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ID1109006100

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    Plenarprotokoll 11/90 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 90. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Vogel SPD 6113 B Dr. Waigel CDU/CSU 6124 C Frau Vennegerts GRÜNE 6133 B Dr. Bangemann FDP 6136B Dr. Kohl, Bundeskanzler 6141 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6152 B Rühe CDU/CSU 6160A Genscher, Bundesminister AA 6165 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 6168 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 6170D Kühbacher SPD 6174 A Frau Seiler-Albring FDP 6179A Frau Beer GRÜNE 6181 C Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 6183 D Gerster (Worms) SPD 6188 C Dr. Friedmann CDU/CSU 6190 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6193 D Dr. Hauchler SPD 6197 B Hoppe FDP 6201 A Volmer GRÜNE 6202 B Nächste Sitzung 6205 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6207* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 6113 90. Sitzung Bonn, den 7. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Andres 7. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Brandt 7. 9. Büchner (Speyer) 7. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Clemens 7. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 7. 9. Gallus 8. 9. Dr. Glotz 7. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Frau Pack* 7. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Breuer, wir beide werden die Haushaltsverhandlungen sicherlich noch im Verteidigungsausschuß und im Haushaltsausschuß zu führen haben. Was nun wirklich in welchen Etatansätzen veranschlagt wird, beschließt das Parlament. Es ist über das Budget souverän.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch keine Antwort!)

    Ich will nicht verhehlen, daß ich mich darüber freue, daß Sie die von uns geforderten sozialen Verbesserungen für die Soldaten anerkannt haben. Aber Ihre unverschämte Regelung der Bezahlung von Überstunden mit Stundensätzen unter 5 DM zeigt, was Sie wirklich von den Soldaten halten.

    (Beifall bei der SPD — Breuer [CDU/CSU]: Warten Sie doch mal ab!)

    Meine Damen und Herren, ich möchte noch einmal zu dem Jagdflugzeug 90 kommen. Rund 20 Milliarden DM bringen vier Staaten auf, bevor die ersten zehn Flugzeuge überhaupt die Pisten zur Erprobung verlassen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Falls sie sie verlassen!)

    20 Milliarden DM, bevor die Flugzeuge überhaupt da sind. Das nenne ich Rüstungswahnsinn.
    „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen" : Wie glaubwürdig ist das, wenn die Bundesregierung im Kapitel für Wehrforschung, wehrtechnische und sonstige militärische Entwicklung und Erprobung eine Steigerungsrate von mehr als 10 % eingeplant hat

    (Duve [SPD]: Sagenhaft!)

    und im nächsten Jahr allein mehr als 3 Milliarden DM für die Zukunftsvisionen neuer Waffen und neuer Munitionsgenerationen ausgeben will? Frieden schaffen mit immer weniger Waffen, frage ich.
    Wie ist es damit bestellt, daß es ECR-Tornados geben soll, die immer tiefer in das Gebiet des Warschauer Paktes eindringen? Das ist eine besonders tüchtige Version der Tornado-Flugzeuge.

    (Zuruf des Abg. Dr. Uelhoff [CDU/CSU])

    Diese Flieger, Herr Uelhoff, sind heute allein im Betrieb hinsichtlich ihres Kostenvolumens schon doppelt so teuer wie ihre Vorgängergeneration.

    (Zuruf von der SPD: Das hören die nicht gern!)

    Der Tornado-Skandal ist doch seinerzeit von Ihnen im Untersuchungsausschuß weidlich ausgeschlachtet worden.

    (Beifall bei der SPD)




    Kühbacher
    Heute sind das gute, richtige und billige Flugzeuge.

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Das haben wir damals auch gesagt! Nur, den unfähigen Minister stellten Sie!)

