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ID1109112400

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    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
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    Rede von Thomas Wüppesahl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (GRÜNE)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Ein fast rechtloser, Herr Fellner.
    Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, Ihnen meinen Sachvortrag hier zu Ohren kommen zu lassen. Ich habe bislang, bei der Erwiderung zur Regierungserklärung z. B., versucht, die gesamte Palette der Innenpolitik abzudecken, wie es Herr Penner vorhin für die SPD getan hat. Ich habe daraus gelernt, daß dieses bei der zur Verfügung stehenden Zeit ein bißchen problematisch ist, und konzentriere mich jetzt nur auf ein einziges Thema, das auch in der eben angeführten Rede ein besonderes Gewicht hatte, nämlich die Drogenproblematik.
    Ich gehe dabei von dem kriminal- und rechtspolitischen Ansatz aus, den ich auf Grund meines Zivilberufes sehr stark in meine parlamentarische Arbeit einbringe, und beginne mit einem Zitat — die Quelle nenne ich Ihnen gleich — :
    Die polizeiliche Kriminalstatistik wird geprägt von den Diebstahlsdelikten, besonders Einbrüche/Aufbrüche in/aus Wohnungen und Kraftfahrzeugen sowie Diebstähle in Geschäften und Sachbeschädigungen.
    Dieses Zitat, meine Damen und Herren, stammt aus dem Bericht des Bundeskriminalamtes vom 15. Dezember 1987 zur Kriminalitätsentwicklung und Situation der Verbrechensbekämpfung in der Bundesrepublik Deutschland.
    Ein zweites Zitat leitet genau zu dem Thema, das ich mir gewählt habe, über:
    Bei Wohnungseinbruch und Diebstahl aus Kfz
    jedoch könnten die besonders günstigen Tatumstände und wachsende Teile von Intensivtä-



    Wüppesahl
    tern, z. B. unter den Drogenabhängigen, vorerst noch einen weiteren Anstieg bewirken.
    Dieses drückt aus, was viele in der Praxis Tätige sowieso längst wissen: Die Kriminalisierung von Drogen und jede weitere Verstärkung der Repression, wie sie von seiten der Bundesregierung sowohl innerhalb unserer Republik als auch international und im besonderen in bezug auf die Harmonisierung des EG-Binnenmarktes ab 1992 werbend betrieben wird, ist nicht bloß kriminalpolitisch ineffizient, rechtspolitisch fragwürdig und bietet gesellschaftspolitisch Einfallstore zur Erteilung von Eingriffsermächtigungen, sondern ist aus ihrer inneren Logik heraus längst kontraproduktiv.
    Das BKA, Herr Zimmermann, schätzt den Anteil der sichergestellten illegalen Drogen auf 7 bis 8 % des Gesamtumschlages. Es geht dabei von gut 50 000 Drogenabhängigen in der Bundesrepublik aus. Da diese Zahl tatsächlich mehr als verdoppelt werden muß, liegt die Erfolgsziffer zwar nicht im Promillebereich des Gesamtumschlages, aber überspringt mit Sicherheit nicht die 5-%-Hürde.
    Trotz gelegentlicher Sicherstellungserfolge kann das Drogenproblem polizeilich nicht entschärft werden. Selbst wenn es gelänge, die sichergestellten Mengen quantitativ zu steigern, würden die Konsumenten, wie gleichfalls überall belegt, so lange auf andere Drogen wie z. B. Kokain und Pharmazeutika umsteigen, wie die Rahmenbedingungen in unserer Gesellschaft Menschen zu der Entscheidung drängen, Drogen zu konsumieren.
    Nichts belegt die Ineffizienz gerade der polizeilichen Arbeit — und damit ist nicht irgendwelche fachliche Inkompetenz der Kollegen draußen gemeint, sondern einfach die Unmöglichkeit, das mit repressiven Mitteln in den Griff zu bekommen — stärker als die aktuelle Situation. Wir haben zur Zeit eine Verdoppelung der sichergestellten und beschlagnahmten Drogen. Gleichzeitig ist der Marktpreis, der eigentlich auf Grund einer solchen Entwicklung steigen müßte, erheblich gesunken. Deutlicher läßt sich das, glaube ich, nicht vermitteln.
