Nein, danke. Ich habe nur neun Minuten.
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8167
Hoss
— Nun gut, wenn das die Frage ist, was ich mit CDA meine:
Ich meine die Christlichen Gewerkschaften, den Metallarbeitergewerkschaftsbund. Das ist damit gemeint.
Damit bedienen die Sozialausschüsse in diesem Gesetz ihre Klientel, nämlich in den Betrieben die Christlichen Gewerkschaften, um sie stärker hineinzubringen, auf eine Weise, die ungerecht ist, weil sie die normale Rolle aufhebt, die für andere Betriebsmitglieder gültig ist.
Die zweite wichtige Frage ist: Man hat einen Punkt aufgegriffen, nämlich den der Sprecherausschüsse, der für die Klientel der FDP gedacht ist. Dabei wird eine Ausweitung der leitenden Angestellten vorgenommen, indem die Kriterien, die zur Herausarbeitung eines leitenden Angestellten dienen, erweitert werden für einen Kreis in der betrieblichen Wirklichkeit, der ohnehin privilegiert ist und keine Schwierigkeiten hat, seine Interessen im Betrieb durchzusetzen. Nämlich die Direktoren, die leitenden Abteilungsdirektoren und andere sollen jetzt noch einmal gesetzlich abgesichert werden. Das dient eindeutig — das hat Herr Heinrich von der FDP hier auch gesagt — dazu, Ihrer Klientel entgegenzukommen.
Die eigentlich wichtigen Fragen werden nicht aufgegriffen.
Das, was Sie daneben noch an Alibiprojekten in das Gesetz eingebracht haben, erweist sich als Luftblasen. Aber es gibt keine Antwort auf das, was nötig ist, z. B. in der Frage der neuen Technologien. Das haben Sie zwar in den §§ 81 und 90 aufgenommen, und Sie behandeln das, aber es bringt nichts Neues, denn alles, was darin steht, ist im betrieblichen Recht und in der betrieblichen Praxis schon längst vorhanden.
Sie begrenzen die ganze Sache — und so heißt ja auch die Überschrift — auf die Unterrichtung der Belegschaft und die Erörterung mit der Belegschaft, aber von Mitbestimmung ist in diesen Paragraphen nicht die Rede, und das wollen Sie ja auch nicht. Sie wollen z. B. nicht die Vertiefung und Erweiterung von Mitbestimmungsrechten bei Produktionsabläufen, bei technischen Einrichtungen, Prozessen und Produkten, wo allein die Kapitalseite, das Direktionsrecht maßgebend ist. Das sehen wir heute schon in einigen Bereichen, beispielsweise in der chemischen Industrie, in denen sich Betriebsräte heute mit Fragen der Produktion und der Schädigung der Umwelt auseinandersetzen wollen, in denen sie aber keinerlei Mitbestimmungsrechte über Einleitungen in die Flüsse haben.
In Stuttgart gibt es zur Zeit heftige Diskussionen über die Zunahme der Luft- und Verkehrsbelastungen. Das Regierungspräsidium, die Landesregierung und Bürgerinitiativen — die Bürger beschäftigen sich damit — wollen den Autoverkehr zurückdrängen, weil dieser überhand nimmt. Aber die Firma Daimler-
Benz fährt heute noch mit Schwerlastwagen die gesamte Produktion von Untertürkheim quer durch die Stadt nach Sindelfingen an das andere Ende, und der Betriebsrat hat keinerlei Mitbestimmungsrecht, darüber zu befinden, dies als Anträge einzubringen und die Firmenleitung zu zwingen, sich damit auseinanderzusetzen, diesen Lastentransport, der täglich vorgenommen wird, auf die Schiene zu verlagern.
In diesen Fragen oder auch in solchen, in denen es um Projekte des Baus von neuen Parkhäusern in Untertürkheim bei Daimler-Benz und bei Porsche geht, für die 40 Millionen DM veranschlagt worden sind, ist es bedauerlich, daß der Betriebsrat nicht die Möglichkeit hat, über diese Investitionen mitzubestimmen und z. B. zu verlangen, daß die 40 Millionen DM sozusagen als Prämie für diejenigen eingebracht werden, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen und dafür Zuschüsse erhalten. Das ist nicht möglich, und Sie haben auch ausdrücklich erklärt, daß Sie das nicht wollen, weil Sie — Herr Scharrenbroich, Sie haben ja dafür gesorgt, daß dies auf Seite 31 des Berichts steht —, die CDU und die FDP, es ablehnen, das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Investitionsentscheidungen zu haben.
Das lehnen Sie ausdrücklich ab. Bei diesen Investitionsentscheidungen, die wir anstreben, muß der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht haben.
Zu § 87 haben wir einen Antrag, in dem es heißt: Der Betriebsrat hat mitzubestimmen in Fragen der Umweltverträglichkeit von Produkten und Produktionstechnologien und der im Betrieb verwendeten Werkstoffe und Arbeitsmittel. Das Mitbestimmungsrecht umfaßt insbesondere Maßnahmen, die über gesetzlich und behördlich bestimmte Mindeststandards hinausgehen. — An diese Fragen wollen Sie nicht herangehen. Es ist das Traurige an ihrem Entwurf, daß Sie sich da Dinge vornehmen, die nicht so wichtig sind.
Natürlich sind wir, wenn wir einmal die Frage der Wahlordnung nehmen, mit Ihnen der Meinung, daß, solange es eine Verhältniswahl, eine Listenwahl gibt, wir die Minderheiten im Betrieb schützen müssen, daß man die Möglichkeit haben muß, eine Liste, wenn eine solche aufgestellt wird, entsprechend dem Wahlergebnis bei den Betriebsratswahlen prozentual in den Ausschüssen und bei den Freistellungen zu berücksichtigen. Aber das heißt noch längst nicht, daß Sie die Frage so behandeln. Das wollte ich jetzt dem Kollegen Andres sagen.
Wenn, Kollege Andres, du dich hier schon aus dem Fenster hängst und sagst, daß es nicht habe bewiesen werden können, daß Minderheiten im Betrieb unterdrückt würden, dann bin ich gehalten, dich an das Beispiel Boehringer in Mannheim zu erinnern,
wo gerade im Bereich der IG Chemie Betriebsräte und
Vertrauensleute aus der IG Chemie ausgeschlossen
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Hoss
worden sind, weil sie es z. B. abgelehnt haben, daß du Mitglied des Aufsichtsrates bei der Firma Boehringer bist und dort kandidierst. Natürlich ist es nicht das Alleinige; da will ich der Wahrheit die Ehre geben.
Es gibt dort einen Konflikt, weil die Mehrheit des Betriebsrats und der gesamte Vertrauensleutekörper eine andere Position als die IG Chemie bezieht. Wenn die Antwort darauf ist, daß diese Leute ausgeschlossen worden sind, dann läßt das auch Schlüsse über die Situation bei den Betriebsratswahlen zu. Ich glaube, daß die Gewerkschaften allen Grund haben, das aufzunehmen, was jetzt in den Gewerkschaften vorgetragen wird, nämlich daß man eine offenere Arbeit machen muß, daß man eine andere Streitkultur in den Betrieben und in den Gewerkschaften selber haben muß und daß man dann bereit sein muß, solche Dinge zu unterlassen.