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ID1110611100

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    Plenarprotokoll 11/106 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 106. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 7277 A Erweiterung der Tagesordnung 7277 B Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Ergebnisse der Reise des Bundeskanzlers und seiner Delegation in die UdSSR Dr. Kohl, Bundeskanzler 7278A Dr. Vogel SPD 7284 B Rühe CDU/CSU 7287 D Schily GRÜNE 7291 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7294 A Heimann SPD 7296 C Frau Geiger CDU/CSU 7299 C Frau Beer GRÜNE 7301 B Genscher, Bundesminister AA 7302 A Erler SPD 7305 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 7307 D Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland (Wohnungsbauänderungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/3160, 11/3264) 7309C b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Aufhebung des Visumzwanges gegenüber Ungarn (Drucksache 11/2203) 7309 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Für eine Politik der offenen Grenzen — für ein Recht auf Zuflucht — Flüchtlings- und Asylkonzeption (Drucksache 11/3249) 7309D Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Weinwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 11/1823, 11/3131) 7310A Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Sechzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 11/2726, 11/3123) 7310B Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 11/3245) 7310B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 86 zu Petitionen (Drucksache 11/3289) 7310 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 87 zu Petitionen (Drucksache 11/3290) 7310 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung der deutschen Pfandbriefanstalt in eine Aktiengesellschaft (Drucksachen 11/2047, 11/2992) Uldall CDU/CSU 7310 C Dr. Wieczorek SPD 7311D Dr. Solms FDP 7313 C Hüser GRÜNE 7314 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7315 A Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung für die Bemühungen um Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Chile und um Gerechtigkeit für ihre Opfer (Drucksache 11/2985) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Aufnahme der in Chile mit der Todesstrafe bedrohten politischen Gefangenen (Drucksache 11/2986) c) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung der Oppositionspresse in Chile (Drucksache 11/2987) Volmer GRÜNE 7316B Schreiber CDU/CSU 7317 D Duve SPD 7319 C Irmer FDP 7321 A Schäfer, Staatsminister AA 7322 B Volmer GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 7323 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Guernica, Baskenland zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksachen 11/362, 11/483, 11/3180) Frau Kelly GRÜNE 7324 A Dr. Pohlmeier CDU/CSU 7325 A Duve SPD 7325 C Irmer FDP 7326 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 11/2302, 11/3189) Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 7327 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 7328 D Dr. Hirsch FDP 7330 D Frau Olms GRÜNE 7332 A Dr. Olderog CDU/CSU 7332 D Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksachen 11/2065, 11/3279) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wittmann, Marschewski, Dr. Hüsch, Eylmann, Dr. Langner, Seesing, Geis, Hörster und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Kleinert (Hannover), Funke, Irmer und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksachen 11/2991, 11/3279) Dr. Pick SPD 7334 B Helmrich CDU/CSU 7334 D Hüser GRÜNE 7335 A Kleinert (Hannover) FDP 7335 C Engelhard, Bundesminister BMJ 7335 D Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Duve, Dr. Apel, Dr. Penner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhaltung des halben Mehrwertsteuersatzes für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (Drucksachen 11/920, 11/1978) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 III b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu einer Mitteilung der Kommission an den Rat über Maßnahmen im Bereich des Buches (Drucksachen 11/706, 11/2505) Weisskirchen (Wiesloch) SPD 7337 A Frau Pack CDU/CSU 7338 A Hüser GRÜNE 7338 D Neuhausen FDP 7339 B Schulhoff CDU/CSU 7340 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7341A, 7341D Duve SPD 7341 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags des Abgeordneten Wüppesahl (fraktionslos): Sitzplatz des Abgeordneten Wüppesahl im Plenarsaal (Drucksache 11/3198) Bohl CDU/CSU (zur GO) 7342 B Wüppesahl fraktionslos 7342 B Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/2118) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/3295) Verheugen SPD 7344 A Graf Huyn CDU/CSU 7345 B Frau Schilling GRÜNE 7346 B Irmer FDP 7347 B Dr. Scheer SPD 7348 D Schäfer, Staatsminister AA 7349 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Truppen (Drucksache 11/2437) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Das Genfer Abkommen zwischen Afghanistan und Pakistan vom 14. April 1988 und humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan (Drucksache 11/3272) Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 7351 C Dr. Holtz SPD 7352 A Frau Folz-Steinacker FDP 7353 B Frau Olms GRÜNE 7354 C Höffkes CDU/CSU 7355 B Schäfer, Staatsminister AA 7356 B Zusatztagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/2742, 11/3293, 11/3297) Regenspurger CDU/CSU 7358 A Lutz SPD 7359 B Dr. Hirsch FDP 7360 B Nächste Sitzung 7361 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 7362* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 7277 106. Sitzung Bonn, den 10. November 1988 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 11. 11. Amling 11. 11. Antretter 10. 11. Frau Beer 11. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Börnsen (Ritterbude) 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Bühler (Bruchsal)* 10. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Frau Eid 11. 11. Dr. von Geldern 10. 11. Dr. Glotz 11. 11. Grüner 10. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hensel 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Irmer 10. 11. Dr. Klejdzinski* 10. 11. Dr. Knabe 10. 11. Kolb 10. 11. Leonhart 11. 11. Frau Luuk* 10. 11. Dr. Müller** 11. 11. Müller (Düsseldorf) 10. 11. Frau Nickels 11. 11. Niegel* 10. 11. Paintner 11. 11. Reddemann** 10. 11. Reuschenbach 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Saibold 10. 11. Dr. Schäuble 10. 11. Scherrer 10. 11. Dr. Schmude 11. 11. Dr. Schneider (Nürnberg) 10. 11. Frau Trenz 11. 11. Voigt (Frankfurt) 11. 11. Frau Wieczorek-Zeul 11. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Liebe Kollegin, ich komme auf die europäische Problematik noch zu sprechen.
    Für die Atmosphäre in dieser Republik ist die Diskussion, die ich soeben beschrieb, fatal genug, und zwar auch deshalb, Herr Gerster, weil die Scheingefechte um das Asylrecht von einer längst überfälligen Aufgabe ablenken, der wir uns zu widmen haben, nämlich konkrete und wirkungsvolle Schritte zu unternehmen, um etwa die Asylverfahren abzukürzen. Das brauchen wir, und zwar im Interesse aller Betroffenen, sowohl der Bundesbürger als auch der Bewerber.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Machen Sie mal einen Vorschlag! Wie wollen Sie das denn machen?)

