Rede:
ID1111301000

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Lippelt.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/113 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 113. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag der Abg Frau Hoffmann (Soltau) 8093 A Erweiterung der Tagesordnung 8093 A Begrüßung des Botschafters der Französischen Republik, Boidevaix sowie des Koordinators für die deutsch-französische Zusammenarbeit, Dr. Barzel 8140 D Tagesordnungspunkt 3: Bericht zur Lage der Nation im geteilten Deutschland Dr. Kohl, Bundeskanzler 8094 A Dr. Vogel SPD 8100 A Lintner CDU/CSU 8103 D Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 8106D Hoppe FDP 8109 A Diepgen, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 8110 C Büchler (Hof) SPD 8112 D Frau Dr. Wilms, Bundesminister BMB . 8116 C Heimann SPD 8118 D Werner (Ulm) CDU/CSU 8121 C Frau Hensel GRÜNE 8124 A Ronneburger FDP 8126 C Hiller (Lübeck) SPD 8128 C Dr. Czaja CDU/CSU 8130 D Frau Terborg SPD 8133 A Tagesordnungspunkt 4: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Rechtsanwälte und der Patentanwälte (Drucksache 11/3253) b) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 06 40 Titel 681 05 — Haushaltsjahr 1988 (Drucksache 11/3173) c) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 14 05 Titel 525 21 — Aus- und Fortbildung, Umschulung (Drucksache 11/3193) d) Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 11 13 Titel 646 02 — Erstattung der Aufwendungen für die Krankenhilfe an Heimkehrer und durch Gesetz gleichgestellte Personengruppen (Drucksache 11/3268) 8135 B Zusatztagesordnungspunkt 2: Erste Beratung des von den Abgeordneten Carstensen (Nordstrand), Eigen und Genossen und der Fraktion der CDU/ CSU sowie der Abgeordneten Bredehorn, Richter, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Seefischereigesetzes (Drucksache 11/3596) 8135 C Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung des Antrags des Bundesministers der Finanzen: Einwilligung in die Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in München, Dachauer Straße, gemäß § 64 Abs. 2 BHO (Drucksache 11/3567) 8135 C II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Conradi, Müntefering, Erler, Großmann, Menzel, Dr. Niese, Oesinghaus, Reschke, Scherrer, Tietjen, Weiermann, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Weiterentwicklung und Verbesserung der nach 1950 erbauten Großsiedlungen (Drucksache 11/2241) 8135 C Tagesordnungspunkt 5: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Dezember 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Kuwait zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Belebung der wirtschaftlichen Beziehungen (Drucksachen 11/2553, 11/3559) 8135D Tagesordnungspunkt 6: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. November 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Venezuela zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Unternehmen der Luftfahrt und der Seeschiffahrt (Drucksachen 11/3091, 11/ 3600) 8136A Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Schaffung eines Vorrechts für Umlagen auf die Erzeugung von Kohle und Stahl (EGKS- UmVG) (Drucksachen 11/353, 11/3197) 8136 A Tagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fischwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 11/2852, 11/3252) . . . 8136B Zusatztagesordnungspunkt 5: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Achten Gesetzes zur Änderung des Bundeswahlgesetzes (Drucksachen 11/2688, 11/3566) 8136B Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Wahlkreiskommission für die 11. Wahlperiode des Deutschen Bundestages gemäß § 3 Bundeswahlgesetz (Drucksachen 11/2870, 11/3170) . 8136B Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Überplanmäßige Ausgaben bei Kapitel 14 02 Titel 698 01 — Abgeltung von Schadensersatzansprüchen Dritter (Drucksachen 11/3051, 11/3296) 8136 C Tagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 89 zu Petitionen (Drucksache 11/3467) 8136 C Tagesordnungspunkt 11: Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 22. Januar 1988 zum Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zusammenarbeit (Drucksachen 11/3258, 11/3265, 11/3410, 11/3610, 11/3611) Dr. Dregger CDU/CSU 8137 D Voigt (Frankfurt) SPD 8140 D Dr. Feldmann FDP 8143 D Dr. Mechtersheimer GRÜNE 8145 B Genscher, Bundesminister AA 8147 A Dr. Wieczorek SPD 8148 D Lamers CDU/CSU 8150 C Ebermann GRÜNE 8152 A Dr. Ehmke (Bonn) SPD (Erklärung nach § 31 GO) 8152D Dr. Stercken CDU/CSU 8154 A Namentliche Abstimmung 8154 C Ergebnis 8158 D Tagesordnungspunkt 12: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung (Drucksachen 11/14, 11/3608) b) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Betriebsverfassungsgesetzes, über Sprecherausschüsse der leitenden Angestellten und zur Sicherung der Montan-Mitbestimmung (Drucksachen 11/2503, 11/3604, 11/3618, 11/3624) Scharrenbroich CDU/CSU 8155 B Andres SPD 8160 B Heinrich FDP 8164 A Hoss GRÜNE 8166 C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 III Dr. Blüm, Bundesminister BMA 8168 C Urbaniak SPD 8172B Dr. Warrikoff CDU/CSU 8173 D Stratmann GRÜNE 8176D Peter (Kassel) SPD 8178A Frau Unruh GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 8179C Dr. Warrikoff CDU/CSU (Erklärung nach § 30 GO) 8179D Dreßler SPD (Erklärung nach § 31 GO) . 8180A Namentliche Abstimmung 8180 D Ergebnis 8181 B Zusatztagesordnungspunkt 7: Beratung des Antrags der Abgeordneten Fuchs (Verl), Dr. Böhme (Unna), Erler, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Rücktritt der Bundesrepublik Deutschland von dem Entwicklungsvorhaben „Europäisches Jagdflugzeug/ Jagdflugzeug 90" (Drucksache 11/3018) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 8: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Ausscheiden der Bundesrepublik Deutschland aus dem Entwicklungsvorhaben Jagdflugzeug 90 (Drucksache 11/3592) Frau Fuchs (Verl) SPD 8183B Francke (Hamburg) CDU/CSU 8186B Frau Schilling GRÜNE 8187D Ronneburger FDP 8189 B Würzbach, Parl. Staatssekretär BMVg . . 