Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Bundesarbeitsminister hat seine Rede begonnen, indem er sagte: Wort gegeben, Wort gehalten.
Dieses muß daran gemessen werden, was der Entwurf zur Montan-Mitbestimmung von CDU/CSU und FDP beinhaltet, und zwar hinsichtlich: dauerhafter Mitbestimmung.
In der Anhörung ist uns von keinem der Sachverständigen erläutert worden, daß die Voraussetzungen mit diesem Entwurf dafür geschaffen sind. Ganz im Gegenteil, sie sagten: Es bestehen Umgehungsmöglichkeiten. — Darum trifft Ihr Wort, das Sie hier gesagt haben, nicht zu.
Der zweite Punkt: Sie haben gesagt, Herr Kollege Blüm, die Montan-Mitbestimmung sei unter Adenauer geschaffen worden. Auf der rechten Seite im Parlament war damals ein großes Durcheinander, und nur die sozialdemokratische Bundestagsfraktion unter Schumacher hat die Voraussetzungen geschaffen, weil sie geschlossen der Montan-Mitbestimmung zugestimmt hat.
Dies ist ein historisches Ereignis.
— Sie haben sich ja an den Beratungen im Ausschuß herrlich mit dummen Bemerkungen beteiligt. Sonst können Sie doch nichts dazu beitragen, Herr Kollege Feilcke.
Es ist so, wie es ist.
Sie sagten dann, Kollege Blüm: Kompromisse sind nötig. Ich stimme Ihnen zu, aber Kompromisse, die die soziale Sicherheit und die Rechte der Arbeitnehmer demontieren, lehnen wir Sozialdemokraten ab. Dafür stehen Sie, und dies muß ich Ihnen vorhalten.
Nun zur Sache. Meine sehr verehrten Damen und Herren, was die Montan-Mitbestimmung angeht, so habe ich einen zentralen Punkt bereits genannt: Die Vertreter der Gewerkschaften und die Sachverständigen haben Ihnen in der Anhörung bestätigt, daß es Umgehungsmöglichkeiten gibt. Ihnen ist auch vorgehalten worden, daß Sie die Arbeitnehmerseite und die Gewerkschaftsseite mit Ihrem Gesetz besonders schwächen. Dort ist festgestellt worden: Das Gewicht der außerbetrieblichen Gewerkschaftsvertreter ist zu gering. Insofern entfernt sich die Koalition vom Montan-Modell.
Darüber hinaus wird festgestellt: Bei der Wahl der betrieblichen Gewerkschaftsvertreter ist Verhältniswahl vorgesehen. Dies führt zu einer weiteren Zersplitterung der Arbeitnehmerbank, während bei der Wahl der Anteilseigner durch die Hauptversammlung in aller Regel nach den Grundsätzen der Mehrheitswahl entschieden wird. Es ist überhaupt nicht einzusehen, warum für die Arbeitnehmerbank ein Minderheitenschutz zwingend vorgeschrieben wird. Dies
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8173
Urbaniak
führt dazu, daß die Arbeitnehmerbank geschwächt wird.
Sie müssen doch auf diese Vorbehalte eingehen. Sie sagen lediglich: Wort gegeben, Wort gehalten.
Die Sachverständigen haben festgestellt: Das Dreiecksverhältnis zwischen Arbeitgeber, Betriebsrat und Sprecherausschuß der leitenden Angestellten wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu einer Chaotisierung der Betriebsverfassung führen. Das haben Sie nicht ausgeräumt.
Die Sachverständigen kommen — wie wir — zu der Feststellung: Der für die Sicherung der Montan-Mitbestimmung im eigenen Unternehmen gezahlte Preis erscheint politisch zu hoch.
Dies sind doch ganz massive Vorwürfe, die wir Ihnen auch dann machen, wenn Sie den Anspruch erheben, Kollege Blüm: Wort gegeben, Wort gehalten.
Die Sozialdemokraten haben demgegenüber sehr frühzeitig einen Entwurf eingebracht, der die dauerhafte Sicherung der Montan-Mitbestimmung zum Ziel hat. Wir möchten die Montan-Mitbestimmung auch auf weitere Konzerne und Unternehmungen übertragen.
