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ID1110708800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/107 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 107. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. November 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Erdbebens in der chinesischen Provinz Yunnan . . . 7363 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 21. November 1988; keine Befragung der Bundesregierung in dieser Woche 7393 D Erweiterung der Tagesordnung 7380 A Ersetzung des Tagesordnungspunktes 16 a durch den Antrag auf Drucksache 11/3298 7394 A Jahn (Marburg) SPD 7363 B Rücktritt des Abg. Dr. Jenninger vom Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestages 7398 C Vizepräsident Frau Renger 7398 C Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/2685) b) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/3116) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern (Drucksache 11/3263) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 7364 A Dr. Struck SPD 7365 D Austermann CDU/CSU 7367 C Hüser GRÜNE 7370 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 7372 B Dr. Voscherau, Präsident der Freien und Hansestadt Hamburg 7374 A Grobecker, Senator der Freien Hansestadt Bremen 7375 C Frau Tidick, Minister des Landes Schleswig- Holstein 7376 C Dr. Rose CDU/CSU 7377 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. jüngste Äußerungen von Politikern der CDU und SPD zur Wochenarbeitszeit Hoss GRÜNE 7380 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 7381 A Schreiner SPD 7381 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 7382 D Frau Steinhauer SPD 7384 D Dr. Lammert CDU/CSU 7385 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 7386 C Beckmann FDP 7387 A Andres SPD 7388 A Kolb CDU/CSU 7389 A Dreßler SPD 7389 D Feilcke CDU/CSU 7390 D Kraus CDU/CSU 7391 D Schemken CDU/CSU 7392 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1988 Tagesordnungspunkt 16 b: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 31. März 1988 (Drucksache 11/2201) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Erweiterung der Westeuropäischen Union (WEU) durch Spanien und Portugal (Drucksache 11/3298) Dr. Klejdzinski SPD 7394 A Reddemann CDU/CSU 7395 B Dr. Mechtersheimer GRÜNE 7396D Dr. Feldmann FDP 7398 D Genscher, Bundesminister AA 7399 C Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 22. Januar 1988 zum Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zu sammenarbeit (Drucksachen 11/3258, 11/3265) Genscher, Bundesminister AA . . 7401A, 7410 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 7402 D Lamers CDU/CSU 7405 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 7407 C Dr. Feldmann FDP 7409B Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP sowie der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (Drucksachen 11/2436, 11/3292) Becker (Nienberge) SPD 7411B Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen (Drucksachen 11/2675, 11/3288, 11/3294) . . 7411D Zusatztagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1989 (ERPWirtschaftsplangesetz 1989) (Drucksache 11/2965) 7412 A Zusatztagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Meldungen in der Mineralölwirtschaft (Mineralöldatengesetz) (Drucksache 11/2043) 7412 C Nächste Sitzung 7412D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7413* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7413* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1988 7363 107. Sitzung Bonn, den 11. November 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 11. 11. Amling 11. 11. Frau Beer 11. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Börnsen (Ritterhude) 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Brandt 11. 11. Breuer 11. 11. Dr. Briefs 11. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Dr. Ehrenberg 11. 11. Frau Eid 11. 11. Dr. Faltlhauser 11. 11. Gansel 11. 11. Gerstein 11. 11. Dr. Glotz 11. 11. Dr. Götz 11. 11. Grünbeck 11. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. Heimann 11. 11. Frau Hensel 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Dr. Hüsch 11. 11. Jaunich 11. 11. Kiechle 11. 11. Koschnick 11. 11. Kretkowski 11. 11. Leonhart 11. 11. Link (Diepholz) 11. 11. Dr. Lippelt 11. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 11. Meyer 11. 11. Dr. Müller* * 11. 11. Frau Nickels 11. 11. Oostergetelo 11. 11. Paintner 11. 11. Pfeifer 11. 11. Dr. Pinger 11. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 11. Schmitz (Baesweiler) 11. 11. Dr. Schmude 11. 11. Sellin 11. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 11. 11. Spilker 11. 11. Frau Trenz 11. 11. Voigt (Frankfurt) 11. 11. Frau Wieczorek-Zeul 11. 11. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 4. November 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 159 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni 1983 über die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung der Behinderten Gesetz zu dem Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuß Drucksache 11/2899 Nr. 1.11, 1.12 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6625 Drucksache 11/1536 Drucksache 11/1538 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/2580 Nr. 6 Drucksache 11/2899 Nr. 3.2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/973 Nr. 2.2, 2.6 Drucksache 11/2580 Nr, 10 Drucksache 11/2899 Nr. 3.3 -3.9 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2841 Nr. 10, 11 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/2089
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die historische Bedeutung des Elysée-Vertrages von 1963 wird heute von niemandem ernsthaft bestritten. Wir haben uns daran gewöhnt, diesen Vertrag als eine Weichenstellung europäischer Nachkriegspolitik zu würdigen. Daß mit der Entstehung und dem Abschluß des Vertrages seinerzeit leidenschaftliche Kontroversen und Debatten verbunden waren, ist vielen kaum noch bewußt.
    In der historischen Rückschau von 25 Jahren sind die widersprüchlichen Motive unverkennbar, von denen die beiden Vertragspartner 1963 bewegt worden sind. General de Gaulle sah in dem Vertrag ein Werkzeug, um dem hegemonialen Anspruch der Vereinigten Staaten von Amerika die Unabhängigkeit französischer Politik entgegenzusetzen. Dem vorausgegangen war ein gescheiterter Versuch, innerhalb des westlichen Bündnisses ein Direktorium mit den USA, Großbritannien und Frankreich zu errichten. De Gaulles Mißtrauen gegenüber der westlichen Bündnisvormacht wurde bestärkt durch den von ihm heftig be-