    Das Erschrecken über die ungefähre Verdoppelung der Zahl der Drogentoten in den verstrichenen Monaten dieses Jahres basiert auf Unkenntnis: Fast alle starben nicht auf Grund des Gebrauchs von Drogen, sondern weil die Droge, von der sie abhängig sind, kriminalisiert wird und die Rahmenbedingungen, unter denen diese Drogen beschafft und konsumiert werden müssen, den Grund für ihren Tod darstellen.
    Allein aus diesem kriminalpolitischen Ansatz folgt zwingend und wird nicht nur in der Bundesrepublik bestätigt, sondern auch dadurch, daß in den anderen Ländern wie USA und Niederlande tendenziell ähnliche Gedanken verfolgt werden und auch bereits Gesetzeswerke formuliert sind, daß bei der Drogenbekämpfung eine Vorgehensweise mit polizeilichen oder polizeiähnlichen Mitteln — z. B. Zoll — das Problem nicht lösen kann. Provokant oder zugespitzt formuliert können wir sogar behaupten, daß durch den verstärkten Einsatz repressiver Mittel die Drogensituation verschärft worden ist. Das Betäubungsmittelgesetz jedenfalls hat kraß versagt.
    Rechtspolitische Gesichtspunkte: Das im Betäubungsmittelstrafrecht angelegte engmaschige Netz einander überschneidender Begehungsformen mit der Tendenz einer Vorverlagerung der Strafbarkeit durch die Ausgestaltung der Tatbestände sogar als abstrakte Gefährdungsdelikte, die Strafbarkeit des Versuchs, die Normierung von Vorbereitungs- und Teilnahmehandlungen als eigene Tatbestände sowie die Schaffung von Fahrlässigkeitstatbeständen sprechen im Grunde bereits für sich. Sie sprechen für sich in bezug auf das, was auf dem rechtspolitischen Terrain an erkämpften Freiheiten und Grundrechten aufgegeben wird.
    Strafprozessual stellt die sogenannte Bekämpfung der Drogenkriminalität das im klassischen Feld der Politik und (emotional) gesamtgesellschaftlich im höchsten Maße legitimierte Einfallstor für Ausnahmeregelungen, Pilotversuche und sogar Einbrüche in herrschende Rechtsdogmen dar. Das gilt für die erleichterte nächtliche Hausdurchsuchung, eine schnellere Anordnung der Untersuchungshaft mit dem möglichen Haftgrund der Wiederholungsgefahr bei Btm-Delikten, den Einsatz von V-Leuten und Vorfeldermittlungen bis hin zu der nach entsprechender Bearbeitung vom Bundeskriminalamt durch das Haus Engelhard regierungsamtlichen Ankündigung des abenteuerlichen, Hilflosigkeit wiederspiegelnden und bereits jetzt als nahezu wirkungslos zu prognostizierenden Versuchs, die Beweislastumkehr einzuführen.
    So war bei der Schaffung des Betäubungsmittelgesetzes im Jahre 1971 und beispielsweise der Einführung der sogenannten Kronzeugenregelung in § 31 des Betäubungsmittelgesetzes seit Anfang 1982 eine ähnliche Hilflosigkeit bei der Analyse des kriminalisierten Drogenkonsums in unserer Gesellschaft Ursache für die Einführung solcher Eingriffsermächtigungen. Auch damals gingen die Zahl der Drogentoten und die Zahlen in anderen Feldern explosionsartig hoch. In dieser Hilflosigkeit wurden solche abstrusen Mittel kreiert.
