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ID1110701200

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    Plenarprotokoll 11/107 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 107. Sitzung Bonn, Freitag, den 11. November 1988 Inhalt: Gedenkworte für die Opfer des Erdbebens in der chinesischen Provinz Yunnan . . . 7363 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde und den Richtlinien für Aktuelle Stunden in der Sitzungswoche ab 21. November 1988; keine Befragung der Bundesregierung in dieser Woche 7393 D Erweiterung der Tagesordnung 7380 A Ersetzung des Tagesordnungspunktes 16 a durch den Antrag auf Drucksache 11/3298 7394 A Jahn (Marburg) SPD 7363 B Rücktritt des Abg. Dr. Jenninger vom Amt des Präsidenten des Deutschen Bundestages 7398 C Vizepräsident Frau Renger 7398 C Tagesordnungspunkt 14: a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/2685) b) Erste Beratung des von dem Abgeordneten Hüser und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Bundessozialhilfegesetzes und des Gesetzes über den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern (Drucksache 11/3116) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Ausgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft in den Ländern (Drucksache 11/3263) Dr. Stoltenberg, Bundesminister BMF . . 7364 A Dr. Struck SPD 7365 D Austermann CDU/CSU 7367 C Hüser GRÜNE 7370 B Dr. Weng (Gerlingen) FDP 7372 B Dr. Voscherau, Präsident der Freien und Hansestadt Hamburg 7374 A Grobecker, Senator der Freien Hansestadt Bremen 7375 C Frau Tidick, Minister des Landes Schleswig- Holstein 7376 C Dr. Rose CDU/CSU 7377 C Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. jüngste Äußerungen von Politikern der CDU und SPD zur Wochenarbeitszeit Hoss GRÜNE 7380 A Cronenberg (Arnsberg) FDP 7381 A Schreiner SPD 7381 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 7382 D Frau Steinhauer SPD 7384 D Dr. Lammert CDU/CSU 7385 C Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 7386 C Beckmann FDP 7387 A Andres SPD 7388 A Kolb CDU/CSU 7389 A Dreßler SPD 7389 D Feilcke CDU/CSU 7390 D Kraus CDU/CSU 7391 D Schemken CDU/CSU 7392 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1988 Tagesordnungspunkt 16 b: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1987 bis 31. März 1988 (Drucksache 11/2201) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Erweiterung der Westeuropäischen Union (WEU) durch Spanien und Portugal (Drucksache 11/3298) Dr. Klejdzinski SPD 7394 A Reddemann CDU/CSU 7395 B Dr. Mechtersheimer GRÜNE 7396D Dr. Feldmann FDP 7398 D Genscher, Bundesminister AA 7399 C Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den Protokollen vom 22. Januar 1988 zum Vertrag vom 22. Januar 1963 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik über die deutsch-französische Zu sammenarbeit (Drucksachen 11/3258, 11/3265) Genscher, Bundesminister AA . . 7401A, 7410 C Dr. Ehmke (Bonn) SPD 7402 D Lamers CDU/CSU 7405 C Dr. Mechtersheimer GRÜNE 7407 C Dr. Feldmann FDP 7409B Zusatztagesordnungspunkt 8: Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP sowie der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Neunten Gesetzes zur Änderung des Kriegsgefangenenentschädigungsgesetzes (Drucksachen 11/2436, 11/3292) Becker (Nienberge) SPD 7411B Zusatztagesordnungspunkt 11: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Neuorganisation der Marktordnungsstellen (Drucksachen 11/2675, 11/3288, 11/3294) . . 7411D Zusatztagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Wirtschaftsplans des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1989 (ERPWirtschaftsplangesetz 1989) (Drucksache 11/2965) 7412 A Zusatztagesordnungspunkt: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Erhebung von Meldungen in der Mineralölwirtschaft (Mineralöldatengesetz) (Drucksache 11/2043) 7412 C Nächste Sitzung 7412D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7413* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 7413* C Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 107. Sitzung. Bonn, Freitag, den 11. November 1988 7363 107. Sitzung Bonn, den 11. November 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 11. 11. Amling 11. 11. Frau Beer 11. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Börnsen (Ritterhude) 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Brandt 11. 11. Breuer 11. 11. Dr. Briefs 11. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Dr. Ehrenberg 11. 11. Frau Eid 11. 11. Dr. Faltlhauser 11. 11. Gansel 11. 11. Gerstein 11. 11. Dr. Glotz 11. 11. Dr. Götz 11. 11. Grünbeck 11. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. Heimann 11. 11. Frau Hensel 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Dr. Hüsch 11. 11. Jaunich 11. 11. Kiechle 11. 11. Koschnick 11. 11. Kretkowski 11. 11. Leonhart 11. 11. Link (Diepholz) 11. 11. Dr. Lippelt 11. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 11. 11. Meyer 11. 11. Dr. Müller* * 11. 11. Frau Nickels 11. 11. Oostergetelo 11. 11. Paintner 11. 11. Pfeifer 11. 11. Dr. Pinger 11. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Reuschenbach 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Schmidt (Nürnberg) 11. 11. Schmitz (Baesweiler) 11. 11. Dr. Schmude 11. 11. Sellin 11. 11. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 11. 11. Spilker 11. 11. Frau Trenz 11. 11. Voigt (Frankfurt) 11. 11. Frau Wieczorek-Zeul 11. 11. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am 4. November 1988 beschlossen, den nachstehenden Gesetzen zuzustimmen bzw. einen Antrag gemäß Artikel 77 Abs. 2 GG nicht zu stellen: Gesetz zur Änderung des Bundesbesoldungsgesetzes Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 159 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 20. Juni 1983 über die berufliche Rehabilitation und die Beschäftigung der Behinderten Gesetz zu dem Montrealer Protokoll vom 16. September 1987 über Stoffe, die zu einem Abbau der Ozonschicht führen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu den nachstehenden Vorlagen absieht: Finanzausschuß Drucksache 11/2899 Nr. 1.11, 1.12 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 10/6625 Drucksache 11/1536 Drucksache 11/1538 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen hat: Finanzausschuß Drucksache 11/2580 Nr. 6 Drucksache 11/2899 Nr. 3.2 Ausschuß für Wirtschaft Drucksache 11/973 Nr. 2.2, 2.6 Drucksache 11/2580 Nr, 10 Drucksache 11/2899 Nr. 3.3 -3.9 Ausschuß für Jugend, Familie, Frauen und Gesundheit Drucksache 11/2841 Nr. 10, 11 Ausschuß für Verkehr Drucksache 11/2089
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Uwe Hüser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich glaube, die gerade gehörte Rede wird das Bundesverfassungsgericht sehr interessieren. Sie haben ziemlich deutlich gemacht, daß es Ihnen nicht
    nach objektiven Kriterien ging, sondern allein parteitaktisches Kalkül der Maßstab war, Gelder zu verteilen.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)

