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    Plenarprotokoll 11/103 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 103. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Walther 7021 A Erweiterung der Tagesordnung . 7021A, 7081D Tagesordnungspunkt 3: Überweisung im vereinfachten Verfahren a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 11. April 1980 über Verträge über den internationalen Warenkauf sowie zur Änderung des Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 19. Mai 1956 über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) (Drucksache 11/3076) b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter (Drucksache 11/3077) c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 23. November 1987 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Venezuela zur Vermeidung der Doppelbesteuerung der Unternehmen der Luftfahrt und der Seeschiffahrt (Drucksache 11/3091) d) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Flüchtlings- und Asylkonzeption (Drucksache 11/3055) e) Erste Beratung des von den Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung gemeinschaftlicher Wohnungsunternehmen (Drucksache 11/2199) 7021 D Tagesordnungspunkt 17: Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften (Drucksache 11/2218) 7022 B Zur Geschäftsordnung Wüppesahl fraktionslos 7022 C Tagesordnungspunkt 4: a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Berufsbildungsbericht 1988 (Drucksache 11/2032) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Odendahl, Dr. Penner, Dr. Böhme (Unna), Kastning, Kuhlwein, Dr. Niehuis, Rixe, Weisskirchen (Wiesloch), Andres, Bernrath, Gerster (Worms), Dr. Pick, Schanz, Seidenthal, Bulmahn, Ibrügger, Westphal, Dr. Vogel und der Fraktion der SPD: Förderung überbetrieblicher Ausbildungsstätten (Drucksache 11/2728) c) Beratung der Unterrichtung durch das Europäische Parlament: Entschließung zur Chancengleichheit zwischen Jungen und Mädchen im Bereich der schulischen und beruflichen Bildung (Drucksache 11/2739) II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 d) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Konzeption für die Förderung überbetrieblicher beruflicher Ausbildungsstätten (Drucksache 11/2824) e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Hillerich, Wetzel und der Fraktion DIE GRÜNEN: Kooperation der Lernorte in der über- und außerbetrieblichen Berufsbildung beim Lernen mit neuen Technologien (Drucksache 11/3075) Möllemann, Bundesminister BMBW 7024D, 7045A Kastning SPD 7027 A Daweke CDU/CSU 7028 C Frau Hillerich GRÜNE 7031A, 7043 A Neuhausen FDP 7032 B Rixe SPD 7034 A Oswald CDU/CSU 7035 D Kuhlwein SPD 7038 B Schemken CDU/CSU 7040 B Frau Odertdahl SPD 7046 D Tagesordnungspunkt 5: Beratung des Zwischenberichts der Enquete-Kommission „Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung" gemäß Beschluß des Deutschen Bundestages vom 8. Mai 1987 und vom 4. Februar 1988 (Drucksache 11/2495) Dr. Voigt (Northeim) CDU/CSU 7049 B Frau Conrad SPD 7051 C Eimer (Fürth) FDP 7054 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 7056 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 7057D Großmann SPD 7059 A Dr. Blank CDU/CSU 7061 C Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 7064 A Tagesordnungspunkt 6: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Berufssport (Drucksache 11/2669) Büchner (Speyer) SPD 7064 D Baum FDP 7066 C Brauer GRÜNE 7067 B Clemens CDU/CSU 7068 B Dr. Häfele, Parl. Staatssekretär BMF . . 7069 C Zusatztagesordnungspunkt 2: Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Gesundheitsreform (Drucksache 11/3138) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt: Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU und FDP: Enquete-Kommission „Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung" (Drucksache 11/3181) Dreßler SPD 7081 D Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . 7083 C Frau Wilms-Kegel GRÜNE 7085 B Dr. Thomae FDP 7086A Wüppesahl fraktionslos 7087 B Dr. Blüm, Bundesminister BMA 7088 C Egert SPD 7091 D Dreßler (Erklärung nach § 31 GO) . . . 7093 C Namentliche Abstimmung 7094 B Ergebnis 7108A Zusatztagesordnungspunkt 3: Aktuelle Stunde betr. Hochtemperaturreaktor-Geschäft mit der Sowjetunion Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . . 7094 C Lenzer CDU/CSU 7095C, 7107B Schäfer (Offenburg) SPD 7096 C Timm FDP 7097 C Dr. Riesenhuber, Bundesminister BMFT 7098B Jung (Düsseldorf) SPD 7099 D Gerstein CDU/CSU 7100D Stahl (Kempen) SPD 7101 C Jäger CDU/CSU 7102B Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi . . 7103B Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 7104 C Kittelmann CDU/CSU 7105B Vosen SPD 7106B Tagesordnungspunkt 7: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen: Veräußerung eines bundeseigenen Grundstücks in Bonn gem. § 64 Abs. 2 Satz 2 der Bundeshaushaltsordnung (Drucksachen 11/2820, 11/3050) . 7109D Tagesordnungspunkt 8: Beratung der Beschlußempfehlung des Petitionsausschusses: Sammelübersicht 85 zu Petitionen (Drucksache 11/3098) 7109 D Tagesordnungspunkt 9: Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung: Antrag auf Genehmigung zur Durchführung eines Strafverfahrens (Drucksache 11/3111) . 7109D Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 III Tagesordnungspunkt 10: Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Wollny und der Fraktion DIE GRÜNEN: Schutz der Bevölkerung und der Umwelt vor radioaktiven Strahlen (Drucksache 11/2837) Frau Wollny GRÜNE 7110 A Dr. Friedrich CDU/CSU 7111B Schütz SPD 7113 A Baum FDP 7115 A Wüppesahl fraktionslos 7116 B Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 7117 C Tagesordnungspunkt 11: Beratung des Antrags der Abgeordneten Bachmaier, Gautier, Kiehm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Reform des Umwelthaftungsrechts (Drucksache 11/2035) Bachmaier SPD 7119B Dr. Laufs CDU/CSU 7121 B Dr. Knabe GRÜNE 7122B Kleinert (Hannover) FDP 7123 C Engelhard, Bundesminister BMJ 7124 D Schütz SPD 7125D Eylmann CDU/CSU 7128 A Dr. Hüsch CDU/CSU 7129 A Tagesordnungspunkt 12: Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vierter Immissionsschutzbericht der Bundesregierung (Drucksache 11/2714) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 4: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Knabe, Brauer, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Maßnahmen gegen Luftverschmutzung und Gesundheitsgefährdung durch photochemischen Smog (Drucksache 11/2872) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 5: Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Hartenstein, Bachmaier, Blunck, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD: Abgasentgiftung der Kraftfahrzeuge (Drucksache 11/2009) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt 6: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 70/220/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Abgase von Kraftfahrzeugmotoren (Begrenzung der Partikelemissionen von Dieselmotoren) — KOM (86) 261 endg. — Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Emission gasförmiger Schadstoffe aus Dieselmotoren zum Antrieb von Fahrzeugen — KOM (86) 273 endg. —— Rats-Dok. Nr. 7969/86 — (Drucksachen 11/883 Nr. 135, 11/1103) Harries CDU/CSU 7130D Frau Dr. Hartenstein SPD 7132 B Baum FDP 7135 A Dr. Knabe GRÜNE 7136 D Gröbl, Parl. Staatssekretär BMU 7138 C Weiermann SPD 7140B Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 7142 C Schmidbauer CDU/CSU 7144 B Tagesordnungspunkt 13: a) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Fraktion der SPD: Irakisch-iranischer Krieg zu dem Antrag der Fraktion DIE GRÜNEN: Giftgaseinsätze der irakischen Regierung gegen die im Irak lebenden Kurden (Drucksachen 11/629, 11/2247, 11/2962) b) Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Rust und der Fraktion DIE GRÜNEN: Stopp des Exports von Atomkraftwerksteilen in den Iran (Drucksachen 11/1171, 11/3002) Gansel SPD 7146B Lummer CDU/CSU 7148A Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 7148D Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 7149D Schäfer, Staatsminister AA 7150D Dr. Riedl, Parl. Staatssekretär BMWi . . 7151 C IV Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 Tagesordnungspunkt 14: Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf eines Beschlusses des Rates zur Errichtung eines Gerichts erster Instanz Entwurf von Änderungen der Verfahrensordnung des Gerichtshofes im Hinblick auf die Errichtung eines Gerichts erster Instanz (Drucksachen 11/2090, 11/2479) 7152 B Tagesordnungspunkt 15: Erste Beratung des von der Abgeordneten Frau Oesterle-Schwerin und der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Öffnung des sozialen Wohnungsbaus für unverheiratete Paare, homosexuelle Lebensgemeinschaften und Wohngemeinschaften (Drucksache 11/1955) Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE 7152 D Frau Rönsch (Wiesbaden) CDU/CSU . . 7153 C Müntefering SPD 7154 C Dr. Hitschler FDP 7155B Echternach, Parl. Staatssekretär BMBau 7156D Tagesordnungspunkt 16: Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Untersuchungshaft (Drucksache 11/2181) Bohl CDU/CSU (zur GO) 7157 C Tagesordnungspunkt 2 (Fortsetzung) : Fragestunde — Drucksache 11/3166 vom 21. Oktober 1988 — Benachteiligung weiblicher Bewerber bei der Vergabe von Studienplätzen nach Aufhebung des zentralen Zulassungsverfahrens an Hochschulen, z. B. in Baden-Württemberg und Hessen MdlAnfr 3, 4 21.10.88 Drs 11/3166 Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE Antw BMin Möllemann BMBW . 7070D, 7072 B ZusFr Frau Oesterle-Schwerin GRÜNE . . 7071 C, 7072 B ZusFr Frau Krieger GRÜNE 7072 A Zustimmung der Bundesregierung zur Vergabe des zweiten Weltbankkredits an Brasilien MdlAnfr 5 21.10.88 Drs 11/3166 Dr. Lammert CDU/CSU Antw PStSekr Dr. Köhler BMZ 7073 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 7073 C ZusFr Frau Olms GRÜNE 7074 B Verzögerte Bearbeitung von Anträgen auf Bewilligung von Zuschüssen aus Zonenrandmitteln durch die Bezirksregierung Braunschweig MdlAnfr 6, 7 21.10.88 Drs 11/3166 Seidenthal SPD Antw PStSekr Dr. Hennig BMB 7074 C, 7075 B ZusFr Seidenthal SPD 7074D, 7075 C Auswirkungen von hormonhaltigem Fleisch auf das Wachstum des kindlichen Körpers und Folgen des Kalbfleischgenusses bei Kindern im Schulalter MdlAnfr 9, 10 21.10.88 Drs 11/3166 Reimann SPD Antw StSekr Chory BMJFFG . 7076A, 7077 C ZusFr Reimann SPD 7076B, 7077 C ZusFr Dr. Klejdzinski SPD . . 7076C, 7077 D ZusFr Michels CDU/CSU 7076 D ZusFr Eigen CDU/CSU 7077 A ZusFr Dr. de With SPD 7077 B ZusFr Dr. Emmerlich SPD 7078 A ZusFr Schmidt (Salzgitter) SPD 7078 B Gründe für die Auflösung der Generalvertretungen Güterverkehr und Personenverkehr der Bundesbahn in Bamberg MdlAnfr 13, 14 21.10.88 Drs 11/3166 Dr. de With SPD Antw PStSekr Dr. Schulte BMV . 