    — Ja, ja, Herr Wimmer.
    Herr Minister Scholz, von Ihnen persönlich habe ich den Eindruck — diese Einschätzung kann sich ja nur auf einen sehr kurzen Zeitraum beziehen — , daß Sie auf das militärische Wort vom Weitermachen setzen und keineswegs bereit sind, eigene persönliche Abrüstungsimpulse im Verteidigungsetat durchzusetzen. Der Kollege Rühe hat vorhin ja schon einige Anregungen dazu gegeben. Das pure Gegenteil läßt sich aus den verschiedenen Zahlenbeispielen belegen. Der Haushalt ist großzügigst ausgestattet, die Bundeswehr leidet keine Not. Allein die Tatsache, daß im letzten Jahr 600 Millionen DM unverbraucht zurückgegeben werden konnten, zeigt, wie weit das Finanzhemd des Verteidigungsetats gestrickt ist.
    Dafür sind im letzten Jahr zur Gesamtdeckung des Haushalts soziale Kürzungen bei den Arbeitslosen im Gesetzblatt verkündet worden, und für das nächste Jahr sind sie von Ihnen bereits wieder angekündigt worden,

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    nämlich um die 1,9 Milliarden DM für das nächste Jahr zu finanzieren. So kann man es auch betrachten.
    Ich frage Sie, Herr Minister: Wo sind Ihre intelligenten Vorschläge zur konventionellen Abrüstung auch unter Berücksichtigung dessen, daß der Warschauer Pakt im konventionellen Bereich grenznah ungleich stärker ist als die NATO? Aber ehrlicherweise müssen wir auch die Luftüberlegenheit der NATO gegenüber dem Warschauer Pakt zugeben. Von daher sind in die Rüstungskontroll- und Abrüstungsgespräche Vorschläge einzubringen, die die deutschen Interessen wirklich berücksichtigen.
    Wir Sozialdemokraten, Herr Minister Scholz, erwarten von Ihnen, daß Sie unsere Vorschläge, über den NATO-Rahmen hinaus atomwaffenfreie Bereiche, chemiewaffenfreie Zonen und panzerreduzierte Zonen auf beiden Seiten des Grenzverlaufes zu schaffen, aufgreifen, statt über diese Vorschläge zu polemisieren, wie Sie es kürzlich getan haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister Scholz, wenn Ihr Satz richtig ist — ich lese ihn jetzt ausdrücklich vor; es sind Ihre Worte —, „daß militärische Planung und militärisches Handeln heute nur noch ein Ziel haben dürfen, nämlich Kriegsverhinderung und die Erhaltung der Freiheit und die Bewahrung des Friedens" , dann erwarten wir von Ihnen eine Aussage zur Defensivstrategie. Wir wollen wissen, welche Verteidigungsstrukturen Sie für die Bundesrepublik in den 90er Jahren planen. Ein Weitermachen auf dem Stiefel des Ministers Wörner reicht nicht aus.
    In der Bundesrepublik sind mehr als 900 000 Soldaten ständig präsent, mehr als 4 000 Atomsprengköpfe noch vorhanden. Die Chemiewaffen unseres Partners USA will ich nur am Rande erwähnen. Dieses empfinden die Bürger zunehmend als bedrohlich.
    Das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr hat die Befindlichkeit unserer Soldaten zu dieser Situation untersucht. Ich frage Sie, Herr Minister: Wie, glauben Sie, kann die Bundeswehr, können die Soldaten ihren Auftrag noch erfüllen, wenn die Soldaten Zweifel am politischen Verteidigungsauftrag haben? Wenn das Untersuchungsergebnis zutreffend ist, daß den atomaren Ersteinsatz, den sich die NATO vorbehält, mehr als 30 % unserer Berufsoffiziere, mehr als 50 % der längerdienenden Soldaten und mehr als zwei Drittel der Wehrpflichtigen ablehnen, dann kann doch diese Frage wohl zu Recht an Sie, Herr Minister Scholz, gestellt werden. Sie klammern sich an die Möglichkeit des „first use", des Ersteinsatzes von Atomwaffen. Sie fordern die Modernisierung von Kurzstreckenraketen für den nuklearen und konventionellen Gebrauch. Ich bezeichne diese Gedanken — das mag sehr emotional sein — als zutiefst unpatriotisch. Das ist eine Selbstmordstrategie, weil sie gegen die Lebensinteressen unseres Volkes beiderseits der Grenzen gerichtet ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Es ist doch Tatsache, daß zwischen Atlantik und Ural mehr als 200 Atomkraftwerke stehen, davon 130 alleine in Westeuropa, daß es eine riesige Anzahl großer chemischer Werke gibt und daß die Zerstörungskraft von Explosionswaffen im Vergleich zum Zweiten Weltkrieg um ein Vielfaches gesteigert wurde. Diese Tatsache schließt doch jeden konventionellen Krieg aus, weil er zur nuklearen und chemischen Katastrophe in Europa würde. Deshalb ist eine Strategie, die sich einen direkten Einsatz von Atomwaffen vorbehält, nicht mehr zu verantworten.
    Wir Sozialdemokraten, Herr Minister, erwarten von Ihnen, daß Sie einen deutschen Beitrag in der NATO einbringen und eine Veränderung der beiderseitigen Streitkräftestrukturen mit dem Ziel der Nichtangriffsfähigkeit beider Seiten anstreben. Dies schließt insbesondere Waffensysteme, Personalverbandsgrößen und -verbandsgliederungen sowie Stationierungen ein.
    Bei den konventionellen Waffen und Streitkräften muß die Reduzierung der Waffenpotentiale und Verbände mit Vorrang angestrebt werden, die für Überraschungsangriffe, für raumgreifende Offensiven besonders geeignet sind.

