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ID1109100900

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    Plenarprotokoll 11/91 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 91. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung) : a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung) : Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Roth SPD 6209 B Hauser (Krefeld) CDU/CSU 6214 C Sellin GRÜNE 6217D Dr. Graf Lambsdorff FDP 6219C Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 6224 B Rossmanith CDU/CSU 6227 A Schäfer (Offenburg) SPD 6229 A Schmidbauer CDU/CSU 6232 D Dr. Daniels (Regensburg) GRÜNE . . . 6235 C Baum FDP 6238 B Lennartz SPD 6241 A Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU 6243 C Dr. Töpfer, Bundesminister BMU . . . 6245 C Dr. Zimmermann, Bundesminister BMI . 6254 C Dr. Penner SPD 6256 C Frau Seiler-Albring FDP 6262 C Frau Olms GRÜNE 6263 D Dr. Laufs CDU/CSU 6265 D Dr. Hirsch FDP 6268 D Wüppesahl fraktionslos 6270 D Gerster (Mainz) CDU/CSU 6273 A Engelhard, Bundesminister BMJ 6276 A Dreßler SPD 6276 C Cronenberg (Arnsberg) FDP 6280 B Frau Beck-Oberdorf GRÜNE 6282 A Frau Hasselfeldt CDU/CSU 6284 D Dr. Blüm, Bundesminister BMA 6287 D Heyenn SPD 6293 A Tagesordnungspunkt 2: Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Einwilligung gemäß § 64 Abs. 2 Bundeshaushaltsordnung zur Veräußerung der bundeseigenen Wohnsiedlung in Mariental-Horst bei Helmstedt (Drucksachen 11/2301, 11/2561) Roth (Gießen) CDU/CSU 6250 C Müntefering SPD 6251 B Zywietz FDP 6252 B Brauer GRÜNE 6252 D Dr. Voss, Parl. Staatssekretär BMF . . . 6253 C Nächste Sitzung 6295 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 6296* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 91. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 8. September 1988 6209 91. Sitzung Bonn, den 8. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Gallus 8. 9. Gattermann 9. 9. Dr. Glotz 9. 9. Dr. Götz 9. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger* * 9. 9. Dr.-Ing. Kansy* * 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Frau Kelly 8. 9. Kiechle 9. 9. Klose 9. 9. Dr. Kreile 9. 9. Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Kroll-Schlüter 9. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)* * 9. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Poß 8. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Reuschenbach 9. 9. Schäfer (Mainz) 9. 9. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 9. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. Wissmann 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates * * für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    ... nicht aber Spekulation und Finanzanlagen. Übrigens geht es um Investitionen bei uns und nicht anderswo.
    Wir glauben nicht, daß die Senkung der Spitzensteuersätze für Private die besten Voraussetzungen für die Investitionstätigkeit schafft. Wir sind der Auffassung, daß die Begünstigung der reinvestierten Gewinne bzw. die Förderung der Sachanlagen die beste Voraussetzung für mehr Investitionen darstellt. Deshalb schlägt die SPD einen Umbau des Steuersystems zugunsten der Sachinvestitionen vor.
    Ökologische Erneuerung kann nur dann gelingen, wenn es innovative, risikofreudige, eben unternehmende Unternehmer gibt, wenn die ökologische Herausforderung gleichzeitig als Investitionschance im Wettbewerb begriffen wird.
    Sicher, wir brauchen auch öffentliche Investitionen. „Arbeit und Umwelt", unser Sondervermögen, ist ein Beispiel dafür. Wir wollen damit die umweltpolitischen Altlasten beseitigen. Da die Verursacher dieser Altlasten heute nicht mehr bestimmbar sind, brauchen wir ein umfassendes Programm zur Sanierung unserer Gewässer, zur Entgiftung unserer Böden, zur Reinigung der Luft. Was ist eigentlich das NordseeProgramm, das der Herr Töpfer vorgeschlagen hat, anderes als eine späte, zu kleine, falsch angelegte Kopie unseres Programms „Arbeit und Umwelt".

    (Beifall bei der SPD)

    Wir brauchen auch klare staatliche Rahmenbedingungen zum Schutz unserer Umwelt. Ökologische Erneuerung bedeutet die Setzung strikter Umweltnormen und ein starker Staat mit effizienter Kontrolle. In diesen Zusammenhang gehört der Vorschlag der SPD zu einer Verlagerung unserer Steuern von den direkten Steuern, insbesondere den Lohnsteuern, zu einer stärkeren Besteuerung des Energieverbrauchs. Wir wollen ein Steuersystem, das den ökologischen Anforderungen genügt. Wir wollen das Steuersystem nutzen, um ökologisch umzusteuern. Wir wollen nicht mehr einnehmen, sondern die höheren Energiesteuern für die steuerliche Entlastung der Bürger verwenden. Wir werden natürlich auch eine soziale Flankierung dieser Politik in Richtung Rentner oder sozial Schwache beachten.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Das ist nötig!)