7078C, 7079 A ZusFr Dr. de With SPD 7078D, 7079 A ZusFr Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . 7079 B Entsorgung deutschen Atommülls in der Sowjetunion MdlAnfr 21 21.10.88 Drs 11/3166 Brauer GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU 7079 D ZusFr Brauer GRÜNE 7079 D ZusFr Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 7079 D ZusFr Frau Wollny GRÜNE 7080 A Verbleib der aus bundesdeutschen Atomkraftwerken nach Schweden verbrachten abgebrannten MOX-Brennelemente zur Endlagerung; Widerspruch zum § 9a des Atomgesetzes; Nichteinhaltung der Informationspflicht gegenüber den Behörden MdlAnfr 22, 23 21.10.88 Drs 11/3166 Frau Wollny GRÜNE Antw PStSekr Gröbl BMU . . . 7080B, 7081A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 V ZusFr Frau Wollny GRÜNE . . . 7080B, 7081 A ZusFr Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 7080 C ZusFr Brauer GRÜNE 7080 D Nichterwähnung des Verzichts der Sowjetunion auf den Bau kommerzieller Wiederaufarbeitungsanlagen im Bericht über die Reise von Vertretern des Bundesministeriums für Forschung und Technologie in die UdSSR im Juni 1988; Entsorgungskonzept der UdSSR für Atommüll MdlAnfr 28 21.10.88 Drs 11/3166 Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE Antw PStSekr Dr. Probst BMFT 7081 B ZusFr Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE 7081 C Nächste Sitzung 7157 D Berichtigung 7157 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 7159* A Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Punkt 16 der Tagesordnung (Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Untersuchungshaft) 7159* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 7021 103. Sitzung Bonn, den 27. Oktober 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 100. Sitzung, Seite 6883 C: Beim endgültigen Ergebnis ist unter „nein" statt „269" „271" und unter „ungültig" statt „3" „1" zu lesen. Auf Seite 6884 sind unter „Nein" bei der SPD die Namen „Pauli" und „Pfuhl" einzufügen. Die Berichtigung in der 102. Sitzung, Seite 7019, entfällt. Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 28. 10. Dr. Ahrens ** 27. 10. Frau Beck-Oberdorf 28. 10. Dr. von Bülow 28. 10. Frau Dempwolf 28. 10. Dr. Dregger 27. 10. Frau Garbe 28. 10. Dr. Geißler 28. 10. Dr. Glotz 28. 10. Dr. Hauff 28. 10. Freiherr Heereman von Zuydtwyck 28. 10. Dr. Kappes 28. 10. Frau Karwatzki 27. 10. Dr. Kohl 27. 10. Dr. Kreile 28. 10. Leonhart 28. 10. Frau Dr. Martiny-Glotz 28. 10. Meyer 27. 10. Dr. Mitzscherling 28. 10. Dr. Müller * 28. 10. Frau Pack * 28. 10. Paintner 28. 10. Peter (Kassel) 28. 10. Pfeifer 28. 10. Repnick 28. 10. Reuschenbach 28. 10. Frau Rock 28. 10. Rühe 27. 10. von Schmude 28. 10. Frau Schoppe 28. 10. Dr. Soell * 28. 10. Dr. Stavenhagen 28. 10. Frau Steinhauer 28. 10. Frau Dr. Timm 28. 10. Frau Trenz 28. 10. von der Wiesche 28. 10. Wissmann 28. 10. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Zu Protokoll gegebene Reden zum Punkt 16 der Tagesordnung (Erste Beratung des von der Fraktion DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Untersuchungshaft)*) : Frau Nickels (GRÜNE): Ich will mich bei der Erläuterung unseres Entwurfs hier auf zwei wesentliche *) Rede des Abg. Marschewski wird im Stenographischen Bericht über die 104. Sitzung als Anlage abgedruckt. Anlagen zum Stenographischen Bericht Punkte beschränken und die Beratung der Einzelheiten den Ausschüssen überlassen: Erstens. Wissen Sie eigentlich, daß Jugendliche und Heranwachsende immer noch schneller und häufiger als Erwachsene in unsere Gefängnisse eingesperrt werden, weil sie einer Straftat verdächtig sind? Ist Ihnen bekannt, daß diese jungen Leute durchschnittlich immerhin fast drei Monate - und häufig ja zum ersten Mal in ihrem Leben - dort verbringen müssen, bevor es dann endlich zur Gerichtsverhandlung oder auch zur Entlassung kommt? Übrigens, liebe Kollegen und Kolleginnen von der SPD, in den von Ihren Parteifreunden regierten Bundesländern liegen diese Zahlen bedauerlicherweise zum Teil noch erheblich höher als in den anderen: in Nordrhein-Westfalen bei durchschnittlich 3,2 Monaten, und im Saarland gar bei über 5 Monaten! Um so bedauerlicher ist es für mich, daß Sie in Ihrem U-HaftEntwurf, den wir hier im März dieses Jahres debattiert haben, keinerlei Anstalten gemacht haben, diesen - auch und vor allem in Ihren Ländern zu beobachtenden - Mißstand zu mildern, sondern mit einem Satz vertrauensvoll auf entsprechende Entwürfe des Hauses Engelhard warten. Daß wir hierauf sehr lange werden warten müssen, zeigt z. B. der Umstand, daß dort bereits 1983 ein Referentenentwurf zum JGG gebastelt wurde, der anschließend von den Verbänden derart verrissen wurde, daß man vor einem Jahr dann eine runderneuerte Fassung vorlegte. Währenddessen „fahren" weiterhin etwa 5 000 Jugendliche und Heranwachsende pro Jahr „ein" (wie viele von ihnen es wohl im mittlerweile gewohnten Knastjargon ausdrücken) und warten auf ihren Prozeß. Dieser ergibt dann eine Jugendstrafe, aber in nur der Hälfte aller Fälle, die vollstreckt - und nicht zur Bewährung ausgesetzt - wird. Was heißt das für den Jugendlichen? Es bedeutet, daß er/sie (Mädchen sind selten) in vielen Fällen nur einmal, aber gründlich mit dem Gefängnis in all seiner Härte und mit all seinen subkulturellen Erscheinungen in Berührung kommt und das als Unschuldige/r. Denn als solcher hat er nach unserer Verfassung bis zur rechtskräftigen Verurteilung zu gelten, auch wenn viele Jugendrichter sich über diesen Grundsatz hinwegsetzen und sogenannte apokryphe Haftgründe konstruieren, weil sie meinen, die U-Haft sei als Erziehungsmaßnahme und „Schuß vor den Bug" auch ohne Haftgrund - also Flucht- oder Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr - gerechtfertigt. Im Gefängnis - und da sind sich alle Fachleute einig - lernt er dann die Verhaltensweisen, die im subkulturellen Milieu gefragt und ihm bisher noch nicht bekannt sind, ideale Voraussetzungen für den Beginn bzw. die Intensivierung einer kriminellen Karriere. So überrascht es auch nicht, daß die Rückfallrate bei Jugendlichen ca. 70 % beträgt. Weswegen sitzen diese immerhin verdächtigen, aber, wie gesagt, als unschuldig zu gelten habenden Jugendlichen und Heranwachsenden in U-Haft? Was sind es für „schwere Delikte", die dem Verfassungs- 7160* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 grundsatz Rechnung tragen, der besagt, daß besonders die U-Haft immer verhältnismäßig sein muß? Verdienstvollerweise haben wir ja das aktuelle Gutachten von Professor Pfeiffer zu dieser Frage vorliegen (im Auftrag von Frau Süssmuth erstellt), und da erfahren wir zu meinem Staunen, daß weit über die Hälfte aller Anlässe für Untersuchungshaft nicht etwa die schweren Gewalttaten oder Raub, sondern Diebstahlsdelikte sind! Wer sich all dies vor Augen führt und weiß, wie monoton und stur Untersuchungshaft auch gegenüber Jugendlichen vollzogen wird, darf sich nicht wundern, daß Selbstmorde von Jugendlichen in deren Verzweiflung über die plötzliche Haft immer wieder vorkommen. Wir meinen deshalb, daß auf Untersuchungshaft gegenüber Jugendlichen ganz verzichtet werden muß und notfalls andere Wege eingeschlagen werden sollten, um ihre Anwesenheit in der Hauptverhandlung — und nur darum geht es in erster Linie — sicherzustellen. Wir haben dazu einen dezidierten Vorschlag gemacht, der auf die in einzelnen Bundesländern schon jetzt geübte Praxis hinweist, Jugendliche nach §§ 71 und 72 JGG in Erziehungsheimen unterzubringen, wenn es gar nicht anders geht. Daß es anders geht, würde sich herausstellen, wenn unser Entwurf insgesamt — und der jugendpolitische Aspekt stellt ja nur einen, wenn auch wichtigen Teil unseres Gesamtkonzeptes zur Reform der Untersuchungshaft dar — hier eine Mehrheit finden würde. Und damit bin ich bei Punkt zwei meines Beitrags: In der Bundesrepublik ist die Chance für den Bürger/ die Bürgerin, schnell verhaftet und lange eingesperrt zu werden, immer noch sehr groß. Diese unter Fachleuten allgemein verbreitete Feststellung hat zahlreiche Ursachen, die wir mit unserem Entwurf angehen, z. B.: Die Voraussetzungen für die Annahme von Fluchtgefahr werden enger gefaßt. Untersuchungshaft darf nur noch ab einer Strafhöhe verhängt werden, die nicht mehr zur Bewährung aussetzbar wäre (also zur Zeit nach § 56 StGB zwei Jahre). Der Haftgrund der Wiederholungsgefahr muß eingeschränkt und nicht wie auch die SPD es vorschlägt, ausgeweitet werden (§ 112a). Wichtig auch und durch empirische Untersuchungen als geeignete Maßnahme zur Einschränkung belegt: Die notwendige Verteidigung „von Anfang an", d. h. sobald Freiheitsentzug im Raum steht, sollte endlich eingeführt werden. Wirklich zurückdrängen läßt sich die Untersuchungshaft hierzulande aber nur, wenn sie unter dem Damoklesschwert der absoluten Höchstdauer steht. Nach Ablauf einer bestimmten Frist — wir haben in Anlehnung an die geltende Sechsmonatsfrist, nach der eine weitere Haft nur durch das OLG angeordnet werden kann, sechs Monate vorgeschlagen — muß der/die Beschuldigte auf freien Fuß gesetzt werden, wenn die Hauptverhandlung bis dahin noch nicht begonnen hat. Der Deutsche Anwaltsverein fordert ebenso eine absolute Höchstdauer von sechs Monaten, allerdings nur bis zur Anklageerhebung. Hier werden die Beratungen sicher interessant werden. Funke (FDP): Nachdem wir bereits im Frühjahr über den Gesetzesvorschlag der Sozialdemokraten über die Änderung des Rechts der Untersuchungshaft gesprochen haben, liegt heute der Entwurf der GRÜNEN vor, und alsbald wird der Vorschlag der Bundesregierung vorliegen. Dabei haben es die Oppositionsparteien einfacher als die Bundesregierung, die notwendigerweise ihre Gesetzesvorschläge mit den Bundesländern abstimmen muß, weil diese auch die Durchführung aller Fragen, die mit der Untersuchungshaft zusammenhängen, wahrnehmen müssen. Auf diese Weise kann man sehr schön den Eindruck erwecken, man sei schneller als die Bundesregierung. Ob die Vorschläge jedoch durchdachter und im Ergebnis sinnvoller sind, wird sich bei den anschließenden Beratungen in den Ausschüssen noch herausstellen. Grundlage des Gesetzentwurfs der GRÜNEN ist die Auffassung, daß in der Bundesrepublik zu schnell, zu viel und zu lange verhaftet werde. Ziel ist demgemäß eine Reduzierung der Untersuchungshaft. Auch wir wollen eine Eindämmung vermeidbarer Untersuchungshaft erreichen, wobei die Betonung sehr wohl auf vermeidbar liegt. Während die GRÜNEN zu diesem Zwecke die Untersuchungshaft gegenüber Jugendlichen gänzlich abschaffen wollen, halten wir dies für unrealistisch — gerade in Hinblick auf jugendliche Gewaltkriminalität. In diesem Zusammenhang weise ich jedoch darauf hin, daß mehr denn je die Länder aufgefordert werden, geeignete