    (Zuruf des Abg. Dr. Uelhoff [CDU/CSU])

    — Ich weiß, daß die Warschauer-Pakt-Staaten in diesem Bereich überlegen sind, Herr Uelhoff; ich weise ausdrücklich darauf hin. — Das bedeutet, daß insbesondere Panzer und gepanzerte Fahrzeuge, Kampfflugzeuge, Bodenraketen und sonstige Flugkörper entsprechender Reichweite wie Kampfhubschrauber, Artillerie nach gleichen Kriterien abzurüsten sind. Diese Waffensysteme sollen bis auf möglichst niedrige und von beiden Seiten gemeinsam vereinbarte Obergrenzen abgerüstet werden. Der NATO-Vorschlag aus Brüssel, auf 95 % des NATO-Bestandes in Ost und West herunterzugehen, ist unakzeptabel. Ich bestätige ausdrücklich Ihrem Kollegen Rühe: Wir müssen auf beiden Seiten tiefe Einschnitte machen, die im



    Kühbacher
    Ergebnis zu einer Mindestherabsetzung der bestehenden Waffensysteme um 50 To führen müssen.

    (Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Aber auf beiden Seiten!)

    — Kollege Ganz, exakt; Disproportionen und Asymmetrien müssen dabei vorher, nicht durch Auf-, sondern durch Abrüstung abgebaut werden. Es geht also vor allem um einen Abbau der schweren gepanzerten Verbände beider Seiten der Grenzen in Zentraleuropa. Wir sind uns in der verteidigungspolitischen Einschätzung viel näher, als Sie machmal weismachen wollen.
    Der vorliegende Haushalt 1989, die mittelfristige Finanzplanung, die Bundeswehrplanung und insbesondere die Aktivitäten in der Wehrforschung tragen solchen Forderungen, Herr Minister, keine Rechnung. Im Gegenteil: Sie planen immer neue und teurere Waffen.
    Die SPD fordert entschieden den Abschluß eines Vertrages über die weltweite Ächtung und Vernichtung von Chemiewaffen unter internationaler Kontrolle.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Verhandlungen in Genf stocken. Deshalb darf es keine Ausrede für die deutsche Bundesregierung geben. Falls es nicht gelingt, diese Krise der Genfer Verhandlungen bald zu überwinden, sollte als regionale Zwischenlösung wenigstens der Vorschlag einer chemiewaffenfreien Zone in Europa aufgegriffen werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister Scholz, Ihrer Pressenotiz über eine Rede am 25. August in der Clausewitz-Gesellschaft entnehme ich, daß Sie der Überzeugung sind — ich zitiere — , daß Sicherheit mit militärischen Mitteln und eine Politik des aktiven Dialogs, Verteidigungsbereitschaft und Verständigungsbereitschaft keine Gegensätze sind, sondern einander bedingen und ergänzen. Ich halte Sie für einen wahrhaftigen Mann, Herr Scholz. Wenn das wirklich Ihre Auffassung ist, dann führen Sie auch mit uns Sozialdemokraten diesen Dialog, wie wir im deutschen Interesse weiter vorankommen können, und führen Sie als Sachwalter der deutschen Interessen durch die Regierung diesen Dialog für uns in der NATO. Wir Sozialdemokraten wünschen den Dialog mit der Bundesregierung, weil wir nicht akzeptieren können und wollen, Herr Kollege Wimmer, daß die CDU/CSU die Bundeswehr als ihre eigene Hauswehr betrachtet.