    Eine Erhöhung der Energiesteuer würde gleichzeitig erfordern, daß beispielsweise Fernpendler an anderer Stelle im Steuersystem entlastet werden.
    Jeder kann sicher sein, daß die SPD bei ihrem neuen, anderen Steuersystem diese sozialen Aspekte einer Reformpolitik beachtet. Ich füge hinzu: Der Staat kann nur die Voraussetzung für eine ökologische Erneuerung schaffen. Die einzelnen Lösungen werden im Wettbewerb, werden am Markt erreicht.
    Manchmal wird eingewendet, eine derartige ökologische Ausrichtung unserer Wirtschaftspolitik hätte negative Wirkungen auf unsere Wettbewerbsfähigkeit. Ich halte dieses Bedenken für grundfalsch. In allen Ländern — in Nord und Süd, in Ost und West — werden in den letzten Jahren Forderungen nach Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen lauter und lauter. Wer die umweltverträglichsten Produkte herstellt und als erster an den Markt bringt, hat Wettbewerbsvorteile und Wettbewerbschancen in der Zukunft. Umgekehrt wird ein Schuh daraus!

    (Beifall bei der SPD)

    Insofern, finde ich, sollte man die Diskussion über den Standort Bundesrepublik Deutschland mit der ökologischen Diskussion zusammenführen. Das Zukunftsprojekt „Ökologische Erneuerung der Volkswirtschaft" ist gleichzeitig ein positiver Beitrag zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft.
    Meine Damen und Herren, die ökologische Erneuerung muß jetzt in Angriff genommen werden. Jetzt haben wir einen Überschuß an Arbeitskräften. Jetzt haben wir einen Überschuß an Sparkapital. Es kann gut sein, daß auf Grund der demographischen Entwicklung in fünfzehn Jahren die Situation ganz anders ist und wir andere Prioritäten setzen müssen. Deshalb ist ökologische Erneuerung die Aufgabe unserer Generation.
    Wenn die ökologische Erneuerung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit eine Steigerung der Investitionen verlangen, wenn also mehr Produktivkapital in den Unternehmen angesammelt wird und wenn das auf Grund einer drastischen steuerlichen Förderung der Investitionstätigkeit geschieht, dann ist es ein Gebot der Gerechtigkeit, die Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivkapital zu fördern.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn sonst bekäme man wieder Unternehmensvermögenskonzentrationen in wenigen Händen. Wir fordern Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften auf, diese Chance zu nutzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir haben auf unserem Parteitag in Münster das Thema Arbeitszeitverkürzung strittig diskutiert. Wir sind der Überzeugung, nicht mit umweltverträglichem Wachstum allein, schon gar nicht mit rein quantitativem Wachstum sind auf absehbare Zeit so viele neue Arbeitsplätze zu schaffen, daß jeder registrierte oder nicht registrierte Arbeitslose, geschweige denn jene Millionen Frauen, die Arbeit wollen, auch tatsächlich einen Arbeitsplatz finden werden.
    Wenn wir als langfristiges Ziel die 30-Stunden-Woche genannt haben, so drückt sich darin die Erwartung aus, daß der Produktivitätsfortschritt weiter schnell sein wird. Es drückt sich die Erwartung aus, daß Rationalisierungen weiterhin auf der Tagesordnung sind. Da wir aus Wettbewerbsgründen zum Produktivitätsfortschritt und zur Rationalisierung ja sagen müssen, brauchen wir auch interne Strategien zur



    Roth
    Umsetzung in der Arbeitszeit. Uns ist auch klar, daß eine 30-Stunden-Woche

    (Kittelmann [CDU/CSU] : Im Monat?)

    mit einer 30-Stunden-Maschinenlaufzeit nicht vereinbar wäre.

    (Dr. Weng [Gerlingen] [FDP]: Wie wäre es mit einer 171/2-Stunden-Woche?)

    Deshalb wird es gerade bei einer weiteren Verkürzung der Regelarbeitszeit flexiblere Arbeitszeitregelungen geben als bisher. Eine Diskussion über die Abkoppelung der individuellen Arbeitszeiten von den Maschinenlaufzeiten bzw. Betriebszeiten ist unausweichlich. Das ist die entscheidende Frage. Die entscheidende Frage ist nicht die Sonntagsarbeit. Bei der wollen wir überall, wo es möglich ist, bei der bewährten Regelung bleiben. Ausnahmen hat es auch bisher schon gegeben, wie jeder weiß.
    Es wird auch aus einem anderen Grunde eine freiere Arbeitszeitgestaltung geben. Sie erweitert die persönliche Freiheit, sie ermöglicht eine freiwillige, über den jährlichen Produktivitätsspielraum hinausgehende Arbeitszeitverkürzung und damit eine wirkliche Umverteilung von Arbeit und leistet gleichzeitig einen Beitrag zur Vollbeschäftigung. Viele Menschen wollen beweglichere Arbeitszeiten. Ein großer Teil der heutigen Vollzeitarbeitnehmer arbeitet nur unfreiwillig ganztägig. Nach Schätzungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesanstalt für Arbeit, das wir gern zitieren, entspricht die Summe der unfreiwillig geleisteten Arbeitsstunden rein rechnerisch etwa 3 Millionen Vollzeitarbeitsplätzen in der Bundesrepublik Deutschland. Wir kommen daher den Wünschen der Menschen entgegen, wenn wir uns auf eine freiere Gestaltung der Arbeitszeit einstellen.