    Wurden noch in den 60er Jahren — das ist dann die „Erfolgsbilanz", die Sie in diesem Bereich vorweisen können — durch die Polizei jährlich durchschnittlich unter 1 000 Betäubungsmitteldelikte und Tatverdächtige registriert, so beläuft sich ihre Zahl in den 80er Jahren auf über 50 000.
    Was ist dabei herausgekommen? Ich erwähne das Beispiel des Kronzeugen, Herr Engelhard, ein Rechtsinstitut, das jetzt auch noch in andere Rechtsgebiete übernommen werden soll. In § 31 des Betäubungsmittelgesetzes wird das Ziel verfolgt, die Beweissituation und Ermittlungseffizienz gegenüber anderen Tatbeteiligten oder anderen Betäubungsmittelstraftätern zu verbessern. Aus Gründen strafrechtlicher Effizienz bzw. zwecks Erhaltung der Funktionstüchtigkeit der Strafrechtspflege — was beides nicht gewährleistet werden konnte — sind Verfahrensgrundsätze aufgegeben worden, die ja gerade um der Zähmung dieser Effizienz willen erdacht worden sind.



    Wüppesahl
    Es ist wirklich abenteuerlich, was ein liberaler Justizminister hier alles mitzutragen gewillt scheint.
    Untersuchungen, beispielsweise von M. Jäger ( „Der Kronzeuge unter besonderer Berücksichtigung von § 31 BtmG", 1986), belegen, daß die Regelung des § 31 BtmG in der Praxis eher selten Anwendung findet und daß dann, wenn dies der Fall ist, im wesentlichen nur von der Strafmilderungsmöglichkeit nach § 49 StGB Gebrauch gemacht wird, er insofern also überflüssig ist. Soweit er im Betäubungsmittelbereich Anwendung findet, betrifft es wirklich Klein- und Kleinstdealer, häufig sogar Konsumenten, die noch ausgequetscht werden sollen. Es wird aber nicht das Klientel getroffen, das erreicht werden sollte, nämlich die großen Händler.
    Was geschieht mit den ca. 300 Milliarden US-Dollar-Gewinn pro Jahr, die mit dem Drogengeschäft erwirtschaftet werden? Wodurch werden sie eigentlich ermöglicht?
    Ich stelle ein Zitat aus derselben Studie des BKA voran:
    Umgekehrt sind beim organisierten Verbrechen verstärkte Tendenzen zu beobachten, die gewaltigen illegalen Profite — zum Beispiel aus dem Drogengeschäft — in den legalen Wirtschaftskreislauf einzuschleusen und so zu waschen.
    Meine Damen und Herren, hier steht etwas von Tendenzen. Die Herren vom BKA und diejenigen, die die Studie geschrieben haben, drücken sich vorsichtig aus. Das, was dort als Tendenz beschrieben ist, findet in dieser Gesellschaft statt. Wenn sich hier jemand hingestellt und die Frage gestellt hat, mit wem man sich beim IWF einläßt, dann kann ich nur sagen, daß dieser Staat schon zu erheblichen Teilen von solchen Gruppen getragen wird. Was sich da an Kapital akkumuliert hat, ist gewaltig und hat natürlich einen entsprechenden Einfluß auch auf Ihre Politik hier in Bonn.
    Weltweit werden — ich habe es gesagt — ca. 300 Milliarden US-Dollar Gewinne durch das Geschäft im illegalen Drogenbereich gemacht. Ich behaupte: Unsere Gesetze bewirken diesen Gewinn und überhaupt diese Profitmöglichkeit. Wären die illegalen Drogen über Konzessionen oder Rezepte zu verkaufen oder zu erhalten — ich plädiere nicht einmal für einen solchen Gebrauch, wie er bei Alkohol, Nikotin oder anderen legalen Drogen ermöglicht wird — , so wäre diesen Organisationen der Nährboden entzogen — eine für die meisten von Ihnen bedauerlicherweise noch unakzeptable und nahezu mit einem Denkverbot belegte Möglichkeit.