    (Wimmer [Neuss] [CDU/CSU]: Das haben wir noch nie getan!)

    — Sie haben eben von dem Wanderzirkus der SPD geredet, wenn wir uns mit Soldaten unterhalten und zuhören. Herr Wimmer, dies ist unanständig.

    (Beifall bei der SPD — Erneuter Zuruf des Abg. Wimmer [Neuss] [CDU/CSU])



Rede von Dieter-Julius Cronenberg
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Herr Abgeordneter Wimmer, Sie hatten eben das Wort und nicht jetzt.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus-Dieter Kühbacher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich danke Ihnen, Herr Präsident!

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Dieser Wimmermann! — Duve [SPD]: Der soll sich entschuldigen!)

    Strukturen der 90er Jahre wollen wir Sozialdemokraten mit beeinflussen. Deshalb suchen wir Sozialdemokraten das Gespräch mit der Bundeswehr. In sechs Großveranstaltungen haben wir der Bundeswehr zugehört und haben dabei festgestellt, wie sich die Soldaten fühlen, welche Wünsche sie an die Politik haben und wie es um ihre Motivation bestellt ist.

    (Zustimmung des Abg. Duve [SPD])

    Aufgefallen sind uns insbesondere die Beschwernisse, die sich aus folgenden groben Beschreibungen ablesen lassen: Dienstzeitbelastung, mangelnde Mitbestimmungsrechte, Umzugszwang und Umzugskostenrecht, nicht ausreichende Wehrgerechtigkeit und mangelhafte Sicherung des Arbeitsplatzes nach dem Wehrdienst.
    Sie, Herr Minister, haben als Konservativer, als der Sie sich auch selbst bezeichnen — das ist ja ein guter Begriff — , in die Bundeswehr hineinzuhören und Antworten zu geben. Sie haben Verantwortung — auf dieses Wort kommt es mir an — für die Soldaten und Zivilbediensteten und deren Familien übernommen.
    Aber die Antworten, die Ihre Regierung im Moment an diese Betroffenen selber formuliert, sprechen teilweise eine verächtliche Sprache gegenüber den Soldaten.
    Ich will Ihnen das an einem Beispiel deutlich machen, das mir eben selber vorgetragen worden ist. Wie, Herr Minister, sollen sich die Soldaten denn ernstgenommen fühlen von dem CDU/FDP-Vorschlag, von dem Regierungsvorschlag, bei einem finanziellen Dienstzeitausgleich einen Stundensatz von weniger als 5 DM pro Stunde vorzusehen, während wir — auch Sie — im übrigen tarifvertraglichen Bereich des öffentlichen Dienstes normale Überstundensätze anbieten? Nur bei Soldaten wollen Sie dies nicht tun.
    Wir Sozialdemokraten haben ein Dienstzeitregelungsangebot vorgelegt, das zunächst einen planbaren Freizeitausgleich vorsieht und dort, wo es nicht anders geht, eine Überstundenbezahlung anstrebt, die jener der übrigen Bürger in Uniform — Polizei und Zollbeamte — entspricht. Warum sollen Soldaten, Herr Minister, nach Ihrem Gesetzesvorschlag anders als Polizeibeamte und Zollbeamte behandelt werden?
    Sie haben Verantwortung, Herr Minister Scholz. Der gravierende Unterschied, der eigentlich allen Soldaten klar werden sollte, liegt darin, daß Sie den Menschen in der Bundeswehruniform immer noch nicht akzeptieren. Sonst hätten Sie nicht ein solch geringschätziges finanzielles Angebot gemacht.
    Herr Minister, Sie sind Ihrer Verantwortung auch nicht gerecht geworden, als Sie die Frühpensionierung von Generalen in der Öffentlichkeit so haben darstellen lassen, daß die Briefreaktionen, die ich im folgenden schildere, überhaupt erst möglich wurden.



    Kühbacher
    Da schreibt ein 56jähriger kranker Arbeitsloser, daß er um die Anerkennung seiner Erwerbsunfähigkeitsrente bei der Landesversicherungsanstalt kämpft.

