Rede:
ID1109110500

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Seiler-Albring.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Willfried Penner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Zu den Kernzuständigkeiten des Innenministers gehört die innere Sicherheit. Herr Bundesinnenminister Dr. Zimmermann hat das selber vorhin betont. Nach sechs Jahren, Herr Dr. Zimmermann, ist die Anzahl der Straftaten nicht gesunken, sondern gestiegen; das haben Sie selber gesagt. Die Zuwachsraten bei schwerem Diebstahl, bei Umwelt- und Rauschgiftkriminalität sind enorm, und die Aufklärungsquote geht ständig zurück. Die Zahl der Drogentoten weist im Jahr 1988 gegenüber dem Vorjahr steil nach oben; auch dies haben Sie eingeräumt. Die terroristische Gewaltkriminalität ist nach wie vor ein Thema. Die Bilanz der inneren Sicherheit ist vernichtend. Herr Minister Dr. Zimmermann, als Spitzenmanager der Wirtschaft wären Sie längst Ihre Stellung los,

    (Beifall bei der SPD)

    auch wegen Ihrer albernen Methoden der Therapie zur Verbrechensbekämpfung und -verhinderung. Was versprechen Sie sich eigentlich von Ihrem ungeordneten Sammelsurium von Strafverschärfungen, vom Erfinden sinnloser und rechtspolitisch kaum verantwortbarer neuer Rechtsvorschriften in der Auseinandersetzung mit Gewaltkriminalität und Terrorismus speziell?
    Kommen wir zur Drogenbekämpfung. Nehmen Sie denn nicht zur Kenntnis, daß die USA bei der Drogenbekämpfung am Ende des harten repressiven Weges angelangt sind und zur Eindämmung von Vorfeld- und Folgekriminalität die Legalisierung der Drogenabgabe nicht mehr tabuisieren? Meinen Sie, daß auf diesem für unsere Gesellschaft so wichtigen, so lebenswichtigen Gebiet weiterhin praktizierte Verweigerung und Untätigkeit verantwortbar sei? Wo bleibt die Erfüllung Ihres Programms Rauschgiftverbindungsbeamte im Ausland, das die Entsendung von 37 Fachbeamten vorsah? Bis heute ist nicht mehr als ein Drittel Ihrer Soll-Vorstellungen realisiert worden. Meinen Sie, es reiche aus, mit dem Finger auf den Verursacher Auswärtiges Amt zu zeigen und sich im übrigen selbstzufrieden zurückzulehnen? Wissen Sie überhaupt, daß die Anbauländer von Rauschgiftpflanzen es leid sind, von den Konsumentenländern in Amerika, Europa und anderswo an den Pranger gestellt zu werden; daß diese Länder nicht zu Unrecht darauf verweisen, ohne Konsumenten gäbe es keinen Anbau; daß diese Länder darauf verweisen können, die Rauschgifterlöse würden überwiegend in den Steuer- und Bankenparadiesen der westlichen Welt plaziert.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Seltsam genug!)

    Sollte Ihnen völlig entgangen sein, Herr Minister, daß die Spur der für die Herstellung von Kokain benötigten Basisstoffe wie Äther, Aceton und Schwefelsäure auch nach Europa führt und daß uns dies in



    Dr. Penner
    Südamerika auch entgegengehalten wird? Und entspricht es nicht den Tatsachen, daß die Drehscheiben des Drogenhandels außerhalb der Produzentenländer in Gang gehalten werden? Begreifen Sie, Herr Dr. Zimmermann, nicht, daß daraus auch für uns eine finanzielle Mithaftung für die Verhinderung und Beseitigung des Drogenproblems folgt, daß wir ernst zunehmende Bemühungen von Anbauländern, wie beispielsweise jüngst Bolivien — die haben im Juli ein Antidrogengesetz beschlossen, dessen Studium ich Ihnen mal empfehlen würde — , unterstützen müssen, damit sie andere Produkte anbauen und verkaufen können?
    Haben Sie eigentlich das Ausmaß der Gefahr der Drogen für unsere Gesellschaft begriffen? Ich fürchte, nein. Mit Ihrer Fixierung auf Fahndung, Polizei und Strafen — nur wenig überzeugt und überzeugend —, ergänzt um eine gewisse Bereitschaft zur Therapie-rung Drogenabhängiger, behandeln Sie bestenfalls Symptome dieser Pest, aber Sie haben keine Chance, grundlegend zur Besserung beizutragen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister Zimmermann, Sie sind nicht zum Garanten innerer Sicherheit geworden.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das ist der Herr Schnoor, Garant der inneren Sicherheit!)

    Sie sind es nie gewesen. Sie stehen vor den Trümmern einer Politik, die weniger Kriminalität versprach, mehr Straftaten als bisher akzeptieren mußte und den Frieden in der Gesellschaft nicht gefördert hat. Damit sind Sie — auch unter Zugrundelegung der eigenen Maßstäbe — untauglich für das Amt des Sicherheitsministers.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die geplanten Gesetzesinitiativen der Regierungskoalition zur inneren Sicherheit sind keine Antwort auf die Herausforderung und Schwierigkeiten unserer Zeit. Die Koalition ist auf dem Wege zur Einführung eines Gesinnungs- und Verdachtsstrafrechts.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aha!)

    FDP, CDU und CSU wollen Strafbarkeit auf Bereiche vorverlagern, die nach den bisher anerkannten Grundsätzen des Strafrechts nicht strafbar gewesen sind.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das zeigt, daß du das Wesentliche nicht verstehst!)

    Sie wollen dem Demonstrationsrecht zentimeterweise den Garaus machen, indem sie die Veranstalter von Demonstrationen reglementieren und mit einem behördlich festgelegten „Erörterungstermin" einschüchtern.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Unwahr und unsinnig!)