8191A Ronneburger FDP (Erklärung nach § 30 GO) 8192 C Horn SPD (Erklärung nach § 30 GO) . . . 8193 A Vizepräsident Westphal 8187D, 8189B Tagesordnungspunkt 13: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 88 zu Petitionen (Drucksache 11/3291) Dr. Emmerlich SPD 8193 C Jung (Limburg) CDU/CSU 8194 A Häfner GRÜNE 8195 A Frau Dr. Segall FDP 8195 D Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Wiederkehrerlaubnis für in der Bundesrepublik Deutschland aufgewachsene Ausländer (Drucksache 11/ 1931) b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Bundesausländergesetz (Drucksache 11/2598) Schröer (Mülheim) SPD 8197 B Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 8198D Frau Olms GRÜNE 8200 A Dr. Hirsch FDP 8201 A Wartenberg (Berlin) SPD 8202 B Dr. Kappes CDU/CSU 8204 A Tagesordnungspunkt 15: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Frau Schmidt-Bott und der Fraktion DIE GRÜNEN: Ursachen, Prävention und Behandlung der Unfruchtbarkeit, Entwicklung und Auswirkungen von Fortpflanzungstechniken und Embryonenforschung (Drucksachen 11/747, 11/2238) Frau Schmidt-Bott GRÜNE 8206 A Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 8207 C Frau Becker-Inglau SPD 8208 C Frau Würfel FDP 8209 D Pfeifer, Parl. Staatssekretär BMA . . . 8211B Tagesordnungspunkt 16: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Weiss (München), Dr. Daniels (Regensburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Verhalten der Bundesregierung gegenüber dem österreichischen Bundesministerium für Umwelt, Jugend und Familie in bezug auf die geplante atomare Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (Drucksache 11/2873) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Weiss (München), Dr. Daniels (Regensburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erörterungstermin in Wackersdorf (Drucksache 11/2894) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrags des Abgeordneten Dr. Daniels (Regensburg) und der Fraktion DIE GRÜNEN: Keine Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf (Drucksache 11/3597) Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . . 8213 A Dr. Friedrich CDU/CSU 8214 D Schütz SPD 8217 A Frau Dr. Segall FDP 8218 B Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . . 8220B Tagesordnungspunkt 17: Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Kuhlwein, Dr. Penner, Odendahl, weiterer Abgeordneter und der IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 Fraktion der SPD: Entwicklungsstand und Perspektiven der Fachhochschulen in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksachen 11/2211, 11/2603) Kuhlwein SPD 8222 B Daweke CDU/CSU 8226 A Wetzel GRÜNE 8228 B Neuhausen FDP 8230 A Möllemann, Bundesminister BMBW . . 8231 A Tagesordnungspunkt 18: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Bericht der Bundesregierung über die Volkszählung 1987 (Drucksache 11/1762) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Übernahme der Kosten der Volkszählung am 25. Mai 1987 durch den Bund (Drucksache 11/3584) Kleinert (Marburg) GRÜNE (zur GO) . . 8234 B Bohl CDU/CSU (zur GO) 8235 C Gerster (Mainz) CDU/CSU 8236 C Wartenberg (Berlin) SPD 8237 C Lüder FDP 8238 B Frau Schmidt-Bott GRÜNE 8239 A Dr. Waffenschmidt, Parl. Staatssekretär BMI 8240 D Nächste Sitzung 8241 D Berichtigungen 8242 Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 8243* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8093 113. Sitzung Bonn, den 1. Dezember 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    8242 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 Berichtigungen Nachtrag zum Plenarprotokoll 11/111, Seite 8034 D, Nr. 53: Im ersten Absatz der Erklärung der Abg. Frau Folz-Steinacker ist statt „109. Sitzung am 23. November 1988" zu lesen: „110. Sitzung am 24. November 1988". Auf Seite 7938 ist bei Nr. 42, Drucks. 11/3441, einzufügen: „Zweiter Spiegelstrich". Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* * 2. 12. Antretter 1. 12. Bindig * 2. 12. Frau Brahmst-Rock 2. 12. Büchner (Speyer)* * 2. 12. Buschbom 2. 12. Catenhusen 1. 12. Cronenberg (Arnsberg) 2. 12. Dr. Francke 2. 12. Dr. Geißler 1. 12. Dr. Glotz 1. 12. Dr. Hauff 2. 12. Irmer * 1. 12. Dr. Jenninger 2. 12. Frau Krieger 2. 12. Kühbacher 1. 12. Maaß 1. 12. Dr. Mahlo 2. 12. Mitzscherling 1. 12. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Müller 1. 12. Dr. Müller * * 1. 12. Niegel * 2. 12. Frau Pack 1. 12. Dr. Pick 2. 12. Paintner 2. 12. Rappe (Hildesheim) 2. 12. Roth 1. 12. Dr. Scheer 2. 12. Scherrer 1. 12. von Schmude 1. 12. Schulhoff 1. 12. Frau Trenz 2. 12. Tietjen 2. 12. Toetemeyer 2. 12. Vosen 1. 12. Weisskirchen (Wiesloch) 2. 12. Wieczorek 1. 12. Zeitler 2. 12. Zierer* 1. 12. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Eduard Lintner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Schily, Sie kennen die Vorstellungen, die wir vertreten, sehr genau aus verschiedenen Podiumsdiskussionen. Sie wissen, daß für uns die Vorstellung von Wiedervereinigung vor allem im Selbstbestimmungsrecht der Deutschen mündet. Das heißt, die Deutschen müssen sich in freier Willensentscheidung erklären können, wie sie sich staatlich organisieren wollen. Ich sehe darin keinen Zusammenhang mit der jetzt von Ihnen gestellten Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Schily [GRÜNE]: Die Frage ist nicht beantwortet!)

