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ID1110606300

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    Plenarprotokoll 11/106 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 106. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Dr. Czaja 7277 A Erweiterung der Tagesordnung 7277 B Tagesordnungspunkt 2: Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung: Ergebnisse der Reise des Bundeskanzlers und seiner Delegation in die UdSSR Dr. Kohl, Bundeskanzler 7278A Dr. Vogel SPD 7284 B Rühe CDU/CSU 7287 D Schily GRÜNE 7291 C Dr. Graf Lambsdorff FDP 7294 A Heimann SPD 7296 C Frau Geiger CDU/CSU 7299 C Frau Beer GRÜNE 7301 B Genscher, Bundesminister AA 7302 A Erler SPD 7305 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE (Erklärung nach § 32 GO) 7307 D Tagesordnungspunkt 3: Überweisungen im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Wohnungsbaugesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland (Wohnungsbauänderungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/3160, 11/3264) 7309C b) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Aufhebung des Visumzwanges gegenüber Ungarn (Drucksache 11/2203) 7309 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Für eine Politik der offenen Grenzen — für ein Recht auf Zuflucht — Flüchtlings- und Asylkonzeption (Drucksache 11/3249) 7309D Tagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Weinwirtschaftsgesetzes (Drucksachen 11/1823, 11/3131) 7310A Tagesordnungspunkt 5: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Verordnung der Bundesregierung: Aufhebbare Sechzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung (Drucksachen 11/2726, 11/3123) 7310B Tagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 11/3245) 7310B II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 Zusatztagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 86 zu Petitionen (Drucksache 11/3289) 7310 C Zusatztagesordnungspunkt 10: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 87 zu Petitionen (Drucksache 11/3290) 7310 C Tagesordnungspunkt 7: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Umwandlung der deutschen Pfandbriefanstalt in eine Aktiengesellschaft (Drucksachen 11/2047, 11/2992) Uldall CDU/CSU 7310 C Dr. Wieczorek SPD 7311D Dr. Solms FDP 7313 C Hüser GRÜNE 7314 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7315 A Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung für die Bemühungen um Aufklärung der Menschenrechtsverletzungen in Chile und um Gerechtigkeit für ihre Opfer (Drucksache 11/2985) b) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Sofortige Aufnahme der in Chile mit der Todesstrafe bedrohten politischen Gefangenen (Drucksache 11/2986) c) Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Unterstützung der Oppositionspresse in Chile (Drucksache 11/2987) Volmer GRÜNE 7316B Schreiber CDU/CSU 7317 D Duve SPD 7319 C Irmer FDP 7321 A Schäfer, Staatsminister AA 7322 B Volmer GRÜNE (Erklärung nach § 30 GO) 7323 B Zusatztagesordnungspunkt 3: Beratung der Beschlußempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Kelly und der Fraktion DIE GRÜNEN: Errichtung einer internationalen Begegnungsstätte für Frieden und Versöhnung in Guernica, Baskenland zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Geste des Friedens und der Freundschaft durch die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der baskischen Stadt Guernica in Spanien (Drucksachen 11/362, 11/483, 11/3180) Frau Kelly GRÜNE 7324 A Dr. Pohlmeier CDU/CSU 7325 A Duve SPD 7325 C Irmer FDP 7326 B Zusatztagesordnungspunkt 4: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung asylverfahrensrechtlicher und ausländerrechtlicher Vorschriften (Drucksachen 11/2302, 11/3189) Spranger, Parl. Staatssekretär BMI 7327 D Frau Dr. Sonntag-Wolgast SPD 7328 D Dr. Hirsch FDP 7330 D Frau Olms GRÜNE 7332 A Dr. Olderog CDU/CSU 7332 D Tagesordnungspunkt 9: a) Zweite und dritte Beratung des von der Fraktion der SPD eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Konkursordnung (Drucksachen 11/2065, 11/3279) b) Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Wittmann, Marschewski, Dr. Hüsch, Eylmann, Dr. Langner, Seesing, Geis, Hörster und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU sowie der Abgeordneten Kleinert (Hannover), Funke, Irmer und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Sozialplan im Konkurs- und Vergleichsverfahren (Drucksachen 11/2991, 11/3279) Dr. Pick SPD 7334 B Helmrich CDU/CSU 7334 D Hüser GRÜNE 7335 A Kleinert (Hannover) FDP 7335 C Engelhard, Bundesminister BMJ 7335 D Tagesordnungspunkt 10: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Duve, Dr. Apel, Dr. Penner, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Erhaltung des halben Mehrwertsteuersatzes für Bücher, Zeitungen und Zeitschriften (Drucksachen 11/920, 11/1978) Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 III b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zu einer Mitteilung der Kommission an den Rat über Maßnahmen im Bereich des Buches (Drucksachen 11/706, 11/2505) Weisskirchen (Wiesloch) SPD 7337 A Frau Pack CDU/CSU 7338 A Hüser GRÜNE 7338 D Neuhausen FDP 7339 B Schulhoff CDU/CSU 7340 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF 7341A, 7341D Duve SPD 7341 C Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags des Abgeordneten Wüppesahl (fraktionslos): Sitzplatz des Abgeordneten Wüppesahl im Plenarsaal (Drucksache 11/3198) Bohl CDU/CSU (zur GO) 7342 B Wüppesahl fraktionslos 7342 B Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/2118) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Humanitäres Kriegsvölkerrecht (Drucksache 11/3295) Verheugen SPD 7344 A Graf Huyn CDU/CSU 7345 B Frau Schilling GRÜNE 7346 B Irmer FDP 7347 B Dr. Scheer SPD 7348 D Schäfer, Staatsminister AA 7349 D Tagesordnungspunkt 12: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP: Humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan im Zusammenhang mit dem Abzug der sowjetischen Truppen (Drucksache 11/2437) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion DIE GRÜNEN: Das Genfer Abkommen zwischen Afghanistan und Pakistan vom 14. April 1988 und humanitäre Hilfeleistungen der Bundesrepublik Deutschland an Afghanistan (Drucksache 11/3272) Vogel (Ennepetal) CDU/CSU 7351 C Dr. Holtz SPD 7352 A Frau Folz-Steinacker FDP 7353 B Frau Olms GRÜNE 7354 C Höffkes CDU/CSU 7355 B Schäfer, Staatsminister AA 7356 B Zusatztagesordnungspunkt 13: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen in Bund und Ländern 1988 (Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 1988) (Drucksachen 11/2742, 11/3293, 11/3297) Regenspurger CDU/CSU 7358 A Lutz SPD 7359 B Dr. Hirsch FDP 7360 B Nächste Sitzung 7361 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 7362* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 106. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 10. November 1988 7277 106. Sitzung Bonn, den 10. November 1988 Beginn: 15.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens** 11. 11. Amling 11. 11. Antretter 10. 11. Frau Beer 11. 11. Böhm (Melsungen)* 11. 11. Börnsen (Ritterbude) 11. 11. Dr. Bötsch 11. 11. Bühler (Bruchsal)* 10. 11. Dollinger 11. 11. Dr. Dregger 11. 11. Ebermann 11. 11. Frau Eid 11. 11. Dr. von Geldern 10. 11. Dr. Glotz 11. 11. Grüner 10. 11. Frau Dr. Hamm-Brücher 11. 11. Dr. Hauff 11. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Hensel 11. 11. Frau Hoffmann (Soltau) 11. 11. Irmer 10. 11. Dr. Klejdzinski* 10. 11. Dr. Knabe 10. 11. Kolb 10. 11. Leonhart 11. 11. Frau Luuk* 10. 11. Dr. Müller** 11. 11. Müller (Düsseldorf) 10. 11. Frau Nickels 11. 11. Niegel* 10. 11. Paintner 11. 11. Reddemann** 10. 11. Reuschenbach 11. 11. Frau Rock 11. 11. Frau Saibold 10. 11. Dr. Schäuble 10. 11. Scherrer 10. 11. Dr. Schmude 11. 11. Dr. Schneider (Nürnberg) 10. 11. Frau Trenz 11. 11. Voigt (Frankfurt) 11. 11. Frau Wieczorek-Zeul 11. 11.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Ludger Volmer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Kurz nachdem wir die drei Anträge, die wir heute diskutieren, im Bundestag eingebracht hatten, hat das chilenische Volk ein ganz deutliches Wort zu dem gesagt, womit es seit 15 Jahren konfrontiert war. Das chilenische Volk hat ein deutliches Nein zur Diktatur von Pinochet gesagt, ein deutliches Nein zu dem politischen System, das er repräsentierte, und ein deutliches Nein zu der wirtschaftlichen Ausrichtung dieses Systems, das der Masse der Menschen zunehmendes Elend bereitet hat. Wir alle waren froh darüber, daß das sogenannte Plebiszit diesen Ausgang genommen hat. Ich meine, wir alle sollten unsere Glückwünsche und unsere Gratulationen dem chilenischen Volk für seinen energischen Einsatz und für einen Kampf, der anfangs für aussichtslos gehalten wurde, auch von diesem Platz aus aussprechen.

