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ID1109106400

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    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Daniels


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist eigentlich nicht der Rede wert, über den Haushalt eines Ministers für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit zu beraten,

    (Fellner [CDU/CSU]: Dann darfst du ja wieder gehen!)

    der mit 1,8 Promille des Bundeshaushalts ein Schattendasein fristet.

    (Reuter [SPD]: Aber drei Staatssekretären!)

    Seine überproportionale Steigerung entspricht darüber hinaus nicht plötzlicher politischer Einsicht, sondern ist nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl

    (Waltemathe [SPD]: Molke!)

    allein zur Entsorgung mehrerer Dutzend Güterwaggons mit radioaktivem Molkepulver notwendig geworden.

    (Waltemathe [SPD]: Acht Mark pro Kilo!)

    Das Forschungsministerium hantiert immerhin mit 880 Millionen DM für Aufgaben oder Maßnahmen mit sogenannter umweltverbessernder Wirkung. Töpfer muß mit 530 Millionen DM seinen Gesamtbetrieb schmeißen. Das zeigt mir: Das Kabinett begreift das Umweltministerium vorrangig als seine Public-Relations-Abteilung für Umweltkrisen.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Sie wollen der zu Recht beunruhigten Bevölkerung vorgaukeln, daß sie auf die tagtäglichen Umweltkatastrophen reagieren. Ihre tatsächliche Aufgabe, Herr Töpfer, ist es aber, die eingewöhnte Politik mit ihrer Fixierung auf wirtschaftliches Wachstum zu dekken und andererseits als Baldrian der Nation Betroffenheit zu zeigen, Beschwerden entgegenzunehmen



    Dr. Daniels (Regensburg)

    und ununterbrochen Zuversicht auszustrahlen. Sie schauen einer toten Robbe ins Maul, tauchen durch den toten Rhein, stellen sich besorgten Eltern als Konfliktberater zur Seite und geben Weisheiten zur Atomenergie zum besten:
    Wir müssen eine Zukunft ohne Kernenergie erfinden; aber wir können doch heute nicht verzichten, wenn diese Zukunft noch nicht da ist.
    Finden Sie nicht auch, Herr Töpfer, daß es eine traurige Rolle ist, die Sie da übernommen haben? Sie wissen selbst sehr genau, wie wenig Sie in diesem Geschäft am Grundsätzlichen ändern können. Sie können höchstens damit rechnen, bei jeder Katastrophe scheibchenweise einen Einflußzuschlag durchzudrücken. Nur deswegen konnten Sie z. B. mit dem Transnuklear- Skandal das Bundesamt für Strahlenschutz erfinden, das am Ende leider wieder nur die Nuklearindustrie vor der Bevölkerung schützt.

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Ich frage Sie: Was hat Ihnen der Bundeskanzler geantwortet, als Sie in diesem Sommer mit dem Blick auf die bevorstehenden Haushaltsberatungen ein Veto des Umweltministers gefordert haben? Er hat Ihnen wahrscheinlich gar nicht zugehört. Wie unverzichtbar diese Forderung ist, will ich an einigen Beispielen erläutern.
    Im Landwirtschaftshaushalt ist immer noch die Flurbereinigung vorgesehen, mit der lebenswichtige Biotope zerstört werden. Erstmals werden Mittel für die Einstellung landwirtschaftlicher Betriebe bereitgestellt. Damit wird die Konzentration zu den Agrarfabriken, z. B. den Kälbermastfabriken, vorangetrieben. Die Flächenstillegung wird mit weiteren 250 Millionen DM finanziert. Sie wird entgegen den Regierungsverlautbarungen die kleinen Betriebe nicht vor der Pleite bewahren und auch keine Umweltentlastungen mit sich bringen. Wo war hier Ihr Veto, Herr Töpfer?

