Rede von
Joachim
Kalisch
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Olms, es ist schon
Deutscher Bundestag — 1 i. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Oktober 1988 6939
Kalisch
zu Straftaten aufrufen und dann hier noch Zwischenrufe machen. Wissen Sie: Eigentlich ist es die Sache nicht wert; denn zu dem Verhalten eines Kollegen, der es nicht einmal für nötig hält, sich bei einer Totenehrung vom Platz zu erheben, meine ich, daß er einen ganz besonders starken Haß auf alles haben muß, was sich hier abspielt. Ich bedaure das sehr.
Der Kollege Wartenberg hat sich hier sehr sachlich eingelassen. Dennoch bin ich ein wenig traurig, daß auch hier parteipolitische Dinge eine Rolle spielen; denn er selber muß wissen, wie es aussieht. Stellen Sie sich vor, daß, wenn die Feuerwehr zu einem brennenden Haus anrückt, die Presse im Wege steht. Da wird die Feuerwehr nicht erst die Presse abfertigen und dann an das Haus heranfahren! Es gibt doch Situationen, meine Damen und Herren, in denen einiges nicht zu vermeiden ist, um die Sicherheit und die Ordnung zu bewahren. Das kann doch kein Mensch leugnen.
In diesem Sinne war die Äußerung des Senators zu verstehen.
Frau Kollegin Sonntag, Demonstrationsfreiheit und Pressefreiheit sind für uns unverzichtbare Grundrechte. Sie sind auch für uns Kernstücke — wie Sie sagen — eines freiheitlich demokratischen Staates. Demonstrationsfreiheit und Pressefreiheit verlangen gerade wegen ihres hohen Wertes eine besonders sensible Behandlung. Das gilt für alle, aber auch wirklich für alle, die an Demonstrationen teilnehmen, sowohl für die, die die Demonstrationen sichern, aber auch für diejenigen, die darüber berichten.
Gerade die Berliner Polizei — ich kann das weiß Gott aus Erfahrung sagen — hat viele Beispiele dafür gegeben, daß sie diese Grundrechte im Einsatz immer gewahrt hat und daß sie diese Grundrechte nicht nur gewahrt, sondern auch verteidigt hat. Demonstranten, die ihr Gesicht maskieren oder gewalttätig gegen Polizei und andere Bürger oder deren Eigentum vorgehen, mißbrauchen diese Grundrechte und schaden der Demokratie.
Nun, zur IWF-Tagung und Weltbank-Tagung. Man stelle sich vor, meine Damen und Herren: Vom 15. bis 30. September gab es ca. 1 000 Veranstaltungen, dazu 80 Gegenveranstaltungen. Man stelle sich vor: wochenlanges Trommelfeuer gegen diese Tagung, wochenlanges Trommelfeuer: „IWF Berlin verhindern", das war die Parole. Es gab noch andere sehr schöne und sehr eindrucksvolle Parolen, indem gesagt wurde: „IWF Mördertreff". Das sind so richtige psychologische Situationen, Frau Olms, die Sie als Abgeordnete des deutschen Volkes geholfen haben mitzuschaffen und durch die Sie den Boden so richtig in Ihrem Sinne zu bereiten versuchen.
Was heißt das aber für diejenigen, die für die öffentliche Sicherheit und Ordnung verantwortlich sind? Das heißt eine umfassende Vorbereitung und Sicherung aller Aktivitäten in dieser Zeit und in der Stadt, das heißt, sich auf alle möglichen Situationen vorzubereiten, das heißt für alle Beteiligten Einsatz rund um die Uhr. Wer könnte — nun frage ich Sie einmal wirklich aus dem vernünftigen Menschenverstand heraus — in einer solchen Situation eine Spannung total ausschließen? Ich habe, soweit es mir zeitlich möglich war, die Berichterstattung verfolgt und dabei festgestellt, daß hier sehr unausgewogen berichtet wurde. Sie haben das ja selbst gesagt, Frau Kollegin Olms: Man sah in der Dunkelheit zwar die hell angestrahlten Polizisten, nicht aber die randalierenden Steinewerfer.
Sie haben sicherlich Phantasie genug, sich in die Psychologie dieser Szenerie hineinzudenken. Aber auch die Resonanz — damit will ich zum Schluß kommen; hier leuchtet schon wieder das Zeichen — vieler Bürger hat gezeigt, daß das Verhalten der Polizei positiv beurteilt worden ist. Ich darf einen ganz kurzen Beitrag zitieren. Es sagt ein Bürger:
Wer vertritt aber eigentlich die Bürger, die ständig durch die vielen Demonstrationen und die damit verbundenen Straßensperrungen in ihren Grundrechten eingeschränkt werden, den Autofahrer, der auf dem Heimweg von der Arbeit im Stau steht oder riesige Umwege in Kauf nehmen muß, den Fußgänger, der seine Einkäufe oder sonstigen Erledigungen nicht durchführen kann oder sonst stark behindert wird?
Zitatende.