Rede von
Dr.
Olaf
Feldmann
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(FDP)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die deutsch-französischen Beziehungen standen noch nie so oft auf der Tagesordnung des Deutschen Bundestages wie in diesem Jubiläumsjahr. Wäre die deutsch-französische Partnerschaft eine Ehe, hätten wir das ganze Jahr über silberne Hochzeit.
Trotz großer Erfolge wollen wir uns aber nicht auf unseren Lorbeeren ausruhen, sondern nach vorne blicken. Die Regierungen unserer beiden Länder haben dieser Aufgabe am 25. Jahrestag der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages durch zwei Zusatzabkommen Rechnung getragen, durch die sie unseren Ländern ehrgeizige Ziele aufgegeben haben, nämlich die Harmonisierung unserer Wirtschafts- und Finanzpolitik sowie unserer Sicherheits- und Verteidigungspo-
8144 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
Dr. Feldmann
litik. Beide Politikbereiche waren zäh verteidigte einzelstaatliche Domänen. Dieser Sieg über nationale Egoismen ist, so meine ich, ein Fortschritt für Europa.
Die Vertiefung einer Partnerschaft ist in einer Demokratie aber nicht allein Aufgabe der Regierungen, sondern auch der Parlamente. Die Assemblée Nationale und der Deutsche Bundestag nehmen diese Aufgabe ernst. Beide Zusatzprotokolle werden heute synchron beraten und zeitgleich ratifiziert, und dies ist mehr als bloße Symbolik.
Die Zusammenarbeit der Parlamente soll schon bald in einen festen institutionalisierten Rahmen gegossen werden.
Weder Frankreich noch die Bundesrepublik leugnen, daß sie in wichtigen Fragen immer noch unterschiedliche Interessen und Standpunkte haben. Probleme aber können nur gelöst werden, wenn man sie offen anspricht. Unter Freunden ist Verzicht auf konstruktive Kritik keine Tugend, sondern eher ein Versäumnis.
Mein Berichterstatterkollege aus der Assemblée Nationale, Jean-Marie Caro, zitierte hierzu bei dem gemeinsamen Abstimmungsgespräch vor einigen Tagen Georges Bidault:
Ce qui va bien sans le dire, va encore mieux en le disant.
— Also, ich wiederhole es für Sie: Das, was gut geht, wenn man nicht darüber spricht, geht noch besser, wenn man darüber spricht. Das ist ein sehr schönes Leitmotiv für unsere Zusammenarbeit. Daran wollen wir uns halten.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, man kann natürlich Kritik auch überziehen,
— ja —, wie das der Kollege Mechtersheimer
in seinen Redebeiträgen gestern im Ausschuß und auch in den letzten Debatten zur deutsch-französischen Zusammenarbeit getan hat. Das war zum großen Teil falsch und diffamierend. Die FDP wird es nicht zulassen, daß unsere französischen Freunde diffamiert oder gar noch in die falsche Ecke gestellt werden.
Liebe Kollegen, es drängt sich fast der Verdacht auf, als ob die GRÜNEN meinten, neue Feindbilder aufbauen zu müssen, um ihre Leute zusammenhalten zu können.
Mit den Idealen der Friedensbewegung sind Feindbilder nicht vereinbar.
Es ist schon ein bedrohliches Zeichen von Realitätsverlust, wenn Sie nicht wahrnehmen können, daß sich Franzosen und Deutsche gerade auch im Bereich der Sicherheitspolitik nähergekommen sind, und zwar nicht in der von Ihnen immer unterstellten nuklearen Komplizenschaft, nein, gerade im Bereich von Abrüstung und Entspannung. Die militärische Zusammenarbeit ist nur ein Teil, ein kleiner Teil der gemeinsamen Sicherheitspolitik. Der andere, viel wesentlichere Teil ist die Politik der Friedenssicherung durch Entspannung und Vertrauensbildung. Nur durch sie können die künstliche Teilung Europas überwunden und die Bedeutung von Rüstung und militärischen Strategien zurückgedrängt werden.
Die neue Qualität unserer Partnerschaft kommt auch darin zum Ausdruck, daß dies kein klassisches Bündnis ist, das sich gegen andere richtet. Diese Partnerschaft ist für weitere Partner offen. Sie nutzt allen Partnern. Sie soll den Prozeß der europäischen Einigung fördern. Wir verfolgen sie auch im gesamteuropäischen Interesse.
Franzosen und Deutsche haben einen engen Abstimmungsprozeß auch in der Ostpolitik begonnen. Sie stimmen in der Einschätzung des Reformprozesses in der Sowjetunion überein. Beide sind bereit, die blockübergreifende wirtschaftliche Zusammenarbeit umfassend auszubauen und ihre wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu diesem Zweck einzusetzen.
Auch die Zusammenarbeit im Finanz- und Wirtschaftsrat ist auf gemeinsamen Nutzen und die Förderung der europäischen Integration angelegt. Die Abstimmung unserer Währungspolitik ist ein Schlüssel für Fortschritt in allen Bereichen. Langfristig ist sie auch auf das Ziel einer unabhängigen europäischen Zentralbank ausgerichtet. Die FDP begrüßt, daß die Unabhängigkeit der Bundesbank durch das Protokoll nicht angetastet, sondern ausdrücklich anerkannt wird.
Herr Voigt, Herr Ehmke, Sie haben hier einen vermeintlichen Konfliktpunkt wieder aufgewärmt. Der ist doch ausgeräumt. Das Zusatzprotokoll über den Sicherheits- und Verteidigungsrat legt eben nicht eine bestimmte Strategie fest.
Wir gewinnen aber neue Möglichkeiten, unsere Interessen frühzeitig und mit langfristiger Perspektive in eine gemeinsame Politik einzubringen, und das ist ein großer Gewinn.