    Dr. Ehmke (Bonn)

    kämpften Plan einer Multilateral Force unter deutscher Beteiligung.
    Ziel de Gaulles war es, mit dem wiedererstarkten westlichen Teil Deutschlands, mit der Bundesrepublik, ein westeuropäisches Gegengewicht gegen die angelsächsischen Mächte zu bilden. Dabei unterschätzte er die Bedingungen und die Bindungen bundesrepublikanischer Politik. Die Folge war die Vorschaltung einer Präambel vor den Elysée-Vertrag, durch die der deutsche Partner die atlantische Einbettung des mit dem Elysée-Vertrag betriebenen politischen Konzeptes sichern wollte.
    Unter solchen Voraussetzungen konnte der ElyséeVertrag die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen. Zwischen beiden Vertragspartnern entstand eine Phase tiefer Verstimmung, und die deutsch-französische Zusammenarbeit kam damals nur ganz mühsam in Gang. General de Gaulle äußerte seine Enttäuschung gegenüber Carlo Schmid in drastischen Worten. Der General sagte: „Der Vertrag ist tot, ehe er in Kraft tritt. "
    In der Bundesrepublik hat der damalige Konflikt zwischen „Atlantikern" und „Gaullisten" lange fortgewirkt. Er tut es bis in unsere Tage. Daher ist es für unser Selbstverständnis und für die Weiterentwicklung der deutsch-französischen Zusammenarbeit von zentraler Bedeutung, Klarheit darüber zu gewinnen, was an de Gaulles Ansatz richtig und was an ihm zeitbedingter Irrtum war.
    Zwei Gedanken oder Hintergedanken de Gaulles waren von der politischen Entwicklung schon überholt, als der Elysée-Vertrag noch verhandelt wurde. Die Absicht, unter Ausklammerung der angelsächsischen Mächte ein europäisches Gegengewicht zu schaffen, um Europa, wie de Gaulle sagte, von den „zwei Hegemonien" — den USA und der Sowjetunion — „vom Atlantik bis zum Ural" zu befreien, stand im Widerspruch zu der geopolitischen und geostrategischen Tatsache, daß Westeuropa als westlicher Zipfel des eurasiatischen Kontinents, als Gegengewicht zur sowjetischen Macht und zum Schutz seiner weltweiten Verbindungswege des Bündnisses mit den USA bedarf, wie umgekehrt die Vereinigten Staaten aus eigenem Interesse ihre atlantische Gegenküste nicht unter sowjetischen Einfluß geraten lassen dürfen.
    So hat denn auch selbst in Frankreich die Auffassung de Gaulles, die französische Atomstreitmacht sei auf die Dauer nicht nur in der Lage, etwaige deutsche Revisionsgelüste unter Kontrolle zu halten, sondern auch ein Gegengewicht gegen die sowjetische Militärmacht zu bilden, der Einsicht Platz gemacht, daß auch Frankreich und seine Force de frappe unter den gegebenen Bedingungen des amerikanischen Schutzschirms bedürfen.
    Auch die Intention de Gaulles, die Briten mit Hilfe Bonns aus der Europäischen Gemeinschaft fernzuhalten, war angesichts der nicht nur die Nationalstaaten des Kontinents betreffenden Notwendigkeit zur wirtschaftlichen und politischen Gemeinschaftsbildung damals bereits im Ansatz überholt. Europa hört am Kanal sowenig auf wie am Belt oder an der Elbe.
    Streicht man diese zeitbedingten Übertreibungen fort, wird der Kerngedanke de Gaulles, der auch der Kerngedanke des Elysée-Vertrages ist, um so deutlicher: daß nämlich nur eine deutsch-französische Schrittmacherrolle die politische Handlungsfähigkeit Europas — auch gegenüber den Vereinigten Staaten — wiedergewinnen kann.
    De Gaulle hat dabei sehr weit gedacht. Er hat über ein gestärktes Westeuropa hinaus das ganze europäische Haus im Blick gehabt. Seine Vision reichte weit voraus in eine politische Zukunft, in der er Gesamteuropa die ihm nach 1945 auferlegte Teilung überwinden sah.
    In unseren Tagen macht sich Frankreich unter Präsident Mitterrand daran, diese vorübergehend verlorengegangene Dimension seiner Ostpolitik neu zu gestalten. Deutsche und Franzosen müssen es als gemeinsame europäische Aufgabe begreifen, die Teilung Europas im Rahmen des Ost-West-Dialogs, im Rahmen der Verhandlungen über Abrüstung und Rüstungskontrolle und des Helsinki-Prozesses Schritt für Schritt zu überwinden. Ich komme darauf noch zurück.
    Die Revitalisierung des Elysée-Vertrages begann unter der Kanzlerschaft von Helmut Schmidt. Sie fand ihren Niederschlag in der im Frühjahr 1982 beschlossenen Intensivierung deutsch-französischer Zusammenarbeit auf sicherheits- und verteidigungspolitischem Gebiet. Die Ausführung dieses Beschlusses fiel dann bereits in die Zeit nach dem Regierungswechsel.
    Vielleicht wird man die von Helmut Schmidt und dem damals erst kurze Zeit amtierenden Präsidenten Mitterrand unterschriebene Gipfelerklärung vom Februar 1982 einmal als eine Weichenstellung europäischer Politik ansehen. Jedenfalls ist sie eine der wichtigen europäischen Initiativen, die von der Regierung Helmut Schmidt ergriffen worden sind, wie z. B. auch die Direktwahl zum Europäischen Parlament oder die Einführung des Europäischen Währungssystems.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