    Wir werden diesen Weg nicht mitgehen. Und wir erwarten auch, daß die Kolleginnen und Kollegen der FDP zu ihren liberalen Grundsätzen zurückkehren

    (Frau Seiler-Albring [FDP]: Was heißt „zurückkehren"?)

    und endlich einmal zu dem stehen, was sie so oft lautstark nach draußen verkündet haben,

    (Kleinert [Hannover] [FDP]: Wenn ihr uns nicht gehabt hättet! — Heiterkeit bei der FDP)

    nämlich der von der Union systematisch betriebenen Schwächung des Rechtsstaats und der Einschränkung der bürgerlichen Freiheiten zu widerstehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Gesetzgebungspläne der Koalition, besonders die Kronzeugenregelung für Terroristen, eine Art Vor-beugehaft für früher wegen Landfriedensbruchs in Erscheinung getretene Teilnehmer an einer Demonstration sowie die Einführung einer generellen Strafbarkeit von Vermummung und Schutzbewaffnung, sind auf große Skepsis bis schroffe Ablehnung, vom Deutschen Richterbund bis zur Gewerkschaft der Polizei, gestoßen.
    Die Koalition hört einfach nicht auf die, die mit diesen unsäglichen Kompromißprodukten der Koalition später umzugehen haben. Es ist ja auch so einfach, Gesetze zu beschließen und spätere Fehlschläge Polizei und Gerichten anzulasten.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Siehe Schnoor! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU und der FDP)

    Ich glaube übrigens nicht, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der FDP, daß der gesetzgeberische Heißhunger der Konservativen nach immer neuen Gesetzen damit gestillt wäre.

    (Dr. Blens [CDU/CSU]: Das war ein schöner Satz!)

    Jedes noch so abscheuliche Verbrechen wird wie in der Vergangenheit als Beweis immer neuer Gesetzeslücken herhalten müssen. Und die so wie jetzt beschaffene FDP wird daran nichts ändern, weil die Zimmermänner am längeren Hebel sitzen. So ist das.
    Ich möchte noch ein Wort zu dem Geiseldrama von Gladbeck sagen. Ich habe Abstand zu Verbrechen und Verbrechern vermißt. Ob Nachrichtenbeschaffer oder Nachrichtenkonsumenten —

    (Dr. Weng [FDP]: Innenminister!)

    wir alle haben uns auf Komplizenschaft zubewegt und dabei die Opfer in ihren Nöten, ihrem Leiden, ja auch im Tod schmählich benutzt. Das darf sich nicht wiederholen. Wenn eigentlich selbstverständliche Selbstbeschränkung dafür nicht reicht, dann müssen die Ordnungskräfte des Staates das künftig verhindern, auch damit die Polizei ihre Pflicht reibungslos versehen kann.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Weng [FDP]: Dann schreien Sie: Polizeistaat!)

    Die Instrumentalisierung der bayerischen Polizei durch die bayerische Staatsregierung zur Diffamierung des politischen Gegners ist unverantwortlich.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

    Wir können nicht, ja wir dürfen nicht über mehr Verrohung und Kriminalität und die Sensationsgier der



    Dr. Penner
    Medien Klage führen, wenn das Sittengesetz von Staats wegen so mißachtet worden ist, wie das die bayerische Staatsregierung im Anschluß an das Drama von Gladbeck und Bremen mit allen Anzeichen abstoßender Selbstgerechtigkeit und Showeffekten getan hat.

    (Beifall bei der SPD — Fellner [CDU/CSU]: Haltet den Dieb!)

    Die SPD-Bundestagsfraktion begrüßt den Abbau der Personenkontrollen an den EG-Grenzen. Wir fragen aber Bundesinnenminister Zimmermann, wie er die damit verbundenen Sicherheitsfragen auffangen will. Wie will der Bundesinnenminister verhindern, daß sich Kriminelle demnachst ihre Waffen in Frankreich besorgen, einem Land, das kein so striktes Waffenrecht wie die Bundesrepublik Deutschland kennt?

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wie wollt ihr es denn machen? Sagen Sie es doch!)

    Wie soll verhindert werden, daß künftig Rauschgift aus den Niederlanden unkontrolliert in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt werden kann?

    (Frau Schmidt-Bott [GRÜNE]: Das gibt es doch jetzt schon!)

    Wo sind, Herr Bundesinnenminister, Ihre Initiativen zur Vereinheitlichung oder wenigstens Anpassung des Waffenrechts, des Betäubungsmittelrechts, der Sichtvermerkspolitik und der Vereinfachung der Rechtshilfe? Wo gibt es Initiativen zur Verbesserung der Information über Straftäter? Sie haben einer europäischen Fahndungsunion das Wort geredet. Ich kann nur sagen: Bei dem Echo, das Ihnen bei unseren westeuropäischen Nachbarn entgegengeschlagen ist, wäre ich in hohem Maß vorsichtig, solche Initiativen zu wiederholen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Wo sind die Alternativen der SPD, Herr Penner?)

    Wie wollen Sie, Herr Bundesinnenminister, sicherstellen, daß beim intensiveren europäischen Datenaustausch zwischen den Sicherheitsbehörden die deutschen datenschutzrechtlichen Bestimmungen gewährleistet sind? Oder soll etwa Europa dafür herhalten, daß das Datenschutzrecht nivelliert werden soll? Und wie soll das deutsche Asylrecht fortbestehen, wenn die Personenkontrolle nur an den EG-Außengrenzen durchgeführt wird?
    Der Bundesminister des Innern hat auch beim Zivil- und Katastrophenschutz keine Erfolge vorzuweisen. Und das ist ein ganz wichtiges Gebiet. Es herrscht Stillstand. Mit Ausnahme des vor der Sommerpause vom Bundesinnenminister so stolz verkündeten neuen Krisenmanagements zur Bewältigung großflächiger und besonders folgenschwerer Gefahrenlagen gibt es keine nennenswerte Fortentwicklung. Selbst dieses Management ist erst erstellt worden, nachdem die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl und entsprechende Beschlüsse der Innenministerkonferenz, des Bundestags-Innenausschusses und des Bundeskabinetts gewissermaßen nötigend ihn dazu gezwungen zu haben.
    Die Notfallvorsorge, ein ganz wichtiger Bereich, ist in einem völlig unzulänglichen Zustand. Beispielsweise soll die Stärke des erweiterten Katastrophenschutzes 1 % der Bevölkerung gleich 600 000 Helfer betragen. Tatsächlich fördert der Bund aber nur ein Personalvolumen von ca. 200 000 Helfern, wovon etwa 150 000 des sogenannten Verstärkungsteils voll und etwa 50 000 Helfer des sogenannten Ergänzungsteils teilweise finanziert werden.