    All das, meine Damen und Herren, hätte die Bundesregierung, wäre sie den ständig wiederkehrenden Aufforderungen der SPD gefolgt, längst zugestehen sollen, ohne daß die SPD je von der DDR-Führung irgendwelche Zugeständnisse dafür verlangt hätte.

    (Schily [GRÜNE]: Das ist Ihre Klarheit, derart verwaschene Aussagen! — Heimann [SPD]: Das zeigt, daß Sie gar kein Konzept haben!)

    — Meine Damen und Herren, da brauchen Sie nicht beleidigt zu sein. Es ist objektiv einfach so: Die Opposition erschwert der Bundesregierung das deutschlandpolitische Geschäft nach Kräften, indem sie dauernd Vorleistungen verlangt, anstatt mit uns, mit der Bundesregierung die DDR-Führung nachhaltig zu mehr Rechtlichkeit und inneren Reformen zu mahnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Reimann [SPD]: 1972!)

    Herr Dr. Vogel, Ihr gemeinsames Papier mit der SED

    (Zuruf von der SPD: Gutes Papier!)

    hat vor einigen Tagen — das werden Sie ebenfalls zur Kenntnis genommen haben — der ehemalige Bundeskanzler Helmut Schmidt als „überflüssig", gar als „schädlich" bezeichnet.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wer war denn Helmut Schmidt?)