    — Ich habe es nachgeprüft; Sie können beruhigt sein, Herr Kollege, daß es stimmt. Sie können sich die Vorlage ansehen, Herr Kollege.

    (Reddemann [CDU/CSU]: Beim Europäischen Parlament waren Sie sehr zögerlich!)

    Die Erklärung vom Februar 1982 setzte sich zum Ziel, „das Gewicht Europas in der Welt wieder zu vergrößern". Die engere sicherheitspolitische Zusammenarbeit wurde in diesen weiten Rahmen hineingestellt. Gerade damit wurde an den Kern des ElyséeVertrags angeknüpft.
    Aber ein wirklicher Durchbruch ist, wenn wir ehrlich sind, bisher dennoch nicht erreicht worden. Auf französischer Seite wurde die Zusammenarbeit von der Besorgnis überschattet, eine nicht fest im Westen — vor allem bei Frankreich — verankerte Bundesrepublik Deutschland könne nach Osten abgleiten.

    (Lamers [CDU/CSU]: Eine Besorgnis, an der Sie viel Schuld tragen!)




    Dr. Ehmke (Bonn)

    — Man sollte falsche Besorgnisse nicht unterstützen, Herr Kollege Lamers, wenn man nationale Interessen richtig versteht.

    (Beifall bei der SPD — Reddemann [CDU/CSU]: Es geht nicht um die Besorgnis, sondern um die Feststellung der Tatsachen!)

