst einmal ein Blick auf die Rechtslage. Herr Professor Däubler, Herr Warrikoff, hat das in der Anhörung von 1986 ja sehr deutlich gemacht. Nach gel-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8179
Peter
tendem Recht besteht Mitbestimmung nur in dem Rahmen, den das Gesetz ausdrücklich vorsieht. Für die Mitbestimmungsrechte gilt das sogenannte Enumerationsprinzip: Nur in den Bereichen, die das Gesetz nennt, kann ein Betriebsrat mitbestimmen. Dies bedeutet, daß es nach geltendem Recht keine Mitbestimmung gibt, wenn es um den Abbau von Arbeitsplätzen geht, sowie bei Änderung der Arbeitsvollzüge und sonstiger genereller Arbeitsbedingungen; es besteht keine Mitbestimmung bei der Auslagerung von Aufgaben einschließlich der Einführung von elektronischer Fernarbeit. Es besteht eine sehr eingeschränkte Mitbestimmung im Bereich des Gesundheitsschutzes; denn nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes kann der Betriebsrat hier nur aktiv werden, wenn es um die Ausfüllung vorgegebener Normen geht. Schließlich besteht eine ebenfalls nur beschränkte Mitbestimmung bei der Erfassung und Speicherung nur personenbezogener Daten. Soweit Leistung und Verhalten erfaßt sind, kann der Betriebsrat auch bei der Auswertung mitbestimmen. Bei anderen Daten ist sein Mitbestimmungsrecht zumindest zweifelhaft.
Die Einführung von Informationstechnologien führt nun in vielen Betrieben in der Tat zu einem Abbau von Arbeitsplätzen und zu einer wesentlichen Veränderung der Arbeitsvollzüge und Arbeitsbedingungen. Sie kann zur Auslagerung von Aufgaben, insbesondere zur Einführung elektronischer Fernarbeit führen. Sie hat andersartige, neue Belastungen, insbesondere psychischer Natur, zum Gegenstand und ermöglicht das Anlegen umfassender Datensammlungen über die Arbeitnehmer. Da genügt dann Beratung eben nicht.
Solange die bisher beschränkte Form der Mitbestimmung aufrechterhalten bleibt, besteht die Gefahr, daß den Betriebsräten der Boden unter den Füßen weggezogen wird und ihre Mitbestimmung an allen wesentlichen Fragen, die mit der Einführung neuer Technologien zusammenhängen, vorbeigeht. Dies kann nicht mehr weiter hingenommen werden. Die Einführung neuer Technologien führt im Ergebnis dazu, daß über das Geschehen im Betrieben weniger mitbestimmt werden kann, als dies vor zehn Jahren der Fall war, weil die heute relevanten Fragen eben nicht in dem Katalog des geltenden Rechts aufgezählt sind.
Das sind die engen Bezüge, die zu unserem Gesetzentwurf über die Ausweitung der Mitbestimmung bei neuen Technologien und beim Arbeitnehmerdatenschutz und der Benennung des Datenschutzbeauftragten im Betrieb geführt haben. Darüber hinaus gibt es noch weitergehende Auswirkungen der neuen Technologien, die über die Betriebsgrenzen hinausgreifen, die den Arbeitnehmerbegriff verändern, die beispielsweise Konsequenzen ziehen lassen müssen im Bereich neuer Formen von Mitbestimmung, etwa der Produktmitbestimmung. Nach meiner Auffassung würde auch der gegenwärtige Tendenzschutzparagraph den Erfordernissen der Mitbestimmung bei der Entwicklung neuer Technologien nicht mehr gerecht werden und gehört damit für Presseunternehmen weg.
Das sind nur einige Beispiele, die genannt werden müssen, wenn man ernsthaft das Problem einer Reform der Betriebsverfassung angeht. Genau diesen Erfordernissen gegenüber erweist sich Ihr Entwurf als völlig ungenügend und ungeeignet und wird deshalb von der SPD-Fraktion, wie die Kollegen meiner Fraktion vorher schon gesagt haben, abgelehnt.
Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.