    (Fellner [CDU/CSU]: Wir werden darauf zurückkommen!)

    Das einzige in den letzten Jahren einigermaßen erfolgreiche Konsolidierungsprogramm hat noch die sozialliberale Koalition beschlossen. Mit ihm wurde das technische Material erneuert. Das Programm läuft 1989 aus. Eine Fortschreibung ist nicht in Sicht.
    Wir erwarten vom Bundesinnenminister ernsthafte Verbesserungen in diesem Bereich. Unsere Vorstellungen gehen dahin, daß das Ziel konkreter Verbesserungsmaßnahmen nur erreicht werden kann, wenn es eine einheitliche, umfassende Überprüfung aller in diesem Bereich tätigen Einrichtungen gibt. Alle am Zivil- und Katastrophenschutz beteiligten Organisationen gehören an einen Tisch. Es muß ein gemeinsames Konzept erarbeitet werden.
    Herr Minister, es ist symptomatisch für die gegenwärtige Situation, daß es einen massiven Streit zwischen Ihnen und dem Deutschen Feuerwehrverband über die Frage der künftigen Aufgaben für das Technische Hilfswerk gibt. Klare Aufgabenabgrenzungen und Zuständigkeiten mit gesicherten Finanzierungen sind gefragt und gefordert.

    (Fellner [CDU/CSU]: Sie führen Krieg, und dort ist längst Frieden!)

    Herr Minister, auch im Bereich der Datenschutzpolitik sind Sie gescheitert. Vielleicht sind Sie unwillens, vielleicht ist es auch eine politische Zurückhaltung, daß Sie nicht den Auflagen Folge leisten, die das Bundesverfassungsgericht in mehreren Entscheidungen zum informationellen Recht der Selbstbestimmung aufgestellt hat. Sie halten sich nicht an die Vorgaben des Verfassungsorgans Bundesverfassungsgericht. Damit enthalten Sie Millionen von Bundesbürgern ihre Grundrechte vor. Sie verstoßen damit gegen die Pflicht aller staatlicher Gewalt, die Grundrechtspositionen des einzelnen zu schützen und im Lichte neuerer Entscheidungen weiterzuentwickeln und auszubauen.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Tiefer geht es nicht mehr!)

    Herr Dr. Zimmermann, Sie belasten damit in unerträglichem Maße das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, zu dem Sie gerade aufgerufen sind.
    Für den gesamten Sicherheitsbereich gibt es keine tragfähigen Rechtsgrundlagen, soweit Informationserhebung, -speicherung und -verarbeitung in Rede stehen. Mehr und mehr Verwaltungsgerichte ziehen die rechtlichen Konsequenzen daraus. Herr Minister, mit Ihrer Art von Untätigkeit

    (Frau Olms [GRÜNE]: Stellen Sie sich einmal vor, er wäre tätig!)




    Dr. Penner
    gefährden Sie damit die rechtmäßige Arbeit der Sicherheitsbehörden, die ja nicht mehr wissen, was sie tun sollen, weil sie sich auf unsicheren Rechtsgrundlagen bewegen.
    Sie haben im Jahre 1987 in einem bisher einmaligen Verfahren, ohne Abstimmung mit den Ressorts der Bundesregierung sogenannte „unabgestimmte Referentenentwürfe" in die Öffentlichkeit gebracht, nämlich eine Novelle des Bundesdatenschutzgesetzes, eine Novelle des Verfassungsschutzgesetzes und einen Entwurf eines Verfassungsschutzmitteilungsgesetzes, das an die Stelle des in der vergangenen Legislaturperiode diskutierten Zusammenarbeitsgesetzes treten soll. Die jetzt in Umlauf gesetzten Entwürfe begegnen denselben Bedenken wie ihre Vorgänger der letzten Wahlperiode. Sie werden in keiner Weise den Anforderungen gerecht, die das Verfassungsgericht zur Wahrung des Rechts nach Art. 1 und 2, zur Wahrung des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und zur Wahrung des Rechts auf Menschenwürde, entwickelt. Sie verstoßen überdies in eklatanter Weise mit Ihren Entwürfen gegen das verfassungsmäßige Gebot zur Trennung von Polizei und Diensten. Die Aufgabenbeschreibung in beiden Gesetzentwürfen ist ungenau und ermöglicht deshalb auch keine Durchführung des Bindungsgrundsatzes. Die Befugnisnormen, die Sie aufstellen, sind generalklauselartig und damit rechtswidrig gefaßt.
    Beim Bundesdatenschutzgesetz geht es um dieselben Bedenken, die von Fachleuten in der letzten Legislaturperiode aufgestellt sind. Sie wollen es einfach nicht wahrhaben, daß das informationelle Selbstbestimmungsrecht unabhängig davon besteht, in welcher Form die Daten erhoben und gespeichert werden. Sie wollen nicht wahrhaben, daß die Kontrollrechte des Bundesbeauftragten für den Datenschutz weitergehen müssen, als sie das vorsehen. Im nichtöffentlichen Bereich wird bei Ihnen die Datenverarbeitung für Zwecke der Wirtschaft erleichtert. Als ob da die Grundrechte nicht gelten würden! Es fehlen Arbeitnehmerdatenschutzvorschriften. Entgegen der wiederholt und öffentlich verkündeten Behauptung, das Bundesdatenschutzgesetz würde den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts im Volkszählungsurteil angepaßt, geht der vorliegende Entwurf in Einzelbereichen noch hinter geltendes Recht zurück. Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder sowie der Datenschutzkommission Rheinland-Pfalz hat es am 6. Juni zwar moderat und vornehm im Ton, doch vernichtend für Sie in der Sache beurteilt. Und dem ist nur hinzuzufügen, daß die Datenschutzbeauftragten der Länder eine parteipolitisch gemischte Gesellschaft sind.
    Frau Präsident, meine Damen und Herren, ich möchte noch ein paar Worte zum Ausländerrecht verlieren: Das gegenwärtige Ausländergesetz aus dem Jahre 1965 wird der Tatsache nicht gerecht, daß die Bundesrepublik bis zum Anwerbestopp 1973 de facto Einwanderungsland war. 4,6 Millionen ausländische Staatsangehörige, von denen 60 % mehr als zehn Jahre bei uns leben, haben einen Anspruch auf eine bessere rechtliche Absicherung als bisher, Herr Minister.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister, Sie kennen die Unzulänglichkeiten des geltenden Rechts; jedenfalls gehe ich mal davon aus. Herr Dr. Zimmermann, Sie beschränken sich darauf, einen „unabgestimmten Referentenentwurf" — wie bei anderen Fachgebieten auch — zum Thema an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, der bemerkenswerte Nähe zum deutsch-nationalistischen Sumpf verrät

