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ID1110615900

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    Plenarprotokoll 11/106 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 106. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 7277 A Erweiterung der Tagesordnung 7277 B Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Ergebnisse der Reise des Bundeskanzlers und seiner Delegation in die UdSSR Dr. Kohl, Bundeskanzler 7278A Dr. Vogel SPD 7284 B Rühe CDU/CSU 7287 D Schily GRÜNE 7291 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7294 A Heimann SPD 7296 C Frau Geiger CDU/CSU 7299 C Frau Beer GRÜNE 7301 B Genscher, Bundesminister AA 7302 A Erler SPD 7305 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 7307 D Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland (Wohnungsbauänderungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/3160, 11/3264) 7309C b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Aufhebung des Visumzwanges gegenüber Ungarn (Drucksache 11/2203) 7309 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Für eine Politik der offenen Grenzen — für ein Recht auf Zuflucht — Flüchtlings- und Asylkonzeption (Drucksache 11/3249) 7309D Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Weinwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 11/1823, 11/3131) 7310A Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Sechzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 11/2726, 11/3123) 7310B Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 11/3245) 7310B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 86 zu Petitionen (Drucksache 11/3289) 7310 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 87 zu Petitionen (Drucksache 11/3290) 7310 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung der deutschen Pfandbriefanstalt in eine Aktiengesellschaft (Drucksachen 11/2047, 11/2992) Uldall CDU/CSU 7310 C Dr. Wieczorek SPD 7311D Dr. Solms FDP 7313 C Hüser GRÜNE 7314 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7315 A Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung für die Bemühungen um Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Chile und um Gerechtigkeit für ihre Opfer (Drucksache 11/2985) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Aufnahme der in Chile mit der Todesstrafe bedrohten politischen Gefangenen (Drucksache 11/2986) c) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung der Oppositionspresse in Chile (Drucksache 11/2987) Volmer GRÜNE 7316B Schreiber CDU/CSU 7317 D Duve SPD 7319 C Irmer FDP 7321 A Schäfer, Staatsminister AA 7322 B Volmer GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 7323 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Guernica, Baskenland zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksachen 11/362, 11/483, 11/3180) Frau Kelly GRÜNE 7324 A Dr. Pohlmeier CDU/CSU 7325 A Duve SPD 7325 C Irmer FDP 7326 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 11/2302, 11/3189) Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 7327 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 7328 D Dr. Hirsch FDP 7330 D Frau Olms GRÜNE 7332 A Dr. Olderog CDU/CSU 7332 D Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksachen 11/2065, 11/3279) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wittmann, Marschewski, Dr. Hüsch, Eylmann, Dr. Langner, Seesing, Geis, Hörster und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Kleinert (Hannover), Funke, Irmer und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksachen 11/2991, 11/3279) Dr. Pick SPD 7334 B Helmrich CDU/CSU 7334 D Hüser GRÜNE 7335 A Kleinert (Hannover) FDP 7335 C Engelhard, Bundesminister BMJ 7335 D Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Duve, Dr. Apel, Dr. Penner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhaltung des halben Mehrwertsteuersatzes für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (Drucksachen 11/920, 11/1978) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 