    Die Bundesregierung legt hier ein Strukturhilfegesetz vor, das sie in der Öffentlichkeit als gleichwertige oder sogar als bessere Alternative zu der Bundesratsinitiative und zu unserem Gesetzentwurf verkauft, den wir übernommen haben, da der Bundesrat von dieser Initiative zur Übernahme der Sozialhilfekosten offensichtlich Abstand genommen hat. Dies ist aber offenbar nicht der Fall, wenn wir uns die Diskussion und die Argumente noch einmal genau angucken, die ja nichts an Gültigkeit verloren haben, wie Sie vor der Sommerpause und gerade auch in Ihrer Fraktion, meine Damen und Herren von der Regierung, für ziemliche Aufregung gesorgt haben.
    Gerade im Licht der Diskussion um die Steuerreform und um die zu erwartenden Mindereinnahmen, besonders bei den Kommunen, stellte Ministerpräsident Albrecht u. a. fest, daß sich seine Gemeinden in keiner beneidenswerten Finanzsituation befinden. Daß dies nicht nur in Niedersachsen so ist, sondern grundsätzlich viele Gemeinden betrifft, im besonderen Fall die Gemeinden in den wirtschaftlichen und strukturellen Problemregionen — hier hauptsächlich im Norden und im Westen dieser Republik — war offensichtlich. Um dies festzustellen, genügt ein einfacher Blick in die offiziellen Statistiken.
    Einer der Hauptgründe für die finanzielle Erdrosselung der Länder und Gemeinden sind die stetig steigenden Sozialhilfeausgaben. Dies ist eindeutig belegt in dem Gemeindefinanzbericht, in den Veröffentlichungen der verschiedensten Wirtschaftsinstitute und auch im Monatsbericht der Deutschen Bundesbank.
    So reichten 1970 noch 3,2 % des Steueraufkommens aus, um die Sozialhilfe bezahlen zu können. 1985 benötigten die Länder und Gemeinden allerdings schon 7,2 % ihres Steueraufkommens bei weiter steigender Tendenz, um die Anprüche aus den Sozialhilfeforderungen zu befriedigen.
    Gerade an den Brennpunkten der Arbeitslosigkeit haben sich die Aufwendungen für diese Gruppe seit 1981 verzehnfacht. In dem Zusammenhang von Arbeitslosigkeit und Sozialhilfelasten macht sich ein deutlicher Strukturunterschied in der Bundesrepublik bemerkbar.
    Dies ist unseres Erachtens in keiner Weise verwunderlich; denn in ihrer ursprünglichen Funktion war die Sozialhilfe vorgesehen, um in individuellen Notlagen zu helfen. Heute ist es so, daß die Sozialhilfe als kollektive Unterhaltssicherung für durch Arbeitslosigkeit in Not geratene Bürger einspringen muß. Mittlerweile nennen schon über ein Drittel der Sozialhilfeempfänger, die einen Antrag auf Hilfe in besonderer Lebenslage stellen, als Grund hierfür Arbeitslosigkeit. Dies sollte uns zu denken geben.
    Von dieser heute grundsätzlich anderen Intention und der erheblich größeren Aufgabenbewältigung des Bundessozialhilfegesetzes leitet sich der berechtigte Anspruch ab, daß ebenfalls der Bund zur Bewäl-