Untersuchungshaftanstalten auch für Jugendliche zur Verfügung zu stellen, damit mögliche schädliche Auswirkungen für Jugendliche vermieden werden. Soweit die GRÜNEN vorschlagen, daß nur dann Untersuchungshaft angeordnet werden kann, wenn für die vollstreckbare Freiheitsstrafe mehr als zwei Jahre Freiheitsentzug zu erwarten sind, halte ich diese Vorstellung für ebenfalls unrealistisch, weil in einem frühen Ermittlungsstadium darüber spekuliert werden müßte, welche Strafe später in der Hauptverhandlung verhängt werden wird. Im Ermittlungsstadium ist dieses überhaupt nicht absehbar. Dasselbe gilt für den Tatbestand der Fluchtgefahr. Darauf abzustellen, daß konkrete Anstalten zur Flucht getroffen werden, ist — gerade im Bereich von Wirtschaftskriminellen, die ansonsten von den GRÜNEN, im übrigen zu Recht, gegeißelt werden — eine geradezu naive Vorstellung. Der Vorschlag selbständiger Ersatzmaßnahmen an Stelle eines Haftbefehls scheint mir in der Praxis zu zweifelhaften Ergebnissen zu führen. Die Gefahr, daß in Zukunft Ersatzmaßnahmen auch dann angeordnet werden, wenn nicht die Voraussetzungen eines Haftbefehls gegeben sind, sind nicht von der Hand zu weisen. Die obligatorische Haftprüfung bereits nach 14 Tagen führt zu einer erheblichen Belastung der Strafjustiz. Dabei haben die GRÜNEN offenbar übersehen, daß die Beschuldigten bereits heute Anspruch auf Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 7161* Haftprüfung auf Antrag haben. Dasselbe gilt für die Forderung der GRÜNEN, eine Haftprüfung durch das OLG bereits nach drei Monaten vorzuschreiben, d. h. in einem häufig relativ frühen Ermittlungsstadium. Die vorgesehene absolute Höchstfrist in der Untersuchungshaft wird von uns abgelehnt, denn die Dauer der Untersuchungshaft muß die Gegebenheiten des jeweiligen Einzelfalles berücksichtigen. Dies gilt insbesondere in Fällen schwerster Kriminalität. Sowohl der Antrag der SPD vom Frühjahr dieses Jahres als auch der jetzt vorliegende Entwurf der GRÜNEN werden als gutes Material mit dafür dienen, wenn der Regierungsentwurf in den nächsten Monaten vorgelegt wird. Wir begrüßen das Ziel, die Fälle der Untersuchungshaft zu beschränken, müssen dieses Bedürfnis aber auch an dem Grundsatz eines geordneten Strafverfahrens und der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege messen. Diesen Grundsätzen trägt der Entwurf der GRÜNEN nicht ausreichend Rechnung. Dr. de With (SPD) : Wird zuviel verhaftet, diskreditiert das nicht nur das Gewaltmonopol des Staates, führt es nicht nur mit Recht zum Verdruß am Staat. Es geschieht tiefgreifendes Unrecht gegenüber dem Bürger, der sich nur im nachhinein wehren kann und oft den zugefügten Makel kaum abzustreifen in der Lage ist. Wird zu wenig verhaftet, kann sich möglicherweise eine ganze Anzahl von Straftätern dem Strafverfahren entziehen. Auch dies schadet dem Staat, führt zum Verdruß, läßt an der Richtigkeit des Gewaltmonopols des Staates zweifeln und führt zu Ungerechtigkeiten: „Den hängt man, die läßt man laufen." Individuelles Unrecht geschieht jedoch nicht, allerdings eine als allgemein empfundene Ungerechtigkeit. Deshalb steckt in dem Wort Wahrheit: „Lieber zehn schuldig laufen lassen, als einen unschuldig in Haft nehmen. " Deshalb bezeichnet der Bundesgerichtshof mit Recht die Untersuchungshaft als ein „Sonderopfer für die Allgemeinheit" . Wenn aus diesen Gründen von Zeit zu Zeit unsere Bestimmungen über die Untersuchungshaft überprüft werden, verbietet sich daran grundsätzliche Kritik, jedenfalls in einer Demokratie, die den Menschenrechten in besonderer Weise verpflichtet ist. Dies gilt erst recht, wenn auf Grund sorgfältiger Untersuchung deutlich Defizite des geltenden Rechts zutage getreten sind. Wenn die Hälfte derjenigen, die in Untersuchungshaft geraten sind, ihre Strafe zur Bewährung ausgesetzt erhalten, wenn noch immer bei Bagatellfällen formularhaft Untersuchungshaft verhängt wird und wenn die langjährige Untersuchungshaft nur sehr langsam zurückgedrängt werden kann, dann kann das Schlagwort, noch immer werde zu oft und zu viel verhaftet, nicht einfach weggewischt werden. Und wen rühren nicht die Selbstmorde Jugendlicher in Untersuchungshaft? Die SPD hat ihren Entwurf am 11. August 1987 vorgelegt. Die GRÜNEN sind am 21. April 1988 gefolgt. Diesen Entwurf beraten wir heute. Zu fragen ist: Wo bleibt der Entwurf der Bundesregierung? Am 11. März 1988 hat der Bundesminister der Justiz hier im Deutschen Bundestag aus Anlaß der ersten Lesung des SPD-Entwurfs noch verkündet: Ich sage nur: Es wird in aller Kürze seitens der Bundesregierung ein sehr fundierter und abgerundeter Entwurf vorgelegt werden, der dann alles, aber auch alles und insbesondere auch das, was wir in den Gesprächen mit den Ländern an zusätzlichem Wissen und an Kenntnissen erhalten haben, einbezieht. Herausgekommen war am 21. April 1988 nur ein „Diskussionsentwurf", der offenbar an besonders Auserwählte versandt wurde. Der Deutsche Anwaltsverein hat hierzu in seiner Stellungnahme kurz und bündig gesagt: „Der vorliegende Entwurf ist unbrauchbar". Denn im Grunde hatte der Bundesminister der Justiz nur die Rechtsprechung ins Gesetz geschrieben. Seitdem ist eine Menge Wasser den Rhein hinuntergeflossen, und es hat sich nichts getan. Der Minister hat angekündigt, wieder einmal. Wir warten auf das Wunder. Die GRÜNEN gehen mit ihrer Vorlage zum Teil den Weg der SPD. Auch sie wollen weiter eingrenzen und mehr präzisieren. Die GRÜNEN überziehen jedoch zum Teil. Die generelle Abschaffung der Untersuchungshaft für Jugendliche zugunsten eines Unterbringungsbefehls zum Zwecke der Unterbringung in einem Erziehungsheim ist keine Lösung: Wir fürchten, daß damit die alte Untersuchungshaft nur ein anderes Etikett erhält. Wir sollten den Mut haben, ernsthaft zu prüfen, ob bis zum Alter von 16 Jahren bzw. unterhalb der Ebene des Verbrechens überhaupt noch eine Festnahme in Betracht kommen darf und ob hier nicht im übrigen eine völlig neue Form der Sicherstellung des Täters bis zur Hauptverhandlung eingeführt werden sollte. Die GRÜNEN wollen ferner bei Mord, Totschlag, Völkermord und Herbeiführung einer Sprengstoffexplosion den bisherigen erleichterten Haftgrund ganz entfallen lassen. Wir meinen, es reicht eine Einschränkung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts. Beim Haftgrund der Wiederholungsgefahr lassen die GRÜNEN die Vermögensdelikte als Anknüpfungstatbestand entfallen. Sie sagen hierzu — man höre und staune — : „Setzt man dazu die Wandlungen in der öffentlichen Meinung wie auch im Verfassungsrecht in Beziehung, so nimmt sich der strafrechtliche Schutz von Eigentum und Vermögen wie ein Fossil aus. " Das können wir nicht nachvollziehen. Wohnungseinbrüche und Räubereien sind wahrhaftig kein Pappenstiel. Hier muß auch bei der Strafverfolgung mehr geschehen. Der Vorschlag schließlich, die grundsätzliche Beschränkung der Untersuchungshaft von sechs Monaten auf drei Monate zu kürzen, erscheint im Hinblick auf die steigende Zahl von Weiße-Kragen-Tätern nicht realistisch. Wir sind den Weg über eine weitere Einengung der Untersuchungshaft bis zu einem Jahr 7162* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988 gegangen. Gleichwohl räume ich ein, daß hier weitergedacht werden muß. Dem Bundesminister der Justiz wünsche ich mehr Biß, den GRÜNEN mehr Ausgewogenheit, uns allen bald Bestimmungen, die die Untersuchungshaft ohne Einschränkung der Strafverfolgung weiter vermindern und einschränken. Engelhard, Bundesminister der Justiz: Die Diskussion zur Reform der Untersuchungshaft ist mit dem vorliegenden Entwurf um weitere und, um es gleich zu sagen, äußerst problematische Vorschläge angereichert worden. Alle diese Vorschläge verfolgen das Ziel, die Untersuchungshaft auf das unerläßliche Maß zu beschränken, weil sie schwerste Eingriffe in die Freiheit der Betroffenen mit sich bringt. Sosehr ich diese Bemühungen begrüße, sie dürfen nicht dazu führen, die Untersuchungshaft um jeden Preis zu beschränken. Die Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege muß auf jeden Fall erhalten bleiben. Den richtigen Weg kann hier nur eine umfassende Abwägung der widerstreitenden Interessen weisen. Und da habe ich, um es sehr freundlich zu sagen, große Zweifel, ob die Vorschläge der GRÜNEN zu einem ausgewogenen Ergebnis kommen. Um nur ein Beispiel zu nennen: Untersuchungshaft gegen Erwachsene soll überhaupt nur zulässig sein, wenn eine so hohe Freiheitsstrafe zu erwarten ist, daß sie nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden kann. In allen Fällen, in denen höchstens die in § 56 Abs. 2 StGB benannte zweijährige Freiheitsstrafe verhängt werden könnte, dürfte also keine Untersuchungshaft angeordnet werden. Das geht zu weit: Die Untersuchungshaft könnte damit auch dort ihre Bedeutung verlieren, wo sie für eine funktionierende Strafrechtspflege unabdingbar ist. Auch von zahlreichen anderen Vorschlägen des Entwurfs befürchte ich, daß sie einem geordneten Strafverfahren im Wege stehen könnten. In dem sensiblen Bereich der Untersuchungshaft dürfen nicht Glaube und Überzeugung, mögen sie auch von noch so guten Absichten getragen sein, eine sorgfältige Bewertung ersetzen. Ich habe deshalb durch die Universität Göttingen eine Untersuchung durchführen und auf dieser Grundlage durch mein Haus einen Gesetzesvorschlag erarbeiten lassen. Die Arbeiten, die auch die Stellungnahmen der Länder und der Fachverbände berücksichtigen, sind bereits weit fortgeschritten. Ich werde daher schon in nächster Zeit einen fundierten und abgerundeten Entwurf vorlegen können. Im Gegensatz zu anderen Vorschlägen wird er sich auf praxisbezogene, durchsetzbare Schwerpunkte konzentrieren, die die Untersuchungshaft so weit wie möglich eindämmen sollen. Ich kann hier nur wiederholen, worauf ich schon früher hingewiesen habe: Ein solches Vorgehen läßt sich nur mit Augenmaß und Sorgfalt bewältigen. Worauf es ankommt, ist eine solide Weiterarbeit an dem Reformvorhaben. Das sollten wir im Auge behalten und uns nicht in immer neue Einfälle versteigen, die unser gemeinsames Anliegen am Ende nicht voranbringen.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nach eingehenden Anhörungen und Beratungen hat die Enquete-Kommission des Bundestages „Gefahren von AIDS und wirksame Wege zu ihrer Eindämmung" ihren Zwischenbericht vorgelegt. Ich möchte zu Beginn insbesondere dem Vorsitzenden und allen Mitgliedern, auch denen, die zu den Anhörungen gekommen sind, ganz herzlich danken. Denn aus meiner Sicht hat gerade die Tätigkeit der Enquete-Kommission entscheidend dazu beigetragen, daß wir einen Weg der Vernunft und der Menschlichkeit gehen und, wie ich hoffe, auch weiterhin gehen werden.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU und der SPD)

