Rede von
Dr.
Heiner
Geißler
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Kollege Wischnewski, der erkrankt ist und dem ich von dieser Stelle aus meine Genesungswünsche übermittle, hat mich gestern nachmittag wegen der Lateinamerikapolitik der Christlich-Demokratischen Union während seiner ganzen Rede heftig angegriffen. Er stützt sich dabei auf falsche, erfundene und aus dem Zusammenhang gerissene Zitate in einem Wochenmagazin. Seine Angriffe sind um so erstaunlicher, als er selber in seiner Rede bestätigt hat, daß ich ihn gestern vormittag — in Unkenntnis seiner Redeabsicht — informierte, daß diese Berichterstattung nicht den Tatsachen entspricht, und er in seiner Rede zugegeben hat, daß er in Telefongesprächen in Chile festgestellt habe, daß ihm dies „weitgehend ausdrücklich bestätigt" worden sei.
Dann frage ich mich, warum er dennoch diese Rede gehalten hat. Die Christlich-Demokratische Internationale, deren Vizepräsident ich bin, hat den Kampf für die Demokratie unter Führung der Christlichen Demokraten in Chile von Anfang an nachhaltig unterstützt und unterstützt auch heute den Zusammenhalt aller demokratischen Kräfte, die das Nein gegen Pinochet durchgesetzt haben. Wer der nächste Präsidentschaftskandidat sein wird, müssen diese demokratischen Kräfte selber bestimmen. Es ist aber allgemeine Auffassung, daß die Christlichen Demokraten in Chile als führende Oppositionspartei das erste Vorschlagsrecht haben sollten. Ich bin außerdem in Übereinstimmung mit diesen demokratischen Parteien gegen jede politische Gemeinsamkeit mit den Kommunisten, weil sie ebensowenig wie Pinochet die Demokratie wollen. In El Salvador unterstütze ich den Präsidenten Napoleon Duarte in seinem Kampf für die Demokratie, den er gegen zwei Fronten führen muß, nämlich gegen die Todesschwadrone der Rechten und gegen die Guerilla der Linken. Beide morden und zerstören das Land, und ich halte es mit Duarte und Morales Ehrlich für unverantwortlich, daß der kommunistische Guerillaführer Villalobos, an dessen Händen genausoviel Blut klebt wie an den Händen der Todesschwadrone, von den sozialistischen Präsidenten in Costa Rica und Venezuela in ihren Präsidentenpalästen offiziell empfangen wird. Ich frage mich, wie Kollege Wischnewski und die Sozialistische Internationale reagieren würden, wenn die Anführer des Sentiero Luminoso in Peru, die dem sozialistischen Präsidenten Garcia einen mörderischen Kampf lie-
Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 109. Sitzung. Bonn. Mittwoch. den 23. November 1988 7593
Dr. Geißler
fern, von einem christlich-demokratischen Präsidenten wie z. B. Vinicio Cerezo in Guatemala offiziell empfangen werden würden.
Im übrigen stelle ich noch einmal fest, daß alle mir in diesem Zusammenhang in den Mund gelegten Zitate, insbesondere der Satz in bezug auf das Militär in El Salvador „Die Soldaten haben Angst und schießen halt auch, dann kommen unschuldige Menschen ums Leben. ", entweder frei erfunden oder verfälscht sind. Ich werde meine christlich-demokratischen Freunde in der Welt auch in Zukunft unterstützen und es mir nicht nehmen lassen, die Sozialistische Internationale dann anzugreifen und zu kritisieren, wenn sie die demokratische Entwicklung in diesen Ländern durch ihre Arbeit behindert.