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ID1109110700

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Metadaten
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    Vokabeln: 6
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    4. Frau: 1
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    6. Olms.: 1
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    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Penner, die Tour d'horizon, die Sie hier in 40 Minuten vorgenommen haben, macht deutlich, für wie viele Bereiche der Innenminister zuständig ist. Ich werde mich auf Grund meiner Redezeit auf drei Bereiche konzentrieren, möchte vorher aber doch noch eine Bemerkung machen. Sie haben sich zu Beginn Ihrer Rede so außerordentlich gegrämt wegen des liberalen Wächteramtes und haben sich Sorgen darüber gemacht, ob es auch weiterhin in guten Händen ist. Ich kann Ihnen versichern, es ist in guten Händen. Meine drei Kollegen, die dort sitzen, sind weiterhin Garant hierfür, auch wenn das manchen vielleicht nicht behagen mag.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es freut mich, daß Sie dies auch freut, meine Damen und Herren.

    (Zuruf von der SPD: Ist der Herr Kleinert auch dabei?)

    — Haben Sie Zweifel daran, daß der Kollege Kleinert hier ein Garant für den Rechtsstaat und innenpolitische Positionen der FDP ist? Das wollen Sie hier doch nicht behaupten.

    (Zuruf von der SPD: Dann müssen Sie bis vier und nicht bis drei zählen!)

    Meine Damen und Herren, die Zahl der Aussiedler
    — der Innenminister ist vorhin schon darauf eingegangen — ist seit dem Sommer 1987 sprunghaft angestiegen. Bis 1986 kamen jährlich ca. 40 000 Aussiedler in die Bundesrepublik. In diesem Jahr erwarten wir 200 000 Menschen, die zu uns kommen wollen.
    Die Integration dieser Menschen stellt Bund, Länder und Kommunen vor große organisatorische Aufgaben. Das Sonderprogramm „Aussiedler", das von einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesinnenministeriums erarbeitet wurde, begrüßen wir Liberalen im Grundsatz. Der Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Rede in eindringlichen und eindrucksvollen Worten, für die ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte, auf unsere selbstverständliche moralische Pflicht hingewiesen, den Menschen, die bis heute unverschuldet unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges leiden, zu helfen. Diese Menschen haben sich allen Widrigkeiten zum Trotz zu ihrer deutschen Herkunft und Kultur bekannt. Die meisten kommen ja nicht, weil es sich bei uns so bequem leben läßt, sondern sie kommen, weil etwa in Rumänien ihre Dörfer erbarmungslos dem Erdboden gleichgemacht werden, sie kommen, weil sie nach jahrzehntelangem Warten aus der Sowjetunion ausreisen dürfen. Sie kommen zu uns, weil sie zu unserem Volk gehören und in ihrem Land keine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen. Sie sind auch keine Bedro-