    Daß die Meinungen aufeinanderprallen, daß sie auch heute wieder unterschiedlich sind, wird uns auch in Zukunft begleiten. Denn ich gehe nicht davon aus, daß bei aller Annäherung Übereinstimmung in allen Teilen herrscht. Entscheidend ist aber — lassen Sie mich das von dieser Stelle aus sagen — , daß wir miteinander im Gespräch bleiben. Denn wir sind nur dann in der Lage, uns im menschlichen Kampf gegen AIDS zu bewähren, wenn wir uns auch als Politiker in den Kommissionen bewähren. Sonst wird alles überflüssig, was wir draußen sagen und selbst nicht einhalten. Deswegen ist dies meine Bitte.
    7058 Deutschei Bundestag — 11. Wahlperiode — 103. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. Oktober 1988
    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    Ich bin nicht nur für das dankbar, was Sie als Bestätigung bringen, sondern auch für das, was Sie kritisch äußern. Ihr mehrfach ausgesprochener Gedanke des Lernens gilt gerade auch für die Regierung. Wir befinden uns im AIDSBereich in einem ständigen Lernprozeß. Dabei möchte ich allerdings auch an den Anfang stellen, was in der Bundesrepublik Entscheidendes erreicht worden ist. Ich sehe es nicht einseitig negativ und möchte mit dem Positiven beginnen.
    Als wir mit der AIDSAufklärung anfingen, stellte sich ein breiter Strom der Bevölkerung gegen das, was wir in Regierung und Fraktionen taten. Dies hat sich nach intensiver Aufklärungsarbeit nach einem halben Jahr bereits entscheidend verändert. Heute wird in der Bundesrepublik dieses Thema anders behandelt. Das sehe ich als Positivum an.
    Ich sehe zweitens als Positivum an, daß die Daten, die uns heute zur Verfügung stehen, zeigen, daß wir im Vergleich zu Ländern in unserer Nachbarschaft eine geringere Rate an Neuinfektionen haben. Das zeigt auch der jüngste Bericht innerhalb der EG-Staaten und der WHO-Staaten. Das zeigen auch die uns zugänglichen Zahlen über die Laborberichtspflicht. Diese Zahlen umfassen die Neuinfektionsraten — soweit uns dort überhaupt Zahlen vorliegen — bei den intravenös Drogenabhängigen. Ich denke, das sind wichtige Daten.
    Das kann nicht dazu veranlassen, zu sagen, wir könnten hier in irgendeiner Weise Entwarnung geben. Wir haben ganz im Gegenteil die Gefahr, daß bei Überaufklärung, d. h. bei einem Zuviel, oder bei einem falschen Zugang die Abstumpfung immer wieder das Problem ist, das uns entgegentritt. Wir sind auch noch nicht in allen Bereichen mit der Botschaft durchgedrungen: AIDS geht alle an. Es bleibt immer noch die Gegenantwort: Aber mich geht es nicht an; ich lebe doch ganz normal.
    Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang folgendes sagen. Sie haben uns in den Zielen bestätigt: Unsere Aufgabe ist es, Neuinfektionen zu verhindern, Infizierte und Kranke zu unterstützen und zu betreuen, Panik und Hysterie in unserer Bevölkerung zu vermeiden sowie ein solidarisches Klima zu schaffen, in dem Gesunde und Kranke miteinander statt gegeneinander leben. Lassen Sie mich gerade zu dem Punkt AIDS und Gesellschaft das wiederholen, was ich eben schon gesagt habe.
    Den Dank, den ich der Enquete-Kommission schulde, möchte ich gerade auf jene medizinischen Forscher ausdehnen, die sich über das Gebiet der Medizin hinaus gesellschaftlich eingelassen und engagiert haben, um gesellschaftliche Folgen dieser Krankheit mit harten Konsequenzen für den einzelnen zu vermeiden. Denn das ist weit mehr als ein medizinisches Problem. Die Forschung hat Hochkonjunktur. Wir brauchen sie auch. Aber wir müssen uns sehr wohl im klaren sein, daß wir nach heutigem Erkenntnisstand noch auf Jahre hinaus nicht sagen können, wie wir dieser Krankheit per Impfstoff vorbeugend oder per Kausaltherapie heilend begegnen können. Deswegen sind wir aufgefordert, auf dem Weg der Prävention fortzuschreiten und dort Gutes fortzusetzen, Mangelhaftes zu verbessern.
    Lassen Sie mich des weiteren ein Wort zu der, auch von Ihnen, Frau Conrad, kritisierten Prävention sagen. Ich hoffe, daß wir darin übereinstimmen, daß der Mensch mehr braucht als technische Anleitung.