    (Beifall bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Im Verkehrsbereich wird mit mehr als 4 Milliarden DM der Ausbau des umweltzerstörenden Autobahnnetzes vorangetrieben. Über 5 Milliarden DM sollen in das völlig unsinnige Transrapid-System gesteckt werden, und weitere 300 Millionen DM werden in den Rhein-Main-Donau-Kanal versenkt. Wo war hier Ihr Veto, Herr Töpfer?

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Wo war denn das?)

    Im Forschungshaushalt wird die Gentechnik massiv gefördert, ganz zu schweigen vom Energiebereich. 700 Millionen DM gibt es für die Atomenergie und noch einmal 200 Millionen DM für die Kernfusion.
    Dieser Bundeshaushalt ist deswegen ein ökologischer Schadenshaushalt.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Er trägt zur Fortsetzung der Zerstörung unserer Lebensgrundlagen bei. Dieser Haushalt hält erst recht keiner Umweltverträglichkeitsprüfung stand.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ihr Haushalt gibt also nichts her für eine Wende in der Umweltpolitik.
    Aber auch die Instrumente, Herr Töpfer, die im Zentrum Ihrer Umweltpolitik stehen, tragen dazu nichts bei. Ihr Kooperationsprinzip, das Sie neben dem Vorsorgeprinzip und dem Verursacherprinzip zur Grundlage Ihrer Bemühungen erklärt haben, verbirgt eine der großen Lebenslügen dieser Bundesregierung. Das Wort Kooperation heißt ja zunächst nichts anderes als Zusammenarbeit, ist also positiv besetzt. Bezogen auf die Umweltpolitik müßten also diverse Interessengruppen zur Bewältigung der ökologischen Krise kooperieren. Ich frage Sie: Wer kooperiert denn derzeit in der Umweltpolitik mit wem? Kooperation à la Töpfer heißt, daß sogenannte freiwillige Absprachen ausschließlich zwischen staatlichen Organisationen und der Industrie ausgemauschelt werden. Den krassen Mißerfolg dieses Instrumentes haben wir im Abfallbereich und bei den Treibgasen gesehen.
    Würde dieser Begriff ernstgenommen, so müßte über ökologische Belange und Zielvorstellungen ein gesamtgesellschaftlicher Diskussionsprozeß in Gang gesetzt werden. Das ist deswegen unverzichtbar, weil Ihre Technologie-, Wirtschafts- und Umweltpolitik auf die Schaffung einer synthetischen Umwelt, die Schaffung einer kümmerlichen, wirtschaftlich absolut verwertbaren und patentierbaren Umwelt hinausläuft.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Einer der Repräsentanten dieser Zielvorstellung und Stichwortgeber, dem die Regierung folgt, ist der Präsident der Deutschen Forschungsgemeinschaft, Professor Hubert Markl. So behauptete er vor kurzem, die Ursache der ökologischen Krise sei nicht so sehr das exzessive und räuberische Wirtschaften, sondern die Normalität der evolutionären Entwicklung; denn Raffgier, Habgier und Bedenkenlosigkeit beschleunigten nur das, was durch die Evolution eh geschehe. Er sieht eine große Chance zur Bewältigung dieser Krise in der Anwendung der Gentechnik und und hält es für völlig übertrieben, darin gleich einen Frevel an der eigens „heilig gesprochenen" Evolution zu sehen.
    Also, wagen wir doch den Sprung in die synthetische Plastikwelt mit den manipulierten Lebewesen. Professor Markl dürfte fasziniert sein über eine kleine künstlich erzeugte Welt, die im amerikanischen Bundesstaat Arizona entwickelt wird. Dort soll unter einer Glashaube eine Art zweite Biosphäre für das Leben nach dem Zusammenbruch unseres Ökosystems geschaffen werden: der Mensch in einer Arche, die ihm im Weltraum oder auf der Erde zum Überleben verhelfen könnte. Nachahmer findet dieses Projekt aber auch in der Bundesrepublik.
    Zynisch werden die zerstörten Lebensgrundlagen als wissenschaftliche Konstante hingenommen. Menschsein ist nichts anderes mehr als technischer Faktor im wissenschaftlichen Fortschritt. Diese Art Zukunftsbewältigung werden wir bekämpfen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Die Gefahren einer auf Wissenschaftsgläubigkeit basierenden Technik sind nicht kalkulierbar. Wir wissen nicht, ob der Satellit mit den 50 kg Uran in der Bundesrepublik aufschlagen wird oder anderswo. Wir wissen nicht, wann bei den wahnsinnigen Tiefflügen ein Atomkraftwerk hochgehen wird. Wir wissen auch