    (Beifall bei der SPD)

    Aber eines ist auch klar: Individuellere Arbeitszeitregelungen bedürfen natürlich des Schutzes, des gewerkschaftlichen Schutzes und des gesetzlichen Schutzes, und der Gleichstellung, was Qualifikation und Bildungsmöglichkeiten betrifft.
    Meine Damen und Herren, in den letzten Monaten gab es eine intensive Diskussion über den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland. Wir Sozialdemokraten hielten die pessimistischen Untertöne für völlig verfehlt.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Wir Sozialdemokraten wollen den Wirtschaftsstandort Bundesrepublik Deutschland sichern, indem wir die Faktoren fördern, die ihn stark gemacht haben: wenig Arbeitskämpfe,

    (Hinsken [CDU/CSU]: 30 Stunden Arbeitszeit!)

    gut ausgebildete Arbeitnehmer mit hoher produktiver Leistung, gute Hochschulen, wissenschaftliche Einrichtungen, ein international anerkanntes Berufsbildungssystem und eine außerordentlich gute Infrastruktur.
    Eine Kosten- bzw. Lohnkostenkonkurrenz mit Billiglohnländern ist für die Bundesrepublik Deutschland der völlig falsche Weg. Er ist ein Weg in die Sackgasse.

    (Beifall bei der SPD)

    Er führt zu sozialem Unfrieden. Er führt in soziale Konflikte. Er führt dazu, daß letztlich nur Verlierer übrigbleiben.
    Dagegen sollten wir im Strukturwandel uns auf die viel wichtigere Qualitäts-, Qualifizierungs- und Innovationskonkurrenz konzentrieren. Sie zu gewinnen haben wir Chancen. Die hohe Qualifikation der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland wird überall als positiver Standortfaktor genannt.

    (Hinsken [CDU/CSU]: Ist richtig!)

    Zu Recht; denn den erstklassigen Ruf des „Made in Germany" und den Erfolg unserer Produkte und Dienstleistungen auf den Weltmärkten verdanken wir vor allem erstklassigen Arbeitskräften, und zwar Männern und Frauen in Forschung und Anwendung, in Dienstleistung, Produktion, Marketing und im Verkauf. Ihre beruflichen Fähigkeiten und Fertigkeiten zu bilden und ein ganzes Arbeitsleben lang auf der Höhe zu halten, ist kein Ziel neben anderen, sondern das vorrangige Ziel einer verantwortlichen Angebotspolitik. Das aber heißt Wissen und Erfahrung, Intelligenz und Initiative, Leistungsbereitschaft, Leistungsvermögen und Arbeitsfreude der Beschäftigten systematisch zu fördern. Sie dürfen nicht vergeudet, behindert oder beschädigt werden. Es geht um die geistige Infrastruktur unseres Landes als Standortiaktor. Es geht darum, Qualifizierung und Weiterbildung als Zukunftsinvestition zu begreifen.

    (Beifall bei der SPD)

    Damit bleiben wir im Strukturwandel leistungsfähig, und wir haben zugleich ein Instrument im Kampf um die Vollbeschäftigung. Wir wissen: Besser qualifizierte Arbeitnehmer haben mehr Chancen, ihren Arbeitsplatz auch in Zukunft zu erhalten.

    (Kolb [CDU/CSU]: Weshalb fehlen denn die Fachkräfte?)

    — Sie seien mal still, in der Ecke.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Wer hat sie denn ausgebildet?)

    — Herr Bundesarbeitsminister Blüm hat bei seinen Streichungen bei der Bundesanstalt für Arbeit gerade die Mittel für Qualifizierung zusammengestrichen. Das ist Politik in die falsche Richtung.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Die falsche Qualifizierung!)

    — Meine Damen und Herren, wir können ja eine Verabredung treffen: Wir gehen in den Haushaltsausschuß, und alle unsere Kollegen und Kolleginnen stimmen mit dafür, daß alle bisherigen Ausgaben für Qualifizierung erhalten bleiben. Da haben Sie unsere Hände sofort oben.

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Für richtige Qualifizierung!)