    Davon haben Sie in Ihrem Vortrag eben aber nichts gesagt.
    Wir alle, meine Damen und Herren, würden uns natürlich wünschen, daß die Bundesregierung in den innerdeutschen Beziehungen noch mehr hätte erreichen können. Einige Beispiele für Unerledigtes hat der Bundeskanzler bereits aufgeführt. Lassen Sie mich noch einiges hinzufügen. Ich meine, daß auch die Öffnung der sogenannten Sperrbezirke entlang der DDR-Seite der Grenze für Besucher aus dem Westen hinzukommen muß.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Ich meine auch, daß die DDR-Seite bereit sein sollte, weitere Landstriche und Städte in den grenznahen Verkehr einzubeziehen.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Auch die Art und Weise, wie die DDR-Führung seit einiger Zeit die kirchlichen Presseorgane behandelt, aber auch wie sie mit unseren Journalisten und Korrespondenten in der DDR umgeht, muß als Rückschlag im Vergleich zum schon Erreichten bezeichnet werden.

    (Jäger [CDU/CSU]: Dazu sagt Vogel kein Wort!)

    — Das ist auch nicht sein Anliegen.
    Zu den negativen Entwicklungen gehört auch die härtere Gangart des Regimes gegenüber der eigenen Bevölkerung, das Verhaften und Einsperren politisch Andersdenkender, der rücksichtslose Machteinsatz bei jeder noch so geringen Kritik — siehe etwa die Entfernung von vier minderjährigen Schülern von einer Oberschule — das Vertriebsverbot der sowjetischen Zeitschrift „Sputnik", die Absetzung sowjetischer Filme, der dem Jugend- und Kulturklub verordnete Maulkorb in Sachen „Glasnost" und „Perestroika". Das alles, meine Damen und Herren, paßt überhaupt nicht zu den ständigen Beteuerungen
    8106 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
    Lintner
    der DDR-Führung, es zu keiner Beschädigung der innerdeutschen Beziehungen kommen zu lassen.
    Die Bundesregierung hat — das muß man ihr bestätigen — mit Besonnenheit darauf reagiert, aber die Beschädigung der innerdeutschen Beziehungen tritt schon dann ein, wenn unsere Öffentlichkeit, d. h. wenn nach Meinung unserer Bevölkerung Hilfeleistungen und politisches Entgegenkommen gegenüber der DDR nicht mehr gerechtfertigt sind, weil es der DDR-Führung ganz offensichtlich am guten Willen zur Weiterentwicklung der Beziehungen in Richtung guter Nachbarschaft fehlt. Das senkt dann nämlich die Akzeptanzschwelle für deutschlandpolitische Maßnahmen beim Bürger, und damit schrumpft ganz zwangsläufig auch der Handlungsspielraum der Bundesregierung. Konkret heißt das, meine Damen und Herren: Auch der Geduldsfaden unserer Deutschlandspolitik ist nicht uferlos belastbar.
    Die DDR kann sich auch nicht gegen Reformen und Neuerungen auf Dauer völlig verschließen, die von fast allen übrigen kommunistischen Staaten als geradezu unabänderlich und überlebensnotwendig anerkannt worden sind. Die arrogante Feststellung — die im übrigen durch nichts gerechtfertigt ist — der Altherrenriege, in der DDR seien Reformen nicht nötig, ist eine zu augenscheinliche Notlüge, als daß sie ernsthaft als berechtigt akzeptiert werden könnte.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Dabei ist die Bundesregierung erkennbar bemüht, der DDR-Führung stabile innerdeutsche Rahmenbedingungen zu bieten. Aber damit soll eben ein Mehr an Menschenrechten ermöglicht und gezielt der Bevölkerung geholfen werden. Die Rigidität des Regimes und auch seine Brutalität gegenüber den eigenen Leuten müssen diese Stabilität auf Dauer gefährden.
    Meine Damen und Herren, ein Vorwurf — so z. B. von Herrn Maetzke am Montag in einem ,,FAZ"-Kommentar erhoben — kann der Bundesregierung im Ernst nicht gemacht werden, nämlich der Vorwurf, daß sie das eigentliche Ziel — die Wiedervereinigung — geopfert habe. Dieses Ziel ist für uns — Bundeskanzler Helmut Kohl, aber auch mein Parteivorsitzender Theo Waigel und andere haben es immer wieder betont — politisch und rechtlich ohne Abstriche gültig und verbindlich.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Damit ist geradezu zwangsläufig natürlich auch die Existenz der Bundesrepublik, aber auch der DDR in Frage gestellt. Sie gehen womöglich in einem neuen deutschen Gesamtstaat auf. Das ist aber nur eine logische Folge der Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht. Darüber muß sich natürlich auch die SED im klaren sein. Zweifel an dieser Komponente der Deutschlandpolitik, wie sie in diesem Kommentar geäußert worden sind, sind unberechtigt, auch wenn darauf nicht ständig hingewiesen wird.
    Meine Damen und Herren, konkrete Ansatzpunkte für eine vernünftige Zusammenarbeit bieten sich u. a. bei Verkehrsfragen, beim Umweltschutz, in Wissenschaft und Technik, bei der Lehrlings- und Studentenausbildung und auch in der Landwirtschaft. Die DDR ist auf diese Zusammenarbeit im übrigen dringendst angewiesen, denn auch die Deutschen in der DDR verlangen mehr von ihrer politischen Führung. Sie sind damit unzufrieden, daß beispielsweise praktisch nichts Wesentliches gegen die extreme Umweltverschmutzung in ihrem Land getan wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ein nach wie vor sehr schwieriges Kapitel — der Bundeskanzler hat es offen angesprochen — ist trotz steigender Zahlen die Familienzusammenführung und vor allem auch die Behandlung derjenigen geblieben, die einen Antrag auf Übersiedlung gestellt haben. Es liegt natürlich nicht in unserem Sinne, meine Damen und Herren, unsere deutschen Landsleute in der DDR zu ermuntern, die DDR zu verlassen. Aber diejenigen, die aus Verzweiflung über ihre Rechtlosigkeit, über die Willkür der Organe, wegen der mangelnden Freiheit oder der Perspektivlosigkeit den schweren Weg der Übersiedlung eingeschlagen haben, müssen von den zuständigen DDR-Stellen korrekt, d. h. gemäß den internationalen Vereinbarungen behandelt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, im übrigen ist die DDR-Regierung natürlich selbst verantwortlich dafür, daß die Schlange der Antragsteller nicht abreißt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Die Tatsache, daß nach der Antragstellung jede positive Perspektive für die Betroffenen und sogar noch für ihre Kinder in der DDR verlorengeht, zwingt die Antragsteller, geradezu eisern an ihrem Ausreisewillen festzuhalten.

