Rede:
ID1109104800

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter: 1
    3. Schäfer,: 1
    4. gestatten: 1
    5. Sie: 1
    6. eine: 1
    7. Zwischenfrage?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen! Wer sich an eine realistische Bestandsaufnahme unserer Umwelt begibt, der muß nüchtern feststellen, daß sich unsere Natur, wie auch der Bundesumweltminister kürzlich festgestellt hat, in einem desolaten Zustand befindet. Zu Recht hält deshalb die Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger den Umweltschutz nach der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit für die wichtigste politische Gestaltungsaufgabe.

    (Beifall bei der SPD)

    Viele von ihnen reagieren mit Betroffenheit, mit Ohnmacht, mit Wut und Hilflosigkeit, wenn sie feststellen müssen, wie begrenzt unsere bisherigen Anstrengungen waren, die drohenden Gefahren für Natur und Umwelt abzuwenden.

    (V o r sitz : Vizepräsident Stücklen)

    Viele Bürgerinnen und Bürger erwarten von Politik, Industrie und von jedem einzelnen eine radikale Umkehr. Worte und Reden haben sie genug gehört. Jetzt erwarten sie Taten.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir müssen handeln, meine Damen und Herren, um Natur und Umwelt zu retten, und zwar schnell.
    Seit langem besteht Übereinstimmung, daß wir eine vorsorgende Umweltpolitik brauchen, die verhindern soll, daß Schäden an Natur und Umwelt überhaupt auftreten. Aber noch immer werden wir in regelmäßigen Abständen von ökologischen Katastrophen scheinbar überrascht, wiewohl diese meist lange vorhersehbar waren.

    (Huonker [SPD]: Sehr richtig!)

    Die Nordseekatastrophe ist dafür nur ein Beispiel. Immer wieder werden eilig zusammengezimmerte Sofort- und Notprogramme erforderlich, die uns deutlich machen, daß die Umweltpolitik in weiten Bereichen über Flickschusterei bisher nicht hinausgekommen ist. Das ist die nüchterne, das ist die bittere Wahrheit.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Es gehört im übrigen wenig prophetische Gabe zu der Vorhersage, daß angesichts gewaltiger und globaler Risiken wie der einer drohenden weltweiten Klimakatastrophe mit den Gefahren für das ganze Ökosystem Erde die Umweltpolitik auch weiterhin den zunehmenden Problemen mit unzulänglichen Mitteln atemlos hinterherlaufen wird. Abwenden können wir eine solche Entwicklung nur, den Übergang vom nachsorgenden Reparaturbetrieb zur vorsorgenden Umweltgestaltung werden wir nur schaffen, wenn die Umweltpolitik nicht mehr als lästiges Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung betrachtet wird, sondern wenn wir die ökologischen Zielsetzungen zur Voraussetzung und zum festen Bestandteil unseres wirtschafts- und finanzpolitischen Denkens und Handelns machen. Das ist der Punkt, auf den es ökologisch und ökonomisch ankommt.

    (Beifall bei der SPD)

    Güter müssen in Zukunft so produziert und Dienstleistungen so erbracht werden, daß damit nur ein Minimum an Energie- und Rohstoffeinsatz verbunden ist und daß auch die Nutzung der Produkte und ihre Entsorgung ohne Schaden für die Umwelt erfolgen kann. Wir müssen unserer Wirtschaft eine Struktur geben, in der umweltverträgliche und ressourcenschonende Produkte und Produktionsverfahren die alten Dinosauriertechnologien ablösen. Das ist die zentrale politische Gestaltungsaufgabe, national, in der Europäischen Gemeinschaft und auch weltweit.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Die Bundesregierung hat die sich hierzu bietenden Möglichkeiten verpaßt. Warum hat sie nach Sandoz nicht die Chance für die Entwicklung einer umweltverträglichen Chemiepolitik genutzt? Wo hat sie angesichts der Nordseekatastrophe im Gewässerschutz wirklich und wirksam gehandelt? Ihr Zehn-PunkteKatalog, Herr Töpfer, ist unzureichend, wie Ihnen alle Fraktionen dieses Hauses, auch Ihre eigene, bescheinigen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN)

    Wo hat die Bundesregierung nach Tschernobyl in der Energieversorgung umgesteuert? Wo sind Ihre Anstrengungen zur Förderung der rationellen Energieverwendung und des Energieeinsparens? Wo sind Ihre Anreize zur verstärkten Förderung der erneuerbaren Energiequellen? Wo hat die Bundesregierung eine Steuerpolitik betrieben, die auch ökologischen Belangen Rechnung trägt? Fehlanzeige auf allen diesen Feldern!