    Es geht aber noch weiter. Wenn Sie ständig darüber jammern — das ist wirklich ein hilfloses Jammern —, wie wenig man im Bereich der organisierten Kriminalität zuwege bringt, dann nehmen Sie bitte zur Kenntnis, daß genau diese Organisationen, die sich aus solchen handelnden Personen, die im Drogengeschäft tätig sind, zusammensetzen, mit der gleichen bekannten Skrupellosigkeit im Bereich der organisierten Kriminalität und damit in wesentlichen Wirtschaftsbereichen unserer Gesellschaft bereits längst tätig sind! Dies ist keine Theorie, dieser Mechanismus findet längst statt, und das bereits Geschehene ist auch nicht mehr reversibel. Egal, was Sie machen, ob Beweislastumkehr oder noch weitere Eingriffe in die Freiheitsrechte, Sie werden nicht in der Lage sein, noch an diesen Kapitalfluß heranzukommen. Das gilt für alle Bereiche, ob staatliche Organe oder andere gesellschaftliche Gruppen. Man kommt dort nicht mehr heran. Das einzige, was Sie noch machen können, ist, diese Kanäle von Kapital, Waren und in Personalunion Handelnden ins Hellfeld unserer Gesellschaft zu ziehen, und das geht in der Tat nur über eine Entkriminalisierung und in bestimmten Feldern sogar Legalisierung der bislang illegal konsumierten Drogen.
    Gesundheitspolitisch — ich möchte das nur sehr kurz streifen, weil wir uns im Rechts- und Innenbereich aufhalten — ist es doch frappierend, daß inzwischen von allen Gesundheits- und Innenministern in Westeuropa die so stark verteufelte Niederlande als Vorzeigeland im Bereich der Drogenpolitik gehandelt werden, weil nur dort tatsächliche Erfolge zu verzeichnen sind, z. B. das Austrocknen der Jahrgänge bis zu 25 Jahren — die tauchen dort als Drogenabhängige praktisch nicht mehr auf — oder im Bereich einer wirksamen AIDS-Prophylaxe, wo wir gerade im Bereich der Drogenabhängigen wirklich hilflos zu Werke gehen und wo pragmatische Vorschläge gleich verketzert werden.
    Glauben Sie bitte auch nicht, daß Sie durch irgendwelche Maßnahmen im Ausland — sei es Substitution oder Rauschgiftverbindungsbeamte, die Sie, Herr Penner, bedauerlicherweise so intensiv eingeklagt haben — irgend etwas großartig bewegen können. Ins Ausland gehören keine Rauschgiftverbindungsbeamte des BKA, dorthin gehören Sozialwissenschaftler, Ethnologen und andere Fachbereiche, die in der Lage wären, diesen Ländern, ihren kulturellen Eigenheiten entsprechend, solche Ratschläge zu geben, die dann tatsächlich einen Effekt bewirken können und nicht unsere abstruse Drogenpolitik über Kapitalabhängigkeit von oben überstülpen.
    Wenn Sie glauben, Sie können mit Substitution die Bauern dazu motivieren, im Ausland andere Dinge anzubauen, und damit den Drogenanbau zu bremsen, dann ist das doch genauso lächerlich. Selbst wenn das in Einzelbereichen wie in Thailand erfolgreich möglich gewesen ist, so ist es doch kein Problem, bei den Preisen, die die Drogenorganisation zahlen kann, andere Bauern zu motivieren, wieder die gleichen Produkte anzubauen. Selbst wenn es gelingen sollte, flächendeckend alle Bauern zu erreichen, wird es genauso einfach sein, den Preis für die von diesen Organisationen gewünschten Produkte, also im wesentlichen Opium, so hochzusetzen, daß der Anreiz für diese Bauern immer höher ist als läppische Kaffeebohnen oder einfache Bohnen anzubauen.