    (Jäger [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Meine Damen und Herren, die Deutschlandpolitik besteht nicht nur aus den innerdeutschen Beziehungen. Auch die Ostgebiete und das Schicksal der Deutschen in den Siedlungsgebieten im Ostblock gehören dazu. Der Kollege Dr. Czaja wird sich dazu eingehend äußern.
    Der Bericht zur Lage der Nation darf, obwohl er jährlich wiederholt wird, nicht zur bloßen Routine werden. Er bietet die Chance — für Regierung wie für die Opposition — , das Erreichte auch kritisch zu bilanzieren, Mißverständnissen wirksam entgegenzutreten, Klarheit über den grundsätzlichen und praktischen Kurs zu schaffen und die Hoffnung für die Lösung der deutschen Frage zu stärken. Diese Aufgaben hat die Bundesregierung in ihrer Bilanz voll erfüllt. Sie kann in vollem Umfang in Anspruch nehmen, daß sie diesen Anforderungen gerecht geworden ist.
    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dankt der Bundesregierung für die Umsicht, die sie dabei an den Tag legt und gelegt hat, und ermuntert sie, auf diesem eingeschlagenen Weg aktiv weiterzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)



Rede von Dr. Rita Süssmuth
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Lippelt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Lippelt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Im nächsten Jahr sollen nach dem Willen der Bundesregierung landauf,
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8107
    Dr. Lippelt (Hannover)

    landab 40 Jahre Bundesrepublik Deutschland gefeiert werden. Die DDR wird Ähnliches tun. Heute aber debattieren wir über die Lage der Nation. Welcher Nation eigentlich?

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Der deutschen!)

