Rede von
Ellen
Olms
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe gerade die Kollegin Sonntag um ihre Redezeit beneidet.
— Nein, um die Gelegenheit, unsere Asylkonzeption vorzulegen!
Aber ich muß mich heute leider auf diesen Gesetzentwurf beschränken. Ich denke jedoch, wir haben, wenn die Entwürfe von uns behandelt werden, noch genügend Zeit, darüber zu diskutieren.
Der Gesetzentwurf zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften wird die Situation der Asylbewerber bei uns weder verbessern noch wesentlich verschlechtern, denn es geht bei den Gesetzesänderungen in dem einen Fall um die Fortschreibung des § 11 des Asylverfahrensgesetzes als Dauerrecht. Begründet wurde diese Festschreibung des § 11 von Herrn Dr. Waffenschmidt in der ersten Beratung in diesem Hause mit einer Abwehr des angeblichen Mißbrauchs des Asylrechts, nämlich damit, daß die Asylregelung — ich zitiere weiter Herrn Waffenschmidt — leider zum Einfallstor für eine verkappte Einwanderung geworden sei. Er verweist in diesem Zusammenhang immer gern darauf, daß nur 10 % der Asylbegehrenden als Flüchtlinge anerkannt werden und daß sich die restlichen 90 % angeblich illegal in der Bundesrepublik aufhalten. Dabei wissen Sie ganz genau, daß diese Zahlen ein purer Schwindel sind. Denn unter diesen 90 % von den Behörden nicht anerkannten Flüchtlingen befinden sich Hunderttausende — das muß man noch einmal betonen: Hunderttausende — , die aus humanitären oder politischen Gründen gemäß der Genfer Flüchtlingskonvention bei uns geduldet werden müssen.
§ 11 des Asylverfahrensgesetzes, den Sie hier fortschreiben wollen, widerspricht meiner Auffassung nach sowohl der Genfer Konvention als der auch zum Teil gängigen Praxis, Flüchtlinge aus bestimmten Gründen bei uns zu dulden, denn in § 11 heißt es:
Ein Asylantrag ist insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn ... offensichtlich ist, daß sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen, im Geltungsbereich dieses Gesetzes aufhält.
Nach Geist und Buchstaben dieser Paragraphen müßten Sie also die bei uns geduldeten Kurden, Eritreer, Tamilen usw. ausweisen und abschieben, was die Behörden zum Teil heute schon tun. Daß Sie diesen Paragraphen festschreiben wollen, zeigt erneut, daß es der Bundesregierung um nichts anderes geht, als die Flüchtlinge schnell wieder loszuwerden. Genau das ist Bestandteil Ihrer von uns immer wieder kritisierten Politik, gegenüber außereuropäischen Flüchtlingen Abschottungs- und Abschreckungsdämme zu errichten.
In den Bereich dieser Flüchtlingsabschreckungspolitik fällt Ihre zweite vorgeschlagene Gesetzesänderung. Sie enthält faktisch eine Ermächtigung der Bundesländer, sogenannte aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei einer zentralen Behörde zu konzentrieren. Im Klartext, Sie wollen die Einrichtung von zentralen Abschiebestellen rechtlich legitimieren, um die Flüchtlinge konzentriert mit deutscher Gründlichkeit schneller in ihre Heimatländer abtransportieren zu können.
Meine Damen und Herren, Sie werden von den GRÜNEN alles erwarten können, aber nicht die Zustimmung zu dieser flüchtlingsfeindlichen Politik. Die jüngsten Äußerungen der Herren Späth und Zimmermann, das rassistische Stammtischvokabular des Herrn Stoiber, das er nach seinen eigenen Worten nun nicht mehr verwenden will — er hat sich von seiner skandalösen Äußerung inhaltlich nicht distanziert —, all das, was in den letzten Wochen so über den Fernschreiber tickte, läßt erwarten, daß diese Bundesregierung mit der Aushöhlung des Asylrechts noch längst nicht das Ende der Fahnenstange erreicht hat. Wir werden zusammen mit allen demokratischen Kräften, Verbänden und Kirchen eine Barrikade gegen diese nationalistische Flüchtlings- und Emigrantenpolitik aufbauen,
übrigens auch gegen die euronationalistische Variante.