    (Frau Conrad [SPD]: Absolut!)

    Wenn wir das vorausschicken, können wir mit den für Jugendliche und Erwachsene komplizierten Fragen: Könnte sich mein Partner irgendwo anders infiziert haben, welche Vorkontakte hat er gehabt? ein schwieriges psychologisches und auch ethisches Feld angehen.
    Ich möchte aber auch noch einmal in diesem Bundestag — Sie haben es am Beispiel der Bundeswehr angesprochen — um das Nachvollziehen folgender Probleme bitten: Es ist für Aufklärung, die über staatliche Instanzen erfolgt, wahnsinnig schwierig, einen Weg zu gehen, der unwidersprochen bleibt. Wenn ich mir die AIDSAufklärung in den Staaten ansehe, muß ich sagen: Zum heutigen Zeitpunkt wäre es niemals möglich, das gleiche in der Bundesrepublik zu tun. Wir haben es eben mit unterschiedlichen Mentalitäten zu tun. Deswegen können wir nur schrittweise auf dem Weg einer guten Aufklärung in diesem Feld voranschreiten. Wir haben diese Debatte ja seit Jahren. — Das ist das, was ich auch zum Verständnis der Regierungstätigkeit auf diesem Gebiet einfach anführen muß.
    Ich kenne alle diese Verleumdungen, auch weil sie mir selbst passieren, so unlängst wieder aus maßgeblichen Kirchenkreisen, wo gesagt wurde, ich scheute mich nicht, mir ein Kondom überzuhängen, um für Kondome zu werben. Was dieser Unsinn angesichts einer Problematik soll, bei der es wirklich darum geht, daß wir Menschen sagen: Ihr müßt euch schützen, und daß zu diesem Schutz sehr unterschiedliche Verhaltensweisen gehören, das Miteinander sprechen, auch die Frage: Gehen wir beide zum Test?, weiß ich nicht. Ich finde, es wäre das Verhängnisvollste, was wir machen könnten, den freiwilligen Test dadurch zu boykottieren, daß wir sagten: Laßt das!