    Staatsnation BRD, Staatsnation DDR, Kulturnation Deutschland — man unterscheidet gelegentlich zwischen Staatsnation und Kulturnation — oder jene historische Nation, die 1945 endete?
    Nationen sind keine Naturtatsachen. Sie definieren sich nicht über gemeinsame Sprache, wie Völker es tun. Sie definieren sich über gemeinsame Geschichte. Sie sind auf komplizierte Art und Weise historisch entstanden, und sie können historisch auch wieder verwirkt werden. Was zählt also?
    Die gemeinsame Geschichte endet in zwölf Jahren Faschismus, in der Zerstörung Europas, insbesondere in der Zerstörung jenes gemischt-völkischen Zusammenlebens, das einstmals Osteuropa war. Oder zählen die 40 Jahre paralleler Geschichte, hier als Bundesrepublik, dort als DDR? Über die Lage der Nation zu sprechen heißt deshalb auch, über eine historische Fiktion zu sprechen.
    Und doch sind natürlich die beiden Staaten, die sich jetzt anschicken, je den 40. Geburtstag zu feiern, auf vielfältige Art aufeinander bezogen. Nur, sie haben ihren eigenen Weg gemacht, sie haben ihre eigenen Gesellschaften ausgeformt. Zu debattieren ist deshalb erstens über die Lage der Bundesrepublik, zweitens über die der DDR und drittens über die Beziehungen dieser beiden Staaten zueinander.
    Erstens. Die Lage der Bundesrepublik definiert sich heute weit mehr aus ihren Beziehungen zu den Staaten Westeuropas, insbesondere zu Frankreich, als eben aus den Beziehungen zur DDR. Wir werden in einigen Stunden über den Versuch debattieren, den deutsch-französischen Beziehungen eine neue Qualität zu geben. Bemerkenswert ist es schon, daß gerade diejenigen, die immer so schnell das Wort von der Wiedervereinigung im Munde führen, so gedankenlos die Westintegration betreiben. Wie erklären Sie diesen Widerspruch eigentlich? Stehen Sie damit nicht in derselben Kontinuität des Irrtums, die auf Adenauer zurückgeht, der meinte, über die Westintegration die Frage der Wiedervereinigung lösen zu können?
    Oder ist es nicht vielleicht auch eine Kontinuität der Augenwischerei, weil Sie es im Grunde genauso wissen, wie es damals Adenauer wußte, daß sich beides ausschließt? Es sei denn, Sie setzen auf eine Abenteuerpolitik, auf die Politik, über die Stärke im Westen die Wiedervereinigung erzwingen zu können oder sie jetzt über ökonomische Stärke aus einer eventuellen Konkursmasse herausholen zu können.
    Zweitens. Über die Lage der DDR ist in der Tat im Kontext der Lage in den sogenannten realsozialistischen Staaten zu sprechen. Da erleben wir doch gegenwärtig eine Phase des Aufbruchs in der Sowjetunion. Gorbatschows Politik hat Kräfte freigesetzt, die auf eine ehrliche Bilanz und einen fundamentalen Neubeginn setzen. Trotz aller Skepsis wegen der autoritären Züge von Gorbatschows Reform von oben wünschen wir alle, daß dieses Reformwerk gelingen möge.
    Angesichts der Auseinandersetzungen in der Sowjetunion sind auch die Widersprüche zwischen den Staaten des RGW in Osteuropa und innerhalb dieser Länder schroffer zutage getreten. Während Ungarn sich um tiefgehende Reformpolitik bemüht, die CSSR und Bulgarien sich auf wirtschaftliche Reformen beschränken wollen und alles tun, um Kräfte, die auch auf politische Reformen drängen, zu isolieren, während in Polen Rakowski die anstehende Legalisierung der „Solidarnosc" immer wieder neu zu umgehen versucht, hat sich die DDR mehr und mehr zu einem Kurs der Abschottung von den aus der Sowjetunion kommenden Reformen entschlossen. Da wird die Zeitschrift „Sputnik" genauso verboten wie die Aufführung sowjetischer Filme und die „Budapester Rundschau".
    Die Abschottung von Reformeinflüssen aus dem eigenen Lager geht notwendigerweise mit einer Verschärfung der Kontrolle der Gesellschaft einher: Kirchliche Zeitschriften werden zensiert, da werden — ähnlich wie schon einmal im Februar — Leute, die sich für die Zustände im Lande, das sie als ihre Heimat begreifen, engagieren, gegen ihren Willen in die Bundesrepublik abgeschoben. Da werden Schüler, die sich gegen Militarismus aussprechen, wegen pazifistischer Grundhaltung relegiert.
    Die Politik der Perestroika in der Sowjetunion, in Polen, in Ungarn geht nicht nur um die Fragen der Reorganisation der Wirtschaft, sie geht im Kern um das Rearrangement der gesellschaftlichen Kräfte, sie geht um Verfassungsreformen. Wir haben es längst aufgegeben, unsere Gesellschaft kontrollieren zu wollen, sagte ein polnischer Parteifunktionär. Genau auf diese gesellschaftliche Kontrolle aber meint die Regierung der DDR nicht verzichten zu können. Kräfte politischer Reformen werden innerhalb von Regierung und Partei auch nicht erkennbar. Das ist ähnlich wie in der CSSR.
    In beiden Fällen hat das seine Gründe nicht nur in der Altersstruktur der Führung. Die Tschechoslowakei hat das Trauma des Prager Frühlings aufzuarbeiten, die DDR aber lebt aus der antifaschistischen Gründung. Sie hat — anders als die Bundesrepublik — gemeint, in bewußter und konsequenter Abkehr von einer faschistischen nationalen Vergangenheit neu anzufangen. Deshalb geht die Stalinismus-Diskussion, so wie „Sputnik" sie jetzt zugänglich macht, so sehr an die Wurzeln ihrer staatlichen Legitimation.
    Das ist nichts, worüber wir Schadenfreude empfinden könnten; denn in der Tat: Die Bundesrepublik hat sich nie einer so radikalen Aufarbeitung der Vergangenheit gestellt, wie die sowjetische Gesellschaft es tut.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Aber natürlich muß gesehen werden, daß die DDR und beispielsweise Polen sich genau an dem Punkte unterscheiden, daß in der DDR das Tiefenbewußtsein einer nationalen Geschichte, auf das sich Polen auch in der schwersten wirtschaftlichen Krise immer noch
    8108 Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988
    Dr. Lippelt (Hannover)