    Wir Sozialdemokraten laden deshalb alle Beteiligten, allen voran die Tarifparteien, Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ein, über die notwendige Modernisierung der geistigen Infrastruktur zu diskutieren und



    Roth
    gemeinsam in einer Art Sozialpakt realisierbare Konzepte zu entwickeln. Wir empfehlen eine bildungspolitische Offensive, die Erwachsenenbildung, Qualifizierung, Fort- und Weiterbildung auf allen Stufen — auf allen Stufen! — einen ebenso hohen Rang einräumt wie der Schule, der Hochschule und der bisherigen beruflichen Bildung. Qualifizierung als weiteres festes Element unseres Bildungssystems.
    Wir Sozialdemokraten wollen das Recht auf Fort- und Weiterbildung in der Arbeitswelt gesetzlich verankern. Die freiere Gestaltung der Arbeitszeit muß den Arbeitnehmern auch mehr Möglichkeiten zur Weiterbildung bieten.
    Wir Sozialdemokraten glauben, daß durch eine Erhöhung der Investitionstätigkeit unserer Wirtschaft und eine Ausrichtung dieser Wirtschaft auf die ökologischen Erfordernisse der Zukunft, daß durch bessere Qualifizierung der Arbeitnehmer und die freiere Arbeitszeitwahl bei Arbeitszeitverkürzungen positive Standortvoraussetzungen geschaffen werden, die uns im Wettbewerb mit den anderen Ländern nach vorn bringen.
    All dies, meine Damen und Herren, wird schon deshalb notwendig, weil die Verwirklichung des europäischen Binnenmarkts zu einer realistischen Perspektive geworden ist. Erfreulicherweise hat der Kommissionspräsident Jacques Delors den europäischen Integrationszug wieder ins Rollen gebracht.
    Wir Sozialdemokraten haben diesen europäischen Einigungsprozeß stets unterstützt, stets gefordert; jetzt müssen wir uns ihm stellen, auch wenn er an der einen oder anderen Stelle zu Schwierigkeiten führt. Diese Schwierigkeiten wird es geben. Ich denke nur an den Verkehrssektor.
    Die Verwirklichung des Binnenmarkts bedeutet mehr Wettbewerb, schärfere Konkurrenz auf den Banken- und Versicherungsmärkten, auf dem Verkehrsmarkt, auf den Industriemärkten, auf dem Energiemarkt. Ich glaube, im Industriesektor brauchen wir den Wettbewerb nicht zu scheuen, aber wir müssen aufpassen, daß nicht nur die großen Unternehmen vom europäischen Binnenmarkt profitieren. Wir müssen darauf achten, daß auch die kleinen und mittleren Unternehmen nicht einfach abgedrängt werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Deshalb brauchen wir mehr Wettbewerbspolitik auf europäischer Ebene. Deshalb brauchen wir eine Politik für den Mittelstand auf europäischer und nationaler Ebene. Es darf keine Schutzzäune geben, aber um so mehr müssen wir dann die Investitionsfähigkeit der Unternehmen stärken. Das paßt wieder mit unserem Steuerkonzept zusammen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die deutsche Sozialdemokratie hat sich auf ihrem Münsteraner Parteitag ein wirtschaftspolitisches Konzept erarbeitet. Wir werden uns den Herausforderungen stellen. Wir glauben, daß es möglich ist, die Wirtschaft leistungsfähig und stark zu erhalten und ökologisch neu auszurichten.
    Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Hauser (Krefeld).

(Hinsken [CDU/CSU]: Jetzt hören wir wenigstens eine vernünftige Rede!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hansheinz Hauser


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Roth, als Sie sich zu Beginn Ihrer Rede in der Form, wie Sie es getan haben, mit dem Bundeswirtschaftsminister auseinandersetzten, hatte ich das Gefühl, daß dies in Ermangelung eigener konzeptioneller Gedanken stattfindet; denn das, was Sie kritisch in Richtung des Bundeswirtschaftsministers gesagt haben, ist ja nicht etwa durch Ihre besonderen Ideen in eine andere, positive Richtung verändert worden.
    Wir können nur sagen: Der Bundeswirtschaftsminister hat seine Pflicht getan. Er hat mit seinem Haus die Aufgaben erfüllt. Die Konjunkturdaten, die wir heute hier präsentieren können — Sie werden es mir nicht übelnehmen, wenn ich ob dieser Tatsache Schadenfreude empfinde — , sind ja nicht das Ergebnis von Zufälligkeiten, sondern das Ergebnis einer vernünftigen Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Herr Kollege Roth, Sie haben am 3. März in der Debatte zum Jahreswirtschaftsbericht gefordert: Ein Kurswechsel in der Wirtschafts- und Finanzpolitik ist angesagt. Ich kann nur sagen: Wie gut, daß wir diesen Tönen nicht gefolgt sind. Sonst hätten wir heute diese Konjunkturdaten wahrscheinlich nicht vorliegen, sondern müßten uns damit einverstanden erklären, daß die Prognosezahlen, die uns zu Beginn des Jahres serviert wurden, tatsächlich eingetreten sind.
    Lassen Sie mich dazu ein Wort sagen. Ich habe mich schon zu einem früheren Zeitpunkt mit diesen Prognosen kritisch auseinandergesetzt. Für mich stellt sich wirklich die Frage, ob diese ganzen Prognosen, die von wissenschaftlichen oder auch pseudowissenschaftlichen Instituten und Persönlichkeiten vorgelegt werden, nicht mehr zur Irritation als zur Klarheit beitragen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Diese ganzen Prognosezahlen, die hochgepuscht werden und aus denen man alle möglichen Konsequenzen wie die eben von Ihnen schon zitierten ableitet, führen ja nicht dazu, daß wir zu einer besseren Entwicklung kommen, sondern sie führen nur zu mehr Verwirrung. Wir wissen alle, daß 50 % erfolgreicher Wirtschaftspolitik Psychologie ist. Wenn durch solche Prognosen den Leuten vorgemacht wird, das sei alles sehr schwierig und das werde alles sehr schwierig werden, dann ist es kein Wunder, daß das eine Grundstimmung erzeugt, die zunächst einmal negativ ist.
    Wir können festhalten, daß die Steigerungsraten in dem ersten Halbjahr eine Höhe erreicht haben wie seit Beginn der 80er Jahre nicht mehr, und wir können festhalten, daß die Finanz- und Wirtschaftspolitik dieser Bundesregierung gerade daran einen wesentlichen Anteil hat, weil die Kaufkraft unserer Bevölkerung durch die steuerlichen Entlastungen der ersten beiden Stufen der Steuerreform erheblich angewachsen ist.