    Hüser
    tigung dieser Aufgaben beitragen muß. Es steht nirgendwo auf alle Zeiten festgeschrieben, daß dies nur in den Händen der Gemeinden zu bleiben hat.
    Es liegt unseres Erachtens ebenfalls auf der Hand, daß die nord- und westdeutschen Länder durch die erhebliche finanzielle Belastung keine Mittel mehr zur Verfügung haben, um die Ursachen der steigenden Zahl der Sozialhilfeempfänger, nämlich gerade Massen- und Langzeiterwerbslosigkeit, durch Investitionen zur Strukturverbesserung und zur Schaffung von neuen Erwerbsarbeitsplätzen zur Verfügung haben.
    Die betroffenen Kommunen und Länder bewegen sich in einer Art Teufelskreis, weil mit jeder Reduzierung der kommunalen Investitionen zur Finanzierung der Sozialhilfekosten die Arbeitslosigkeit steigt und infolgedessen noch mehr Sozialhilfe aufgebracht werden muß. Es gilt, diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
    Ebenso wissen wir aus Erfahrung, daß in den Gemeinden, wo die notwendigerweise unabweislichen Ausgaben steigen, in der Regel gerade bei den freiwilligen Aufgaben gekürzt wird. Dies hat ursächlich zur Folge, daß die kommunale Selbstverwaltung zur Unkenntlichkeit verkümmert. Um dies zu verhindern — was den GRÜNEN ein Anliegen ist — , um mehr politischen Handlungs- und Gestaltungsspielraum auf die Ebene zu bringen, die von den Betroffenen noch direkt kontrolliert und beobachtet werden kann, ist es notwendig, daß die Ausgabenseite der Kommunen entlastet wird.
    Ich will hier noch einmal grundsätzlich auf einen Punkt eingehen: Die GRÜNEN halten eine grundsätzliche Neuorientierung gerade der Sozialsicherungssysterne für notwendig. Ich nenne hier nur das Stichwort „Grundrente", die voll vom Bund finanziert werden müßte. Aber die GRÜNEN halten auch deswegen diese Bundesratsinitiative zur Übernahme von 50 der Sozialhilfekosten für wichtig, weil sie ein erster Schritt in die richtige Richtung war. Wir haben diesen Antrag hier noch einmal eingebracht, damit das nicht in Vergessenheit gerät.
    Auch ist es, glaube ich, ein sehr wünschenswerter Nebeneffekt, wenn der Bund am eigenen Leibe und in der eigenen Kasse die gesamte Dynamik der Sozialhilfekosten spüren würde, um dann eventuell geeignete politische Schritte zu unternehmen. Jedoch ist hier eher zu befürchten, daß diese Bundesregierung dies nur als Anlaß nehmen würde, weitere Leistungskürzungen zu vollziehen, um die Kassen zu sanieren.
    Ein Punkt ist in der ganzen Diskussion auch immer vergessen worden, und zwar die Situation der Sozialhilfeempfänger und Sozialhilfeempfängerinnen. Hier wird durch unsere Initiative die Situation der Gemeinden grundsätzlich verbessert, daß sie auch im Bereich der freiwilligen Aufgaben Zusätzliches leisten können. Aber ich glaube, hier darf nicht außer acht gelassen werden, daß der Bedarf der Sozialhilfeempfänger insgesamt drastisch nach oben gesetzt werden muß, damit sie überhaupt zu einem menschenwürdigen Leben in der Lage sind.
    Es ist offensichtlich und auch für jeden nachvollziehbar, daß die von mir gerade angesprochenen Probleme mit dem Strukturhilfegesetz in keiner Weise zu lösen sind. Von daher ist es schon ein bißchen verwunderlich, wie sich die Länder — dies gilt meines Erachtens auch für einige SPD-Länder — diesen Tausch haben aufringen lassen.

