Rede von
Wolfgang
Roth
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Im Moment nicht. — Man sollte aber das zentrale ordnungspolitische Problem unter aktuellem Bezug noch einmal ganz scharf akzentuieren — Graf Lambsdorff, hören Sie zu — : Damals, in den 50er Jahren, ist jede Fusion in Deutschland gegen Erhard mit der Weltmarktintegration begründet worden. Jetzt wird jede Fusion mit dem europäischen Binnenmarkt begründet, mit der Behauptung: Größer ist besser, größer ist leistungsfähiger, groß ist wirtschaftspolitisch gut. Stimmt das eigentlich?
Meine Damen und Herren, der deutsche Maschinenbau ist kein konzentrierter Wirtschaftsbereich. Da gibt es viele kleine und mittlere Unternehmen, vor allem mittlere. Er hat sich als der leistungsfähigste Wirtschaftsbereich in der Industrie in den 80er Jahren herausgestellt. Der deutsche Maschinenbau ist leistungsfähig und innovativ, gerade weil er einen harten Wettbewerb und keinen Superkonzern hat. Sicher, wir brauchen im Einzelfall auch größere Unternehmen — ein Auto kann man nicht in der Werkstatt produzieren — , aber viele Fusionen sind machtbestimmt und nicht marktbestimmt und nicht leistungsorientiert.
Gerade der deutsche Telekommunikationsmarkt, in dem zwei Unternehmen den gesamten Markt beherrschen, ist ein Beweis dafür, daß Innovation, Leistungsfähigkeit, Größe und Marktbeherrschung nicht zusammengehen.
Aus all diesen Gründen muß die wettbewerbspolitische Leitlinie wieder werden: im Zweifel für den Wettbewerb und im Zweifel gegen die Fusion. Größe ist nicht nur stets ein Machtfaktor, Größe bedeutet oft genug Bequemlichkeit. Also muß der Staat, der Bundeswirtschaftsminister Fusionen nicht fördern, sondern bremsen. Das gilt gerade dann, wenn die Wirtschaft so liquide ist wie zur Zeit. Die haben ja viel Geld, die haben ja große Kriegskassen, die können einsteigen, wie der Fall General Electric und Siemens zeigt. Gerade in dieser Phase bewährt sich die ordnungspolitische Kraft des Bundeswirtschaftsministeriums. Es darf in dieser Phase nicht selbst Fusionen stiften, sonst brechen die Dämme. Das Kartellamt und die Monopolkommission haben schon angedeutet, daß sie nein sagen werden. Dann kommt die Ministererlaubnis, die im Vorweg schon versprochen worden ist, und Sie entscheiden gegen die beiden Hüter des Wettbewerbs.
Das ganze Verfahren ist ein Verstoß gegen den Geist des Kartellgesetzes,
und das Kartellgesetz ist nicht irgendein Stück Papier oder irgendeine Verordnung, sondern es ist das Grundgesetz für die Soziale Marktwirtschaft, auf die Sie sich so gern berufen.
Herr Haussmann, wir kennen uns aus vielen wirtschaftspolitischen Debatten des letzten Jahrzehnts, und ich habe Sie immer als einen Kollegen geschätzt, der Wirtschaftspolitik ganz wesentlich als Ordnungspolitik versteht. Sie haben in den letzten Tagen immer wieder betont, Sie wollen der Wirtschaftsminister für die kleinere und mittlere Wirtschaft sein, insbesondere ihre Interessen wahrnehmen. Wir Sozialdemokraten werden Sie in dieser Absicht in den nächsten Jahren voll unterstützen.
Herr Haussmann, dies ist meine dringende Bitte vor Ihrer Amtszeit: Übernehmen Sie nicht kritiklos die Entscheidungen, die Vorentscheidungen Ihres Herrn Vorgängers! Sie haben die Möglichkeit, die Fusion Daimler-Benz mit MBB abzuwenden; denn dafür wird eine Ministerentscheidung gebraucht, das ist heute schon klar. Sie wissen, daß das Bundeskartellamt und die Monopolkommission gegen die Fusion entscheiden werden. Jeder, der es mit der Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland ernst nimmt, lehnt diese Fusion ab. Ich weiß, in Ihren Reihen in der FDP gibt es genügend Kollegen, die diese Fusion nicht nur innerlich ablehnen, sondern das auch öffentlich gesagt haben. Ich weiß durch Gespräche mit Kollegen der Union, daß es auch bei Ihnen genügend Leute gibt, die diese Fusion für völlig verfehlt halten. Jetzt kommt ein neuer Mann in das Wirtschaftsministerium. Ich finde, neu anfangen heißt auch Mut beweisen. Herr Haussmann, ich bitte Sie dringend: Fassen Sie all Ihre Kraft und Ihren Mut zusammen, stehen Sie gegen den größten Konzern der Bundesrepublik, und entscheiden Sie dann, wenn die Zeit dafür da ist, gegen diese Fusion! Dann haben Sie einen Eindruck in der Öffentlichkeit als Mann für die kleine und mittlere Wirtschaft gemacht, und dann werden Sie bewundert werden. Ich wünsche Ihnen den Mut.