    (Zuruf des Abg. Breuer [CDU/CSU])

    — Herr Breuer, so fühlen die Bürger das. Diese Erwerbsunfähigkeit wird dem 56jährigen verweigert, weil er noch leichte sitzende Tätigkeit — nicht im Schichtdienst — verrichten könne. Er wird also weiter Arbeitslosenhilfe beziehen.
    Dieser kranke Mann und viele Millionen Bürger fragen sich, wieso denn ein gesunder, nur noch mit dem Kopf arbeitender General mit 56 Jahren mit 7 500 monatlich in Frühpension geschickt wird.

    (Ganz [St. Wendel] [CDU/CSU]: Das ist Demagogie! Das war bei Ihnen noch schlimmer! )

    Dieses fragen sich die Bürger. Darauf muß man vernünftige Antworten geben. Die sind ja nicht gekommen. Das ist doch der Punkt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Herr Kollege Ganz, was ich von dem Minister erwarte, ist: Wenn er solche Vorschläge macht, dann muß er öffentlich so argumentieren — er hat ja Schaden von der Bundeswehr abzuwenden — , daß solche Fragen erst gar nicht aufkommen. Ich meine, dieses muß den Soldaten als Schutz durch die Regierung, die ja eine solche Politik nach außen zu vertreten hat, gewährt werden.
    Zu den Einzelfällen sage ich Ihnen: Es ist beschämend, daß ein General sagen kann, daß er von seiner Frühpensionierung aus der Presse erfahren hat. Es ist beschämend, daß er das sagen kann. Ich meine Herrn Lange, den Sie ja alle genauso gut kennen wie ich.
    Meine Damen und Herren, der Wehrbeauftragte hat von der Kälte in der Bundeswehr gesprochen. Diese Kälte, Herr Minister Scholz, spüren wir Parlamentarier ebenfalls. Ich mache das an einem haushaltsrelevanten Kapitel deutlich, das zeigt, daß Sie die Soldatenprobleme nicht ernst nehmen.

    (Zurufe)

    — Kollegen und Kolleginnen, hören Sie mir zu, weil Sie es ja im Verteidigungsausschuß beschließen müssen.
    Bei der Unterbringung der Soldaten in den Kasernen stehen Sanierungsmaßnahmen in riesigem Ausmaß an. Im Haushalt 1989 sind nur noch ganze 75 Millionen DM für neue Projekte verfügbar, und das bei mehreren tausend Unterbringungsobjekten in der Bundesrepublik. Sie wissen genau so gut wie ich, daß Wirtschaftsgebäude, Küchen, Unterkünfte, Aufenthaltsräume heute noch in einem Zustand der frühen 50er Jahre sind. Dort fehlt Geld.

    (Zuruf von der SPD: Das ist unzumutbar!)

    Es wird nichts dazugetan. Ihnen, Herr Minister, scheint es egal zu sein, wie die Soldaten untergebracht sind, aber dafür finden wir einen finanziellen Aufwuchs bei der Munition und bei der Forschung. Wenn es Ihnen, Herr Minister, und Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU im Verteidigungsausschuß, um den Menschen in der Bundeswehr ginge, dann würden und werden hoffentlich die Prioritäten anders zu setzen sein. Das heißt, die Mittel müssen zunächst — so verlangen wir Sozialdemokraten das — in die Unterkunftsbereiche gesteckt werden, anstatt, wie es der Minister so schön umschreibt, die Kriegsbevorratung für die Munition auszubauen. Das sind Alternativen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Nun, Herr Minister Scholz, möchte ich noch etwas zu dem ethischen Begriff „Verantwortung" sagen und Ihnen einige Fragen stellen, die sich aus den aktuellen Ereignissen der letzten Tage ableiten lassen.

    (Zurufe von der SPD: Der hört ohnehin nicht zu!)