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wir haben noch nicht die Mehrheit, Herr Hüser!)

    — Da Sie ja nicht die Mehrheit haben, war es überhaupt nicht notwendig, daß Sie diesen Gesetzen zustimmen; Sie hätten ja mit politischem Druck auf der alten Initiative weiter bestehen können.
    Die Schlußfolgerung liegt nahe. Hauptsächlich liegt es, glaube ich, im Interesse von Herrn Albrecht, wenn man seine Argumentation verfolgt, daß es ihm in Wahrheit überhaupt nicht darum ging, die Situation der Kommunen aufzubessern, sondern für ihn einzig und maßgeblich eben eine Konsolidierung seiner eigenen Landeskasse Vorrang hatte.
    Dies leitet zu einigen Kritikpunkten über, die wir an dem Strukturhilfegesetz haben. Es ist unseres Erachtens in keiner Weise gewährleistet, daß hierdurch wirklich neue Investitionen getätigt werden. Unseres Erachtens ist es eher wahrscheinlich, daß schon geplante und begonnene Investitionen jetzt eben nur mit Bundesmitteln finanziert werden und somit nur eine Entlastung der Länderhaushalte stattfindet.
    Lassen Sie mich drei Kriterien nennen, durch die sich das Strukturhilfegesetz unseres Erachtens selbst disqualifiziert. Dies betrifft zum einen den gesamten Bereich der Verteilungskriterien. Es ist doch offensichtlich und ist schon mehrfach betont worden, daß der Sockelbetrag ursächlich eigentlich in den Länderfinanzausgleich gehört. Aber ich glaube, er ist hier geschaffen worden — um ein Beispiel zu nennen —, um das Saarland einzukaufen, damit es hier zustimmt, weil bei dieser Alternative das Saarland mehr als bei der Bundesratsinitiative bekommt.
    Dasselbe gilt unseres Erachtens auch für die Sonderlasten Rheinland-Pfalz, das 40 Millionen DM für die angebliche Mehrbelastung durch die Stationierung ausländischer Streitkräfte erhält. Wieso sind Sie nicht auf die Idee gekommen, auch einmal über Sonderlasten Kohle, Stahl, Schiffsbau nachzudenken?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Haben wir doch!)