    Das sind alles Sackgassen, die Sie dort begehen, womit Sie auch der Öffentlichkeit, Herr Zimmermann, Herr Engelhard, vorgaukeln, daß Sie jetzt gerade irgendeinen großen neuen Anlauf in der Bekämpfung der Drogenkriminalität gemacht haben und vielleicht weitergehende Erfolge vorzeigen könnten.
    Das einzige, was zur Zeit in der aktuellen Politik ein bißchen Hoffnung gibt, sind die Methadon-Programme. Nur sind da die Schwellen für die Aufnahme in das Programm dermaßen hochgesetzt, daß der



    Wüppesahl
    Kreis, der eigentlich erreicht werden müßte, gar nicht in die Methadon-Programme aufgenommen wird. Aber selbst wenn wir ein vollständig funktionierendes Methadon-Programm wie in den Niederlanden hätten — mit Bussen, mit mobilen Angeboten, mit stationären Angeboten — , dann wäre auch das nur eine Nuance in der Bekämpfung der Drogenproblematik. Sie werden nicht umhinkommen, sich intensiver, wie das auch von der SPD zum Ausdruck gebracht worden ist, mit der Möglichkeit der Legalisierung, der Entkriminalisierung zu beschäftigen.
    Ich behaupte so absolut, wie sich das erstmal ein wenig vermessen anhören mag: Nur über diese Gedankenfolge — die Argumentationslinie ist doch weiß Gott schlüssig — wird es möglich sein, echte Erfolge im Bereich der Drogenpolitik vorzuweisen.
    Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall der Abg. Frau Hämmerle [SPD])



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Gerster.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Johannes Gerster


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In der Innenpolitik stehen nach meiner festen Überzeugung drei große Herausforderungen vor uns, die hier zum Teil angesprochen worden sind, zum Teil noch durchleuchtet werden müssen: Erstens die Aufnahme und Integration deutscher Aussiedler aus Südost- und Osteuropa, zweitens die Neuregelung unseres Ausländerrechts hin zu einer Ausgewogenheit sehr unterschiedlicher Interessen und drittens die Bewahrung des inneren Friedens als notwendige Voraussetzung für Freiheit und Entfaltung der Bürger. Lassen Sie mich zu diesen drei Punkten —Herr Kollege Penner, Bedeutung läßt sich nicht durch langes Reden und nicht durch ein Sammelsurium, einen Bauchladen, belegen, sondern durch das Setzen von Prioritäten; das haben Sie nicht getan — in aller Kürze wenige Gedanken sagen:
    Erstens. Man muß hier, weil in der Bevölkerung offenbar Mißverständnisse aufgetreten sind, feststellen: Die CDU/CSU, diese Bundesregierung, wirbt keine deutschen Aussiedler an und keine ab. Wer aber als Deutscher in unserem Land in Freiheit leben will, wird selbstverständlich nicht abgewiesen. Wer, oft nach jahrzehntelangen Bemühungen, als deutscher Aussiedler aus Ost- und Südosteuropa endlich zu uns kommen kann, hat dann auch Anspruch auf eine anständige Aufnahme und auf eine Startchance, welche ihm den Aufbau einer neuen Existenz ermöglicht.

    (Frau Hämmerle [SPD]: Völlige Einigkeit!)