    Dr. Daniels (Regensburg)

    nicht, ob sich in den nächsten 20 Jahren Tschernobyl wiederholen wird. Es nützt uns nichts, daß Ihre Wissenschaftler versuchen, mit den Mitteln der Wahrscheinlichkeitsrechnung diese Gefahren wieder aus dem Bewußtsein der Menschen herauszutransportieren.
    Wir GRÜNEN sind die Rufer in der Wüste. Wir werden weiter vor Fehlentwicklungen und drohenden Katastrophen warnen. Wir empfinden wahrlich keine Befriedigung, wenn unsere Befürchtungen, wie jetzt zuletzt geschehen, in schrecklichen Katastrophen Wirklichkeit werden.
    Es gibt keinen Automatismus in die Katastrophe. Wir können uns auch anders entscheiden. „Anders entscheiden" meint, früher für zukünftige Entwicklungen ökologische Weichenstellungen vorzunehmen. Eine solche Weichenstellung will ich Ihnen exemplarisch an der Verschmutzung unserer Flüsse und Meere erläutern.
    Im 19. Jahrhundert wurden die Flüsse zur Vorflutern und die Nordsee als Abfalleimer für unsere Scheiße verwertet. Heute, hundert Jahre später, erleben wir das Desaster. Es gab vor hundert Jahren bereits eine ausgereifte andere Technik. Die Scheiße sollte nicht aus den Wohnungen weggeschwemmt, sondern samt Gerüchen aus den Wohnungen abgesaugt werden, um sie anschließend zu kompostieren. Sie brauchen nicht die Nase zu rümpfen, ich will Ihnen nur deutlich machen, daß damals von Politikern die Weichen falsch gestellt worden sind.
    Heute, in diesem Haushalt, geht es um die Frage, wie die Nordsee saniert werden soll, auf welche Weise die Kosten für die dringend notwendige Phosphateliminierung aufgebracht werden. Sie schlagen vor, daß die dazu notwendigen 15 Milliarden DM von den Kommunen aufgebracht werden. Wie wir in dieser Debatte schon oft gehört haben, sollen die Kommunen, die durch die Steuerreform ohnehin in Finanzschwierigkeiten gebracht worden sind, diese zusätzlichen Mittel dadurch aufbringen, daß sie die Haushalte mit hohen Abwasserabgaben belegen. Das macht pro Haushalt 300 DM im Jahr mehr aus. Natürlich haben wir im Prinzip nichts dagegen, daß Umweltschutz uns alle etwas kostet, vor allem von allen bezahlt werden muß. Aber Ihre Weichenstellung führt nur dazu, daß wir Bürger mehr bezahlen müssen und daß sich die wachsende Umweltreparaturindustrie eine goldene Nase verdient.
    Bleiben wir bei den Phosphaten. Soll die Algenblüte, also die Eutrophierung der Gewässer, jetzt gestoppt werden, dann müßten 96 % des Phosphats eliminiert werden. Ihre Entscheidungen, die jetzt eingeleitet werden, bringen allenfalls 75 % Eliminierung der Phosphate. Das ist zwar viel, rettet die Nordsee aber keinesfalls, weil die Algenblüte so nicht eingedämmt werden kann. Dabei sind die für eine vollständige Eliminierung der Phosphate notwendigen Schritte längst bekannt. Zusätzlich wäre es sinnvoll und notwendig, daß nach einer Eliminierung der Phosphate diese selbst in Dünger weiterverarbeitet werden, anstatt wie bisher daran festzuhalten, cadmiumbelasteten Phosphatdünger zu importieren.