    Damals bei der Diskussion um den Länderfinanzausgleich sind diese Punkte wohlweislich außen vor gelassen worden,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es wurde ausführlich darüber verhandelt!)

    weil hier eine Einigung nicht ersichtlich war; da war es weise, daß alle diese Punkte herausgenommen worden sind. Aber diese Maßnahme war nötig, damit Rheinland-Pfalz diesem Gesetzentwurf überhaupt zustimmt.
    Der dritte Punkt. Das Kriterium Arbeitslosigkeit wurde eben nicht nach Länderdurchschnitten berechnet, sondern nach Bezirken. Das hatte auch zur Folge, daß Bayern eingekauft worden ist.



    Hüser
    Auch daß das Kriterium der Beschäftigungsentwicklung widersinnig ist, läßt sich eindeutig dadurch belegen, daß es logisch ist, daß dort, wo ein hoher Beschäftigungsstand ist, die Zuwachsraten natürlich niedriger sind als in einem Gebiet, das sowieso schon auf niedrigstem Level ist, und wenn da einige Arbeitsplätze zusätzlich geschaffen werden, hat das statistisch natürlich zur Folge, daß hier hohe Zuwachsraten sind. Dies konterkariert das Kriterium der Arbeitslosigkeit zur Unsinnigkeit und zeigt eindeutig, daß es hier nicht darum geht, objektive Kriterien zu wählen, sondern daß hier eben auch eigentlich schon gut dastehende Gemeinden im Süden und hauptsächlich in Bayern bevorzugt werden sollten.
    Diese Kriterien zeigen unseres Erachtens, daß hier nur nach dem Ergebnis gerechnet worden ist. Wir sind sicher, daß das Bundesverfassungsgericht Ihnen dies ins Stammbuch schreiben wird.
    Ich möchte noch auf den Investitionskatalog eingehen. Die Intention am Anfang war, daß die schlechte Situation der Gemeinden eigentlich verbessert werden sollte. Aber es reicht nicht aus, Herr Stoltenberg, daß Sie nur die Hoffnung ausdrücken, daß das Geld an die Gemeinden geht. Das Mindeste, das hier notwendig wäre, wäre eine pauschale Weiterleitung an die Gemeinden, damit die hier wirklich investieren können. Auch dies würde nicht ausreichen, weil viele Gemeinden, bei denen der Verwaltungshaushalt schon defizitär ist, gar nicht in der Lage sind, zusätzlich zu investieren und die Folgekosten aufzubringen.
    Der letzte Punkt: Sie hätten unsere Zustimmung zu dem Strukturhilfegesetz gehabt, wenn Sie den Mut oder den Willen aufgebracht hätten, hier wirklich notwendige Investitionen zu fördern. Es gibt genug. Ich nenne hier nur den Bau von Kläranlagen zum Schutz der Nord- und Ostsee. Hier hätten uns 2,45 Milliarden DM jährlich weitergebracht. Ebenso wären Investitionen z. B. im öffentlichen Nahverkehr oder zur Einsparung von Energie sinnvoll gewesen. Das gilt jedoch nicht für diese pauschale Weiterleitung von Geldern nach dem Gießkannenprinzip.