    stützen kann, fehlt. Die Freigabe der Gesellschaft vom Staat, von der Partei, nötig für eine wirksam durchgreifende Perestroika, ist ein Problem, mit dem die Herrschenden nicht fertig werden. Die Tragik ist, daß sie sich gerade gegen jene Kräfte wenden, die sich für eine lebenswertere Perspektive in dieser DDR einsetzen.
    Drittens. Erst hiernach, erst nach einer solchen Analyse, können wir nun über die deutsch-deutschen Beziehungen sprechen. Vordergründig betrachtet kann die Bundesregierung zu Recht auf mehr Besuchsreisen — der Herr Bundeskanzler hat es getan — und auf einen Ausbau der kulturellen Beziehungen hinweisen. Aber die Kernfrage lautet doch: Wie verhält sie sich eigentlich zu der sich zuspitzenden Situation in der DDR und zu den Differenzierungsprozessen in Osteuropa unter dem Reformdruck der Sowjetunion?
    Es war ja richtig, daß sie mit dem Honecker-Besuch die Politik der sozialliberalen Koalition aufgenommen und fortgeführt hat; darauf hat Herr Vogel richtig hingewiesen, und daran gibt es auch nichts zu deuteln. Nur stellt sich natürlich angesichts der dramatischen Vorgänge in Osteuropa die Frage — sie stellt sich dann an beide Seiten — , ob die programmatischen Grundlagen dieser Deutschlandpolitik noch ausreichen oder ob sie die bundesdeutschen Handlungsmöglichkeiten nicht immer weiter einschränken.
    Für die Bundesregierung stellt sich faktisch doch nur folgende Alternative: entweder Beziehungen zu Bedingungen, die faktisch auf eine Stabilisierung der reformfeindlichen Kräfte in der DDR hinauslaufen, oder eine Politik, die langfristig auf den Zusammenbruch der DDR spekuliert und darin eine Chance für die Wiedervereinigung sieht. Die Variante Schäuble unterscheidet sich um keinen Deut von früherer SPD-Politik. So, wie Helmut Schmidt in Güstrow bei Honecker saß, als der Kriegszustand gegen die „ Solidarnosc " ausgerufen wurde, gratulieren sich jetzt Herr Schäuble und Herr Honecker zur Verbesserung der Beziehungen, während gleichzeitig die Schüler von den Schulen geworfen werden.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Dr. Vogel [SPD]: Recht hat er!)