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Das ist leider so!)

    Es geht hier nicht um ein statistisches Problem, sondern es geht auch darum — auch ich habe eine Anzeige zurücknehmen müssen, Herr Eimer — , daß wir das immer mit dem wichtigen Teil der Beratung verbinden. Wenn die Beratung fehlt, ist es verhängnisvoll;

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Völlig richtig!)

    denn es ist eben nicht wie bei der Information über irgendeine andere Krankheit. AIDS ist eine andere Art von Krankheit, auch mit Ausgrenzungen verbunden. Das ist mein Hauptproblem. Es wird auch die Enquete-Kommission beschäftigen, in welcher Weise es uns gelingt, Ausgrenzungen entgegenzuwirken.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)

    Deshalb ist die Beratung vorher und nachher ganz entscheidend.
    Es ist uns nicht gelungen — das möchte ich hier sagen — , dort, wo AIDS die Menschen hautnah betrifft, schon durchgängig bessere Verhaltensweisen zu bewirken, angefangen bei der Pflegebereitschaft



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    bis hin zum Miteinanderwohnen, dem Hautnahbeisichhaben dieser Menschen. In all diesen Bereichen ist noch eine Menge zu tun. Das gilt auch im Hinblick auf zügige Hilfen über unsere Sozialbehörden. Oft warten die Betroffenen monatelang, bis sie die Bescheinigung haben, um dann Sozialhilfe in Anspruch nehmen zu können. Ich denke, hier sollten wir gemeinsam weiterarbeiten.
    Viele der Anregungen, die Sie gegeben haben, sind im Feld der medizinischen Forschung schon aufgenommen. Dies gilt auch für die Bereiche „AIDS und Frauen", „Behinderte". Ich bin zur Zeit dabei, mit Blick auf eine Verstärkung des Drogen-Programms zu prüfen, wie wir Methadon verantwortlich handhaben können; denn wir haben bereits eine unterschiedliche Praxis in den Ländern.
    Abschließend danke ich noch einmal und wünsche, daß die Phase bis zu ihrem Endbericht von Lern- und Dialogbereitschaft und von Hilfen bestimmt sein wird, die wir gegenseitig brauchen, um diesen Kampf gut bestehen zu können.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und der SPD)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Großmann.