    (Beifall bei den GRÜNEN und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Weng.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Weng


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wenn eine politische Entscheidung gefallen ist, tut man gut daran, diese Entscheidung konsequent zu vertreten. Dies gilt auch dann, wenn eine solche Entscheidung nach langer Diskussion und in kontroverser Auseinandersetzung getroffen worden ist

    (Frau Matthäus-Maier [SPD]: Wie beim Airbus! — Weitere Zurufe von der SPD)

    und schon daraus deutlich wird, daß eine große Zahl unterschiedlicher Aspekte in eine solche Entscheidung Eingang gefunden hat. Die vielfältigen Zwischenrufe machen deutlich, was wem dabei dann als allererstes einfällt.

    (Zuruf von der SPD): Vielfältig? Es waren nur

    zwei!)
    — Zwei ist bei der Besetzung hier doch schon eine ganze Menge.
    Bei dem heute in erster Lesung beratenen Gesetzentwurf der Bundesregierung fällt dies trotzdem schwer, weil eine Fülle von politischen, von rechtlichen, sogar von moralischen Fragen mit der Vorgeschichte und der geplanten gesetzlichen Maßnahme verbunden ist.
    Natürlich zeigt diese Häufung offener Fragen auch, daß mit solchen Regelungen, wie sie der Gesetzentwurf vorsieht, an Grenzen gestoßen wird. Ich sage voraus, daß es nicht so schnell wieder zu vergleichbaren Lösungen kommen wird! Dennoch geht meine Fraktion mit dem erklärten Ziel in die weiteren Beratungen, dem Gesetz nach sorgfältiger Abwägung eine parlamentarische Mehrheit zu sichern.
    Lassen Sie mich auf einige der hier gestellten politischen und auch rechtlichen Fragen in aller Kürze eingehen. Nach Art. 104 a Abs. 4 des Grundgesetzes kann der Bund den Ländern Finanzhilfen für besonders bedeutsame Investitionen der Länder und Gemeinden unter gewissen Voraussetzungen gewähren. Da die Finanzverhältnisse zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in mehrfacher Hinsicht geregelt sind, muß jede zusätzliche Regelung besonders sorgfältig daraufhin untersucht werden, ob sie das bestehende System nachhaltig stört. Das wird einerseits vom Umfang zusätzlicher Leistungen, andererseits natürlich auch von ihrer vorgesehenen zeitlichen Dauer abhängen.
    Bei dem heute und hier zur Diskussion stehenden politischen Kompromiß ist die zeitliche Dauer von geplanten zehn Jahren erheblich, auch wenn die während der Dauer der Laufzeit vorgesehene und mögliche zweimalige Überprüfung des Verteilerschlüssels hier noch einen gewissen Spielraum läßt.
    Wer sich zusätzlich vor Augen hält, wie eng die Haushaltsspielräume aller öffentlichen Hände geworden sind — nach der Beratung des Etats für das kommende Jahr im Haushaltsausschuß, die wir gestern abend abgeschlossen haben, weiß ich wirklich, wovon ich rede — , muß erkennen, daß auch die hier geplanten jährlichen Leistungen von 2,45 Milliarden DM, die den Bund treffen und an die Bundesländer gehen sollen, einen erheblichen finanziellen Umfang darstellen.
    Die Koalition hat das erklärte Ziel, so viel Geld wie möglich beim Bürger zu belassen und mit öffentlichen Geldern sparsam umzugehen. Deshalb haben wir eine große Steuerreform beschlossen, die ab 1990 natürlich auch den Bundeshaushalt stark strapaziert; die rechnerischen Einahmeverluste des Bundes sind ganz erheblich. Das macht die engen Spielräume aus, mit denen wir arbeiten müssen.
    Die zusätzliche Belastung dieses Bundeshaushalts durch die im Gesetz vorgesehene Summe von jährlich 2,45 Milliarden DM ist erheblich. Natürlich stellt sich auch die Frage, ob wir hier in Bonn auf Dauer unsere Aufgaben noch ordnungsgemäß erfüllen können, wenn wir uns derart selbst beschränken.
    Wir dürfen schließlich nicht übersehen, daß sich die Verteilung der Steuereingänge in den letzten Jahren immer mehr zu Lasten des Bundes verschoben hat. Der Bund hatte noch vor wenigen Jahren etwa einen