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Bundesregierung — das ist unser Hauptvorwurf an Sie — fehlt in der Umwelt- und Energiepolitik Gestaltungswillen und Gestaltungskraft; sie wärmt sich statt dessen am Strohfeuer niedriger Energiepreise.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, ich denke, es besteht Übereinstimmung in diesem Hause — zumindest bei den Umweltpolitikern — wenn ich sage, wir haben bisher auf Kosten der Natur gelebt. Wenn wir diesen Weg weitergehen, wird dies zum ökonomischen und ökologischen Zusammenbruch führen.
    Wir haben bisher gemeinsam Umweltpolitik überwiegend mit Geboten und Verboten, mit Grenzwerten und Richtwerten betrieben. Diese Mittel behalten auch in Zukunft ihren Wert, aber sie reichen für eine Politik der Umwelt- und Zukunftsvorsorge, für eine Politik des notwendigen ökologischen Umbaus der Industriegesellschaft nicht aus. Wir Sozialdemokraten wissen, daß der ökologische Umbau der Industrie-



    Schäfer (Offenburg)

    gesellschaft auch über den ökologischen Umbau des Steuer- und des Abgabensystems erfolgen muß.

    (Beifall bei der SPD — Kleinert [Marburg] [GRÜNE]: Seit wann lesen Sie unsere Programme vor?)

    Lassen Sie mich etwas zu Möglichkeiten, Mitteln und Notwendigkeiten marktwirtschaftlicher Instrumente sagen. Die Regierung beschwört die Marktwirtschaft. Sie redet auch viel von marktwirtschaftlichen Instrumenten im Umweltschutz. Nur, Herr Töpfer, Herr Baum, Schein und Sein, Reden und Handeln fallen weit auseinander. Das wirksame, unverzichtbare und zugleich marktwirtschaftliche Instrument einer umweltgerechten Steuerung der Wirtschaft, nämlich ökologische Steuern und Abgaben, wird bei Ihnen sträflich vernachlässigt.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Bundesregierung hat es bis zur Stunde nicht fertiggebracht, Steuerpolitik und Umweltschutz wirksam zu verbinden. Auch gezielte marktwirtschaftlich wirkende Umweltabgaben lehnt sie ab. Die bewährte Abwasserabgabe, Kollege Baum, haben wir während unserer gemeinsamen Regierungszeit durchgesetzt. Die Kraft für neue Abgaben, die marktwirtschaftlich pro Umwelt wirken, fehlt leider dieser Regierung in der Wirklichkeit ihrer Politik.

    (Beifall bei der SPD)

    Aus der konservativen Ecke der Politik — und leider auch aus Teilen der Industrie — tönt es: Der Industriestandort Bundesrepublik ist gefährdet, auch wegen angeblich zu hoher Umweltschutzauflagen. Das Gegenteil ist richtig. Auf Dauer hat die Volkswirtschaft die Nase vorn, die umwelt- und gesundheitsverträglich produziert. Das ist die politische Gestaltungsaufgabe, der wir uns alle stellen müssen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir wissen, die ökologische Erneuerung ist die Voraussetzung für qualitatives Wachstum und für eine zukunftssichere Entwicklung. Nicht nur aus ökologischen, nein, gerade auch aus ökonomischen Gründen brauchen wir eine Umkehr in der Umwelt- und Energiepolitik.
    Die ökologische Schadensbilanz belegt dies doch überdeutlich. Die jährlichen Schäden liegen allein in der Bundesrepublik Deutschland bei über 100 Milliarden DM. Davon entfallen allein 48 Milliarden DM auf Schäden durch Luftverschmutzung, die in erster Linie Folge des zu hohen Energieverbrauchs ist. Diesen Umweltschäden von Jahr für Jahr über 100 Milliarden DM stehen Investitionen und Aufwendungen für Umweltschutz von ca. 30 Milliarden DM pro Jahr gegenüber. Dieses Mißverhältnis können wir uns auch aus ökonomischen Gründen nicht leisten.