    — Ich sage es gleich. — Der Innenminister wartet in schöner Regelmäßigkeit mit neuen Statistiken über Asylsuchende auf, auch der Herr Staatssekretär Spranger — mit einem Unterton, den ich herauslese — , als stünden wir vor einer akuten Gefahr. Sie sollten lieber Kraft und Mühe auf die Entwicklung eines tragfähigen Konzepts zur Behandlung von Asylbewerbern und Flüchtlingen verwenden als auf diese Sprüche.

    (Beifall bei der SPD)

    Was uns die Regierung unter dem hochtrabenden Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften" präsentiert, verdient diesen Namen kaum. Wir begrüßen zwar, daß der vorgesehene Ausschluß der Beschwerde im Prozeßkostenhilfe-Verfahren entfällt, aber insgesamt fehlt auch nur der Ansatz für ein Asyl- und Flüchtlingskonzept. Deshalb lehnt die SPD-Fraktion dieses kärgliche Zwei-Punkte-Programm aus grundsätzlichen Erwägungen ab.

    (Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Das ist ja eine tolle Begründung! Sind die zwei Dinge, die wir machen, richtig oder falsch?)

    7330 Deutscher Bundestag — 1 i. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988
    Frau Dr. Sonntag-Wolgast
    Zu unseren eigenen Vorschlägen. In vielen Teilen der Welt herrschen Bürgerkrieg, Terror und Folter. Solange das so ist, werden politisch Verfolgte bei uns Zuflucht suchen. In vielen Teilen der Welt, Herr Gerster, herrschen aber auch Hunger und Not, reicht es nicht zur Erfüllung elementarer Lebensbedürfnisse. Solange das so ist, wird es auch sogenannte Wirtschaftsflüchtlinge geben. Wir wissen, daß sie die Mehrheit unter den Bewerbern stellen, und wir kennen die hohen Ablehnungsquoten. Aber mit dem bloßen Abschieben dieser Menschen ist das eigentliche Problem eben nicht bewältigt. Der bessere Weg zur Eindämmung der Flüchtlingsströme ist eben eine andere Politik der Industrienationen gegenüber der Dritten Welt. Solange aber die Bundesrepublik und andere vergleichsweise reiche Länder es nicht schaffen, aktiv für die Lösung der Schuldenkrise und für eine gerechtere Weltwirtschaftsordnung einzutreten, dürfen wir uns nicht aus unserer humanitären Verpflichtung gegenüber den Flüchtlingen selbst entlassen. Wir können — das wissen wir — längst nicht alle dauerhaft aufnehmen. Aber gerade deshalb ist für uns Sozialdemokraten eine europäische Flüchtlingskonzeption unverzichtbar,

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    nicht nur, aber auch wegen der bevorstehenden Öffnung des Binnenmarkts. Ich komme jetzt zu diesem Punkt.
    Die Länder Europas müssen eben eine gemeinsame, eine menschliche und eine rechtsstaatliche Asylpolitik entwickeln. Unser Ziel muß es sein, was wir in anderen Bereichen auch wollen — im Arbeitsrecht, im Umwelt- oder Verbraucherschutz —, nämlich die Einigung nicht etwa auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner, sondern auf denkbar hohem Standard. Wer glaubt, sich mit dem Hinweis auf die sogenannte Harmonisierung auf dem europäischen Binnenmarkt aus einer angeblich lästig gewordenen Verpflichtung hinausschummeln zu können, der ist nicht nur leichtfertig, sondern der hat nichts, aber auch gar nichts von der besonderen, geschichtlich bedingten Verantwortung begriffen, die wir als Deutsche tragen.