    Dr. Weng (Gerlingen)

    Anteil von 50 To am gesamten steuerlichen Aufkommen. Inzwischen sind es nur noch zirka 45 %. Man muß sich einmal vor Augen halten, wie sich die Aufgaben verteilen. Es ist ja nicht so, daß die Zahl der Bundesaufgaben geringer geworden wäre; eher ist sie größer geworden. Diese Entwicklung ist deshalb als solche schon bedenklich.
    Noch bedenklicher ist, daß hierzu parallel eine politische Diskussion in der Öffentlichkeit, die das nicht immer in den Details der Struktur durchschaut, läuft, die die Verantwortlichkeiten zudeckt. Wenn z. B. über die Probleme der hoch belasteten Nordsee diskutiert wird — ein Thema, das ja gerade nach dem in den Ursachen immer noch nicht abschließend geklärten Robbensterben die Öffentlichkeit emotional besonders stark bewegt hat — , dann wird aus den Bundesländern der Ruf laut, es müsse etwas geschehen. Vertreter aller politischen Parteien stimmen in diesen Ruf ein. Aber da, wo das aus den Bundesländern kommt, ist es die Methode „Haltet den Dieb"; denn nicht nur die Verantwortung für die notwendigen Maßnahmen des Gewässerschutzes, sondern auch die dazugehörende Finanzausstattung liegen bei den Bundesländern.
    Jetzt und hier bekommen die Länder mit dieser Entscheidung des Bundestages — wenn sie denn so fällt, was ich einmal unterstelle — zusätzliches Geld, das sie unbedingt für Investitionen in umweltverbessernde Maßnahmen ausgeben müssen. Das ist ein dringender Wunsch von uns. Wenn der Redner der GRÜNEN diesen Wunsch auch geäußert und gesagt hat, man sollte das gefälligst als Auflage machen, dann muß ich sagen: Er sollte die Rechtslage studieren; dann wird er feststellen, daß diese Auflage leider nicht möglich ist. Wir hätten gerne solche Abhängigkeiten geschaffen. Aber im Sinne der föderativen Struktur sind solche Auflagen eben nur politisch, d. h. argumentativ möglich. Wir werden ja sehen, ob sich die Ländervertreter, die hier nachher ihr Klagelied anstimmen werden, genau zu diesem Punkt äußern, ob zusätzliche Investitionen im Umweltbereich getätigt werden, was wir ausdrücken wollen und, soweit wir es überhaupt können, hier festzulegen bereit sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Ich wiederhole, was ich in anderem Zusammenhang gesagt habe: Es spricht viel dafür, die Verantwortung für solche Bereiche auf den Bund zu übertragen. Aber das wird dann auch bedeuten müssen, daß die Finanzmittel dazu auf den Bund übertragen werden. Da sind die Bundesländer dann — mit Recht — auch wieder schnell sehr zugeknöpft. Föderalismus ist nicht nur eine bewährte Struktur unserer politischen Landschaft, er hat auch einen Preis. Vieles, was in der Verantwortung von Ländern und Gemeinden liegt, könnte gerade heutzutage mit einer kleineren, einer enger werdenden Struktur besser zentralstaatlich geregelt werden.

    (Dr. Struck [SPD]: Das ist doch Quatsch!)

