Rede von
Dr.
Alexander
Warrikoff
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das ist ganz besonders bemerkenswert. Wenn das nicht eine Aberkennung des Rechtes der Minderheiten ist! Sie haben das klassisch formuliert, vielen Dank. Sie wollen Wähler zweier Klassen haben, zum einen solche, die die vollen Rechte haben, und dann die Minderheiten. Vielen Dank.
Die Diskussion um diesen Punkt wurde auch außerparlamentarisch mit besonderem Eifer geführt. Die Opposition und leider auch die DGB-Gewerkschaften scheinen Minderheiten, die es im Betriebsrat ja ohnehin schon gibt, ganz besonders zu fürchten. Wenn man Minderheiten nicht mag, meine Damen und Herren, dann gibt es zwei denkbare Reaktionen. Die eine ist: Man versucht mit Paragraphen und Rechtstiteln die Machtstellung der Mehrheit zu betonieren. Die zweite ist: Man gibt den Arbeitnehmern keinen Anlaß, Minderheiten zu wählen. Der Schlüssel hierzu ist nicht Gesetzeswerk, sondern gute Leistung und, wie ich meine hinzufügen zu sollen, auch etwas weniger politische Einäugigkeit. Ich möchte den Gewerkschaften dringend den zweiten Weg empfehlen. Wenn Sie das nicht tun, meine Damen und Herren, dann ist der Tag nicht fern, wo die Gewerkschaften uns für den Minderheitenschutz, den sie heute so bekämpfen, eines Tages dankbar sein werden.
Ganz besonders verblüfft hat mich das Argument, Minderheitenschutz sei undemokratisch. Ist es nicht gerade umgekehrt ein Gebot der Demokratie, daß alle Wahlberechtigten, in diesem Fall die Arbeitnehmer des Betriebes, in den entscheidenden betrieblichen Gremien entsprechend ihrem Anteil an den Gesamtstimmen vertreten sind? Ist nicht Arbeitsstimme, Herr Minister Blüm, gleich Arbeitnehmerstimme? Soll es zwei Klassen von Arbeitnehmern geben?
Die einen wären solche, die sich für die Mehrheitsliste entschieden haben und dann die volle Repräsentation im Betriebsrat bei den Freigestellten und im Betriebsausschuß verlangen können, und die anderen wären solche, die eine Minderheitsliste gewählt haben und die dann auf Vertretung durch den Betriebsrat selber beschränkt bleiben sollen.
Der SPD-Abgeordnete Conradi, der zu meiner Freude gerade hier ist, hat im Zusammenhang mit dieser Diskussion, wie in der „Frankfurter Rundschau" vom 29. November nachzulesen ist, ein wichtiges Schlüsselwort gebraucht, meine Damen und Herren, nämlich das Wort „Toleranz".
Ist es nicht nur undemokratisch, sondern auch intolerant, wenn verlangt wird, daß eine noch so kleine Mehrheit einer noch so großen Minderheit den Zugang zu den entscheidenden Gremien versperrt?
Dieses alles in allem erstaunliche Demokratieverständnis wird zusätzlich mit dem Verweis auf Chaotengruppen und Radikale begründet. Dieser Verweis ist nachweislich falsch. Wir wissen, wie groß das Chaotenpotential ist, da ja schon heute solche Gruppen, denen die SPD dieses Prädikat geben will, an den Betriebsratswahlen mit insgesamt sehr geringem Erfolg teilnehmen. An sich sollte der Opposition dieses Mißtrauen gegenüber der freien Wahlentscheidung der Arbeitnehmer in unseren Betrieben peinlich sein.
Etwas anderes sollte ihr noch viel peinlicher sein: Die ständige Wiederholung einer Furcht, daß nennenswerte Gruppen unserer Arbeitnehmer die freie demokratische Arbeiterpartei — oder wie sich dieser Klub nennt — wählen würden, ist eine Beleidigung der deutschen Arbeitnehmerschaft. Herr Kollege Andres, Sie sollten sich das merken.