    Nicht nur an diesem Beispiel, sondern auch an einigen anderen zeigt sich die falsche Grundstruktur Ihrer Politik. Nehmen wir die Biozide. Ich will Ihnen hier keinen Vortrag über die Verseuchung des Grundwassers mit Pflanzenmittelrückständen halten. Sie können das in den Zeitungen lesen. Unüberhörbar hat der Bundesverband der Gas- und Wasserwerke Alarm geschlagen. Der Absatz an Pflanzenschutzmitteln in der Bundesrepublik beträgt wertmäßig 1 Milliarde DM. Die Reinigungskosten für die Wasserwerke, um wenigstens die in Kürze gültigen Grenzwerte einhalten zu können, belaufen sich dann auf 7 Milliarden DM. Das wird natürlich wieder der Verbraucher bezahlen. Was sagt der Bundeshaushalt dazu? — Fehlanzeige. Die BBA, die biologische Gesundbetungsanstalt für Biozide in Braunschweig, wird brav weiterfinanziert. Die Vergiftung wird staatlich sanktioniert.
    Weitere Beispiele lassen sich beliebig anführen. Denken Sie nur an das Transrapid-System, den Hochtemperatur-Modulreaktor als sogenannten Notausgang für die Atomindustrie und den Jäger 90. In 10, vielleicht in 20 Jahren darf dann ein Nachfolger von Ihnen, Herr Töpfer, unsere Kinder mit dann vielleicht 3 000 DM für eine Reparatur zur Kasse bitten, und das nur deshalb, weil Sie, ohne auf die Einwände in der Öffentlichkeit einzugehen, den gigantischen HighTech-Durchbruch wider alle Vernunft organisieren und finanzieren wollen.
    Es geht uns heute nicht mehr darum, mit Millionen zwischen verschiedenen Haushaltstiteln zu jonglieren, damit Sie, Herr Töpfer, mit Ihrem Umwelthaushalt Ihr Klassenziel, die Zwei-Promille-Marke, endlich erreichen. Nein, heute müssen ökologische Weichen für die Zukunft gestellt werden. Der ökologische Umbau unserer Gesellschaft wird zur vorrangigen Aufgabe für die letzten Jahre unseres 20. Jahrhunderts. Ökologische Politik zielt auf einen übergreifenden Ansatz. Sie versteht sich als ein Gesamtpaket, in dem Wirtschafts-, Finanz- und Strukturpolitik unter ökologischen Gesichtspunkten einheitlich definiert werden.
    Meine Damen und Herren, im Spannungsfeld von ökologischer Verträglichkeit, sozialer Gerechtigkeit und volkswirtschaftlicher Finanzierbarkeit muß die Weichenstellung erfolgen, die den Grundstein für eine ökologische Gesellschaft legt. Das heißt für hier und jetzt, daß alle wirtschaftlichen und umweltbelastenden Unternehmungen unseres Industriesystems auf ihre ökologische Tauglichkeit zu untersuchen sind.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Zu begreifen, daß die Umwelt die Grundlage allen wirtschaftlichen Handelns bildet und durch die gegenwärtige Entwicklung global gefährdet ist, ist dieser Regierung — nach allem, was wir gehört haben — offenbar nicht möglich.
    Meine Damen und Herren, grüne Umweltpolitik setzt im Gegensatz zu den Beschwichtigungsversuchen dieser Regierung auf ein differenziertes Instrumentarium. Drei Elemente möchte ich hier kurz erläutern.
    Erstens. Eine ökologisch und sozial orientierte regionale Strukturpolitik, um eine selbstbestimmte und