    (Beifall bei den GRÜNEN — Duve [SPD]: Und der bis zum Schluß von euch für aussichtslos erklärt worden ist!)

    — Herr Duve, ich glaube, Sie haben da immer noch falsche Vorstellungen im Kopf.

    (Lummer [CDU/CSU]: Manchmal hat der Duve recht!)

    Dieses Nein zu Pinochet bedeutet gleichzeitig, daß die Menschen in Chile eine vollständige Demokratie wollen. Sie wollen eine vollständige Demokratie unter Beteiligung aller politischen Kräfte, die an der Gestaltung der Zukunft teilnehmen wollen.
    Nach dem deutlichen Nein zu dieser Diktatur ist eine Debatte in Chile in Gang gekommen, wie denn die wirkliche Demokratisierung durchzusetzen sei. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen. Gemeinsam ist aber der Opposition, daß die Dynamik, die mit dem Nein begonnen worden ist, genutzt werden muß, um in Verhandlungen mit der oder gegen die Diktatur grundlegende Veränderungen in der Verfassung zu erreichen, weil die sogenannte Verfassung, die zur Zeit in Chile noch in Kraft ist, eine wirkliche Demokratisierung verhindert. Die Verfassung, so wie sie nun nach dem Nein gilt, ist nur eine andere Option auf eine totalitäre Herrschaft, die sich nicht auf einen Diktator fixiert, sondern auf ein Gemenge von Institutionen, die miteinander in Beziehung stehen und die Wirkung haben, daß eine wirkliche Volksbeteiligung noch nicht möglich ist. Die Frage, ob sich Demokratie in Chile durchsetzen wird, ist also auch davon abhängig, inwieweit die jetzige sogenannte Verfassung grundlegend modifiziert werden kann.
    Hier gibt es von seiten der Opposition insbesondere vier Punkte, die als kritikbedürftig und veränderungsbedürftig angesprochen werden.
    Dies ist zum einen der Art. 8 der Verfassung, der den Linksparteien die Teilnahme an der Wahl verbietet.
    Dies ist zum zweiten die Regelung, daß in dem zu wählenden Parlament ein Drittel der zukünftigen Abgeordneten von der Junta designiert wird.
    Dies ist zum dritten die Regelung, daß der Nationale Sicherheitsrat mit Pinochet an der Spitze aktiven Verfassungsschutz leisten soll und dies teilweise über den Willen des zukünftigen Parlaments und des zukünftigen Präsidenten hinweg tun kann.
    Da ist viertens Art. 118 dieser sogenannten Verfassung, der jegliche Verfassungsänderung verbietet.
    Mindestens diese Artikel der Verfassung müssen fallen. Dies ist die Auffassung der Opposition — ich denke, einhellig. Die strittige Frage in Chile ist, wie dies erreicht werden kann.



    Volmer
    Wir wissen, die Liberal-Konservativen setzen eher auf Gespräche, und die Linke meint, daß Gespräche allein nicht ausreichten, wenn sie nicht durch einen massiven Druck von der Straße flankiert würden.
    Nun erleben wir in diesen Tagen, daß die Dynamik, die mit dem Nein gewonnen worden ist, zu verebben droht, da sich Pinochet erheblich hartnäckiger, als dies anfangs erwartet worden war, daran klammert, nicht nur seine persönliche Macht so lange wie möglich zu erhalten, sondern auch dieses totalitäre Geflecht von Institutionen zu retten und aufrechtzuerhalten. Er hat deutlich erklärt, daß er keine Abstriche von dieser Verfassung zuläßt, und er hat vor wenigen Tagen einen weiteren politischen, rechtsradikalen Hardliner in die Junta aufgenommen, den General Sinclair, der mit dafür sorgen soll, daß der institutionelle Prozeß in Chile in Zukunft so läuft, wie es Pinochet mit seiner Verfassung von 1980 vorgesehen hat.