    Wenn diese volle Einigkeit, um diesem Zwischenruf der SPD zu begegnen, wirklich besteht, dann, finde ich, können Zustände, wie sie in der „Bonner Rundschau" vom 6. September 1988 über das Aufnahmelager in Unna-Massen beschrieben sind und wie es auch eine Dame, die vor 13 Jahren aus Oberschlesien zu uns kam, in einem sehr langen Brief beschreibt, nicht so weitergehen, übrigens Zustände, die ausschließlich in der Verantwortung des Landes Nordrhein-Westfalen liegen. Ich zitiere aus diesem Brief:
    Warum aber muß man sich neben notwendigen bürokratischen Prozeduren auch noch die Unverschämtheiten, Dummheit und Arroganz der Lagerleitung gefallen lassen und auch noch miterleben, unter welchen menschenunwürdigen Bedingungen unsere Mitbürger dort nicht untergebracht, sondern hingehalten werden? Wer wie wir an einem Wochenende in Unna-Massen auftaucht, entdeckt vielleicht einen Beamten, der dort versteckt die Stellung hält und allenfalls aus dem Fenster heraus einige wohlmeinende Ratschläge von sich gibt, man möge sich doch bitte an den Bundeskanzler wenden und die Aussiedler dort abladen, ansonsten gebe es für die Ankömmlinge ja weit hinten im Lager zwei Zelte. In der Tat, dort standen zwei Überreste von Zelten, offensichtlich aus dem Jahre 1957, Stempelaufdruck, ohne Boden, ohne Sitze, ohne Betten. Das Übernachten in diesen Zelten ist äußerst angenehm, besonders bei Regen. Dafür hat man wenigstens das ganze Wochenende Ruhe vor den Behörden und den Betreuern, denn es kommen keine.
    Meine Damen, meine Herren, derartige Zustände müssen abgestellt werden.
    Herr Penner, Sie sollten sich an Ihren Parteifreund Rau wenden, ihn daran erinnern, daß es nicht bei Bibelsprüchen bleibt, sondern daß auch Politiker daran gemessen werden, ob sie diese Sprüche befolgen und sich human verhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir brauchen, meine Damen, meine Herren, hier mehr Großmut und Optimismus, auch in weiten Teilen der Bevölkerung. Wir brauchen eine zügige Durchsetzung des Programms des Bundes, und wir werden auch als Bund dieses Programm fortschreiben müssen, wobei ich nach wie vor der Meinung bin, Herr Minister, daß wir unverzüglich eine weitere, vierte zentrale Aufnahmestelle brauchen.
    Zweites Thema, meine Damen, meine Herren: Ausländer. Es ist kein Geheimnis, und wir vergeben uns auch nichts, wenn wir zugeben, daß wir uns in der Koalition schwertun, hier ein ausgewogenes Gesetz hinzubekommen. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, weil es natürlich einerseits um menschliche Einzelschicksale geht, andererseits gibt es erhebliche Schwierigkeiten angesichts des Mißbrauchs und des weiterhin vielfachen Mißbrauchs unseres sehr großzügigen Grundrechts auf politisches Asyl. Sie können sich darauf verlassen, daß sich diese Koalition verständigen wird und daß wir mehr leisten werden als Sie in 13 Jahren Regierungszeit — auch damals war bereits eine Novellierung des Ausländerrechts geboten — und daß wir mehr leisten werden als Sie mit sehr partiellen Vorschlägen wie auf der einen Seite etwa der Rückkehroption für Jugendliche — nicht falsch, aber eben nur partiell — und auf der anderen Seite mit einem Wahlrecht für Ausländer, das die Integration bekanntermaßen eher erschwert, als daß es den Ausländern nutzt, und das hier staatsbürgerliche Rechte in einem Maße auftrennt, was letzten Endes weder den Ausländern noch den Deutschen zugute kommt.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)




    Gerster (Mainz)

    Dritter Bereich — meine Damen, meine Herren, hier möchte ich etwas umfangreichere Ausführungen machen — : Bewahrung der inneren Sicherheit. Der Kollege Penner hat hier wortgewaltig festgestellt, die Bilanz der Politik der inneren Sicherheit des Herrn Zimmermann sei vernichtend. Herr Penner, ich muß Ihnen sagen: Es gehört nach den Fehlplanungen, den Fehlentscheidungen, den erheblichen Mängeln, die zwei sozialdemokratische Innenminister respektive -senatoren bei dem Geiseldrama von Gladbeck zu verantworten haben, schon viel dazu, sich hier hinzustellen und diesem Innenminister Vorhaltungen machen zu wollen. Kehren Sie vor der eigenen Tür. Ihre Partei sitzt im Glashaus.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich doch einige Bemerkungen zu diesem Fall anschließen, wobei klar ist: Was die Polizei dort im einzelnen getan oder unterlassen hat, ist Untersuchungsgegenstand der Landesparlamente. Aber es scheint mir dennoch notwendig zu sein, auf den politischen Hintergrund hinzuweisen, der deutlich macht, daß das Ergebnis dieses Geiseldramas natürlich viel mit der heutigen Einstellung der Sozialdemokraten zu Fragen der inneren Sicherheit zu tun hat.