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)

    und von der Arbeiterwohlfahrt bis zur katholischen Kirche scharf abgelehnt worden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Besonders auffällig ist dabei die Distanz, Herr Dr. Zimmermann, die Sie zu den Belangen der Familien der Ausländer entwickelt haben,

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das ist unter Penner-Niveau!)

    als ob es politisch und rechtlich, aber auch moralisch zu rechtfertigen wäre, wenn Familien je nach Nationalität besser oder schlechter gestellt werden —

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    und das durch einen Spitzenpolitiker der CSU, die nicht müde wird, den Wert der Familie herauszustellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Noch eines ist bei Ihrer Ausländerpolitik brüchig, Herr Minister. Ich denke an das Ausländerwahlrecht. Wir haben es in der Vergangenheit und in diesen Tagen wieder erlebt: Der Bundeskanzler propagiert unermüdlich das politische Europa und nivelliert über das Schengener Abkommen Staatsgrenzen. Wir sind dabei, den Binnenmarkt für EG-Europa zu schaffen, und eine europäische Währung ist nicht mehr bloße Utopie. Die EG-Kommission einigt sich über das kommunale Wahlrecht für EG-Europäer, und Sie, Herr Bundesinnenminister Dr. Zimmermann, verharren mit Ihrem kategorischen Nein politisch in Stammtischpositionen. Wie gesagt, auch hier: Eingraben, Einmauern, wo Offenheit und Perspektive vonnöten wären.

    (Beifall bei der SPD)

    Der jammervolle Umgang mit den Asylanten und Flüchtlingen kennzeichnet den Weg von Ihnen, Herr Dr. Zimmermann, als kleinlich, menschenfeindlich, inhuman und skrupellos.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das ist wirklich eine Unverschämtheit! So etwas muß man sich von einem Rechtspolitiker anhören!)

    Es geht um sage und schreibe 75 000 rechtskräftig anerkannte Asylberechtigte, um 290 000 Flüchtlinge, die aus humanitären oder politischen Gründen bei uns sind. Auch wenn man noch Familienangehörige hinzuzählt, Herr Minister, sollten wir nicht in der Lage sein, mit den Schicksalen dieser Menschen auf anständige Weise zurechtzukommen?

    (Beifall bei der SPD)

    Ist die einzige Antwort des Bundesinnenministers darauf die bürokratische Vernetzung menschlicher Daten und die schmähende politische Etikette, „Wirt-



    Dr. Penner
    schaftsasylanten" genössen nicht den Schutz des ohnehin aus seiner Sicht fragwürdigen Art. 16 des Grundgesetzes, was unbestreitbar ist?
    Nein, Herr Minister, mit dieser Art von Politik gehen Sie gegen ein Element unseres Staates vor, das für manche — und es sind nicht die Schlechtesten in unserem Staat — gerade Grund genug ist, für den Staat zu sein.

    (Beifall bei der SPD)

    Es kann auch nicht verschwiegen werden, daß die beschämende, ja auch chaotische Lage der Aussiedler und Übersiedler von Ihnen, Herr Minister, mit zu verantworten ist; denn Sie sind zuständig dafür. Ich glaube, daß Sie es versäumt haben, rechtzeitig Vorbereitungen zu treffen, nachdem wir ja jahrelang darum geworben haben, daß Menschen aus den östlichen Nachbarländern zu uns kommen sollten. Wenn allein in diesem Jahr, Herr Minister, über 200 000 Deutsche aus anderen Ländern zu uns kommen und bei uns leben wollen, dann muß dies auch innenpolitisch verkraftet werden. Bei diesen Zahlen wird es ja nicht bleiben.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Unter Ihrer Regierung kamen keine!)

    Bis 1990 erwartet das Deutsche Rote Kreuz den Zuzug von insgesamt 600 000 Menschen aus den Staaten des Ostblocks.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tolle Sache!)

    Vor uns liegt also eine gewaltige nationale Kraftanstrengung, und das Programm, Herr Bundesminister, das Sie angesprochen haben, reicht dafür nicht aus. Wir brauchen mehr und bessere Leistungen. Das wird auch Geld kosten, z. B. beim Wohnungsbau — das haben Sie angesprochen —, bei den Übergangsheimen, vielleicht für ein zusätzliches viertes Grenzdurchgangslager, bei der Verlängerung der Sprachkurse auf zwölf Monate und der Verlängerung der Förderungsdauer aus den sogenannten Garantiefonds auf 48 Monate. Die Bundesanstalt für Arbeit muß Finanzmittel bekommen, die Fortbildung und Umschulung in der gebotenen Weise gewährleisten.