    (Huonker [SPD]: Sehr richtig!)

    Eine Umkehr ist notwendig. Die Güter der Natur — Luft, Wasser und Boden — dürfen nicht länger zum Nulltarif genutzt werden. Sie müssen endlich ihren Preis bekommen. Sie sind kostbar und für das Überleben der Menschheit unersetzlich. Diese Tatsache muß sich auch in den Bilanzen der Unternehmen widerspiegeln.
    Die Politik muß umweltfreundliche Produktion und umweltfreundliche Güter begünstigen, umweltschädliche und umweltbelastende Produkte und Verhaltensweisen verteuern. Mit anderen Worten: Umweltschonendes Produzieren und umweltschonendes Konsumieren müssen sich rechnen, umweltschädliches Produzieren und umweltschädliche Produkte dürfen sich nicht weiterhin lohnen. Um ein Beispiel zu geben: Die Plastikflasche, die PET-Flasche, muß erheblich teurer werden als die Glaspfandflasche. Auf diesem Wege steuern wir den ökologischen Umbau.

    (Beifall bei der SPD)

    Was hat diese Regierung auf diesem Feld getan? Sie hat die Chance nicht genutzt, marktwirtschaftliche Instrumente zugunsten der Umwelt einzusetzen. Sie hat nicht einmal Ansätze eines steuerpolitischen Konzeptes, das die ökologischen Notwendigkeiten mit den klassischen Prinzipien des Steuerrechtes, nämlich Leistungsgerechtigkeit und ökonomische Effizienz, verbindet. Auch von Ihnen, Herr Töpfer, ist kein Vorschlag in dieser Richtung bekannt geworden. Im Gegenteil, Sie haben tatenlos zugesehen, wie diese Regierung steuerliche Maßnahmen für Umweltschutz und Energieeinsparung abgeschafft hat.
    Ich nenne einige Beispiele: Mit dem § 7 d des Einkommensteuergesetzes wurden allein 1986 Umweltschutzinvestitionen von über 8 Milliarden DM ausgelöst.

    (Baum [FDP]: Na also!)

    Mit der Abschaffung zum 1. Januar 1991 fallen diese Anreize weg. Dies ist Bestandteil Ihrer Steuerreform. Das ist eine Steuerreform, die sich gegen die Umwelt und gegen die Interessen der nach uns kommenden Kinder auswirkt.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der GRÜNEN — Abg. Dr. Göhner [CDU,/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Schäfer, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Harald B. Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nein.
    Ich nenne die Abschaffung des Investitionszulagengesetzes. Ich nenne die Abschaffung steuerlicher Sonderabschreibungen für Energieeinsparmaßnahmen in Gebäuden zum 1. Januar 1992, und ich nenne die Abschaffung von Sonderabschreibungen für Forschungs- und Entwicklungsmaßnahmen zum 1. Januar 1990, wodurch den erneuerbaren Energietechniken eine unerläßliche Hilfe zur Markteinführung entzogen wird.
    Mit all diesen Maßnahmen betreibt die Bundesregierung den steuerpolitischen Kahlschlag beim Umweltschutz, bei der Energieeinsparung und bei den erneuerbaren Energien. Sie, Herr Töpfer, sind mitverantwortlich für diese drastische Verschlechterung der staatlichen Rahmenbedingungen für den Umweltschutz und für eine umweltverträgliche Energienutzung. So breit, Herr Töpfer, sind die Schultern von Herrn Dr. Stoltenberg gewiß nicht, daß sich der Umweltminister hinter ihnen verstecken könnte.