    — Frau Hürland, ich habe die herzliche Bitte, da Sie ja beide ständig zusammenarbeiten, daß Sie es dem Minister ermöglichen zuzuhören, wenn ich ihn persönlich ansprechen möchte. Geht das?
    Herr Minister, Sie haben von Ihrem Vorgänger, dem Verteidigungsminister Manfred Wörner, manche schwierige Situation vorgefunden, mit der Sie aus meiner Sicht nicht verantwortlich fertig werden. Ich frage Sie: Trifft es zu, daß der Herr Wörner am 3. Mai an den amerikanischen General Otis zu dem Komplex Stationierung von Hubschraubern in Wiesbaden-Erbenheim einen Brief geschrieben hat? Herr Wörner hat nach meiner Information geschrieben: „Mit diesem gebotenen und für 1988 notwendigen Stationierungsschritt bin ich einverstanden. " Es geht um das zweite Hubschrauberbataillon, das in Wiesbaden-Erbenheim stationiert werden sollte. Haben Sie, Herr Minister, von der Hessischen Landesregierung am 9. August den Kabinettsbeschluß mit folgendem Inhalt zur Kenntnis bekommen: Die Landesregierung lehnt das Vorhaben der US-Streitkräfte, auf dem Flugplatz Wiesbaden-Erbenheim bis zum Jahre 1993 insgesamt 181 Hubschrauber und Starrflügler mit einer Erhöhung des Flugbetriebes im Bereich von 90 000 bis 100 000 Flugbewegungen im Jahr zu stationieren, ab?
    — Sie, Herr Minister, haben den Verwaltungsgerichtsentscheid vom 25. August mißachtet, in dem Ihnen zweimal attestiert wurde, daß Sie gegen das deutsche Luftverkehrsgesetz verstoßen haben.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Sie haben den US-Streitkräften signalisiert, daß Sie keine Bedenken gegen die Stationierung eines weiteren Hubschrauberbataillons haben,

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Unverschämtheit!)

    obwohl dieses ohne Anhörungsverfahren nicht zulässig ist. Sie, Herr Minister Scholz, haben dazu beigetragen, daß wichtige Sicherheitsbedenken, die die Bundesanstalt für Flugsicherung und die Flugbahnkoordinatoren vorgelegt haben wollten, vom Bundesverkehrsminister zurückgezogen wurden. Die Sicherheitsinteressen der Bevölkerung im Großraum Frankfurt, so wie sie die Hessische Landesregierung artikuliert, scheinen Ihnen, Herr Minister, völlig gleichgültig zu sein. Sie mißachten die Stellungnahme Ihres Parteifreundes Walter Wallmann, der Ihnen in der Anhörung zur vollständigen Ablehnung der geplan-



    Kühbacher
    ten Stationierung rät und mittlerweile vor dem Oberverwaltungsgericht in Kassel gegen Sie prozessiert. Sie, Herr Minister, haben für die Bevölkerung deutlich sichtbar im Fernsehen erklärt, daß Sie die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts in Kassel abwarten. Bis dahin lassen Sie es zu, raten sogar dazu, daß noch mehr Flugbewegungen stattfinden, daß noch mehr Flugzeuge — Hubschrauber — stationiert werden. Ich frage Sie, Herr Minister: Wollen und können Sie es eigentlich verantworten, daß einer dieser Hubschrauber oder Starrflügler im Großraum Frankfurt mit einem startenden oder landenden Großraumflugzeug kollidiert? Muß es erst zu einer Katstrophe kommen, damit Sie Ihre Entscheidung überdenken? Oder aber wollen Sie sich als Verteidigungsminister, der Recht und Gesetz zu achten hat und den Eid geschworen hat, Schaden vom deutschen Volk abzuwenden, hinter einem Oberverwaltungsgericht verstecken?

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Minister, Verantwortung bedeutet auch, Entscheidungen zu treffen. Diese Entscheidung kann nur bedeuten, die Stationierung zu stoppen, sofort zu stoppen.

    (Beifall bei der SPD)

    Denn es ist ja wohl richtig, daß die amerikanische Regierung in solch wichtigen Fragen nichts ohne das Einverständnis des Bundesverteidigungsministeriums unternimmt. Also, Herr Minister, handeln Sie, stoppen Sie sofort die Stationierung!
    Herr Minister, eine weitere Frage zu Ihrem Verantwortungsbereich. Was haben Sie an Konsequenzen aus dem Unglück in den bayerischen Bergen gezogen, bei dem ein Hubschrauber mit vielen Menschen an Bord abgestürzt ist? Wann geben Sie dem Parlament darüber Rechenschaft, was Sie getan haben? Herr Minister, welcher Geist herrscht eigentlich in der Fliegertruppe, die dieses Unglück zu verantworten hat, wenn — wenn ich es richtig gelesen habe — ein Pilot, ein Feldwebel von zweien, sich nicht traut, einen Flug zu verweigern, obwohl sein mitfliegender Vorgesetzter infolge Alkoholgenusses flugunfähig gewesen sein soll? Was ist in diesem Teil der Bundeswehr los?

