Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn man diese Diskussion hier erlebt, hat man den Eindruck, wir würden in einem Land der Lemminge leben, wo ab und zu die Betonköpfe der Funktionäre bestimmen, was geht. Wenn sich Politiker über Äußerungen von Funktionären aus beiden Lagern so aufregen würden, die uns als Hilfe für die Politik gegeben werden, würden wir uns nur noch aufregen. Wenn die Politiker diesen Funktionären einmal einen Hinweis geben, dann ist das schon fast eine Majestätsbeleidigung.
Es kamen vom Kollegen Andres gerade Andeutungen, daß man die Betriebswirtschaft vernachlässigen könnte.
Das mag ja sein. Aber ich bin der Meinung, daß, seitdem Helmut Schmidt Mitherausgeber der „Zeit" ist, sie dann zur Pflichtlektüre von Ihnen gehören würde. Da gab es gestern einen Artikel von Nikolaus Piper „Wunderkind mit Weltschmerz":
Amerikaner, Briten und Franzosen sind irritiert über die fehlende Dynamik der bundesdeutschen Wirtschaft.
Der Schluß lautet:
Fazit: Die Deutschen sind hervorragende Techniker und zuverlässige Kundendienstleute, aber auch verwöhnt, phantasielos und ziemlich langweilig.
Bei einem so widersprüchlichen Bild neigt mancher ausländische Beobachter dazu, die Probleme der Deutschen nicht so sehr in ihrer Ökonomie als vielmehr in ihrer Seele zu suchen. Der Londoner „Guardian" schrieb: „Tatsächlich besitzt die westdeutsche Wirtschaft noch enorme Kraft, ihr scheinbarer Niedergang läßt mehr als nur eine Interpretation zu. Es wäre nicht das erste Mal, daß sich die Ausländer von der Neigung der Deutschen zu schwermütiger Nabelschau täuschen ließen. "
Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Vorschlag, vier Tage mit neun Stunden zu arbeiten, beinhaltet doch auch, daß ich dann mit der anderen Gruppe am Freitag, Samstag, Montag und Dienstag arbeite, um dann mit der Gruppe, mit der ich vorher am Montag angefangen habe, am Mittwoch, Donnerstag, Freitag und Samstag zu arbeiten. Da habe ich fünf freie Tage. Sie rufen „Familie", dabei haben Sie die Chance, fünf Tage zu Hause zu bleiben.
— Entschuldigen Sie, Frau Beck. Ihre Argumentation
war so schwach wie sonst noch etwas. Frau Beck, können Sie mir erklären, wenn eine Frau, wie Sie sagen,
mit An- und Abreisezeit an fünf Tagen zehn Stunden weg ist und jetzt an vier Tagen eine Stunde länger weg ist und einen Tag mehr zu Hause hätte, wo eigentlich der Gewinn für die Familie ist? Das müssen Sie anderen Leuten zu begründen versuchen als uns.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sind doch in der deutschen Industrie in einigen Bereichen in der Situation, daß die Kosten eines Arbeitsplatzes schon in die Millionen gehen. Wie lange, glauben Sie, können wir diese teuren Arbeitsplätze ab Freitag mittag bis Montag morgen stillegen? Es kann doch möglich sein, daß in einem Industriebereich die eine Gruppe im Vier-Tage-Rhythmus und die andere im Fünf-Tage-Rhythmus arbeitet und dann noch Teilzeit möglich ist.
Warum darf eigentlich Flexibilität nicht gefragt sein? Ich habe so den Eindruck, bei uns möchten Funktionäre bestimmen, was das Wohl und das Wehe für alle ist, und der Rest hat dann zu folgen. Hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, kann ich nur noch einmal auf den genannten Artikel verweisen. Wir müssen die Situation erkennen, in der wir leben, und dann müssen wir flexibler sein.
Herr Andres, weil Sie gerade auch noch die Automobilindustrie angesprochen haben: Ich schaue schon mit Verwunderung auf die Zulassungszahlen von Autos, die um die halbe Welt transportiert wurden, mit dem Ergebnis, daß, wenn sie hier gekauft werden, Leute sagen, und zwar sitzen die quer durch die Bevölkerung, egal welche Partei sie wählen: Die sind preiswerter hergestellt worden. — Deswegen sollten wir uns schon ein bißchen aufraffen, daß wir den Funktionären von Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die jedesmal, wenn es brennt, zu uns gerannt kommen und sagen „Helft uns", ab und zu auch einmal Anstöße geben dürfen. Wenn Tarifpartner unflexibel werden, so nach dem Motto „Die Guten gehen ins Kröpfchen und die Schlechten ins Töpfchen der Politik", dann, sehr verehrte Damen und Herren, haben wir unsere Aufgabe verfehlt.
Deshalb kann ich uns nur ermuntern, noch weitaus mehr ein bißchen zukunftsorientiert zu denken und nicht in den Betonschuhen der Vergangenheit hängen zu bleiben.
Herzlichen Dank.