    (Beifall bei der SPD)




    Schäfer (Offenburg)

    Wir haben bereits 1983 mit dem Konzept „Arbeit und Umwelt" die Anhebung von Steuern auf den Energieverbrauch ökologisch begründet, um neue und dauerhafte Arbeitsplätze in der Umweltschutzindustrie zu schaffen und um Umweltschäden zu beseitigen. Sie haben das abgelehnt und so die Chance verpaßt, aus der Umweltschutzindustrie eine Wachstumsindustrie zu machen. 400 000 neue Arbeitsplätze hätten hier entstehen können, wenn Sie unseren Vorschlag seit 1983 für ein Sonderprogramm „Arbeit und Umwelt" aufgegriffen hätten. Statt dessen ist die Massenarbeitslosigkeit gestiegen, nicht zuletzt auch als Folge Ihrer umweltpolitischen Untätigkeit.
    Ich will aus umweltpolitischer Sicht noch etwas zu unserem aktuellen Vorschlag zur Besteuerung nicht erneuerbarer Energieträger sagen. Dieser Vorschlag beruht auf der Einsicht, daß für Umweltschutz, für rationelle Energieverwendung, für Energieeinsparung und für erneuerbare Energiequellen mehr getan werden muß. Angesichts der gewaltigen Probleme, vor denen wir stehen, muß doch die Zeit der schönen Worte und der kosmetischen Operationen vorbei sein.
    Die Politik der Gegenwart — darüber sind wir uns doch zumindest theoretisch einig — darf nicht ein Anschlag auf die Zukunft sein. Wir würden unserer Verantwortung sonst nicht einmal annähernd gerecht werden.
    Immer mehr Menschen begreifen dies. Sie begreifen, daß wir im Interesse unserer Kinder und unserer Kindeskinder umweltgerecht und energiebewußt leben müssen. Unser Vorschlag einer Energiesteuer ist das genaue Gegenteil dessen, was die Koalition mit ihren Verbrauchsteuerhöhungen bezweckt. Sie von der Koalition erhöhen die Verbrauchsteuern, um Haushaltslöcher zu stopfen

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie doch selbst nicht, Herr Schäfer!)

    und ökonomisch unsinnige Steuergeschenke für Groß- und Spitzenverdiener zu finanzieren. Die 8 Milliarden DM, die Sie durch die Verbrauchsteuererhöhungen mehr einnehmen, geben Sie dafür aus, um die Steuerentlastung der einen Million Spitzen- und Großverdiener zu finanzieren. Das ist die bittere Wahrheit und nichts anderes.

    (Beifall bei der SPD)

    Ziel und Zweck unseres Vorschlags ist der ökologische Umbau unserer Industriegesellschaft durch rationelle und umweltgerechte Erzeugung und Verwendung von Energie. Das Aufkommen aus diesen Steuern soll nicht dem Fiskus zugeführt werden, also lediglich die Staatseinnahmen verbessern. Es soll nach unserer Vorstellung den Bürgern an anderer Stelle, beispielsweise durch eine Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer, zurückgegeben werden.
    Noch eines, damit keine Mißverständnisse auftauchen und Sie von den Koalitionsfraktionen keine Legenden weben können: Im Gegensatz zu Ihnen und dem, was Sie Steuerreform nennen, werden wir für diejenigen, die von der Energiesteuer belastet werden, durch eine Senkung bei der Lohn- und Einkommensteuer wegen ihres geringen Einkommens aber nicht entlastet werden können — Sozialhilfeempfänger, Arbeitslose und viele Rentnerinnen und Rentner zahlen z. B. keine Steuer — , einen sozialen Ausgleich schaffen.
    Unser Vorschlag zielt auch auf den EG-Binnenmarkt und auf die Diskussion um die Harmonisierung der indirekten Steuern. Statt sich hinter Richtlinienentwürfen der Kommission zu verstecken, statt diese als Alibi für eigene Untätigkeiten vorzuschieben, müssen wir darauf drängen, daß die Notwendigkeiten der Umweltvorsorge und einer umweltverträglichen Energiepolitik endlich auch in die Steuerharmonisierung innerhalb der EG Eingang finden.