    Hauser (Krefeld)

    Als sich die Wirtschaft nach dem Regierungswechsel 1982 wieder aufwärtsentwickelte, haben Sie und auch andere gesagt: Das liegt nur daran, daß wir jetzt einen starken Außenhandelsüberschuß haben, der Export trägt die Konjunktur. Das war auch richtig. Aber heute wissen wir, daß der Binnenmarkt, daß die Konsumgüter die Wirtschaft tragen, und das liegt daran, daß die Leute mehr Geld zur Verfügung haben und die Bedürfnisse besser befriedigt werden können. Insofern hat sich das, was wir finanzpolitisch wollten, hier wirtschaftspolitisch ausgezahlt. Ich meine, dies sollten wir nicht kleinschreiben, sondern wir sollten auf der Grundlage solcher Erkenntnisse und Entscheidungen auch in Zukunft unsere Politik gestalten.

    (Dr. Knabe [GRÜNE]: Mehr Luxus und mehr Armut!)

    Ich möchte noch einmal auf meine kritischen Anmerkungen zu der allgemeinen Prognosewut zurückkommen. Die Institute, die sich bemühen, über Monate hinweg Wachstumsraten mit Zehntelprozenten vorherzusagen, tragen, wie gesagt, nicht dazu bei, sondern sie tragen dazu bei, daß so etwas teilweise in die Nähe einer Lohnleitlinie gerückt wird, und es verführt dazu, zu sehr in pauschalen Perspektiven zu denken.

    (Schäfer [Offenburg] [SPD]: Was ist eine „pauschale Perspektive"?)

    — Wenn man beispielsweise sagt, das Wirtschaftswachstum in der Bundesrepublik hat sich um 4,5 % positiv entwickelt, dann heißt das, daß das nicht von Schleswig-Holstein bis Bayern oder von Flensburg bis Berchtesgaden gilt, sondern daß wir hier sehr nach Regionen und Branchen unterscheiden müssen und daß wir Branchen haben, die nach wie vor notleidend sind, obwohl wir andere Branchen haben, die weit über dieses Maß hinaus Wachstum haben. Das verstehe ich darunter. Ich hoffe, daß auch Sie das begreifen.

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Eine Perspektive ist aber eine räumliche Darstellung!)

    — Es mag ja sein, daß Sie das so empfinden, aber ich sehe das jetzt einmal im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Entwicklung.
    Herr Kollege Roth, Sie haben völlig recht, wenn Sie sagen, daß sich die Entwicklung in der Bundesrepublik sehr unterschiedlich darstellt. Deswegen müssen wir in unserer wirtschaftspolitischen Diskussion hier sehr differenzieren und uns davor hüten, dies alles nur in Bausch und Bogen zu tun. Die Prognosen, die hier immer wieder verkündet werden, verleiten dazu, alles nur global zu sehen und die notwendigen Differenzierungen dabei außer acht zu lassen, und dadurch werden wir auch dazu verleitet, falsche Instrumente anzuwenden.
    Die wirtschaftliche Entwicklung verläuft ungewöhnlich günstig, die Preise bleiben stabil. Es ist schon bemerkenswert, daß eine Preissteigerungsrate von 1,2 % mittlerweile schon als eine sensationelle Meldung verkündet wird. Früher haben wir unter Ihrer Regierungsverantwortung Preissteigerungsraten von 5 und 6 % gehabt. Damit haben Sie sich zufriedengegeben. Wenn wir heute eine Änderung der Steigerungsrate von 0,1 oder 0,2 % haben, dann wird das schon als ein Schlag gegen die Preisstabilität empfunden.
    Die Preise sind stabil gewesen, und — das halte ich für viel wichtiger — die Unternehmen weisen auch wieder positive Ergebnisse aus. Auch hier ist das nicht von vorne bis hinten überall gleich, aber die jüngsten Bilanzanalysen der Deutschen Bundesbank stellen fest, daß die langjährige Auszehrung der Eigenkapitalausstattung zum Stillstand gekommen ist, daß die Quote jetzt zum erstenmal wieder pauschal über 19 gestiegen ist und daß die Nettokapitalrendite im Jahre 1986 auf über 10 % angestiegen ist. Das heißt, daß durch diese Entwicklung auch die Zahl der Arbeitsplätze um über 800 000 angestiegen ist.