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    Rede von Achim Großmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich will vorweg ein paar Worte zu der Testproblematik sagen, die wir sicherlich heute nicht ausdiskutieren können. Herr Eimer hat sie ausführlich angesprochen, und ich meine, es wären dazu zwei Zitate nachzuliefern, die die Positionen, einmal das Mehrheitsvotum und dann auch die Ergänzung durch einige Abgeordnete, noch einmal klarmachen. Da heißt es im Mehrheitsvotum im Bericht — ich zitiere — : „Das legt einen eher vorsichtigen, in jedem Falle aber bedachtsamen Umgang mit dem HIV-Antikörpertest nahe. " Wir haben dann zusätzlich formuliert, um auch die Zeitvariante hineinzubringen, um auch mehr darüber zu sagen, zu welchem Zeitpunkt wir diese Aussage machen:
    Solange es keine kontrollierte, geprüft wirksame und sichere medizinische Intervention in der Phase der Symptomlosigkeit gibt, mit der der Ausbruch der Krankheit im Einzelfall unwahrscheinlicher oder der Zeitpunkt hinausgeschoben wird, gibt es auch keine allgemeingültige individualmedizinische Indikation für den HIV-Antikörpertest im Sinne einer Früherkennung zur Frühbehandlung .. .
    Ich denke, es ist wichtig, das noch einmal zu sagen, weil daraus hervorgeht, daß nicht das Instrument des Testes insgesamt verteufelt oder in Frage gestellt werden soll, sondern er muß genau plaziert werden in die Arbeit, in die Aufklärung, in die Beratung, in die Erkennung. Zum jetzigen Zeitpunkt mit dem Wissensstand, den wir jetzt haben, können wir nicht dazu aufrufen, daß sich möglichst viele testen lassen, sondern es ist ganz wichtig, daß sich jeder einzelne genau
    überlegt und genau beraten wird, wann und ob ein Test angewandt werden soll.

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Da gibt es unterschiedliche Meinungen!)

    Wesentlicher Gradmesser für die Arbeit der Enquete-Kommission und die Bewertung des Zwischenberichts müssen der Einsetzungsbeschluß des Deutschen Bundestages vom 8. Mai 1987 und die darin formulierten Ziele sein. Darin heißt es, daß es Aufgabe der Kommission ist — ich zitiere — , „durch Verbesserung des Informations- und Wissensstandes des Deutschen Bundestages ... seine politischen Beratungen und Entscheidungen vorzubereiten und wissenschaftlich abgesichert zu fundieren". Diese Aufgabenstellung scheint auf den ersten Blick sehr weit gefaßt, ist aber in einer Hinsicht ganz deutlich. Ihrer Definition und diesem Auftrag gemäß kann die Enquete-Kommission nur vorbereitende Arbeit leisten und kann keine politischen Entscheidungen vorwegnehmen.
    Dies hier noch einmal zu unterstreichen, scheint mir wichtig zu sein, da einzelne Mitglieder die Arbeit der Kommission immer wieder behinderten, indem sie sie zu politisieren versuchten, und das hat manchmal doch dazu geführt, daß wir viel Zeit vertan haben.

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Da sind Sie ganz groß gewesen!)

    Anders als in anderen Ländern ist die Diskussion um und über AIDS in der Bundesrepublik lange Zeit sehr emotional geführt worden. Dazu will ich einige Fakten liefern. Die Sensationspresse versuchte mit reißerischen Aufmachern, die Auflagenhöhe zu steigern. In der Politik unterlagen einige der Gefahr, durch harte Maßnahmen, durch undurchdachte Schnellschüsse die Krankheit AIDS geradewegs wegadministrieren zu wollen.
    Schließlich führten mangelnde Information, falsche Information, Sensationsmache und ein Bündel von Angsten und Vorurteilen zu der ersten schlimmen Diskriminierung von Infizierten und AIDS-Kranken. In genau diesem Umfeld wurde der Auftrag der Kommission formuliert, unter diesen Rahmenbedingungen haben wir unsere Arbeit aufgenommen. Hinzu kommt, daß unser Thema in Bereiche führt, die verfestigte Tabus unserer Gesellschaft zentral berühren, vor allem die Sexualität mit ihren vielfältigen Formen und den Tod. Es war klar, daß dies zu Problemen in unserer Arbeit führen würde.
    Die Beschäftigung mit der Krankheit AIDS war und ist für jeden von uns auch die Auseinandersetzung mit eigenen Tabus, mit eigenen Vorurteilen, mit eigenen Ängsten, mit eigener Verdrängung. Das kann zu persönlichen Lernprozessen führen, die Angst vor der Auseinandersetzung kann aber auch zur persönlichen Blockade und damit zur Unfähigkeit führen, die eigenen Tabus zu überwinden. Wir sollten so ehrlich sein, einzugestehen, daß wir beides in der Arbeit erlebt haben.
    Der Zwischenbericht ist in einigen Teilen ein Kompromißpapier — darauf wurde bereits hingewiesen —, aber kein schlechtes, wie ich denke. Er leistet eine erste Bestandsaufnahme, zeigt Handlungs- und Forschungsbedarf auf, dies alles nach sehr vielen An-



    Großmann
    hörungen von internationalen Fachleuten und, was wichtig ist, auf einer breiten interdisziplinären Grundlage. Er ist, schaut man sich die Berichterstattung an, ein guter Bericht, auch von außen so bewertet. Manche haben uns zuviel Detailfreude vorgeworfen, aber ich denke, daß es beser ist, detailliert und fundiert an die Arbeit zu gehen, als oberflächlich und lückenhaft zu arbeiten.
    Dieser Bericht kann und sollte zur Versachlichung der Debatte beitragen. Wer über AIDS redet, muß über Homosexualität, Bisexualität und andere Formen sexuellen Verhaltens reden. Wer über AIDS redet, kann Prostitution, Drogenabhängigkeit, Strafvollzug nicht ausklammern. Es nutzt nichts, sich an der eigenen Vorstellung von einer möglichst heilen Welt zu orientieren. Wer nicht bereits ist, sich mit allen Facetten der Wirklichkeit zu beschäftigen, auch und gerade mit dem, was uns schockiert, was manchen von uns sogar abstößt, was uns angst oder ratlos macht, der kann zur Lösung des Problems nur wenig beitragen.

    (Sehr richtig! bei der FDP)