    Frau Seiler-Albring
    hung unseres Wohlstandes. Ich finde, er stünde wahrhaftig auf tönernen Füßen, wenn 200 000 Menschen, die hier ja keine „soziale Hängematte" erwarten, ihn gefährden könnten.
    Es ist gut, daran zu erinnern, daß wir Deutschen ja schon einmal eine ähnliche Aufgabe unter viel widrigeren Umständen sehr erfolgreich bewältigt haben. Deshalb appellieren wir an unsere Mitbürger, diesen Menschen mit Toleranz und Aufgeschlossenheit zu begegnen und ihnen bei der Eingewöhnung in eine ersehnte, aber doch fremde neue Heimat zu helfen.
    Der Staat — hier kommt der Haushalt zur Sprache — muß die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen erbringen. Das Sonderprogramm ist im Grundsatz richtig angelegt. Es gibt für uns Freie Demokraten auch keinen Zweifel daran, daß zu einer menschenwürdigen Aufnahme auch eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum gehört. Dennoch behalten wir uns eine Überprüfung hinsichtlich Effizienz und Ausführung vor. Dem finanziellen Volumen stimmen wir ausdrücklich zu.
    Bei der Bewältigung dieser großen innenpolitischen Herausforderung werden wir unsere liberalen Kernforderungen im Auge behalten: keine Ghettoisierung, Dezentralisierung der Mittel und Lasten, Förderung der Privatinitiative, Absage an zusätzliche Subventionstatbestände für die großen Wohnungsbauunternehmen.
    Daneben bleibt es Aufgabe aktiver Aussiedlerpolitik, langfristig die Lebensbedingungen der Deutschen in den Ostgebieten erträglich und menschenwürdig zu gestalten, ihnen damit zu helfen, in ihren Siedlungsgebieten zu bleiben. Erste Ansätze — zumindest im Bereich der Rußlanddeutschen — sind zu pflegen und behutsam zu intensivieren.
    Ein anderes Thema, das aber auch unter dem Stichwort „politische Verfolgung" abzuhandeln ist, ist die Frage der Rückführung der Asylanten und Asylbewerber. Seit Beginn des Bürgerkrieges in Sri Lanka haben etwa 42 000 Personen bei uns Asyl beantragt. 26 000 Tamilen sind zur Zeit noch im Bundesgebiet.
    Meine Damen und Herren, die FDP-Haltung zum Art. 16 des Grundgesetzes ist bekannt und unverändert. Um ihn tragfähig zu halten, gibt es aber keinen Zweifel daran, daß dann, wenn die Tatbestände der politischen Verfolgung nicht mehr gegeben sind, die Rückführung von Flüchtlingen in ihr Heimatland zu fördern ist. Dies entspricht dem Konzept, das der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft erarbeitet hat. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen wurde bereits mit der freiwilligen Rückführung von Tamilen aus Indien begonnen. Der Hohe Flüchtlingskommissar hat erklärt, daß auch die westeuropäischen Aufnahmeländer demnächst mit der Repatriierung beginnen könnten. Wir werden deshalb dem Beitrag an das Zwischenstaatliche Kommitee für Auswanderung für ein Sonderprogramm „Rückführung nach Sri Lanka" zustimmen. Verknüpfen werden wir dies aber mit der Bedingung, daß eine sorgfältige Einzelfallprüfung gewährleistet ist. Hilfen und Förderung der freiwilligen Rückkehr ja, Zwangsrückführung nein.

    (Beifall bei der FDP)

    Denn der Widerruf des Asylrechtes ist dann nicht vertretbar, wenn sich ein Flüchtling nach jahrelangem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland auf die Lebensverhältnisse hier eingestellt und sich und seine Familie voll integriert hat und die Zwangsabschiebung zu einer nicht vertretbaren Härte werden würde.
    Wenn die Erwartungen des Innenministeriums zutreffen, daß 1989 und 1990 jeweils 10 000 Tamilen das Angebot annehmen, dann stehen den Kosten von 30 Millionen DM hohe Einsparungen der Länder und Gemeinden bei den Sozialhilfeleistungen in Höhe von mindestens 100 Millionen DM jährlich gegenüber.
    Abschließend möchte ich auf einen Punkt eingehen, der eine Gruppe von Bundesbürgern betrifft, die größtenteils in ehrenamtlichem Einsatz seit vielen Jahren im erweiterten Katastrophenschutz tätig sind: die Mitarbeiter und Helfer im Technischen Hilfswerk. Der Bundesrechnungshof hat das Technische Hilfswerk geprüft und in einer Prüfmitteilung vom April mitgeteilt, daß nach seiner Ansicht die Probleme des Technischen Hilfswerks am besten dadurch gelöst werden könnten, daß man es auflöst und seine Aufgaben anderen Rettungs- und Hilfsorganisationen zuführt. Normalerweise ist es ja so, daß solche Bemerkungen erst einmal mit dem Betroffenen diskutiert und ihm die Möglichkeit gegeben wird, sich darauf einzustellen und eine Stellungnahme abzugeben.
    Meine Damen und Herren, ohne der abschließenden Würdigung und Diskussion vorgreifen zu wollen, muß festgestellt werden, daß die FDP die Ansicht des Bundesrechnungshofs nicht teilt, daß sich die Gesamtheit der Probleme dadurch lösen läßt, daß man die Aufgaben des Technischen Hilfswerks anderen Hilfsorganisationen überträgt. Es ist auch in meiner Fraktion unbestritten, daß es in der Abstimmung mit den Aufgaben mit den anderen Hilfsorganisationen — ich nenne hier ausdrücklich die Feuerwehr — Schwierigkeiten gibt, die gelöst werden müssen, nach unserer Meinung aber auch gelöst werden können. Ich denke, daß die zu erwartende Kabinettsvorlage zum Ergänzungsgesetz zum Gesetz zum erweiterten Katastrophenschutz hier für eine abschließende Klärung sorgen wird.
    Ich meine, daß eine so wichtige Aufgabe wie die des Zivilschutzes bei sparsamer Haushaltsführung, für die wir ja eintreten wollen und müssen, nur erfüllt werden kann, wenn sich die damit betrauten Einrichtungen und die in ihnen haupt- und ehrenamtlich tätigen Helfer der tatkräftigen Unterstützung durch das Parlament sicher sein können. Wir werden unseren Beitrag hierzu auch künftig leisten.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Olms.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ellen Olms