    (Urbaniak [SPD]: Und die Arbeitslosenzahlen!)

    Es darf ja nicht übersehen werden, daß wir heute eine erheblich größere Zahl an Arbeitsplätzen haben.

    (Urbaniak [SPD]: Reden Sie mal von den Arbeitslosen!)

    — Sie können jetzt noch so viel dazwischenschreien — ich weiß, daß Sie das nicht gerne hören — das kann an den Sachverhalten nichts ändern; da mögen Sie sich noch so sehr erregen. Unsere Politik hat die Schaffung von 800 000 neuen Arbeitsplätzen möglich gemacht, auch wenn Sie das nicht gerne haben wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, diese Arbeitsplätze sind nicht zuletzt im mittelständischen Bereich entstanden. Weil sich hier besonders der Mittelstand hervorgetan hat, sind wir auch so dankbar, daß in dem jetzt wieder vorgelegten Haushaltsplan für 1989 und die folgenden Jahre das Eigenkapitalhilfeprogramm weitergeführt wird.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wir wissen, daß dieses Programm in der Diskussion war, aber wir sind sehr dankbar, daß sich die Koalition mit der Regierung darüber verständigen konnte, daß dieses Eigenkapitalhilfeprogramm, in diesem Jahr wieder mit 144 Millionen DM ausgestattet, weitergeführt wird; denn es hat sich als ein Instrument zur Verselbständigung und zur Sicherung und Schaffung neuer Arbeitsplätze bewährt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Durch dieses Eigenkapitalhilfeprogramm sind im Schnitt 40 000 neue Arbeitsplätze geschaffen oder gesichert worden. Ich meine, dies ist ein wichtiges Ergebnis.
    Meine Damen und Herren, unser Wohlstand, unsere hohen Leistungsansprüche und unser System der sozialen Sicherheit hängen von der Leistungsfähigkeit und von der Ertragskraft der Wirtschaft ab. Der Sozialstaat lebt von der Leistungskraft und der Leistungsbereitschaft seiner Bürger. Er lebt nicht von der Umverteilungsphantasie der Funktionäre und ihrer Bürokratien. Vor allen Dingen sollten wir uns nicht selbst etwas vormachen wie vorhin Herr Kollege Roth, als er von der Entwicklung der Arbeitszeit sprach und glaubte, daß man damit Probleme am Arbeitsmarkt lösen könne.



    Hauser (Krefeld)

    Sie haben — ich begrüße das — gesagt, daß wir den Industriestandort Bundesrepublik Deutschland nicht kaputtreden dürfen. Wir dürfen ihn aber auch nicht dadurch kaputtmachen, daß hier Bedingungen am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft Fuß fassen, die dazu führen, daß die Arbeit in der Bundesrepublik immer teurer und immer unbezahlbarer wird. Wenn wir auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleiben wollen, müssen wir hier Arbeitsbedingungen haben, die konkurrenzfähig sind, und dies nicht zuletzt auch im Blick auf den sich entwickelnden gemeinsamen Markt.
    Es wäre gut, wenn man sich in diesem Zusammenhang einmal über die Konsequenzen dessen, was Sie hier eben vorgetragen haben, vor Ort und nicht nur in irgendwelchen Seminaren und irgendwelchen Lehrbüchern orientierte.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Was Sie hier vorgetragen haben, ist doch nicht die Wirklichkeit vor Ort. Die Wirklichkeit vor Ort ist, daß heute ein Großteil der Selbständigen, vor allen Dingen der Unternehmer im Mittelstand, 60 und 70 Stunden in der Woche arbeiten muß, um ihren Betrieb zu erhalten, um ihre Arbeitsplätze zu sichern, aber Sie diskutieren hier ernsthaft über die 30-Stunden-Woche. Da faßt man sich doch an den Kopf und fragt sich: In welchem Land leben wir denn hier noch?