    (Beifall bei der SPD)

    Dafür, Herr Minister, muß der Bund geradestehen, weil Städte und Gemeinden, aber auch viele Länder finanziell damit überfordert sind.
    Damit nicht genug: Wir sind angewiesen auf die Unterstützung von Verbänden und Institutionen, wir sind angewiesen auf die Unterstützung der Kirchen, der Jugendsozialarbeit und der freien Wohlfahrtspflege. Wir rechnen auch auf die Hilfe jedes einzelnen, damit Reserve nicht umschlägt in Abneigung oder gar Haß. Wir alle haben dafür einzustehen, daß diese Menschen nicht wie Parias behandelt werden, sondern als Nachbarn bei uns ihren Platz finden können.

    (Beifall bei der SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Bundesminister des Innern ist auch für den öffentlichen Dienst zuständig. Auch hier stehen Initiativen aus. Wann endlich kommen Sie, Herr Minister, mit dem Strukturbericht über, dessen Vorlage schon seit langem ansteht?

    (Zustimmung bei der SPD)

    Was sind Ihre Vorstellungen für die Beamten bei Problemen der Alterssicherung, die nicht nur solche der Arbeiter und Angestellten sind? Was haben Sie im Zusammenhang mit § 55 Beamtenversorgungsgesetz vor? Trifft es zu, daß die Herabstufung der Eingangsämter für einzelne Laufbahngruppen rückgängig gemacht werden soll? Herr Minister, wir erwarten Antworten und nicht mehr oder minder offizielle Hinweise, daß der Bundesminister der Finanzen noch kein grünes Licht gegeben habe.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir werden nicht abseits stehen, Herr Minister, wenn die Neuordnung der Beamtenversorgung ins Haus steht, weil offenkundig ist, daß die Schwierigkeiten der Alterssicherungssysteme gemeinsame sind und daher auch nur gemeinsam gelöst werden können. Wir sind bereit, mit den Regierungsparteien nach den besten Lösungen zu suchen und sie auch durchzusetzen, weil die anstehende Strukturreform der Alterssicherungssysteme einschließlich der Beamtenversorgung einer breiten gesellschaftlichen Zustimmung bedarf.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Der Kollege Hans Gottfried Bernrath, Vorsitzender des Innenausschusses, hat zu diesem Thema bei der jüngsten beamtenpolitischen Arbeitstagung des Deutschen Beamtenbunds bemerkenswerte Ausführungen gemacht. Sie können sicher sein, daß sie nicht nur seine Ansichten und Überlegungen wiedergeben.
    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Wie sonst, so auch heute: Herr Dr. Zimmermann wird nicht müde zu betonen, auch Sportminister zu sein. Es ist leider nicht die Zeit, das immer neue und alte Thema Hochleistungssport in unserer Gesellschaft unter, wie ich meine, dramatisch veränderten Bedingungen zu beleuchten. Ich denke dabei nicht nur an die Bedeutung der Chemie, die nach Äußerungen von Sachkennern wie Edwin Moses, aber auch anderen doch größer sein muß, als bisher befürchtet wurde.
    Nein, ich denke, es ist vorrangig und an der Zeit zu prüfen, auch unter politischen Gesichtspunkten zu prüfen, ob der Breitensport tatsächlich noch vom Hochleistungssport inspiriert wird oder sich die Elite im Leistungsvermögen so weit von den anderen entfernt hat, daß deren Leistungsvermögen auf andere eher hinderlich denn anspornend wirkt.
    Wir können nicht daran vorbeigehen, daß es viele Vereine im Gegensatz zu früher fast als Erleichterung empfinden, wenn ein Talent zum anderen, finanziell leistungsfähigeren Verein wechselt, weil die eigenen finanziellen und technischen Möglichkeiten nicht ausreichen und für den Breitensport, der auch Wettkampfsport sein kann, voll genutzt werden müssen.
    Herr Minister, es ist nicht zu übersehen, daß der Hochleistungssportler immer mehr zum Subjekt wie zum Objekt sich ständig verdichtender Wirtschafts- und Marktprozesse wird, was übrigens nicht zu tadeln ist, aber unweigerlich mit einer Loslösung von der



    Dr. Penner
    Sportbewegung im überkommenen Sinne verbunden ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach meinen Erfahrungen und Wahrnehmungen stehen wir bei immer mehr Freizeit, ständig steigenden Gesundheitsbedürfnissen, aber auch im Hinblick auf den zunehmenden Wirtschaftsfaktor Sport vor Entwicklungen, die auch politisch und gewiß steuerrechtlich zu begleiten sind, und da kommt auf die Vereine sehr viel zu.
    Was Sie, Herr Dr. Zimmermann, sich beim Thema Sportvereinsbesteuerung geleistet oder besser nicht geleistet haben,

    (Roth [Gießen] [CDU/CSU]: Was ihr euch geleistet habt!)

    ist für die 60 000 Sportvereine und die ehrenamtlichen Helfer in ihren Auswirkungen verheerend.

    (Beifall bei der SPD)

    Vor der Wahl wurden mehr oder minder deutliche Zusagen an alle, die es anging, für Verbesserungen, z. B. auch der Übungsleiterpauschale, in Aussicht gestellt. Danach stellte der Bundesfinanzminister eine Kommission zur Gemeinnützigkeit zusammen, die — anscheinend wie bestellt — jedenfalls wegen ihrer Zusammensetzung die Gemeinnützigkeit der Sportvereine generell bezweifelte, was dann ein eindeutiges Dementi der Bundesregierung provozierte. Nur, von den versprochenen steuerlichen Verbesserungen wurde kaum oder nur noch vage gesprochen. Die Verbesserungen für Übungsleiter wurden von dieser Stelle aus ausdrücklich glatt abgelehnt.
    Zu alledem haben Sie geschwiegen, Herr Dr. Zimmermann, Sie haben nichts gesagt, obwohl die Vereine gerade in steuerlichen Fragen auf einen Fürsprecher angewiesen sind, der klarmacht, wie lebenswichtig die steuerlichen Fragen in materieller, aber auch in formeller Hinsicht für die Sportvereine sind, damit sie für Jugend, Alter, Familie, Gesundheit und sinnvolle Freizeitgestaltung weiter ihren Beitrag leisten können.