III b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu einer Mitteilung der Kommission an den Rat über Maßnahmen im Bereich des Buches (Drucksachen 11/706, 11/2505) Weisskirchen (Wiesloch) SPD 7337 A Frau Pack CDU/CSU 7338 A Hüser GRÜNE 7338 D Neuhausen FDP 7339 B Schulhoff CDU/CSU 7340 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7341A, 7341D Duve SPD 7341 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags des Abgeordneten Wüppesahl (fraktionslos): Sitzplatz des Abgeordneten Wüppesahl im Plenarsaal (Drucksache 11/3198) Bohl CDU/CSU (zur GO) 7342 B Wüppesahl fraktionslos 7342 B Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/2118) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/3295) Verheugen SPD 7344 A Graf Huyn CDU/CSU 7345 B Frau Schilling GRÜNE 7346 B Irmer FDP 7347 B Dr. Scheer SPD 7348 D Schäfer, Staatsminister AA 7349 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Truppen (Drucksache 11/2437) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Das Genfer Abkommen zwischen Afghanistan und Pakistan vom 14. April 1988 und humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan (Drucksache 11/3272) Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 7351 C Dr. Holtz SPD 7352 A Frau Folz-Steinacker FDP 7353 B Frau Olms GRÜNE 7354 C Höffkes CDU/CSU 7355 B Schäfer, Staatsminister AA 7356 B Zusatztagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/2742, 11/3293, 11/3297) Regenspurger CDU/CSU 7358 A Lutz SPD 7359 B Dr. Hirsch FDP 7360 B Nächste Sitzung 7361 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 7362* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 7277 106. Sitzung Bonn, den 10. November 1988 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 11. 11. Amling 11. 11. Antretter 10. 11. Frau Beer 11. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Börnsen (Ritterbude) 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Bühler (Bruchsal)* 10. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Frau Eid 11. 11. Dr. von Geldern 10. 11. Dr. Glotz 11. 11. Grüner 10. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hensel 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Irmer 10. 11. Dr. Klejdzinski* 10. 11. Dr. Knabe 10. 11. Kolb 10. 11. Leonhart 11. 11. Frau Luuk* 10. 11. Dr. Müller** 11. 11. Müller (Düsseldorf) 10. 11. Frau Nickels 11. 11. Niegel* 10. 11. Paintner 11. 11. Reddemann** 10. 11. Reuschenbach 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Saibold 10. 11. Dr. Schäuble 10. 11. Scherrer 10. 11. Dr. Schmude 11. 11. Dr. Schneider (Nürnberg) 10. 11. Frau Trenz 11. 11. Voigt (Frankfurt) 11. 11. Frau Wieczorek-Zeul 11. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Günter Verheugen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bezeichnung „Humanitäres Kriegsvölkerrecht" in der Tagesordnung verschleiert den Punkt, um den es geht. Es geht um den Schutz der Zivilbevölkerung im Falle bewaffneter Konflikte. Wenn wir Gott sei Dank von der Möglichkeit bewaffneter Konflikte in unserem Teil der Welt zur Zeit weit entfernt sind, so ist das in anderen Teilen der Welt leider anders. Und das Völkerrecht ist auch etwas, was nicht auf die allernächste Zeit begrenzt ist, sondern für lange Zeit Gültigkeit haben soll.
    Das Thema hat eine lange, lange Geschichte. Ich möchte sie eine Leidensgeschichte nennen. Ich denke, die hier versammelten wenigen Sachverständigen, die es zu diesem Thema im Deutschen Bundestag gibt, werden mir zustimmen. Ich will diese ganze Leidensgeschichte hier nicht noch einmal aufrollen, sondern nur festhalten: 1977 sind die Zusatzprotokolle zu den Genfer Rotkreuzabkommen von der damaligen Bundesregierung unterzeichnet worden; jetzt, elf Jahre später, sind sie nicht ratifiziert.