    Dr. Daniels (Regensburg)

    dezentrale Entwicklung wieder möglich zu machen, die Verpflichtung von Unternehmen zur Aufstellung von Umweltbilanzen und eine Umstrukturierung des Finanzsystems, hin zu einer steuerlichen Belastung von Umweltnutzung. Vorschläge zu einer ökologischen Steuerreform, die im Gegensatz zu Ihrer Steuerreform ihren Namen verdient, liegen seit längerem auf dem Tisch. Ich verweise auf die Studie des Heidelberger Umweltprognoseinstituts.
    Zweitens. Ordnungspolitische Maßnahmen — dazu gehören Verbote und Gebote — sowie eine ökologische Umverteilung der Staatsausgaben. Forschungsförderung zugunsten der Umwelt, Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie Maßnahmen zur Sanierung bestehender Umweltschäden, um nur einige Stichworte zu nennen. Selbstverständlich gehört in diesen Zusammenhang der in einer vielbeachteten Anhörung von uns vorgestellte Entwurf zum Umwelthaftungsrecht.
    Drittens. Eine Öffnung der Politik durch Bürgerbeteiligung. Dazu gehören die Mobilisierung eines ökologisch verantwortlichen Verbraucherverhaltens und die Schaffung von Transparenz in der Verwaltung. Dazu hat meine Fraktion bereits einen Gesetzentwurf zum Akteneinsichtsrecht vorgelegt, der hier hoffentlich bald beschlossen werden kann.
    Meine Damen und Herren, natürlich wissen auch wir GRÜNE heute nicht, wie die ökologisch ausgerichtete Gesellschaft im dritten Jahrtausend im Detail aussehen wird, aber eines ist gewiß: Entweder werden die Weichen für eine ökologische Entwicklung heute gestellt, oder wir hinterlassen unseren Nachkommen den größten Dreckhaufen der Menschheitsgeschichte.

    (Beifall bei den GRÜNEN)

    Ich glaube persönlich, daß zu dieser neuen ökologischen Politik auch gehört, daß sich die Menschen zu neuen ethischen Werten hinwenden, die Fähigkeit entwickeln, nach innen zu sehen, und die Intelligenz ihrer Herzen neu entfachen.

    (Beifall bei den GRÜNEN)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Baum.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Gerhart Rudolf Baum