    (Beifall bei der SPD)

    Beim Thema Sport, Herr Minister, möchte ich noch auf das ungelöste Problem Deutsches Sportmuseum mit Sitz in Köln hinweisen. Im Gegensatz zu dem einmütigen Votum des Sportausschusses und der früheren Zusage des FDP-Innenministers Baum verhindert Herr Dr. Stoltenberg eine Beteiligung des Bundes an diesem Projekt, das ohne finanzielle Hilfe des Bundes nicht errichtet werden kann. Dabei ist das Interesse des Bundes eindeutig gegeben. Ich denke, daß es ein großer Fehler wäre, auf das Sportmuseum zu verzichten. Die Darstellung und Pflege der Sportgeschichte sollte nicht allein Sache des anderen deutschen Staates sein, der sich daran macht, in Berlin ein zentrales Sportmuseum zu errichten. Vielleicht nimmt sich der Bundeskanzler selbst einmal dieses Themas an, der sich auch sonst um Museumsfragen kümmert.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir sind an eigenen Initiativen nichts schuldig geblieben — wir haben uns nicht aufs Opponieren allein verlegt — , übrigens auch auf Feldern, die als steinig bekannt sind. Wir halten es für unerläßlich, daß ein neu gestaltetes Ausländerrecht den Betroffenen eine überschaubare und zuverlässige Grundlage für ihre Lebensplanung gibt. Unsere Vorschläge zum Ausländerrecht sehen folgende Neuerungen vor:
    Erstens. Bei der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis wird künftig nach dem Aufenthaltszweck differenziert.
    Zweitens. Eine Verfestigung soll stufenweise eintreten und nach fünfjährigem Aufenthalt in die Aufenthaltsberechtigung münden.
    Drittens. Nach achtjährigem Aufenthalt soll ein Niederlassungsrecht erworben werden, das eine prinzipielle Gleichstellung in Rechten und Pflichten mit einem Deutschen bewirkt. Ja, Herr Minister, bringen Sie das erstmal! Versuchen Sie, es doch mal durchzusetzen!

    (Beifall bei der SPD — Bundesminister Dr. Zimmermann: Ich denke gar nicht dran!)

    — Das ist es. Er hat gerade gesagt, er wolle das gar nicht, er dächte gar nicht daran. Das ist die Einstellung dieser Bundesregierung, das ist weltoffen, und das entspricht der politischen Wirklichkeit des Jahres 1988, und so soll ein politisches Europa mit deutscher Beteiligung geschaffen werden!

    (Beifall bei der SPD)

    Viertens. Ehegatten erhalten ein eigenes Aufenthaltsrecht. Die Wartefrist von einem Jahr für den nachziehenden Ehegatten soll entfallen.
    Fünftens. Der Nachzug der Kinder von Ausländern soll bis zum 18. Lebensjahr ermöglicht werden.
    Sechstens. Kindern von Ausländern wird eine Rückkehroption eingeräumt.
    Siebtens. Darüber hinaus sollen auch Ausländer, die länger als zehn Jahre in der Bundesrepublik gelebt haben, unter bestimmten Voraussetzungen zurückkehren können.
    Achtens. Die Tatbestände der Ausweisung werden begrenzt und klarer geregelt.
    Das war alles nicht ganz einfach, und die Schwierigkeiten sind ja bekannt. Aber, Herr Minister, wenn Sie das so weitermachen, daß Sie glauben, die Probleme nach berühmtem Vorbild aussitzen zu können, dann werden wir spätestens in den 90er Jahren auf dem Pulverfaß großer gesellschaftspolitischer Schwierigkeiten stehen. Ich will Ihnen noch etwas sagen: Erinnern Sie sich doch bitte an die einschlägigen Worte des Bundesministers im Bundeskanzleramt, Herrn Schäuble, der schon prognostiziert hat, in den 90er Jahren könne die Bundesrepublik zum Einwandererland werden.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Das hat der nie wieder gesagt!)

    Beim Asyl- und Flüchtlingsrecht stehen wir vor der abschließenden Beratung. Folgende Schwerpunkte zeichnen sich ab:
    Erstens. Die europäischen Staaten müssen ihre gemeinsame Verantwortung in einem koordinierten Prozeß gegenüber den Flüchtlingen in Europa wahr-



    Dr. Penner
    nehmen und die Arbeit des UN-Flüchtlingskommissars noch mehr als bisher unterstützen, und wir sollten erwägen, weil es sich um eine gesamteuropäische Angelegenheit handelt, ein europäisches Flüchtlingsamt zu errichten.
    Zweitens. Die Asylverfahren müssen drastisch verkürzt werden. Dabei sind einerseits weitere personelle und organisatorische Maßnahmen ohne Eingriffe in rechtsstaatliche Garantien notwendig, andererseits muß das Bundesamt von unnötigen Asylanträgen entlastet werden.
    Drittens. Die soziale Situation der Asylbewerber ist zu verbessern. Das sind schließlich alles Menschen. Die Unterbringung von Asylbewerbern und die aufenthaltsrechtlichen Regelungen, Arbeitserlaubnis und Sozialhilfe müssen so ausgestattet sein, daß sie der humanitären Zielsetzung des Asylrechts gerecht werden. Vor allem müssen wir uns aber um die Lage der großen Zahl der De-facto-Flüchtlinge kümmern. Sie haben meist nur den unbefriedigenden Duldungsstatus, und sie können und werden damit zu Außenseitern, sozial wie wirtschaftlich. Das ist einmal menschlich nicht hinnehmbar, bedeutet aber auch gesellschaftliche Spannungen, die sich auf uns alle entladen können. Herr Dr. Zimmermann, da hilft nicht verbissene Abwehr, Verneinung und Hohn, da fordern wir auch von Ihnen politisches Gestalten ein.