    In der vergangenen Legislaturperiode haben wir dieses Thema bis in die feinsten völkerrechtlichen Verästelungen diskutiert. Wir haben in der vergangenen Legislaturperiode im Plenum und in den Ausschüssen die Frage der Auswirkungen dieser Protokolle auf die Bündnisstrategie und auf die Doktrin der Abschreckung sehr intensiv diskutiert. Ich erinnere mich daran, daß die Bundesregierung innerhalb sehr kurzer Zeit vier verschiedene Positionen eingenommen hatte. Zuerst hat sie von einem Nuklearvorbehalt, den sie machen müsse, gesprochen, dann von einer Nuklearerklärung, die sie abgeben wolle, und dann von einer Interpretation, die sie zu den neuen Bestimmungen des Vertrages abgeben wolle. Der seinerzeit letzte Stand war, daß die Bundesregierung erklärt hat, sie wolle erst ratifizieren, wenn eine Nuklearmacht ratifiziert hat.
    Ich mache einen Vorschlag für die Behandlung des Themas in dieser Legislaturperiode. Ich denke, es hat sich gezeigt, daß es wenig Sinn hat, die rechtlichen und moralischen Probleme der Abschreckungsdoktrin und der Bündnisstrategie im Zusammenhang mit den Zusatzprotokollen zu den Genfer Rotkreuzabkommen lösen zu wollen. Vielleicht ist das auch der Grund gewesen, warum wir in der letzten Legislaturperiode nicht weitergekommen sind. Ich schlage vor, daß wir diesen Aspekt, über den wir ja in vielen, vielen anderen Zusammenhängen immer wieder diskutieren und der heute ja auch anders aussieht als vor vier Jahren, einmal ausklammern, nicht weil ich mich drücken möchte — da brauchen Sie keine Angst zu haben —, aber um in der Sache weiterzukommen, und daß wir uns auf das konzentrieren, was eigentlich Thema und Inhalt dieser Zusatzprotokolle ist.
    Ich frage — das ist eine Frage an die Kollegen von den Regierungsfraktionen und an die Bundesregierung —, ob denn inzwischen wenigstens Einigkeit über ein paar grundsätzliche Feststellungen im Zusammenhang mit diesen Protokollen besteht, über die in der letzten Legislaturperiode keine Einigkeit bestand. Ich frage also, ob jetzt Einigkeit darüber besteht, daß es sich hier um völkerrechtliche Verträge handelt, die nicht einzelne Waffenarten verbieten, sondern sich ausschließlich mit Waffenwirkungen beschäftigen, und zwar unabhängig davon, von welchen Waffensystemen diese Wirkungen ausgehen. Das heißt, es müßte auch dann Einigkeit darüber bestehen, daß diese Protokolle ihren Geltungsbereich eindeutig auch für Nuklearwaffen haben.
    Die nächste Frage ist, ob hier Gemeinsamkeit darüber besteht, daß in diesen Protokollen zum Teil bisher bereits bestehendes Völkergewohnheitsrecht erstmalig kodifiziert worden ist, z. B. die Frage des Übermaßverbots und des Verbots unterschiedsloser Angriffe, und ob Einigkeit darüber besteht, daß nur in einem ganz geringen Teil der Protokolle, wenn auch in einem wichtigen, neues Völkerrecht geschaffen worden ist, nämlich beim absoluten Repressalienverbot, beim absoluten Verbot einer Umweltkriegführung und — jetzt kommt ein dritter Punkt, der in der Völkerrechtslehre umstritten ist — bei der Präzisierung des Gebots der Verhältnismäßigkeit der Mittel. Das sind die drei Dinge, die von denjenigen, die an der Aushandlung der Protokolle beteiligt waren und die mit uns in der letzten Legislaturperiode darüber diskutiert haben, als neu bezeichnet worden sind.
    Darüber hinaus möchte ich aber ausdrücklich dem Präsidenten des Deutschen Roten Kreuzes zustimmen, der uns gerade heute noch in einem Brief hat wissen lassen, was für eine wesentliche Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung, der Umwelt und der Zivilschutzorganisationen — das sollten wir nicht vergessen — diese Protokolle doch mit sich bringen. Der Präsident des Deutschen Roten Kreuzes hat uns im Namen seiner Organisation eindringlich gebeten, die Ratifizierung nicht länger zurückzustellen. Ich glaube, daß die Argumente unseres früheren Kollegen Prinz Wittgenstein es wirklich wert sind, hier ernstlich betrachtet zu werden.
    Ich bin dankbar, daß trotz der späten Stunde Herr Staatsminister Schäfer es noch ermöglichen konnte herzukommen, weil es hier noch ein paar Fragen gibt, die wir als Oppositionspartei uns selbst nicht beantworten können