    Während der NS-Diktatur mußten Ungezählte ins Ausland flüchten und haben nur so überlebt. Deswegen sage ich — auch wenn Sie es nicht gerne hören mögen, Herr Spranger — : Für uns Sozialdemokraten ist das Recht auf Asyl nach Art. 16 des Grundgesetzes unverzichtbar und unumstößlich.

    (Beifall bei der SPD und des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    Wir schlagen die Errichtung eines europäischen Flüchtlingsamtes vor, daß die Politik gegenüber Flüchtlingen in den Ländern der Gemeinschaft aufeinander abstimmt und die gleichmäßige Belastung der Staaten festlegt. Asylverfahren — darüber sind wir uns einig — dauern immer noch zu lange. Straffung ist nötig. Aber wir dulden auch keine HauruckVerfahren unter Aussparung rechtlicher Instanzen. Ich weiß, daß die quälende Wartezeit den Seelenzustand und auch das Verhalten derer, die auf Anerkennung hoffen, strapaziert, und wir meinen, daß vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer
    Flüchtlinge in der Regel binnen drei Monaten entschieden werden müßte. Dazu sind aber weitere Personalaufstockungen und organisatorische Maßnahmen nötig.
    Dringend ist es auch, den Status sogenannter Defacto-Flüchtlinge zu verbessern; das sind Menschen, die keinen Asylantrag gestellt haben oder deren Antrag abgewiesen worden ist, die aber dennoch aus humanitären oder politischen Gründen nicht abgeschoben werden, immerhin 290 000 zur Zeit. Bislang fehlt ein gesetzlich geregeltes Verfahren, in dem die Eigenschaft der Flüchtlinge im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, die Herr Hirsch eben erwähnte, festgestellt werden kann. Wir schlagen deswegen vor, dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge diese Aufgabe zu übertragen.
    Ein weiterer wichtiger Punkt: Das gegenwärtige lange Arbeitsverbot für Asylbewerber belastet die Sozialhilfe, es schürt bei der deutschen Bevölkerung Abneigung und Vorurteile und verletzt die Menschenwürde der Betroffenen. Deswegen sollte die Wartefrist für die Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht mehr als sechs Monate betragen. Die Wartefrist soll künftig entfallen, wenn feststeht, daß die Bewerber nicht ausgewiesen oder abgeschoben werden.
    Ich komme zum Schluß, meine Damen und Herren. Ein Gesichtspunkt: Ein Konzept, sage ich noch einmal, für unseren Umgang mit Asylsuchenden und Flüchtlingen ist dringlich, und ich weiß, daß viele diese Aufgabe als unbequem empfinden. Aber fassen wir sie doch endlich einmal als etwas Positives, nämlich als soziale und kulturelle Herausforderung auf, die unserer Gesellschaft nützen kann und wird! Bischof Martin Kruse, der Ratsvorsitzende der EKG, fand in diesen Tagen die folgende Formel, und er bezog sie sowohl auf die Gruppe der Ausländer als auch die der Asylbewerber. Er sagte:
    Ich denke, daß lange Jahre zu stark der Eindruck geprägt worden ist, wir seien völlig überfüllt und ein Boot, in das niemand mehr hineingelassen werden dürfte. Ich glaube, wir können uns noch einiges zumuten in unserem Land.
    Meine Damen und Herren, diesem Zitat ist nichts hinzuzufügen. Handeln wir danach!