    (Beifall bei der SPD)

    Bei der anstehenden Novellierung des Datenschutzrechts werden wir es nicht bei einem Antrag über Eckdaten bewenden lassen, sondern wir werden einen kompletten Gesetzentwurf vorlegen. Er wird folgende wesentliche Neuerungen erhalten:
    Erstens. Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz soll wie der Wehrbeauftragte Kontrollorgan des Parlaments werden und vom Bundestag mit Zweidrittelmehrheit gewählt werden. Die bisherige Zuordnung des Datenschutzbeauftragten zum Bundesminister des Innern als Selbstkontrollorgan der Exekutive hat sich nicht bewährt.
    Zweitens. Arbeitnehmerschutzrechte auf diesem Sektor sollen auch durch Stärkung der Rechtsposition der betrieblichen Datenschutzbeauftragten verbessert werden.
    Drittens. Herr Minister, der Gesetzentwurf bezieht sich nicht nur auf Dateien, sondern auch auf Akten im herkömmlichen Sinn.
    Viertens. Nicht zuletzt wird der Schutz der Bürger über einen verschuldensunabhängigen Schadensersatzanspruch und erweiterte Auskunftsrechte gegenüber Behörden ausgedehnt.
    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sozialdemokratische Innenpolitik versteht sich wie auch sonst nicht allein auf das Opponieren. Mit um so größerer Berechtigung müssen wir darauf drängen, daß Herr Dr. Zimmermann endlich den Notwendigkeiten persönlicher und politischer Präsenz gerecht wird. Wenn er das nicht kann oder will, dann muß er gehen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Das Wohl und Wehe unseres Staates hängt auch davon ab, daß Politiker, auch und gerade Amtsträger, sich nicht versagen, sondern mittun, weil es sonst nicht geht.
    Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Seiler-Albring.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ursula Seiler-Albring


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Penner, die Tour d'horizon, die Sie hier in 40 Minuten vorgenommen haben, macht deutlich, für wie viele Bereiche der Innenminister zuständig ist. Ich werde mich auf Grund meiner Redezeit auf drei Bereiche konzentrieren, möchte vorher aber doch noch eine Bemerkung machen. Sie haben sich zu Beginn Ihrer Rede so außerordentlich gegrämt wegen des liberalen Wächteramtes und haben sich Sorgen darüber gemacht, ob es auch weiterhin in guten Händen ist. Ich kann Ihnen versichern, es ist in guten Händen. Meine drei Kollegen, die dort sitzen, sind weiterhin Garant hierfür, auch wenn das manchen vielleicht nicht behagen mag.

    (Zurufe von der SPD)

    — Es freut mich, daß Sie dies auch freut, meine Damen und Herren.

    (Zuruf von der SPD: Ist der Herr Kleinert auch dabei?)

    — Haben Sie Zweifel daran, daß der Kollege Kleinert hier ein Garant für den Rechtsstaat und innenpolitische Positionen der FDP ist? Das wollen Sie hier doch nicht behaupten.

    (Zuruf von der SPD: Dann müssen Sie bis vier und nicht bis drei zählen!)

    Meine Damen und Herren, die Zahl der Aussiedler
    — der Innenminister ist vorhin schon darauf eingegangen — ist seit dem Sommer 1987 sprunghaft angestiegen. Bis 1986 kamen jährlich ca. 40 000 Aussiedler in die Bundesrepublik. In diesem Jahr erwarten wir 200 000 Menschen, die zu uns kommen wollen.
    Die Integration dieser Menschen stellt Bund, Länder und Kommunen vor große organisatorische Aufgaben. Das Sonderprogramm „Aussiedler", das von einer interministeriellen Arbeitsgruppe unter Leitung des Bundesinnenministeriums erarbeitet wurde, begrüßen wir Liberalen im Grundsatz. Der Bundeskanzler hat in seiner gestrigen Rede in eindringlichen und eindrucksvollen Worten, für die ich an dieser Stelle ausdrücklich danken möchte, auf unsere selbstverständliche moralische Pflicht hingewiesen, den Menschen, die bis heute unverschuldet unter den Folgen des Zweiten Weltkrieges leiden, zu helfen. Diese Menschen haben sich allen Widrigkeiten zum Trotz zu ihrer deutschen Herkunft und Kultur bekannt. Die meisten kommen ja nicht, weil es sich bei uns so bequem leben läßt, sondern sie kommen, weil etwa in Rumänien ihre Dörfer erbarmungslos dem Erdboden gleichgemacht werden, sie kommen, weil sie nach jahrzehntelangem Warten aus der Sowjetunion ausreisen dürfen. Sie kommen zu uns, weil sie zu unserem Volk gehören und in ihrem Land keine Zukunft für sich und ihre Kinder sehen. Sie sind auch keine Bedro-