    Es besteht zur Zeit also die ganz große Gefahr, daß es nicht zu einer wirklichen Demokratisierung kommt. Ich sage dies ganz ausdrücklich auch im Gegensatz zu Heiner Geißler, der immer Demokratisierung und den Vollzug des verfassungsmäßig vorgegebenen Prozesses in Chile identifiziert. Meines Erachtens ist der Vollzug des verfassungsmäßigen Prozesses keine Demokratie. Demokratie wird sich in Chile nur durch einen Bruch dieser Verfassung, zumindest einiger wesentlicher Verfassungsartikel, herstellen lassen.
    Wir sind der Auffassung, daß das chilenische Volk gerade im Moment massive Unterstützung aus dem Ausland braucht, um seine demokratischen Vorstellungen gegen die Diktatur durchsetzen zu können. Deshalb haben wir drei Anträge eingebracht. Wir bitten um Befassung und Zustimmung.
    Zunächst einmal möchten wir Sie auffordern, mit uns gemeinsam die Oppositionspresse in Chile zu unterstützen. Sie wissen, daß oppositionelle Presseleute ermordet wurden, verfolgt wurden, ins Gefängnis geworfen wurden. Die Regierungspresse wird zum Teil von der bundesdeutschen Industrie durch Anzeigen unterstützt. Wir meinen, daß das umgekehrt werden müßte. Wir fordern die Bundesregierung auf, die Oppositionspresse zu unterstützen, auch materiell, durch Anzeigenkampagnen.
    Der zweite Antrag, den wir einbringen, richtet sich darauf, daß die Menschenrechtsverletzungen, die passiert sind, aufgeklärt werden müssen. Wir haben heute hier im Bundestag eine sehr peinliche Debatte darüber erleiden müssen, was passiert, wenn nicht rechtzeitig eine Vergangenheitsbewältigung, eine tiefgehende Aufarbeitung der Verbrechen einer Regierung vorgenommen wird. Die chilenischen Oppositionsgruppen und die Menschenrechtsgruppen möchten nicht, daß mit dem möglicherweise eintretenden Ende der Diktatur ein Schlußstrich gesetzt wird und, wie etwa in Argentinien, alle Verbrechen vergessen und vergeben werden und ein Neuanfang ohne jegliche Aufarbeitung gemacht wird. Deshalb fordern wir Sie und die Bundesregierung auf, uns dabei zu unterstützen, die Menschenrechtsgruppen dabei zu unterstützen, tatsächlich eine Aufarbeitung dieser Verbrechen — Verschwindenlassen von Menschen usw. — durchzusetzen.
    Unser dritter Punkt richtet sich noch einmal auf die Frage, die wir hier schon oft diskutiert haben, nämlich auf die Aufnahme der 15 vom Tode bedrohten politischen Gefangenen. Die Situation sieht zur Zeit so aus, daß drei von ihnen in zweiter Instanz zu lebenslänglich verurteilt wurden, nachdem die erste Instanz noch das Todesurteil verhängt hatte. Diese lebenslängliche Strafe konnte aber nur deshalb ausgesprochen werden, weil ein einziger Richter in dieser zweiten Instanz der Meinung war, die Todesstrafe sollte aufgehoben werden, dies aus christlichen, gut katholischen, prinzipiellen Gründen. Aber genau deshalb wurde das Urteil der zweiten Instanz vom obersten Gerichtshof angegriffen. Er sagte, daß wegen dieser prinzipiellen Einstellung des einen Richters die gesamte Bandbreite der möglichen Strafen gar nicht diskutierbar war. Diese oberste Instanz fordert eine Aufhebung dieses Urteils. Der aufrechte Richter der zweiten Instanz wird zum Jahresende dieses Gericht verlassen. Von daher besteht wieder einmal Handlungsbedarf. Es besteht die Gefahr, daß es zu einem Todesurteil kommt. Es besteht nach Aussagen der Anwälte auch die Gefahr, daß das Regime gerade dann, wenn es sich durch die demokratischen Kräfte in die Ecke gedrängt fühlen könnte, noch einmal Härte zeigt und daß es in diesem Prozeß von Härte auch zu Provokationen in den Gefängnissen kommt, denen dann die Gefangenen zum Opfer fallen.