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Hirsch.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Burkhard Hirsch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe nur sechs Minuten Redezeit, ich muß es also etwas härter machen, als ich es sonst getan hätte. Herr Staatssekretär, was reden Sie eigentlich daher von einer Änderung unserer Verfassung, des Art. 16, während Sie sich doch als Vertreter des Innenministeriums darauf einrichten müßten, mit unserer Verfassung zurechtzukommen?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Duve [SPD]: Verfassungsfremdling!)

    Was reden wir von der Europäischen Flüchtlingskonvention? Europa ist doch nicht dazu da, die Genfer Flüchtlingskonvention, die wir unterzeichnet haben, an der wir festhalten werden, einzuschränken. Sie



    Dr. Hirsch
    wissen, daß das Europaparlament mit einer Dreifünftelmehrheit eine klare Entschließung zur Wahrung der Flüchtlingsrechte in Europa abgegeben hat, sehr weitgehend in der Tat, sehr bemerkenswert, sehr humanitär. Unsere Aufgabe ist doch nicht, ein Europa zu schaffen, das die Rechte der Bürger, das die Freiheiten, das die Grundsätze einer liberalen und humanitären Politik verringert. Das ist doch nicht das Ziel einer europäischen Politik! Ich kann Sie überhaupt nicht begreifen.
    In Düsseldorf, in der Stadt, aus der ich komme, sind heute die Kinder zur Erinnerung an den Sankt Martin durch die Straßen gezogen, diesen römischen Soldaten, der als Martin von Tours im 4. Jahrhundert Bischof geworden ist und der, der Legende nach, den Mantel mit einem Bettler geteilt hat, der sich vor ihn in den Schnee geworfen hat, ohne zu fragen, ob der verschuldet oder unverschuldet in Not geraten ist, ohne zu fragen, ob er anerkannt ist, einfach weil der Mensch in Not war, und er wollte ihm helfen. Ich weiß genauso wie Sie, daß das keine Maxime für eine Asyl- und Flüchtlingspolitk heute sein kann, aber Sie müssen sich doch klar darüber sein, daß Sie sich heute in Ihrer Rede von dem Geist dieses Sankt Martin sehr weit entfernt haben.

    (Beifall bei der SPD — Gerster [Mainz] [CDU/ CSU] : Das war leider eine Ausnahme; sonst wäre er nicht heilig!)

    Wir werden dem Gesetzentwurf, über den wir eigentlich reden, zustimmen, weil er im Grunde genommen den Rechtszustand fortführt, den wir haben, obwohl wir wissen, daß die eigentlichen Probleme, über die hier gesprochen wird, mit diesem Gesetzentwurf nicht gelöst werden. Diese Dinge werden Gegenstand einer Anhörung werden, in der wir nach unserer Überzeugung sehen werden, daß die eigentlichen Probleme nicht in der Gesetzgebung, sondern im Verwaltungsvollzug, in der Verfahrenswirklichkeit liegen.
    Das fängt doch schon mit den irreführenden Zahlen an, die den Bürgern vorspiegeln, daß wir einer Flut von Flüchtlingen aus den Tiefen Asiens und Afrikas ausgesetzt wären. Irreführende Zahlen!

    (Frau Olms [GRÜNE]: Stellen Sie doch mal einen Antrag, Herr Hirsch!)