    Frau Seiler-Albring
    hung unseres Wohlstandes. Ich finde, er stünde wahrhaftig auf tönernen Füßen, wenn 200 000 Menschen, die hier ja keine „soziale Hängematte" erwarten, ihn gefährden könnten.
    Es ist gut, daran zu erinnern, daß wir Deutschen ja schon einmal eine ähnliche Aufgabe unter viel widrigeren Umständen sehr erfolgreich bewältigt haben. Deshalb appellieren wir an unsere Mitbürger, diesen Menschen mit Toleranz und Aufgeschlossenheit zu begegnen und ihnen bei der Eingewöhnung in eine ersehnte, aber doch fremde neue Heimat zu helfen.
    Der Staat — hier kommt der Haushalt zur Sprache — muß die finanziellen und organisatorischen Voraussetzungen erbringen. Das Sonderprogramm ist im Grundsatz richtig angelegt. Es gibt für uns Freie Demokraten auch keinen Zweifel daran, daß zu einer menschenwürdigen Aufnahme auch eine ausreichende Versorgung mit Wohnraum gehört. Dennoch behalten wir uns eine Überprüfung hinsichtlich Effizienz und Ausführung vor. Dem finanziellen Volumen stimmen wir ausdrücklich zu.
    Bei der Bewältigung dieser großen innenpolitischen Herausforderung werden wir unsere liberalen Kernforderungen im Auge behalten: keine Ghettoisierung, Dezentralisierung der Mittel und Lasten, Förderung der Privatinitiative, Absage an zusätzliche Subventionstatbestände für die großen Wohnungsbauunternehmen.
    Daneben bleibt es Aufgabe aktiver Aussiedlerpolitik, langfristig die Lebensbedingungen der Deutschen in den Ostgebieten erträglich und menschenwürdig zu gestalten, ihnen damit zu helfen, in ihren Siedlungsgebieten zu bleiben. Erste Ansätze — zumindest im Bereich der Rußlanddeutschen — sind zu pflegen und behutsam zu intensivieren.
    Ein anderes Thema, das aber auch unter dem Stichwort „politische Verfolgung" abzuhandeln ist, ist die Frage der Rückführung der Asylanten und Asylbewerber. Seit Beginn des Bürgerkrieges in Sri Lanka haben etwa 42 000 Personen bei uns Asyl beantragt. 26 000 Tamilen sind zur Zeit noch im Bundesgebiet.
    Meine Damen und Herren, die FDP-Haltung zum Art. 16 des Grundgesetzes ist bekannt und unverändert. Um ihn tragfähig zu halten, gibt es aber keinen Zweifel daran, daß dann, wenn die Tatbestände der politischen Verfolgung nicht mehr gegeben sind, die Rückführung von Flüchtlingen in ihr Heimatland zu fördern ist. Dies entspricht dem Konzept, das der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen in Abstimmung mit der internationalen Gemeinschaft erarbeitet hat. In Übereinstimmung mit diesen Grundsätzen wurde bereits mit der freiwilligen Rückführung von Tamilen aus Indien begonnen. Der Hohe Flüchtlingskommissar hat erklärt, daß auch die westeuropäischen Aufnahmeländer demnächst mit der Repatriierung beginnen könnten. Wir werden deshalb dem Beitrag an das Zwischenstaatliche Kommitee für Auswanderung für ein Sonderprogramm „Rückführung nach Sri Lanka" zustimmen. Verknüpfen werden wir dies aber mit der Bedingung, daß eine sorgfältige Einzelfallprüfung gewährleistet ist. Hilfen und Förderung der freiwilligen Rückkehr ja, Zwangsrückführung nein.

    (Beifall bei der FDP)

    Denn der Widerruf des Asylrechtes ist dann nicht vertretbar, wenn sich ein Flüchtling nach jahrelangem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland auf die Lebensverhältnisse hier eingestellt und sich und seine Familie voll integriert hat und die Zwangsabschiebung zu einer nicht vertretbaren Härte werden würde.
    Wenn die Erwartungen des Innenministeriums zutreffen, daß 1989 und 1990 jeweils 10 000 Tamilen das Angebot annehmen, dann stehen den Kosten von 30 Millionen DM hohe Einsparungen der Länder und Gemeinden bei den Sozialhilfeleistungen in Höhe von mindestens 100 Millionen DM jährlich gegenüber.
    Abschließend möchte ich auf einen Punkt eingehen, der eine Gruppe von Bundesbürgern betrifft, die größtenteils in ehrenamtlichem Einsatz seit vielen Jahren im erweiterten Katastrophenschutz tätig sind: die Mitarbeiter und Helfer im Technischen Hilfswerk. Der Bundesrechnungshof hat das Technische Hilfswerk geprüft und in einer Prüfmitteilung vom April mitgeteilt, daß nach seiner Ansicht die Probleme des Technischen Hilfswerks am besten dadurch gelöst werden könnten, daß man es auflöst und seine Aufgaben anderen Rettungs- und Hilfsorganisationen zuführt. Normalerweise ist es ja so, daß solche Bemerkungen erst einmal mit dem Betroffenen diskutiert und ihm die Möglichkeit gegeben wird, sich darauf einzustellen und eine Stellungnahme abzugeben.
    Meine Damen und Herren, ohne der abschließenden Würdigung und Diskussion vorgreifen zu wollen, muß festgestellt werden, daß die FDP die Ansicht des Bundesrechnungshofs nicht teilt, daß sich die Gesamtheit der Probleme dadurch lösen läßt, daß man die Aufgaben des Technischen Hilfswerks anderen Hilfsorganisationen überträgt. Es ist auch in meiner Fraktion unbestritten, daß es in der Abstimmung mit den Aufgaben mit den anderen Hilfsorganisationen — ich nenne hier ausdrücklich die Feuerwehr — Schwierigkeiten gibt, die gelöst werden müssen, nach unserer Meinung aber auch gelöst werden können. Ich denke, daß die zu erwartende Kabinettsvorlage zum Ergänzungsgesetz zum Gesetz zum erweiterten Katastrophenschutz hier für eine abschließende Klärung sorgen wird.
    Ich meine, daß eine so wichtige Aufgabe wie die des Zivilschutzes bei sparsamer Haushaltsführung, für die wir ja eintreten wollen und müssen, nur erfüllt werden kann, wenn sich die damit betrauten Einrichtungen und die in ihnen haupt- und ehrenamtlich tätigen Helfer der tatkräftigen Unterstützung durch das Parlament sicher sein können. Wir werden unseren Beitrag hierzu auch künftig leisten.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)