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Meine Damen und Herren, die Investitionen sind ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung unserer Wirtschaft. Die Investitionen sind ja Gott sei Dank auch in den letzten Monaten sehr stark angewachsen. Insofern können wir uns sehr schnell darauf verständigen, daß man die Erträge in Unternehmen, die für Investitionen verwendet werden, steuerlich anders behandelt, als das bisher der Fall war — eine Forderung, die schon bei den letzten Steuerpaketen von Teilen unserer Fraktion in die Diskussion eingeführt worden ist. Ja, so weit, so gut. Nur will ich Ihnen eines sagen: Was Sie gerade auf dem Münsterer Parteitag mit dieser Überlegung verbunden haben, daß nämlich das Modell aus Schweden für Sie dafür Pate gestanden hätte, ist für uns unakzeptabel; denn wenn wir Investitionen begünstigen wollen, dann nicht, damit der Staat vorschreibt, welche Investitionen der Unternehmer zu finanzieren hat,

    (Roth [SPD]: Sie haben ja keine Ahnung!)

    sondern dann wollen wir dem Unternehmer freie Entscheidungsgewalt über das geben, was er braucht und für richtig hält.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Roth [SPD]: Frei von jeder Ahnung! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Da lassen wir uns weder vom Staat noch von sonst jemandem hereinreden.
    Wenn Sie die Diskussion, die in dem Zusammenhang von Ihrem Herrn Farthmann geführt worden ist, noch im Ohr haben, dann werden Sie sich daran erinnern, daß er gesagt hat, daß die marktgesetzliche Organisation ausgedient habe; sie müsse durch die Verfügungsgewalt eines starken Staates ersetzt werden. Genau das ist nicht der Weg, den wir zu gehen bereit sind. Wir setzen auf die freie Entfaltung der Unternehmerpersönlichkeit und seine Entscheidungskraft und auch die seiner Mitarbeiter. Wir brauchen keine Staatsfunktionäre, die uns sagen, wohin es wirtschaftlich gehen soll.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Die können es auch nicht!)

    — Die können es auch nicht; sie haben ja keine Ahnung.
    Lassen Sie mich in dem Zusammenhang eine Bemerkung zu einer Entwicklung machen, die ich für außerordentlich bedeutsam halte und die wir alle jetzt mit zum Teil großem Engagement diskutieren. Das ist die Entwicklung des europäischen Binnenmarktes ab 1993. Meine Damen und Herren, wir müssen den zunächst einmal blutleeren Begriff „Binnenmarkt" mit Leben erfüllen. Wir müssen deutlich machen, daß ein gemeinsamer Raum mit 320 Millionen Menschen hier in Europa entsteht, und wir müssen auch deutlich machen, wie wir dazu beitragen wollen, den Bedarf dieser 320 Millionen Menschen mit marktwirtschaftlichen Mitteln zu befriedigen.
    Der Binnenmarkt ist eine Herausforderung an die deutsche Wirtschaft, sich in diesem Markt den ihr zukommenden Anteil zu sichern. Es soll eine Aufgabe aller politischen Kräfte unseres Landes sein, den Bürgern, aber auch der Wirtschaft und ihren Verbänden die großen Vorzüge und die unglaublichen Chancen eines solchen riesigen Marktes nachdrücklich ins Bewußtsein zu rufen.
    Meine Damen und Herren, wir wissen sehr wohl, daß es dabei auch Risiken gibt. Wir wissen sehr genau, daß es dabei Probleme für die verschiedensten Branchen geben kann. Aber wir lösen diese Probleme nicht dadurch, daß wir sie ständig als eine große Herausforderung vor uns hertragen, sondern wir lösen sie, indem wir gemeinsam mit den Organisationen, mit den Firmen darüber nachdenken, wie wir diese Probleme beheben. Wir räumen die Hindernisse aus dem Weg und sorgen dafür, daß die veränderten Bedingungen und Risiken von unseren Unternehmen in gleicher Weise bewältigt werden müssen.
    Diese Möglichkeiten und Chancen werden inzwischen in allen Teilen der Welt analysiert und diskutiert, nicht zuletzt auch in sehr entfernt liegenden, aber wirtschaftlich leistungsfähigen Ländern Südostasiens. Meine Damen und Herren, zum Teil werden dort bereits Vorkehrungen getroffen, an diesem gemeinsamen europäischen Markt teilhaben zu können. So hat man sich auf den jüngsten Treffen der Vertreter der ASEAN-Staaten darauf veständigt, in einer gemeinsamen Kommission die wirtschaftlichen Möglichkeiten dieser Region beim Austausch von Waren und Dienstleistungen mit dem europäischen Binnenmarkt zu prüfen und in konkrete Ergebnisse umzusetzen.
    Lassen Sie mich zu Südostasien noch eine Anmerkung machen. Ich habe den Eindruck, daß die Investitionsbereitschaft der deutschen Wirtschaft in diesem Bereich außerordentlich unterentwickelt ist. Natürlich darf nicht außer acht gelassen werden, daß es schwierig ist, in einem solch weit entfernten Bereich Investitionen zu realisieren, wo sich die Japaner schon



    Hauser (Krefeld)

    vor der Haustür befinden. Aber man darf auch nicht übersehen, daß die deutsche Wirtschaft beispielsweise in dem fünftgrößten Land der Erde, in Indonesien, mit 175 Millionen Menschen im vorigen Jahr nicht eine einzige Mark investiert hat