    Aber es ist ja auch unser erklärter Wille, die Gebietskörperschaften mit echten Kompetenzen auszustatten bzw. ausgestattet zu lassen. Sie müssen diese Kompetenzen dann aber ordnungsgemäß ausfüllen.
    Ein Ministerpräsident eines süddeutschen Bundeslandes, der gleichzeitig stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei ist und dessen Namen ich hier nicht nennen will,

    (Dr. Struck [SPD]: Wer ist das denn?)

    hat kürzlich einmal in einem anderen Zusammenhang gesagt: Ich halte es für sehr problematisch, wenn zehn von elf Ländern im wirtschaftsstärksten Staat Europas quasi erklären, sie seien ohne ernsthafte Strukturhilfe des Zentralstaats gar nicht mehr fähig, ihre Probleme zu lösen. Das eher jämmerliche Gerangel der Bundesländer um den Verteilungsschlüssel der zur Verfügung gestellten Gelder verdeutlicht zusätzlich, wie richtig diese Bemerkung ist.

    (Dr. Struck [SPD]: Wer hat denn das zu verantworten? Das ist doch eine Frechheit!)

    In Bewertung der Gesamtsituation der Struktur öffentlicher Finanzen entsteht spätestens nach Inkrafttreten der Steuerreform im Jahr 1990 und nach ersten Erfahrungen bezüglich der hieraus resultierenden Steuerverteilung die Notwendigkeit, die Finanzstrukturen zwischen Bund und Ländern zu überdenken. Gegebenenfalls — das wird sicher eine schwierige politische Aufgabe sein — muß die gesamte Struktur neu geregelt werden. Meine Fraktion ist der Auffassung, daß hierbei das heute beratene Gesetz mit seinem Inkrafttreten solche Überlegungen in keinem Fall stören darf, d. h. wir dürfen wegen dieses Gesetzes dann nicht zehn Jahre darauf warten, die notwendige Neustrukturierung in Angriff zu nehmen. Das heißt auch: Eine solche Neustrukturierung wird die Beträge mit berücksichtigen müssen, die auf Grund des hier zu beratenden Gesetzes an die Bundesländer fallen.
    Daß es dem Finanzminister mit der Zusage dieses Strukturausgleichs gelungen ist, einen massiven Zugriff der Bundesländer auf die Bundeskasse unter dem Stichwort „Sozialhilfelasten" abzuwenden, bedarf zusätzlicher Erwähnung. Gerade hier, meine Damen und Herren, macht es sich die SPD — von den GRÜNEN will ich in solchem Zusammenhang gar nicht reden — sehr leicht, wenn sie aus der Tatsache heraus argumentiert, daß sie im Bund nur als Opposition Verantwortung trägt.

    (Dr. Struck [SPD]: Blödsinn!)

    — Es ist in der Ausdrucksweise für Sie vielleicht nicht ganz verständlich gewesen, was ich damit ausdrükken wollte, Herr Struck.

    (Dr. Struck [SPD]: Deswegen habe ich auch „Blödsinn" gesagt!)

    Aber denken Sie noch einmal darüber nach. Dann wird Ihnen vielleicht ein besserer Zwischenruf als der einfallen, den Sie hier gerade gemacht haben.

    (Zuruf von der SPD: Ein besserer Text wäre besser!)

    Die Übernahme einer solch wesentlichen Aufgabe zu Lasten des Bundeshaushalts hätte die gesamte Finanzstruktur unseres förderalen Staates erheblich gefährdet.
    Obwohl es in den Ausschüssen sicherlich noch viel Beratungsbedarf gibt, kann ich mir persönlich nicht



    Dr. Weng (Gerlingen)

    vorstellen, daß daß Gesetz im Verfahren noch wesentliche Veränderungen erfährt. Zu unterschiedlich sind die Interessen, aus denen heraus das politische Zerren stattfindet.
    Ich sage abschließend, meine Damen und Herren: Sollten nach Inkrafttreten des Gesetzes Bundesländer wirklich gegen dieses Gesetz klagen, sehen wir von der Seite des Bundes dem Urteil des Verfassungsgerichts mit großer Gelassenheit entgegen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Ihr seid ja auch so dickfellig!)