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (GRÜNE)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich habe mich schon manchmal ge-
    '

    Frau Olms
    fragt, wie Kultur und innere Sicherheit in einem Ministerium zusammenpassen. Die Antwort kam jetzt aus München. Dort ließen die beiden Sicherheitshelden Lang und Gauweiler die Sondereinsatzkommandos der Polizei kurzerhand zu Laienschauspielern umfunktionieren. Ihre makabre Aufführung: „Der finale Todesschuß". An den deutschen Stammtischen sproßen die Lynchphantasien, und am größten dieser Stammtische, mit Sitz in Bonn, haben von Heiner Geißler bis Jürgen Möllemann alle den Colt gezogen.
    Das Geiseldrama hat einen Teil der politischen Kultur bloßgelegt, u. a. die Kultur des Innenministeriums, gesellschaftliche Konflikte nicht politisch, sondern möglichst gewaltsam zu bearbeiten. Wer gewaltsame Strukturen aufbaut und perfektionieren will, der braucht knallharte Feindbilder. Der Bundesinnenminister geht davon aus, daß bereits jedes Kind zunächst einmal als ein potentielles Sicherheitsrisiko anzusehen ist, als ein potentieller Feind dieses Staates.
    Mit 13 oder 14 Jahren fängt das „Sicherheitsrisiko" mit dem Kiffen und der Auflehnung gegen das Elternhaus an. Mit 18 Jahren wird ein Haus besetzt, und ein paar Jahre später wird aus dem Kiffer ein böser Terrorist. Diese Wahnvorstellungen hat Innenminister Zimmermann unter anderem in der Zeitschrift des Bundesgrenzschutzes vom August dieses Jahres zum besten gegeben.

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Hört! Hört!)