    Diese Besorgnis verstärkte sich Anfang der 80er Jahre, als bei uns — nicht zuletzt dank des Engagements der Friedensbewegung — die Debatte über die Stationierung von nuklearen Mittelstreckenraketen ihrem Höhepunkt zustrebte. In französischen Augen wuchs damit die akute Gefahr, daß die Westdeutschen in den Neutralismus abdriften könnten: „dérivé allemand".
    Dem entsprach auf deutscher Seite Unsicherheit über den politischen Stellenwert und die konkrete Ausgestaltung der neu beschlossenen sicherheitspolitischen Zusammenarbeit mit Frankreich. Nach dem Regierungswechsel erhielt die Pflege militärischer Symbole — wie etwa der Aufbau einer deutschfranzösischer Brigade — eine unangemessene Bedeutung. An praktischen Schritten, die der Zusammenarbeit vor allem im Bereich konventioneller Streitkräfte politisches Gewicht geben würden, fehlt es nach wie vor.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Das ist ein ganz hand festes Symbol, Herr Kollege!)

    — Die Brigade ist doch nur Ersatz, Herr Feldmann. Darüber brauchen wir beide uns doch nicht zu streiten.

    (Dr. Feldmann [FDP]: Wir streiten nicht!)

    Wir Sozialdemokraten verkennen nicht, Herr Bundesaußenminister, daß auch der Errichtung der in den Zusatzprotokollen vorgesehenen gemeinsamen Räte ein stark symbolischer Zug anhaftet.

    (Frau Unruh [GRÜNE]: Das sind eben die Männerfreundschaften!)

    — Fühlen Sie sich bitte nicht ausgeschlossen, gnädige Frau.
    Alles, was an deutsch-französischer Zusammenarbeit notwendig ist, ließe sich auch in den alten Prozeduren, d. h. ohne die neuen Räte, bewerkstelligen. Immerhin mögen diese Räte aber — alle Macht den Räten! — der Intensivierung der Zusammenarbeit dienen. Darum stimmen wir ihrer Errichtung mit dem Ratschlag zu, diese Zusammenarbeit so zu handhaben, daß sich andere westeuropäische Partner weder ausgeschlossen noch übergangen fühlen können.
    Entscheidend werden aber nicht Gremien und Verfahren, Sonden die Politiken sein, die die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich gemeinsam voranbringen. Herr Bundesaußenminister, das Festschreiben betagter Abschreckungsstrategien etwa, wie sie mit einer Anleihe bei der WEU-Plattform in der Präambel zum Protokoll über die Errichtung eines gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungsrats umschrieben worden sind, würde z. B. keine Zukunftsperspektiven eröffnen. Der Passus in der Präambel, daß sich eine Strategie der Abschreckung und Verteidigung auch weiterhin auf eine geeignete Zusammensetzung nuklearer und konventioneller Streitkräfte stützen müßte, ist für uns Sozialdemokraten
    daher nur als Beschreibung des gegenwärtig bestehenden Zustands, nicht aber als Bindung für die Zukunft annehmbar.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Das ist unredlich!)

    — Wenn alles unredlich wäre, was Sie für falsch halten, gäbe es überhaupt keine Redlichkeit mehr, Herr Kollege Mechtersheimer.

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Es wird eine Forderung erhoben, und Sie sagen, sie gilt nicht!)

    Wir begrüßen es, daß die Bundesregierung in ihrer Denkschrift zu dem Protokoll klarstellt, daß von diesem keine vertragliche Festlegung auf eine bestimmte Strategie ausgeht. Wir begrüßen es, daß diese Rechtsauffassung mit der Denkschrift der französischen Seite durch Verbalnote notifiziert worden ist. Und wir begrüßen es, daß sich die französische Regierung
    — hören Sie doch mal zu, Herr Mechtersheimer, bevor Sie nachher wieder so viele falsche Dinge erzählen wie vorhin in der WEU-Debatte —

    (Dr. Mechtersheimer [GRÜNE]: Ich habe nur gesagt: Die letzten Kalten Krieger der SPD sitzen hier! Dazu gehören Sie! — Gegenruf Dr. Feldmann [FDP]: Er ist doch kein Kalter Krieger! — Dr. Mechtersheimer: Doch! Jetzt!)

    bereit erklärt hat, ihrerseits im parlamentarischen Ratifizierungsverfahren klarzustellen, daß sie dieser Rechtsauffassung nicht widerspricht.


Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Professor, Sie gestatten eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Hillerich?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Mit Vergnügen.