    (Carstensen [Nordstrand] [CDU/CSU]: Das glaube ich!)

    — auch Sie nicht — , nämlich Fragen, wieweit eigentlich die Bündniskonsultationen, von denen immer die Rede war, inzwischen gediehen sind, und insbesondere die Frage, Herr Staatsminister, wie sich denn die amerikanische Position in der letzten Zeit möglicherweise verändert hat.
    Uns sind natürlich aus der Literatur und aus den Zeitungen zwei Gesichtspunkte bekannt, die für uns neu sind und auch ein wenig alarmierend — das muß ich schon sagen — , daß nämlich aus amerikanischer Sicht jetzt ein ganz neuer, grundsätzlicher Vorbehalt gegen die Ratifizierung der Zusatzprotokolle im Hinblick auf den von amerikanischer Seite vermuteten Kombattantenstatus von Terroristen gemacht wird, der durch diese Protokolle angeblich geschaffen wird.
    Der zweite Punkt ist für mich aber noch maßgeblicher: Aus einer mir vorliegenden Rede von Außenminister Shultz aus dem Jahre 1986 ergibt sich ganz eindeutig, daß die amerikanische Regierung für sich einen Interventionsanspruch jenseits des Völkerrechts



    Verheugen
    begründet hat. Es ist eine einseitige Erklärung, daß sie jenseits des Völkerrechts Interventionen für sich in Anspruch nimmt. Das wäre ein ganz genereller und prinzipieller Vorbehalt gegenüber diesen Zusatzprotokollen, und es würde bedeuten, daß die amerikanische Regierung, zumindest die jetzige Administration, überhaupt nicht bereit ist, zu ratifizieren. Wenn dann die Bundesregierung bei ihrer Meinung bleibt, daß eine Nuklearmacht vorangehen muß, werden wir, fürchte ich, noch sehr, sehr lange warten müssen.
    Meine Damen und Herren, ich möchte Sie wirklich sehr herzlich bitten, auf das einzugehen, was ich Ihnen vorgeschlagen habe, die Debatte diesmal anders zu führen. Wenn das nicht möglich sein sollte, werden natürlich all die Fragen wieder auftauchen, die wir auch beim letztenmal schon hatten und die uns nicht weitergebracht haben.
    Die Genfer Zusatzprotokolle zu den Rotkreuz-Protokollen von 1949 sind ein wesentlicher Fortschritt im humanitären Kriegsvölkerrecht, und wir sollten dieses Kriegsvölkerrecht nicht unterschätzen. Wir sollten nicht denken, daß solche Bestimmungen keinen Wert hätten und sie im Ernstfall doch nicht beachtet würden.
    Die Geschichte des Kriegsvölkerrechts seit der Haager Landkriegsordnung zeigt etwas anderes. Es gibt wesentliche Bestimmungen dieses Völkerrechts, die in allen Konflikten beachtet worden sind, und es wäre in den letzten Jahren vielen Menschen — z. B. im Golfkrieg — schreckliches Leid erspart geblieben, wenn diese Protokolle von allen Staaten der Erde bereits ratifiziert wären.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Abgeordnete Graf Huyn.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Graf Hans Huyn


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich teile die Meinung, Herr Kollege Verheugen, daß es uns allen darum gehen muß, hier zu einer Verbesserung des Schutzes der Umwelt, der Bevölkerung und natürlich auch der Zivilschutzorganisationen zu kommen. Darum hat unsere Fraktion der CDU/CSU die Zusatzprotokolle seit ihrer Fertigstellung im Jahre 1977 unterstützt. Im Kern — und auch da stimme ich Ihnen zu — sind diese Zusatzprotokolle im humanitären Kriegsvölkerrecht ein Fortschritt, den wir, glaube ich, alle erreichen wollten.
    Unsere grundsätzliche Unterstützung gilt auch angesichts der Tatsache, daß die Zusatzprotokolle noch mit Mehrdeutigkeiten behaftet sind, die vor einer Ratifizierung ausgeräumt werden müssen.
    Für die CDU/CSU-Fraktion geht es darum, den Krieg als Mittel der Konfliktaustragung ein für alle mal unmöglich zu machen. Das ist, wie ich meine, ein zutiefst humitäres Anliegen im Geiste des Kriegsvölkerrechts und auch im Sinne der Genfer Protokolle. Angesichts dieser Aufgabe ist die Frage, welche Waffen in einem Krieg angewendet werden dürfen und welche nicht, zweitrangig. Wer den Hauptzweck der Kriegsverhinderung aus den Augen verliert, macht
    den Krieg wieder führbar. Die Opposition gibt sich hier der Illussion hin, ein verbessertes humanitäres Kriegsvölkerrecht könnte einen Krieg humaner und damit erträglicher machen.

    (Verheugen [SPD]: Das ist Unfug!)

    Aber darum geht es nicht. Es geht darum, den Krieg als Mittel der Politik grundsätzlich zu eliminieren, und dies wird natürlich nicht durch Gesetze erreicht, wie wir alle wissen, sondern durch Verteidigungsanstrengungen und durch Waffensysteme, die sich als Instrumente der Friedenserhaltung bewährt haben.

    (Frau Schilling [GRÜNE]: Ohne Waffensysteme geht es noch besser!)