    Die andere Alternative — nennen wir sie einmal die Alternative Hennig oder noch besser die Alternative Maetzke von der „FAZ", die die Regierung in diesem Punkte ja sehr kritisiert — setzt auf Konfrontation. Sie ist aber gefährliches Abenteurertum, das nicht nur die Menschen in der DDR auszubaden hätten, sondern das auch den gesamten KSZE-Prozeß und die außenpolitische Öffnung der Sowjetunion faktisch bedroht. — Ich kann diese Alternative natürlich auch „Variante Lintner" nennen.
    Nun schöpfen aber beide Alternativen ihre Legitimation aus dem Offenhalten der Wiedervereinigungsoption. Das Festhalten an der Wiedervereinigung schafft ein Strukturmuster, das jede Bundesregierung entweder zu Passivität und Reaktivität verdammt oder, wenn es operativ verstanden wird, zum Sprengsatz für den europäischen Entspannungsprozeß wird.
    Genau hier verbindet sich die deutschlandpolitische Diskussion mit der allgemeinen außenpolitischen. Wenn der Bundeskanzler, wenn die Kollegen Lamers und Rühe immer wieder den Zusammenhang zwischen der Schaffung einer europäischen Friedensordnung und der Wiedervereinigung betonen, so müssen sie erklären, wie sie dies ohne Hintergedanken und ohne Spekulationen auf einen Zerfallsprozeß in Osteuropa erreichen wollen.

    (Frau Hensel [GRÜNE]: Das ist genau der Punkt!)

    Ist es nicht ehrlicher, zu akzeptieren, daß 40 Jahre Bundesrepublik, 40 Jahre DDR, 50 Jahre seit dem Kriegsausbruch, seit dem Überfall auf Polen, und die Verwirkung nationaler Einheit zusammengehen? Dann und nur dann sind wir frei zu einer entschlossenen Politik der Verwirklichung einer europäischen Friedensordnung.
    Im Rahmen dieser Politik werden und müssen wir von der DDR genauso wie von den anderen Staaten Osteuropas fordern, daß sie ihre Gesellschaften aus dem Griff von Partei und Staat entlassen. Nur dann sind wir frei, von der DDR-Führung die Aufgabe der Repressionen gegenüber ihrer Gesellschaft zu verlangen, wenn keinerlei Spekulation auf eine Destabilisierung der DDR dahintersteht.
    Da die Bundesregierung aber genau diese Konsequenz des Denkens scheut, stabilisiert sie die reformfeindlichen Kräfte der DDR in ihren jetzigen Herrschaftszuständen. Sie stimmt einer Erhöhung der Transitpauschale zu, sie setzt sich weiter für privilegierte Wirtschaftsbeziehungen ein, ein Punkt, an dem sie mit der Verwirklichung des Binnenmarktes früher oder später in Konflikt mit der Westintegration geraten wird. Sie ermöglicht über diese privilegierenden Wirtschaftsbeziehungen zu einem guten Teil auch, daß die DDR-Führung versuchen kann, sich aus der Reformpolitik ihrer Nachbarstaaten herauszuhalten; denn diese Reformpolitik ist natürlich auch von ökonomischen Notwendigkeiten bedingt, die sich in der DDR in diesem Maße noch nicht zur Geltung bringen.
    Wir GRÜNEN fordern die Aufgabe der Wiedervereinigungspolitik, weil dieser Verzicht uns jetzt für eine notwendige Europapolitik handlungsfähig macht, die über die Verkürzung des Begriffs „Europa" auf „Westeuropa" hinausgeht. Herr Bundeskanzler, Sie haben die Differenz heute sehr deutlich gemacht. Sie haben die alte Formel wieder aufgenommen und wiederholt: Einheit nicht auf Kosten der Freiheit. Die Formel ist sehr alt.

    (Dr. -Ing. Kansy [CDU/CSU]: Aber damit noch nicht falsch!)

    Die Frage ist, ob nicht inzwischen umgekehrt ein Schuh daraus wird: Können Freiheit und offene Systeme nicht auch auf Kosten der Einheit herbeigeführt werden? Denn wenn ehrlich über Europa geredet wird, über eine Friedensordnung eines Europa in Freiheit, dann muß das Europa, das Ihnen vorschwebt, doch ein Europa der Regionen, ein Europa offener Grenzen und ein Europa mit offenen Systemen sein.
    Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 1. Dezember 1988 8109
    Dr. Lippelt (Hannover)

    Wenn Sie dies erreichen wollen und zwar schnell, wenn Sie handlungsfähig werden wollen, wenn Sie den KSZE-Prozeß zu einem Friedensprozeß machen wollen, dann, Herr Bundeskanzler, werden Sie über diesen Punkt noch einmal sehr gründlich nachdenken müssen. Sie werden auch darüber nachdenken müssen, was es eigentlich kostet, wenn diese illusionäre Wiedervereinigungspolitik aufgegeben wird, und was es politisch an Handlungsfähigkeit bringt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)