    (Wieczorek [Duisburg] [SPD]: Schluckspechte!)

    Warum geben Sie zu diesem in Ihrem Verantwortungsbereich liegenden Vorgang keine Erklärung?

    (Dr. Uelhoff [CDU/CSU]: Wann haben Sie denn danach gefragt? — Zuruf von der SPD: Danach braucht man nicht zu fragen!)

    — Wer war das eben? — Herr Uelhoff, ich frage den Verteidigungsminister öffentlich, wann er dem Parlament dazu eine Erklärung abgibt.
    Aber, Herr Minister, mit der Verantwortung ist das so eine Sache. Mir liegt Ihr persönlicher Brief an den Ministerpräsidenten Rau wegen des geplanten — damals geplanten, inzwischen durchgeführten — Flugtages in Nörvenich vor. Damit komme ich jetzt zu Ihrem unmittelbaren Verantwortungsbereich,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Das ist kein Brief, sondern ein Skandal!)

    zu dem Geschwader in Nörvenich. Herr Minister, Sie haben es zu verantworten — weil Sie sich persönlich in diesen Flugtag eingeschaltet haben — , daß dort Dinge passiert sind, die das Ansehen der Bundeswehr mehr als erträglich belasten.
    Herr Minister, ich frage Sie: Was haben Sie inzwischen persönlich unternommen, und wie sind Sie mit dem verantwortlichen Soldaten in Nörvenich umgegangen, von dem Sie erfahren haben, daß er angesichts der vielen Toten und der Meldungen über die zahlreichen Verletzten aus Ramstein trotzdem den fröhlichen Saufabend nach Abschluß des Flugtages in Nörvenich fortgesetzt hat? Wie sind Sie diesem Zynismus begegnet, der sich ja nachlesen läßt, daß man in Nörvenich noch nach einer Gedenkminute zu weiterem fröhlichen Trinken übergegangen ist?
    Diese zynische und menschenverachtende Haltung von Offizieren und Gästen der Nörvenicher FlugtagAbschlußfeier bestätigt sich in dem Wort „weitermachen" . Herr Minister, für dieses Weitermachen in Nörvenich sind Sie unmittelbar verantwortlich; denn Sie haben mit diesem Brief und der Darstellung dieses Briefes den Verantwortlichen erst Mut gemacht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das gehört doch in den Ausschuß!)

    Sie haben dazu beigetragen, daß der Flugtag in seiner Gänze so ablaufen konnte, wie er abgelaufen ist. Sie haben mit Ihrer Entscheidung den Grundstein für das unwürdige Verhalten gelegt. Die Soldaten fühlten sich durch Sie ja ausdrücklich ermuntert, bei der geplanten Durchführung des Flugtages im wahrsten Sinne des Wortes weiterzumachen, bis hin zu der unwürdigen, beschämenden Fortsetzung nach der Schweigeminute. Herr Minister, ich schäme mich persönlich für die Luftwaffe in Nörvenich. Sie auch?

    (Dr. Uelhoff [CDU/CSU]: Für die Luftwaffe?)

    Meine Damen und Herren, Ihnen wird das Wort noch im Halse steckenbleiben. Ich bitte Sie und meine Kollegen ausdrücklich, meinen letzten Gedanken nicht mit dem üblichen Schlußbeifall zu begleiten, wenn ich jetzt das Rednerpult verlasse.
    Ich möchte hier eine Frage in den Raum stellen, die auch etwas mit dem ethischen Begriff „Verantwortung" zu tun hat. Herr Minister Scholz, zwei Tage nach dem Unglück in Ramstein waren Sie endlich in der Lage, alle Kunstflugvorführungen in der Bundesrepublik zu untersagen, alliierte und deutsche. Es geht also, Herr Minister. Ich will der morgigen Verteidigungsausschußsitzung nicht vorgreifen, aber können Sie uns, können Sie dem Parlament und damit der deutschen Öffentlichkeit eigentlich noch gerade in die Augen sehen? Übernehmen Sie Ihre Verantwortung auch für die Zeit vor Ihrer richtigen Entscheidung, oder übernehmen Sie sie nicht?

    (Repnik [CDU/CSU]: Es ist wirklich gut, daß die jetzt nicht klatschen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)