    — Und durch Waffensysteme; leider ist es so, Frau Kollegin.
    In unserer gegenwärtigen Situation sind das die Nuklearwaffen. Konventionelle Mittel alleine reichen unter den gegebenen Umständen für eine Friedenssicherung leider — ich sage: leider — nicht aus. Erst die Verkoppelung von konventionellen und nuklearen Mitteln stellt sicher, daß jegliche Aggression als erfolglos und damit als sinnlos angesehen werden muß. Diese Verkoppelung schützt vor allem die nichtnuklearen Staaten, vor allem also auch die Menschen in der Bundesrepublik Deutschland. Es wäre paradox, wollten wir uns auf dem Umweg über nukleare Kriegsvölkerrechtsparagraphen ausgerechnet dieses Schutzes selbst berauben.
    Die entscheidende Trennungslinie liegt nicht zwischen konventionellem und nuklearem Krieg — angesichts der Tatsache, daß die konventionellen Waffen ja immer schlimmer und tödlicher werden — , sondern zwischen Krieg und Nichtkrieg, zwischen Krieg und Frieden.
    Lassen Sie mich hier unseren verstorbenen Kollegen Alois Mertes zitieren, der auf diese entscheidende Dimension in einer wirklich denkwürdigen Rede in diesem Hause am 14. Oktober 1983 hingewiesen hat. Er sagte damals:
    Der Verfassungsauftrag der Bundesregierung geht dahin, Schaden vom deutschen Volke zu wenden und das Bundesgebiet vor jedem Angriff und vor jeder Erpressung zu schützen. Der verantwortliche Politiker muß sich fragen, wie er in der konkreten Situation, in der wir stehen, diesem Auftrag genügen will. Das Risiko für jeden potentiellen Angreifer muß so hoch sein, daß für ihn keinerlei Aussicht besteht, irgendeinen Vorteil aus einer Aggression zu ziehen, nach deren Beginn dann das humanitäre Kriegsvölkerrecht zu gelten hätte. Diese Abschreckung bleibt für die voraussehbare Zukunft auf Atomwaffen angewiesen. Wir können es bedauern, und ich tue es, aber es ist so .... Diese Strategie der Abschrekkung ist — ethisch gesprochen — das Ergebnis einer Güter- und Risikoabwägung oder, besser gesagt, einer Abwägung zwischen dem geringeren und dem größeren Übel.
    Die Ethik gebietet in einer solchen Lage die Wahl des geringeren Übels.
    Soweit Alois Mertes.



    Graf Huyn
    Sogar das Rote Kreuz, das sich seit Jahren für eine Ratifizierung des Zusatzabkommens einsetzt, erkennt dieses besondere Dilemma an. Der Brief des Präsidenten des Roten Kreuzes, unseres früheren Kollegen Botho Prinz zu Sayn-Wittgenstein, den wohl manche von uns erhalten haben, spricht im Zusammenhang mit der abwartenden Haltung der Bundesregierung von einem legitimen Anliegen. Er kommt zu einem anderen Schluß. Aber auch hier muß ich wieder mit dem erwidern, was Alois Mertes bereits 1983 gesagt hat — ich zitiere — :
    Auch die humanitären Ideale des Roten Kreuzes stoßen an die Grenzen, die von den Notwendigkeiten der politischen und militärischen Sicherung des Friedens gesetzt werden.
    Ich wiederhole: Die CDU/CSU-Fraktion unterstützt vorbehaltlos das beabsichtigte Vorgehen der Bundesregierung. Es besteht für uns keinerlei Anlaß, Maßnahmen zu beschließen, die die Haltung unserer wichtigsten Verbündeten präjudizieren müssen. Wir sind keine Nuklearmacht, aber Sicherheit und Frieden in unserem Lande sind abhängig von den Entscheidungen der drei westlichen Nuklearmächte. In den zentralen Fragen unserer Sicherheit kann es nur eine gemeinsam abgestimmte Haltung geben.
    Lassen Sie mich zusammenfassend noch einmal in drei Punkten das sagen, was ich bereits am 3. Oktober 1986 in diesem Hause zu diesem Thema gesagt habe. Erstens. Auch beim Einsatz von Nuklearwaffen sind unterschiedslose Angriffe auf die Zivilbevölkerung bereits heute untersagt. Ein dringender Handlungs-
    und Ratifizierungsbedarf ist insoweit also nicht gegeben.

    (Vorsitz : Vizepräsident Westphal)

    Zweitens. Nach der rein defensiven Strategie, die unser Bündnis vertritt, bisher praktiziert hat und in Zukunft praktizieren wird, werden Waffen nur als Antwort auf einen Angriff eingesetzt.
    Drittens. Es bleibt Pflicht der Völkergemeinschaft, das Kriegsvölkerrecht auch hinsichtlich der Nuklearwaffen zum größtmöglichen Schutz der Zivilbevölkerung weiterzuentwickeln.