Die Sachverständigen haben auch bestätigt, daß das Modell der Sozialdemokraten eine sehr begrüßenswerte Neuerung aufweist, nämlich den Grundgedanken der Vereinbarung des Tarifvertrages. Mit diesem Grundgedanken eines Memorandums der EG-Kommission an das Europäische Parlament vom 15. Juli 1988 zum Statut der europäischen Aktiengesellschaft eröffnen wir die Möglichkeit, das bei uns angewandte — nationale — Recht der paritätischen Mitbestimmung auf die europäische Aktiengesellschaft zu übertragen. Dies ist, bezogen auf den Binnenmarkt, in der Tat eine Perspektive für die Sicherung der Rechte der Arbeitnehmer in der Gemeinschaft.
Dies haben Sie überhaupt nicht vorgesehen.
Meine Damen und Herren, der Vertreter der FDP sagte, daß gerade im Montan-Bereich die Strukturveränderungen erschwert worden sind. Das Gegenteil ist der Fall. Die Stahlunternehmen und die Bergbauunternehmen sind die besten, die modernsten und die leistungsfähigsten Unternehmen in unserer Republik. Die Arbeitnehmer in den Aufsichtsräten sind diejenigen, die den Arbeitgebern in der Frage der Investitionen und der Erneuerung überlegen sind; denn sie drängen darauf. Lesen Sie den Biedenkopf-Bericht nach, den es zu den Erfahrungen mit der Mitbestimmung gegeben hat.
Wenn Sie Stahlindustrie und Bergbau monieren, dann dürfen Sie nicht verkennen, Herr Kollege, daß uns gerade das Unwesen der Subventionen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft geradezu erdrückt hat, weil es bei uns keine Subventionen gegeben hat, wir aber dennoch leistungsfähig geblieben sind.
Subventionen, die wir zeitweilig gewährt haben, gibt es in der Zwischenzeit in der Stahlindustrie nicht mehr. Darum: Tragen Sie nicht Dinge vor, die überhaupt nicht stimmen.
Ich sage das aus der Sorge heraus, daß auf uns eine europäische Entwicklung zukommen kann — möglicherweise in diesem Monat, wenn am 13. Dezember 1988 der Ministerrat Subventionen gewähren könnte —, die zu ganz großen Verschiebungen insbesondere im Montanbereich führen könnte. Das muß abgelehnt werden.
Wenn wir uns die großen Leistungen vor Augen halten, die wir im Zusammenhang mit der Montan-Mitbestimmung erlebt haben — Verhinderung der Demontage, Aufbau der Republik auf Grund der Elemente Kohle und Stahl sowie der Disziplin und handwerklichen Fähigkeiten unserer Frauen und Männer in diesen Bereichen — , müssen wir sagen: Das ist eine ganz wichtige Voraussetzung gewesen, die uns Veranlassung geben sollte, heute nicht nur den Betriebsräten und den Arbeitsdirektoren für ihre Leistungen im Rahmen der Mitbestimmung zu danken, sondern auch eine Entwicklung für die paritätische Mitbestimmung auf europäischem Feld zu eröffnen. Wir Sozialdemokraten wissen, was mit den Gewerkschaften hier geleistet worden ist.
Die Gewerkschaften müssen im Rahmen der Mitbestimmung gestärkt und dürfen nicht wie durch Ihren Gesetzentwurf geschwächt werden.
Die Arbeitnehmerbank muß den Arbeitgebern paritätisch gegenüberstehen,
nicht aber so, wie es im Antrag der GRÜNEN vorgesehen ist, den wir deswegen ablehnen; denn wir wollen weiter die Parität, die partnerschaftliche Zusammenarbeit.
Kollege Blüm, die soziale Flankierung für Kohle und Stahl haben wir mit Ehrenberg geschaffen. Sie haben sie nur auf den Grundlagen weiterentwickelt,
die damals im Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung einheitlich zustande gekommen sind. Sie sollten sich nicht mit fremden Federn schmücken, Kollege Blüm, sondern sich immer daran erinnern: Wort gegeben, aber wie — so frage ich — wurde es gehalten?