    Und daß der Feind in diesem Land seit eh und je links steht, offenbarte ein anderes Ereignis der letzten Wochen: Ein bundesdeutsches Gericht sprach den Mann mangels Beweisen frei, der beschuldigt wurde, den Kommunisten Ernst Thälmann in Buchenwald ermordet zu haben. Die Begründung: Eine direkte Tatbeteiligung konnte dem Angeklagten nicht nachgewiesen werden.
    Auf der anderen Seite sind etliche der sogenannten Terroristen zu mehrmaligen lebenslänglichen Freiheitsstrafen verurteilt worden, ohne daß ihnen eine konkrete Tatbeteiligung nachgewiesen zu werden brauchte. Der § 129a macht's möglich. Wie viele ehemalige SS-Sturmbann- und -Gruppenführer wurden aus gesundheitlichen Gründen von einem Prozeß verschont, während inhaftierte RAF-Mitglieder wie Bernd Rössner und Günter Sonnenberg schwerkrank in ihren Gefängnistrakten liegen und keine Haftverschonung erhalten?
    Besorgniserregend ist, daß in der letzten Zeit weite Teile der linken Opposition, die mit der RAF absolut nichts zu tun haben, unter den Bann des Terrorismus fallen. Dafür schuf das Innenministerium neue Tatbestände und einen neuen Begriff: die sogenannten anschlagsrelevanten Themen. Da wurden zwei Frauen, Ulla Penselin und Ingrid Strobl, verhaftet, weil sich die eine mit Freudinnen zur Erstellung einer Zeitung getroffen und die andere einen Wecker gekauft hatte. „Anschlagsrelevant" sind Themen, die sich kritisch mit den Gen- und Reproduktionstechnologien auseinandersetzen, und das probate Hausmittel zur Kriminalisierung jeglicher Opposition in diesem Land, der § 129a, macht aus den beiden Frauen Terroristinnen — die eine, weil ein Treffen mit Bekannten angeblich ein konspiratives Treffen war, und die andere, weil sie einen Wecker kaufte, der sich als Zeitzünder umfunktionieren ließe. Im Falle von Ursula Penselin brach die absurde und wahnhafte Konstruktion in sich zusammen; dennoch läßt die Bundesanwaltschaft von einer weiteren Strafverfolgung nicht ab.
    Die neue Qualität der sogenannten Anti-TerrorGesetzgebung besteht schlicht und einfach darin, daß das Feindbild über die RAF hinaus erheblich erweitert werden mußte, um ein viel breiteres politisches Spektrum der Opposition in diesem Lande einzuschüchtern und zu kriminalisieren. Daß nach den amtlichen Statistiken nur etwa 5 % der nach § 129 a Verfolgten auch verurteilt werden, belegt nachdrücklich, daß nicht Straftaten, sondern politische Gesinnung verfolgt werden.
    Meine Damen und Herren, in nunmehr rund 15 Gesetzesanläufen seit 1970 versucht die CDU/CSU, die Demonstrationsstrafvorschriften aus der Kaiserzeit wiederherzustellen. Als Zwischenschritt wurde ein Vermummungsverbot eingeführt, juristisch ein reiner Verdachtsparagraph, politisch ein Kleiderordnungsparagraph. Er gilt selbstverständlich nur für Menschen, die sich gern in schwarz kleiden — der Frack des Kollegen Möllemann ist damit natürlich nicht gemeint; wo ist eigentlich Möllemann? — , aber er gilt nicht für die vielen weißen Westen in unser Republik, die Steuern hinterziehen, illegale Waffengeschäfte abwickeln, Plutonium verschieben oder Dünnsäure verklappen.
    All die in Kraft getretenen und noch geplanten sogenannten Sicherheitsgesetze sollen dazu dienen, „das Problem der gestiegenen Demonstrationsbereitschaft" in den Griff zubekommen, wie Staatssekretär Spranger dies schon 1984 auszudrücken pflegte, der gleiche Herr Spranger übrigens, der neulich völlig unbehelligt die Hamburger Hafenstraße entlang promenieren konnte.

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: So, wie war er denn vermummt?)

    Meine Damen und Herren, noch haben wir den alten Landfriedensbruchparagraphen nicht, aber der Countdown läuft, und wir können damit rechnen, daß die nächsten Initiativen ergriffen werden.
    Für 12 500 Polizisten und 1 000 Banker soll während der Jahreshauptversammlung des IWF und der Weltbank in West-Berlin Freizügigkeit herrschen, während auf kritische Bürger und Bürgerinnen dieses Landes mit präventiven Sicherheitsmaßnahmen und der Anwendung des Kontrollstellenparagraphen 111 StPO reagiert wird.
    Nicht nur, daß seriöse und aufklärende antiimperialistische Stadtrundfahrten in Berlin von der Polizei überwacht und deren Teilnehmer und Teilnehmerinnen kontrolliert werden, so wie es auch mir passiert ist. Mit den in Berlin und an den Grenzübergängen nach Berlin eingerichteten Kontrollstellen nach § 111 StPO werden auf dem Vorwege Menschen kontrolliert und in Verbindung mit § 163 StPO datenmäßig erfaßt.