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    und daß die deutsche Wirtschaft in einem Land wie Thailand mit wirtschaftlichen Zuwachsraten von 10 % im vorigen Jahr ganze 50 Millionen DM investiert hat. Die Japaner haben dort das 54fache an Investitionen eingesetzt. Deswegen, meine Damen und Herren, meine ich, ist auch das eine Perspektive, die wir sehen müssen.
    Ich möchte sagen, daß wir hier in der Bundesrepublik mit den Wirtschaftsbeziehungen zu den verschiedensten Industrieländern und zu den verschiedensten Regionen gerade auch im pazifischen Raum unseren Beitrag für einen offenen Welthandel leisten müssen. Deswegen ist es richtig, daß die Bundesregierung in ihrer Antwort auf die Große Anfrage festgestellt hat:
    Die Wirtschaftsbeziehungen zu den Industrieländern der Region
    — hier ist wieder Ostasien gemeint —
    sind nach Meinung der Bundesregierung noch entwicklungsfähig. Um an dem wachsenden Handel in und mit der pazifischen Region teilhaben zu können, bedarf die deutsche Wirtschaft der Unterstützung durch die deutsche Außenwirtschaftspolitik.
    Genau das ist der Punkt, um den es hier geht. Deswegen müssen wir auch dieser Frage unsere besondere Aufmerksamkeit widmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion teilt die Auffassung der Bundesregierung, daß stetiges Wachstum, Stabilität des Geldwertes und die Schaffung neuer Arbeitsplätze neben der Sicherung der bestehenden herausragende Ergebnisse unseres wirtschaftspolitischen Kurses sind. Dabei mag es in Einzelfragen unterschiedliche Sichtweisen geben, die jedoch nichts an dieser gemeinsamen Zielsetzung ändern. Dies gilt, wenn ich es hier anfügen darf, auch für den bevorstehenden Novellierungsentwurf zum Kartellrecht. Wir sind dankbar, daß die Bundesregierung damit Konsequenzen aus dem immer schwieriger werdenden Wettbewerbsdruck, aus der schädlichen Konzentrationsentwicklung in der deutschen Wirtschaft zieht. Ich meine, es ist notwendig, daß wir hier einen Weg finden, der diese negativen Entwicklungen ausschließt.

    (Sellin [GRÜNE]: Das glauben Sie ja selber nicht!)

    Herr Kollege Roth, Sie haben vorhin von der Notwendigkeit der qualifizierten Ausbildung gesprochen. Ich möchte hier aus ganz aktuellem Anlaß noch eine Bemerkung dazu machen. Ein wesentlicher Teil der Qualität unserer Berufsausbildung ist die handwerkliche Berufsausbildung. Die handwerkliche Berufsausbildung, die auf dem Großen Befähigungsnachweis und dem dualen System sowie auch auf der Grundlage einer bewährten Organisation beruht.
    Meine Damen und Herren, ich habe wenig Verständnis dafür, wenn der Große Befähigungsnachweis und die Fragen, die mit der handwerklichen Beruf sausbildung in Verbindung stehen, völlig überflüssigerweise zur Disposition gestellt werden.

    (Rixe [SPD]: Wer hat denn das gemacht?)

    Ich bin dankbar, daß der Bundeskanzler und der Bundeswirtschaftsminister in der vorigen Woche Klarheit geschaffen haben, daß diese Organisationen und diese Basis für sie nicht zur Disposition stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Deswegen werden wir auch in Zukunft unseren Anteil zur Qualifizierung unserer Mitarbeiter und der Qualität der Fachkräfte in der Bundesrepublik leisten.

    (Rixe [SPD]: Das sagen Sie einmal Herrn Bangemann!)

    Lassen Sie mich mit folgender Bemerkung schließen. Bei allen Sorgen, die wir haben, wäre etwas mehr Optimismus angebracht. Das Horrorbild über die Zustände in Staat und Gesellschaft, das die Opposition in den letzten Tagen hier zu entwerfen versucht, nimmt Ihnen ja ernsthaft niemand ab. Es kommt darauf an, in welcher Grundhaltung wir alle an die Behandlung und Lösung der anstehenden Probleme herangehen. Für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion nehme ich gerne ein Zitat von Ludwig Erhard in Anspruch, der gesagt hat:
    Für den Ablauf der Wirtschaft ist es von entscheidender Bedeutung, wie wir uns selbst verhalten, wie wir handeln, ob wir optimistisch oder pessimistisch sind, ob wir à la Hausse oder à la Baisse spekulieren, ob wir sparen oder verbrauchen, alles schlägt sich in wirtschaftlichen Daten nieder. Die Wirtschaft hat nicht ein Eigenleben im Sinne eines seelenlosen Automatismus, sondern sie wird von Menschen getragen und von Menschen geformt.
    Wir wollen den Menschen helfen, die Probleme zu lösen, und wir wollen dazu beitragen, daß unsere Wirtschaft auch in Zukunft die positive Entwicklung nimmt, die sie seit der Verantwortung dieser Bundesregierung in der Bundesrepublik Deutschland, seit sechs Jahren, genommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP — Urbaniak [SPD]: Hoch mit den Arbeitslosen!)