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist eine umwelt-, eine steuer- und eine wirtschaftspolitische Aufgabe, der wir uns innerhalb der EG zu stellen haben.
    Ich will ein weiteres Feld kurz streifen, bei dem deutlich wird, daß bei Ihnen, Herr Töpfer, Schein und Sein, Reden und Handeln auseinanderfallen. Ich komme zur Energiepolitik. Am 17. Mai 1988 sagten Sie vor der Kerntechnischen Gesellschaft zur Kernenergie

    (Zuruf von der SPD: Verklappungsminister!)

    — ich zitiere —:
    Eine Technologie mit dem Anspruch Zukunftstechnologie kann und darf nicht gegen die Bevölkerung durchgesetzt werden.
    Dieser Satz ist richtig. Nur, in Ihrer Politik halten Sie sich nicht daran. Heute müssen wir leider feststellen, daß Sie Ihre eigenen Grundsätze, wenn es um konkrete Entscheidungen bei der Kernenergie geht, nicht befolgen. Sie reden beispielsweise von einer Zukunft ohne Kernenergie und setzen gleichzeitig in Ihren politischen Entscheidungen, in Ihrem Handeln auf Technologien, die nur bei langfristiger Nutzung Sinn machen, wenn man nämlich langfristig auf Kernenergie setzen will.
    Sie setzen beispielsweise immer noch auf den Schnellen Brüter, eine international absterbende Technik,

    (Roth [SPD]: Das ist der Test!)

    und wollen die Landesregierung Nordrhein-Westfalen vor das Verfassungsgericht zerren, nur weil es diese Landesregierung ernst meint mit dem Prinzip: Sicherheit geht vor anderen Interessen.

    (Beifall bei der SPD)

    Das gleiche gilt, Herr Töpfer, für Ihre Haltung zur Wiederaufarbeitung. Sie setzen unverdrossen auf die Durchsetzung dieser gefährlichen und überflüssigen Technik,

    (Gerstein [CDU/CSU]: Notwendig ist sie!)

    und zwar gegen den erklärten Willen der Bevölkerung.
    Dazu paßt beispielsweise Ihr Verhalten zum Abbruch des Anhörungsverfahrens zur Wiederaufarbeitungsanlage in Wackersdorf.

    (Dr. Daniels [Regensburg] [GRÜNE]: Sehr gut!)




    Schäfer (Offenburg)

    Was haben Sie getan, um das Bürgerrecht auf Beteiligung zu schützen, das die bayerische Landesregierung in absolutistischer Manier mit Füßen getreten hat?

    (Roth [SPD]: Feige geschwiegen!)

    Sie haben bis heute, Herr Töpfer, zu diesen skandalösen Vorgängen geschwiegen. Warum? Ich frage Sie: Warum? Für mich ist Ihr Schweigen nur als Zustimmung zu deuten.