    Dabei geht es nicht um die Akzeptanz bestimmter Verhaltensweisen in dem Sinn, daß man eigene Werte über Bord wirft. Es geht um das Zurkenntnisnehmen der realen Welt in unserem Land mit all den Gegebenheiten, die wir bei der Bekämpfung von AIDS berücksichtigen müssen. Das sind die gesellschaftlichen Aspekte, die klar im Kommissionsauftrag stehen. Mir geht es darum, das noch einmal klar herauszuarbeiten. Erst auf der Grundlage einer guten Analyse können Vorschläge z. B. zur Prävention gemacht werden.
    Deshalb ist es gut — ich freue mich, daß auch Ministerin Süssmuth darauf hingewiesen hat — , daß gerade das Kapitel „AIDS und Gesellschaft" am Anfang unseres Zwischenberichts steht, weil sich darauf vieles beziehen muß und weil es sich intensiv mit den Prozessen befaßt, die AIDS bei den Betroffenen, im Freundes- und Familienkreis, aber auch gesamtgesellschaftlich auslöst.
    Weitere Kapitel tragen — das ist schon erwähnt worden — die Überschrift „Das Krankheitsbild von AIDS", „Übertragungswege aus heutiger Sicht", „Epidemiologie", „Primärprävention" und „Prävention bei intravenös Drogenabhängigen".
    Fast 100 Vorschläge hat die Kommission zu diesen verschiedenen Bereichen erarbeitet. Da wird es dann auch spannend; denn diese Vorschläge müssen von der Bundesregierung und vom Bundestag beraten und umgesetzt werden, und zwar möglichst zügig. Ich denke, wir sind uns alle darin einig, daß wir dabei keine Zeit zu verlieren haben.
    Die bisherigen Erfahrungen stimmen mich ein bißchen skeptisch. Präventionskampagnen — darüber ist bereits gesprochen worden — starten spät und gehen oft an Zielgruppen vorbei. Es ist halt die Frage, ob das Bundesamt für gesundheitliche Aufklärung oder eine Serie der „Lindenstraße" mehr bewirkt. Ich denke, wir müssen weiter darüber nachdenken, wie wir die Präventions- und Aufklärungsarbeit ständig verbessern können.
    Mir fallen noch einige andere Beispiele ein. Ich denke z. B. an die beiden Broschüren, die herausgegeben worden sind. Auf der einen steht vorne drauf, daß es um AIDS geht. Auf der zweiten Broschüre steht — wir als Kommissionsmitglieder müßten ja sehr froh darüber sein — : „Was jeder über den HIV-Antikörpertest wissen sollte." Nur, wer weiß in der Normalbevölkerung — sage ich jetzt einmal — , daß der Test, mit dem man seine Infektion erfahren kann, „HIVAntikörpertest" heißt? Es wäre ganz gut, schon auf der Titelseite in irgendeiner Form darauf aufmerksam zu machen, daß es ein Heft ist, das Aufklärung über AIDS leistet.
    Oder ich denke an Berichte in den Zeitungen der letzten Tage, nach denen ein Programm, AIDS-Aufklärung in Diskotheken, zu betreiben — ich zitiere aus der „Aachener Volkszeitung" — , „monatelang in der Bürokratie steckenblieb". Ich weiß nicht, ob das so korrekt ist oder nicht. Aber man sieht daran: Es gibt, gerade was die Prävention anbetrifft, eine ganze Menge Ungereimtheiten. Es fragt sich, ob das eine Mentalitätsfrage unserer Bevölkerung oder unserer Bürokratie ist. Ich meine, wir sollten versuchen, möglichst vorne zu sein, wenn es um Präventionsstrategien und Aufklärung geht. Es gibt genug Modelle in anderen Ländern, wo wir — ich sage es einmal ein bißchen flapsig — abkupfern können und die wir auch auf unser Land übertragen können.
    Es dauert noch zu lange, bis Forschungsprojekte grünes Licht erhalten. Wir haben sicherlich Gelegenheit, im zweiten Bereich, also bis zum Endbericht gerade über das Thema Forschung noch weiter zu sprechen.
    AIDS-Hilfen und andere Beratungs- und Betreuungsdienste leiden unter dem Kompetenzgerangel zwischen Bund, Arbeitsamt und Ländern, ich denke nur an die Diskussion, die wir über die Frage führen mußten, ob ABM-Kräfte in AIDS-Hilfen arbeiten dürfen oder nicht. Ich denke, bei diesem Gerangel wird sehr viel Energie und Zeit verschwendet, die wir fruchtbringender einsetzen könnten. Ich habe auch ein bißchen Angst davor, daß eine regelrechte AIDSBürokratie entsteht. Auch insoweit müssen wir Vorsorge treffen, damit das nicht der Fall sein wird und damit wir möglichst unbürokratisch arbeiten.
    Es ist ja schon verwunderlich, daß man Stiftungen, AIDS-Stiftungen gründen muß, um eben unbürokratische Arbeit leisten zu können, um da zu helfen. Sie haben selber darauf hingewiesen, daß es in Bürokratien teilweise sehr lange dauert, bis Hilfe kommt. Ich denke, daß da viel bewegt werden muß und daß das auch ein Stück Solidarität ist, die wir für die erarbeiten müssen, die infiziert oder von AIDS betroffen sind.
    Ihnen, Frau Süssmuth, wird manchmal die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit vorgeworfen. Wir als SPD sind in der Kommissionsarbeit Kompromisse auch deshalb eingegangen, um Ihren Politikansatz von Aufklärung und Beratung zu stützen — übrigens manchmal gegen Angriffe aus Ihrer eigenen Partei. Wir müssen Ihre Politik jetzt an der Realität messen. Das heißt, unser Appell ist: Helfen Sie mit, daß das, was wir in der Kommission erarbeitet haben, umgesetzt werden kann! Es ist klar, daß ich Sie deshalb auffordere, möglichst unverzüglich an die Arbeit



    Großmann
    zu gehen, die Vorschläge der Kommission in reales Handeln umzusetzen.
    Leider haben Sie heute keine konkreten Aussagen dazu gemacht. Es hätte mich gefreut, wenn wir zu dem Zeitplan auch aus Ihrer Sicht etwas gehört hätten.
    Die Frage wird sein, wie Sie sich gegen Teile der eigenen Partei und — vielleicht — auch noch gegen die CSU durchsetzen. Über Herrn Gauweiler ist schon gesprochen worden; er soll, muß sich jetzt um Gebirgsbäche kümmern.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Keine Ahnung, junger Mann!)

    Ich weiß nicht, ob damit ein Teil des Störfeuers bei Ihrer Arbeit wegfällt. Sie können auf jeden Fall sicher sein, daß wir Ihren Politikansatz in dieser Hinsicht unterstützen.
    Die Kommission hat ihre Arbeit wieder aufgenommen; der Zwischenbericht ist veröffentlicht worden. Ganz wesentliche Kapitel müssen noch erarbeitet werden. Dazu zählen — ich will das einmal plakativ formulieren — die Betreuung und Versorgung der Erkrankten, die Beratung, die Betreuung und Versorgung von symptomlos HIV-Infizierten. Wir müssen uns mit dem Thema „AIDS und Kinder" beschäftigen. Wir werden eine eigene Anhörung zum Thema „AIDS und Frauen" haben. Ein ganz schwieriges und ganz umfangreiches Kapitel wird das Thema „AIDS und Recht" sein.

    (Dr. Voigt [Northeim] [CDU/CSU]: Weiß Gott!)

    Was die Forschung angeht, so habe ich schon gesagt, daß wir da einiges aufarbeiten müssen. Ich zitiere da nur aus einer Stellungnahme des Europäischen Parlaments vom Juli dieses Jahres, in der es heißt — ich zitiere — :
    ... daß es in Europa an einer einheitlichen Strategie zur Finanzierung der Forschungsanstrengungen und der Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen mangelt.
    Man könnte hier noch einige andere Zitate anschließen. Das heißt also: Internationale Zusammenarbeit muß auch hier noch verbessert werden.
    Wir werden über AIDS in anderen Ländern, besonders in der Dritten Welt, sprechen, in denen diese Krankheit ein ziemlich anderes Erscheinungsbild hat. Wir sind gefordert, auch da zu helfen. Man muß z. B. Ärzten, medizinischem Betreuungspersonal dort helfen. Sie sind teilweise furchtbar überfordert, sie haben keine Strategien entwickelt und sind, wie wir es von einigen Ländern gehört haben, gar nicht in der Lage, den Leuten, die infiziert sind, das zu sagen, weil sie nicht wissen, wie es weitergehen soll. Ihre Aufklärungskampagnen scheitern teilweise deshalb, weil keine Ressourcen da sind. Man hat also noch nicht einmal die Möglichkeit, Plakate oder Broschüren zu drucken, ganz abgesehen davon, daß viele die noch nicht einmal lesen könnten. Das heißt also: Wir haben vielfältige Probleme zu lösen oder dabei zu helfen, Probleme in diesen Ländern zu lösen. Man redet zwar so leicht von Dritter Welt, vergißt dabei aber manchmal, daß wir nur eine Welt haben und miteinander Verantwortung tragen.
    Ich würde mir auf jeden Fall wünschen, daß wir aus den Fehlern, die wir gemacht haben, in der Kommissionsarbeit lernen, daß wir Umgang miteinander in größerer Gelassenheit haben,

    (Eimer [Fürth] [FDP]: Sehr gut!)

    daß wir uns besser zuhören, als das manchmal der Fall war. Trotzdem denke ich, daß wir einen guten Zwischenbericht vorgelegt haben. Wir sollten unsere weitere Arbeit nicht durch Probleme gefährden, die wir uns selber schaffen, sondern uns auf das Wesentliche konzentrieren.
    Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)