    Ich bitte Sie, nochmals zu prüfen, ob wir diese 15 Leute nicht aufnehmen können. Zahlreiche Bürgermeister aus bundesdeutschen Gemeinden haben sich bereit erklärt, diese 15 Leute in der Bundesrepublik aufzunehmen. Es gibt 15 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens — Staatsanwälte, Richter, Kirchenleute, auch 2 Kollegen aus diesem Hause — , die sich bereit erklärt haben, als persönliche Bürgen dafür zu sorgen, daß die Befürchtung, die Innenminister Zimmermann immer geäußert hat, nämlich daß die Chilenen, falls sie hier wären, sich terroristisch betätigen, daß diese Befürchtung, die ohnehin absurd ist, die bizarr ist, auf keinen Fall eintreten kann. Ich denke, daß die Grundlage — Aufnahmebereitschaft, der Wille zu bürgen — doch wirklich genügen sollte, daß angesichts der objektiven Gefährdung, denen diese Menschen in Chile unterliegen, endlich das Angebot ausgesprochen werden sollte, ihnen hier Asyl zu gewähren.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei den GRÜNEN sowie des Abg. Duve [SPD])



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Schreiber.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Werner Schreiber


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen! Meine Herren! Wir befassen uns am heutigen Abend auf Grund von drei Anträgen der GRÜNEN — der Kollege Volmer hat dies vorgetragen — erneut mit der Situation in Chile. Nach alter Tradition werden die Anträge nach der Aussprache an die zuständigen Ausschüsse überwiesen. Ich gehe davon aus, daß dies so vereinbart ist. Ich gehe auch davon aus, daß wir in den Ausschüssen diese Anträge besprechen und zu den einzelnen Antragselementen Stellung nehmen werden.



    Schreiber
    Gestatten Sie mir trotzdem als engagiertem „ChileKämpfer" eine grundsätzliche und persönliche Anmerkung. Ich halte es nicht für sinnvoll, wenn sich der Deutsche Bundestag ständig in Detailanträgen mit der Situation in einem Lande befaßt. Das gilt um so mehr, wenn es um Länder geht, in denen politische Prozesse in Gang gekommen sind, die eine jeweils neue Beurteilung der Gesamtsituation notwendig machen. Damit will ich nicht behaupten — ich sage das ausdrücklich — , daß die in den Anträgen aufgeworfenen Fragen befriedigend geregelt sind oder auch nur annähernd befriedigend geregelt sind. Aber ich muß dennoch darauf hinweisen, daß dies jetzt der vierte Antrag oder, wenn ich den gemeinsamen Antrag vom September hinzunehme, sogar der fünfte Antrag in den letzten Wochen ist, der sich mit dem Thema Chile befaßt. Ich glaube, dies ist eine Inflation, die nach meinem persönlichen Empfinden dem Thema nicht immer zuträglich ist, sondern durchaus das Gegenteil bewirken kann.
    Meine Damen und Herren, die chilenische Bevölkerung — darauf hat der Kollege Volmer hingewiesen — hat sich am 5. Oktober mit einer klaren Mehrheit gegen Pinochet und damit gegen die Militärdiktatur ausgesprochen. Dieses Ergebnis haben die Demokraten in aller Welt begrüßt. Dieses Ergebnis ist sicher ein Sieg für die Demokratie und dokumentiert den Willen der Chilenen nach Selbstbestimmung in bezug auf ihre eigenen Angelegenheiten. Die Mehrheit der Chilenen setzt damit auf ihre alte demokratische Tradition.
    Ich denke, gleichzeitig muß aber festgestellt werden — wir haben dies ja auch übereinstimmend getan — , daß dieses Abstimmungsergebnis nur einen ersten Schritt darstellt, einen ersten Schritt zur Redemokratisierung in dieser traditionellen Demokratie.
    Nach meiner Meinung ist folgendes festzuhalten:
    Erstens. Das Ergebnis hat gezeigt, daß sich in Chile zur Zeit weder extrem links noch extrem rechts Mehrheiten bilden können, und das eröffnet eine große Chance für eine breite Koalition der Mitte. Ich darf bei dieser Gelegenheit einmal ansprechen: Wenn man Wahlergebnisse natürlich so interpretiert, wie das zum Teil von seiten des chilenischen Innenministeriums und der Regierung, aber auch von seiten der chilenischen Botschaft hier in der Bundesrepublik Deutschland so nach dem Motto propagiert wird: 43,04 % der Stimmen galten den Bemühungen und der Person des Präsidenten der Republik; die Opposition setzte sich aus 16 Parteien zusammen, die insgesamt auf 54,68 % der Stimmen kam, dann ist das natürlich ein Witz. Wenn ich 54 durch 16 teile und 43 durch eins teile und daraus im nachhinein noch einen Sieg des Militärs ableiten möchte, dann ist das schon ein Witz.