    Sie wissen, daß über 40 % der Flüchtlinge aus Ostblockstaaten kommen. Sie wissen, daß sich in der Bundesrepublik etwa 80 000 anerkannte politische Flüchtlinge aufhalten, nicht pro Jahr, sondern überhaupt! Zählt man die Familienangehörigen und die Leute hinzu, die sich in Verfahren befinden, sind es vielleicht 230 000 Menschen, die wir auf der Grundlage des Art. 16 unserer Verfassung in der Bundesrepublik aufgenommen haben, nicht, wie die Leute glauben, pro Jahr, sondern überhaupt. Alle anderen, die sich als Flüchtlinge in der Bundesrepublik aufhalten, sind hier, weil sich die Länder aus humanitären Gründen oder aus welchen Gründen auch immer entschließen, sie nicht abzuschieben.
    Ich möchte also zunächst den Innenminister zum wiederholten Male bitten, seine Zahlen in Ordnung zu bringen,

    (Duve [SPD]: Jawohl, keine Propaganda mit Zahlen zu machen!)

    damit dieses Gerede von der „Schwemme" endlich aufhört,

    (Beifall bei der FDP, der SPD und den GRÜNEN)

    damit wir nicht Angst in den Menschen erzeugen.

    (Frau Olms [GRÜNE]: Kommen Sie doch einmal weg von den Bitten!)

    — Liebe Frau Olms, wir kommen ja dazu.
    Zur Praxis der Anerkennungsverfahren: Ich habe Sie vor Wochen hier in diesem Hause gefragt, ob es zutrifft, daß die notwendige unverzügliche erste Anhörung in 90 % der Fälle erst nach Monaten stattfindet, nach Monaten! Daß das enorme Folgen für die Dauer der Verfahren hat, ist Ihnen bekannt. Ich frage, ob sich die Länder in der Organisation ihrer Verwaltungsgerichte darauf eingestellt haben, daß das Bundesamt über mehr Fälle entscheidet, als pro Jahr hinzukommen, daß also mehr Fälle auf die Gerichte zukommen. Warum sagen wir der Öffentlichkeit nicht, daß es schon heute praktisch kaum Rechtsmittel gibt, daß es in den offensichtlich unbegründeten Fällen, die über 30 % der Verfahren ausmachen, bis zur gerichtlichen Entscheidung im Schnitt dreieinhalb Monate dauert? Warum reden wir nicht darüber, was wir tun müssen, damit die Praxis der Länder bei der Abschiebung von Flüchtlingen nicht länger kunterbunt durcheinandergeht? Sie werden das vereinheitlichen müssen.
    Ich möchte die Länder nicht zu einer inhumaneren Praxis aufrufen, aber wenn Sie dem Gedanken, Flüchtlinge an der Grenze zurückzuschicken, nachgehen wollen, will ich Ihnen ein Beispiel nennen. Bis zum September dieses Jahres haben wir 20 700 Personen aus Polen gehabt. 8 % davon — das ist die Anerkennungsquote — sind anderthalbtausend Menschen. Wie wollen Sie denn denen an der Grenze ansehen, ob sie Flüchtlinge aus politischen Gründen sind oder nicht?
    Darum sage ich Ihnen zum Abschluß: Wir sind ja bereit, alles Erträgliche mitzumachen, um dort, wo es möglich ist, die Verfahrensdauern zu verkürzen, aber unter zwei Voraussetzungen: daß das Recht der politischen Flüchtlinge, Zuflucht zu finden, unberührt bleibt und daß das Verfassungsrecht, ihnen ein faires Verfahren zu gewähren, unberührt bleibt. Vor zehn Jahren haben sich die Länder in einer großzügigen Aktion entschlossen, 30 000 „boat people" aus Vietnam aufzunehmen, obwohl sie keine politischen Flüchtlinge waren. Sind wir seitdem ärmer geworden? Ist es eigentlich wirklich nur noch zulässig, sich nach den Minimalia der gesetzlichen Verpflichtungen zu richten? Haben wir nicht mehr die Kraft, zu zeigen, daß wir etwas mehr dazu beitragen können, daß es auf dieser Welt etwas humaner und etwas christlicher zugeht? Das ist unser Ziel.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)