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Nordsee, Treibhauseffekt, Ozonschicht, Vernichtung der Regenwälder, all dies zeigt, daß die Gefährdungen der Lebensgrundlagen auf dieser Erde nicht zu Ende sind. Im Gegenteil, der globalen Dimension vieler Umweltgefahren kann allein mit nationalen Maßnahmen nicht begegnet werden. Die anhaltende Bevölkerungsexplosion in der Dritten Welt, die anhaltende Übernutzung natürlicher Ressourcen, vor allem durch uns, die Industrieländer, drohen in der Tat zu einer entscheidenden Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Ökosystems dieser Welt zu werden.
    Auch das fortschreitende Aussterben von Pflanzen- und Tierarten ist ein irreparabler Verlust, der nicht nur die Vielfalt unserer Welt ärmer macht, sondern den genetischen Reichtum zerstört und damit zugleich die Lebensmöglichkeiten der Menschen beeinträchtigt. Ich meine und meine Fraktion meint, daß diese Situation die Staaten der Welt zu gemeinsamen Handeln und zu neuen Formen internationaler Kooperation veranlassen muß. Wir unterstützen die Bundesregierung, die auf diesem Felde auf verschiedenen Ebenen bei verschiedenen Konferenzen Anstöße gegeben hat. Weltweit sind Luft, Wasser, Boden, Rohstoffe und Landschaft nur endliche Ressourcen. Wir müssen in den internationalen Organisationen neue Instrumente entwickeln, damit die Umweltbelastung zurückgeht.
    Regionale und globale Umweltprobleme zeigen, daß nicht nur die Menschen Umweltansprüche haben, sondern auch Pflanzen und Tiere. Alle diese Ansprüche müssen wir bei Festlegung von Schutzniveaus und Zielen berücksichtigen, und dies ist eine riesige Aufgabe, die klare Prioritäten, regionale Umweltpläne und eine auf längere Sicht angelegte Strategie erfordert. Immer wieder neue wissenschaftliche Erkenntnisse — wir haben heute sehr viel mehr Erkenntnisse als vor etwa 10 Jahren — sind von der Politik einzubeziehen, aber die notwendige politische Entscheidung kann die Wissenschaft der Politik nicht abnehmen. Die reichen Länder der Erde müssen beim Umweltschutz eine Vorreiterrolle einnehmen. Weltweite Belastungsgrenzwerte, wie für Fluorchlorkohlenwasserstoff, dürfen nur als absoluter Minimumstandard für Umweltschutz verstanden werden. Die Montrealer Grenzwerte reichen eben nicht aus. Dies alles gilt auch für die Europäische Gemeinschaft.
    Wenn ich dies in aller Nüchternheit sage, so mache ich keine Vorwürfe an die Bundesregierung. Ich mache die Bundesregierung und auch sonst niemanden für diesen Zustand verantwortlich. Es ist eine Aufgabe der gesamten Menschheit, ein mühevoller Prozeß und nicht nur die Aufgabe des Gesetzgebers, nicht nur die Aufgabe des Staates, diesen Nachholbedarf geltend zu machen. Die Bundesregierung setzt die Politik früherer Regierungen fort, nämlich die Politik einer entschiedenen, realistischen und berechenbaren, Prioritäten setzenden Umweltpolitik. Sie ist auf dem richtigen Weg und hat unsere Unterstützung, auch wenn wir manchmal eine schnellere Gangart, Herr Töpfer, anmahnen.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: „Entschieden" stimmt aber nicht!)

    Die Nutzung von Umweltgütern wie Luft, Wasser und Boden muß in unserem Wirtschaftssystem noch stärker zum spürbaren Kostenfaktor werden, damit ein ständiger ökonomischer Impuls zur Vermeidung von Umweltbelastungen und für die Weiterentwicklung umweltfreundlicher Techniken sorgt.

    (Frau Blunck [SPD]: Und das erfordert Taten!)

    Meine Damen und Herren von der SPD, ich habe gerade in die „Zeit" von heute hineingeschaut, da wird Ihnen, wie von vielen anderen, bescheinigt, daß Ihr Parteitag kein wirtschaftspolitisches Konzept gebracht hat, auf dem Sie Umweltpolitik aufbauen können. Ein verläßliches wirtschaftspolitisches Konzept, ich möchte sagen, marktwirtschaftliches Konzept, ist die Grundlage für effizienten Umweltschutz. Sie können nicht einen Teil der Steuerpolitik mit Ihren Vorschlägen herauslösen, auf der anderen Seite aber durchaus selbstkritisch feststellen, daß Sie kein um-



    Baum
    fassendes Steuerkonzept haben. Wenn Sie uns jetzt mit Vorschlägen zu einer dramatischen Erhöhung der Energiesteuern überziehen, so ist dies ein Vorschlag, den wir nicht akzeptieren können. Er ist viel zu undifferenziert. Er berücksichtigt nicht die Wettbewerbsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich. Viele Kritiker haben Ihnen zu Recht vorgehalten, daß solche Dinge nur europäisch abgestimmt werden können. Sie verkennen, daß wir durch das Verursacherprinzip den Verursachern erhebliche Lasten auferlegt haben: Der Strom ist teurer geworden, Milliarden sind investiert worden. Meine Damen und Herren, dies ist kein tragfähiges Konzept, um ökonomische Anreize in die Wirtschaft hineinzubringen.

    (Fellner [CDU/CSU]: Das stand auch schon im „Bayernkurier", nicht nur in der „Zeit"!)