    Zweitens. Ich denke aber auch, daß das Ergebnis die Möglichkeit zu einer nationalen Versöhnung offen läßt. Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Ich bin der festen Überzeugung, daß es notwendig ist, daß es in Chile zu einer nationalen Versöhnung — natürlich unter dem Gesichtspunkt der Gerechtigkeit — kommt.
    Drittens. Ich werte es positiv, daß die im „Kommando für das Nein" zusammengeschlossenen Oppositionsparteien ihr Bündnis fortführen und sich nicht auseinanderdividieren lassen. Es war ja eine der großen Befürchtungen, daß diese Parteien nach dem Plebiszit, nach der Abstimmung auseinanderfallen. Dies ist nicht der Fall, und ich werte dies, wie gesagt, außerordentlich positiv.
    Viertens möchte ich die Disziplin herausstellen, mit der die Opposition die nicht einfache Zeit nach dem Plebiszit bewältigt hat. Dies hat für den Prozeß der Redemokratisierung sicherlich eine stabilisierende Wirkung und nimmt Pinochet die Chance, unter einem Vorwand wieder den Ausnahmezustand auszurufen. Wie wir alle mittlerweile ja wissen, ist dieser Versuch auch gemacht worden. Ich denke, die Kollegen, die anläßlich der Abstimmung mit in Santiago waren, haben sich mit mir zusammen gewundert, warum es so ruhig blieb und warum das Abstimmungsergebnis, nämlich die Mehrheit für das „Nein", vor allen Dingen auch von seiten der Regierung so spät bekanntgegeben worden ist. Ich denke, daß das, was herübergekommen ist, nämlich daß man vorhatte, durch Provokationen zu einem neuen Putsch zu kommen, teilweise auch dadurch belegt ist, daß man bis zur letzten Minute versucht hat zu sagen: Das „Ja" hat im Grunde genommen gewonnen.
    Fünftens — ich denke, das ist auch eine ganz wichtige Frage — : Die Opposition muß ein klares ordnungspolitisches und wirtschaftspolitisches Profil entwickeln. Ziel muß es sein, die freie Entfaltung der Kräfte zu ermöglichen und soziale Gerechtigkeit herzustellen. Ich denke, man muß auch hier ganz deutlich darauf hinweisen: Man darf einfach nicht vergessen, daß Pinochet 43% der Stimmen erhalten hat. Wir haben gemeinsam festgestellt: Dies war eine technisch saubere Wahl, d. h. die Wahl war geheim, und es war nicht einsehbar, wer wie gewählt hat. Trotzdem hat Pinochet 43 % der Stimmen erhalten. Darunter waren sicher viele, die Pinochet nicht wollten, aber instabile Verhältnisse befürchtet haben. Deshalb ist auch der Weg richtig, in zähen Verhandlungen Änderungen zu erreichen und Disziplin zu bewahren. Dazu gehört natürlich auch der Versuch — ich sage das aus meiner Sicht, Herr Kollege Volmer — , die Verfassung zu ändern. Ich stehe ganz bewußt hinter einer Strategie, in Verhandlungen den Versuch zu machen, die Verfassung zu ändern, aber eben nicht den Versuch zu machen, auf der Straße Verfassungsänderungen vorzunehmen bzw. den Druck der Straße in einem breiten Umfang möglich werden zu lassen, denn das würde genau zum Gegenteil führen.