    Ich will nur eine Frage stellen, die bisher nicht beantwortet wurde. Ich frage: Wenn es wirklich richtig war, die Geiselgangster in Gladbeck entgegen den Polizeivorschriften ziehen zu lassen, wieso kann dann eigentlich der Zugriff auf der Autobahn zwischen Köln und Frankfurt richtig sein — unter bedeutend schlechteren Bedingungen, unter bedeutend größeren Gefahren für die Geiseln, unter bedeutend schlechteren objektiveren Bedingungen, als dies am Tatort möglich gewesen wäre? Entweder war das Ziehenlassen in Gladbeck richtig — dann war der übereilte Zugriff auf der Autobahn in jedem Fall falsch —oder umgekehrt. Tatsache ist doch, daß die politische Führung Nordrhein-Westfalens es hier ganz offensichtlich an der Rückendeckung für die Polizisten in Gladbeck hat fehlen lassen und plötzlich vor dem Hintergrund, daß die GSG 9 auf rheinland-pfälzischem Boden stand und dieses Problem gelöst hätte, in einer Panikreaktion nachholen wollte, was tagelang vorher versäumt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Nöbel [SPD]: Die haben das an der holländischen Grenze schon versäumt, Herr Kollege!)

    Daß dies kein Zufall ist, beweist ja die Konzeption der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Gewährleistung der inneren Sicherheit, die in sechs Grundsätzen festgehalten ist. Ich lese sie vor: 1. Humanität; 2. Liberalität; 3. Rechtsstaatlichkeit; 4. Verhältnismäßigkeit; 5. Bürgernähe. — 6. heißt es dann lapidar: Wenn diese Grundsätze eingehalten werden, verspricht das Wirksamkeit der Maßnahmen.
    Damit kein Zweifel besteht: Diese Grundsätze sind wunderbar; sie sind gut. Ich kann sie alle nachdrücklich unterschreiben. Nur, meine Damen, meine Herren, diese Grundsätze kann man als Handlungsmaxime für jedes Krankenhaus, für jedes Altersheim, ja, für das Müttergenesungswerk aufstellen. Natürlich sind wir für Humanität, für Menschlichkeit, für Rechtsstaatlichkeit, aber hier bei diesem Konzept wird ein entscheidender Faktor übersehen, nämlich daß polizeilicher Einsatz etwas mit Rechtsbrechern, mit Gewaltkriminellen, ja, auch mit skrupellosen Mördern zu tun hat und daß Polizei und Gerichte den Verfassungsauftrag aus Art. 20 des Grundgesetzes nur erfüllen können, wenn sie Unrecht nicht dulden und Strafsachen wirksam und konsequent bekämpfen. Von dieser Aufgabe ist im polizeilichen Sicherheitskonzept Nordrhein-Westfalens nichts zu lesen, es wird lediglich auf die anderen Gesichtspunkte hingewiesen, die ich hier vorgetragen habe.
    Wer, wie in diesen Grundsätzen geschehen, der Polizei einseitig nur Grenzen ihres Einsatzes vorschreibt, so als könne man Gewalttätern mit sozialtherapeutischen Maßnahmen begegnen, darf sich nicht wundern, wenn die örtliche Polizei Geiselgangster mit ihren Geiseln laufen läßt.

    (Abg. Frau Dr. Vollmer [GRÜNE] meldet sich zu einer Zwischenfrage)