    (Roth Oder haben Sie etwa Angst, erneut von Franz Josef Strauß gedeckelt zu werden? Ein weiteres Beispiel für Ihre Politik des Nachgebens gegenüber den Interessen der Industrie ist der Fall Brokdorf. Wer kann noch, Herr Töpfer, Ihren schönen Reden und schönen Schwüren glauben, Sicherheit gehe Ihnen vor Wirtschaftlichkeit, nachdem Sie Druck auf eine Landesregierung ausgeübt haben, die den Grundsatz „Sicherheit geht vor Wirtschaftlichkeit" bei der Kernenergie ernst nimmt? Sie haben in Brokdorf Ihren sicherheitspolitischen Sündenfall erlebt. Sie haben die Interessen der Betreiber vor die Interessen der Bevölkerung gestellt. Ihre Pflicht wäre es gewesen, dem Betreiber aufzuerlegen, sofort die Sicherheitsmängel in Brokdorf zu beseitigen. Sie sollten, Herr Töpfer, endlich damit aufhören, in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwekken, Sie wären für eine Zukunft ohne Kernenergie. In Wahrheit — dafür stehen Ihr konkretes Handeln und die Beispiele Kalkar, Wackersdorf und Brokdorf —, in der Wirklichkeit Ihrer Politik, nicht in Ihren Reden, unterscheiden Sie sich keinen Deut von Ihrem Amtsvorgänger. Auch Sie sind ein Atomminister. Die Kluft zwischen Sein und Schein, zwischen Reden und Handeln, wird auch deutlich, wenn man sich anschaut, was aus den vollmundigen Ankündigungen der Koalitionsvereinbarungen zum Umweltschutz bisher auf den Weg gebracht wurde. Es liegt z. B. kein neues Umwelthaftungsrecht vor, die Novelle zum Chemikaliengesetz steht noch immer aus — um nur zwei Beispiele zu nennen. Selbst Herr Baum beklagt, daß die wichtigsten Gesetzentwürfe fehlen und daß eine Gesetzesoffensive nötig ist. Ich verweise auf die Presseerklärung, Herr Baum, vom 2. September 1988. Auch Ihre Haltung zur Verankerung des Umweltschutzes im Grundgesetz, Herr Töpfer, kann man unter der Überschrift Schein und Sein, Reden und Handeln abhandeln. Während Sie in Festreden gerne — ich füge hinzu: zu Recht — das Eigenrecht der Natur hervorheben, schweigen Sie beharrlich zu einem Vorschlag des Justizministers, der nicht nur auf den Schutz des Eigenrechtes der Natur verzichtet, sondern sogar durch einen Gesetzesvorbehalt das Staatsziel Umweltschutz zu einem Staatsziel zweiter Klasse machen will. (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt doch gar nicht!)


    (Zuruf von der SPD: So ist es!)


    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Einen solchen Etikettenschwindel werden wir nicht mitmachen.
    Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, beispielsweise für eine nationale Anstrengung zur Rettung der Nordsee und der Gewässer, für eine sichere Energieversorgung ohne Atomkraft. Wir haben Konzepte erarbeitet und vorgelegt zur Erhöhung der Energieproduktivität, zur umweltfreundlichen Kohlenutzung und zur Förderung erneuerbarer Energiequellen. Wir halten unbeirrt am Jahrhundertvertrag fest. Wir erwarten, daß der Bundeswirtschaftsminister endlich die finanzielle Absicherung dieses Vertrages bis 1995 jetzt, heute unter Dach und Fach bringt.
    Unser Energieprogramm bedeutet den Abbau der Gefahren, die mit der Atomkraft verbunden sind, und zeigt Wege aus der Gefahr der Klimakatastrophe. Unsere Vorschläge liegen vor für eine umweltverträgliche Chemiepolitik, die nicht neue chemische Zeitbomben produziert und die die Arbeitsplätze in der chemischen Industrie zukunftssicher macht, weil sie sie umweltverträglich und gesundheitsverträglich gestaltet.
    Unser nationales Programm zur Sanierung der Altlasten liegt vor, ebenso unsere Vorschläge für ein neues Umwelthaftungsrecht, das eine umweltverträgliche Produktion in einzelnen Unternehmen ohne bürokratischen Aufwand, marktwirtschaftlich gleichsam, ermöglicht.
    Schließlich liegt eine ökologisch orientierte Steuerreform von uns auf dem Tisch, die umweltverträgliche Produktion und umweltverträgliches Verhalten fördert und schädliches Verhalten verteuert. Wir wollen, daß das ökologisch Notwendige das ökonomische Handeln bestimmt. Wir wollen den Umweltschutz als Staatsziel im Grundgesetz ohne Wenn und Aber verankert wissen.
    Ich komme zum Ausgangspunkt meiner Rede zurück. Wir haben wenig Zeit. Wir müssen handeln, und zwar jetzt. Die Zeit der Ankündigungen muß vorbei sein. Unsere Konzepte liegen auf dem Tisch. Wir Sozialdemokraten sagen — und wissen uns der Unterstützung der Mehrheit unserer Bürgerinnen und Bürger sicher — : Die ökologische Erneuerung unserer Industriegesellschaft duldet keinen Aufschub.
    Ich bedanke mich bei Ihnen.

    (Beifall bei der SPD)