    Ich glaube, die Strategie, die die 16 mittlerweile entwickelt haben, ist genau die richtige Strategie, nämlich zu sagen: Wir wollen hier auf Grund einer Abstimmung, die uns Stärke gibt, auf Grund einer Abstimmung, die uns von seiten der Bevölkerung ein Mandat gibt, Schritt für Schritt erreichen, daß sich etwas ändert, bis hin zu einer eventuellen Verfassungsänderung. Ich möchte hier an dieser Stelle auch ganz bewußt sagen: Dies ist auch die Haltung des Generalsekretärs Geißler. Ich sage das deshalb, weil er eben angesprochen worden ist und weil wir uns auch gestern im Auswärtigen Ausschuß darüber unterhalten haben. Der Generalsekretär hat bei seinem letzten



    Schreiber
    Besuch in Chile mit allen Parteien gesprochen. Er hat ganz bewußt die Solidarität der Demokraten mit allen Parteien herausgestellt. Er hat lediglich — dies ist auch Meinung innerhalb von Chile — herausgestellt, daß die demokratische Mitte mit Sicherheit in der jetzigen Situation einer größeren Herausforderung entgegensieht, bis hin zu der Wahl bzw. Bestimmung eines Präsidentschaftskandidaten.
    Ich möchte — sechstens — noch hinzufügen: Die Opposition — ich habe das im Zusammenhang mit meinen Bemerkungen zu Generalsekretär Geißler bereits kurz angesprochen — muß eine personelle Alternative aufbauen, sich auf einen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen einigen. Ich sage noch einmal und unterstreiche das: Dies muß gemeinsam geschehen. Es hat überhaupt gar keinen Wert, an irgendeiner Stelle die 16, die im Kommando für das „No" zusammengeschlossen sind, auseinanderzudividieren. Dies muß gemeinsam geschehen, denn Demokratie hat in dem gegenwärtig sensiblen Zustand in Chile nur eine Chance, wenn die Demokraten, wenn die demokratische Opposition einig bleiben und diesen Prozeß mit unser aller Unterstützung vorantreibt.
    Ich sage siebtens: Es muß gelingen, die Armee in den demokratischen Prozeß zu integrieren. Sie muß ihren Standort in einer demokratischen Gesellschaft finden und Bestandteil einer solchen Gesellschaft werden. Ich sage das auch, weil ich weiß, wie problematisch das in der inneren Diskussion ist. Wir haben eine ganze Reihe von Beispielen dafür; ich erinnere an Argentinien und auch an andere Staaten. Aber genau diese Beispiele zeigen, wie wichtig es ist, daß die Armee integriert wird und daß sie in einer demokratischen Gesellschaft ihren Standort findet, wie das bei uns in unseren westlichen Industriestaaten eigentlich selbstverständlich ist.
    Meine Damen und Herren, es ist bekannt, daß in Chile auch nach dem Referendum die Menschenrechte nicht respektiert werden, was neueste Berichte belegen. Wir werden uns noch im Detail über diese Fragen unterhalten, auch über die 15 Häftlinge, die vom Tode bedroht sind, wie immer wieder herausgestellt wird. Meine Meinung dazu ist bekannt, und ich brauche sie nicht noch einmal ex cathedra zu verkünden. Wir müssen das in aller Ruhe, Deutlichkeit und Offenheit miteinander besprechen. Es gibt eine ganze Reihe von Staaten, wie wir wissen, die bereits Asylangebote unterbreitet haben. Es geht also gar nicht mehr so sehr darum, daß westliche Staaten, Demokratien verhindern müssen, daß hier Schlimmes geschieht. Ich denke, auch hier sollten wir in aller Ruhe miteinander diskutieren und nicht den Eindruck erwecken, Herr Kollege Volmer, als würden morgen schon Todesurteile gefällt, wenn wir hier in der Bundesrepublik Deutschland nicht entsprechend reagieren. Auch das bedarf einer ganz ruhigen und sehr sachlichen Diskussion. Ich glaube, auch das haben die letzten Monate insgesamt bewiesen.
    Ich denke — ich komme zum Schluß, Frau Präsidentin — , wir sollten als Demokraten den Demokratieprozeß in Chile unterstützen. Ich glaube, es würde niemand in Chile verstehen, wenn sich die Demokraten in einer westlichen Demokratie auseinanderdividieren, während die Demokraten in einem sehr schwierigen Prozeß in Chile zusammenhalten. Das heißt nicht, daß wir nicht unterschiedlicher Meinung über die Methoden, über die Schritte, die zu gehen sind, sein könnten; das gehört ja zu einer Demokratie. Aber ich denke, daß wir hier in den nächsten Monaten gemeinsam vertieft darüber diskutieren müssen, welche Unterstützung wir als westliche Demokraten, als Deutscher Bundestag diesem Demokratisierungsprozeß geben können.
    Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Zustimmung des Abg. Duve [SPD])