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ID1109002000

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    Plenarprotokoll 11/90 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 90. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Vogel SPD 6113 B Dr. Waigel CDU/CSU 6124 C Frau Vennegerts GRÜNE 6133 B Dr. Bangemann FDP 6136B Dr. Kohl, Bundeskanzler 6141 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6152 B Rühe CDU/CSU 6160A Genscher, Bundesminister AA 6165 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 6168 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 6170D Kühbacher SPD 6174 A Frau Seiler-Albring FDP 6179A Frau Beer GRÜNE 6181 C Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 6183 D Gerster (Worms) SPD 6188 C Dr. Friedmann CDU/CSU 6190 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6193 D Dr. Hauchler SPD 6197 B Hoppe FDP 6201 A Volmer GRÜNE 6202 B Nächste Sitzung 6205 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6207* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 6113 90. Sitzung Bonn, den 7. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Andres 7. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Brandt 7. 9. Büchner (Speyer) 7. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Clemens 7. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 7. 9. Gallus 8. 9. Dr. Glotz 7. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Frau Pack* 7. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Martin Bangemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vielleicht ist es doch nützlich, wenn wir mal mit den Tatsachen beginnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist eine gute Idee!)

    Wir haben seit der Neuorientierung der Wirtschaftspolitik im Herbst 1982 durch die Koalition der Mitte
    die wirtschaftspolitischen Rahmendaten und Voraussetzungen für die Entfaltung der Wirtschaft gesetzt. Die Erfolge der Wirtschaftspolitik haben ein Vertrauen in diese Politik geschaffen und dadurch die Voraussetzungen für Beständigkeit und die heute gute Konstitution der Wirtschaft gestärkt.

    (Reuschenbach [SPD]: Und die Kapitalflucht!)

    Die gravierenden Datenänderungen, die wir Ende des vergangenen Jahres bei den Wechselkursen zu verzeichnen hatten, die unruhige Situation an den Börsen und den Warenmärkten haben eine Zeitlang Unsicherheiten ausgelöst. Es ist richtig, daß wir Anfang diesen Jahres, als wir den Jahreswirtschaftsbericht zu erstellen hatten, vor dem Problem standen, daß alle zugrunde liegenden Daten erwarten ließen, daß sich der Wirtschaftsaufschwung in diesem Jahr fortsetzen würde, daß aber alle wesentlich an der Diskussion Beteiligten mit wenigen Ausnahmen davon ausgingen, daß die Verschlechterung der Stimmung infolge der Auseinandersetzungen an den Börsen diese Daten nicht zum Zuge kommen lassen würde. Eine der Ausnahmen war die Bundesbank. Eine zweite Ausnahme war der Sachverständigenrat. Als wir beim Jahreswirtschaftsbericht mit Rücksicht auf diese Stimmung gesagt haben, wir können 1,5 % bis 2 % Wirtschaftswachstum auch in diesem Jahr erreichen, standen wir einem Chor von Hohn und Spott gegenüber, nicht zuletzt auch aus den Reihen der Opposition.
    Meine Damen und Herren, ich sage das nicht, um im Lichte des Recht-Behaltens dazustehen, sondern ich sage das, weil daran zweierlei abzulesen ist. Erstens. Wenn ich ständig falsche Prognosen abgebe — die Opposition hat in den zurückliegenden fünf Jahren zur wirtschaftlichen Entwicklung ständig falsche Prognosen abgegeben —,

    (Dr. Jens [SPD]: Sie doch auch!)

    kann man das auf zweierlei Arten erklären. Sie können zum einen Ihre Rolle als Opposition mißverstehen und einfach aus Mißgunst der Regierung und ihrer Tätigkeit gegenüber schlechte Stimmung machen wollen. Das wäre die eine Erklärung. Die andere Erklärung ist — die nehme ich jetzt einmal an, weil ich damit der Opposition weniger zu nahe trete — , daß sie kein Vertrauen in die Politik hat, die diese guten Ergebnisse gezeitigt hat.

    (Dr. Hornhues [CDU/CSU]: Herr Bangemann, beides ist richtig!)

    Das heißt — zweitens — , daß es gar nicht auf die Prognosefähigkeit der Opposition ankommt, sondern es kommt darauf an, daß sie eine andere, falsche Politik im Auge hat, wenn sie unsere eigene, bessere, beurteilt. Das ist das entscheidend Unterschiedliche zwischen unseren Positionen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wir haben — das ist eine Tatsache, die niemand leugnen kann — seit Anfang 1983 einen Wachstumstrend, der durchschnittlich bei rund 21/2 % pro Jahr liegt, nach einer Stagnation zwischen 1979 und 1982. Wir haben dieses Wachstum erzielt, ohne daß es zu Preissteigerungen gekommen ist. Das, meine ich, verehrte Frau Kollegin, sollte man nicht mit der Bemerkung über die Preise von CD-Playern wegwischen,



    Dr. Bangemann
    gerade nicht im Zusammenhang mit Menschen, die
    mit wenig Einkommen auskommen müssen. Denn
    — ich unterstelle, daß Sie als Mitglied des Haushaltsausschusses das wissen — der Verbraucherpreisanstieg ist während aller dieser Jahre um 1 To herum gewesen. Das war gerade für Menschen mit geringem Einkommen ein großer sozialer Erfolg, den diese Regierung erzielt hat. Das können Sie nicht herunterreden.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Jens [SPD]: Das war durch die Energiekosten! Das war nicht die Regierung!)

    Wir haben, Herr Kollege Jens — das kann man nicht bestreiten —, in diesem Zeitraum 1982/87 einen Verbraucherpreisanstieg — Sie wissen ganz genau, daß CD-Player bei diesem Verbraucherpreisindex überhaupt keine Rolle spielen — von 11/2 % gehabt, gegenüber 41/2 % in dem vorangegangenen Fünfjahreszeitraum.

    (Dr. Jens [SPD]: Das war weltweit so! Das war überall so!)

    — Ich unterstelle einmal, daß Sie diesen Zeitraum noch überblicken können. — Das heißt, meine Damen und Herren, daß diese Politik auch sozial ihre erfolgreichen Auswirkungen hat. Die Erwerbstätigenzahl ist im Sommer 1988 um 820 000 höher als im letzten Tiefpunkt, nämlich Ende 1983. Auch die Arbeitslosenzahl ist im August gesunken. Es ist richtig, daß wir im Jahreswirtschaftsbericht damit nicht gerechnet haben, weil ein Wirtschaftswachstum von 1,5 % bis 2 % nicht ausgereicht hätte. Nachdem heute gesagt werden kann, wir werden über 3°/0 erreichen — angesichts der Zahlen des ersten Halbjahres ist das gar nicht einmal übertrieben, sondern eher untertrieben —, kann man auch sagen, daß es positive Auswirkungen auf die Zahl der Arbeitslosen geben wird.
    Es ist richtig — ich habe das von dieser Stelle bei jeder Gelegenheit gesagt — , daß die Arbeitslosigkeit heute kein ausschließlich konjunkturelles Problem mehr ist, sondern daß sie zu einem Strukturproblem geworden ist, weil die neu geschaffenen Arbeitsplätze Qualifikationsanforderungen stellen, die nicht von allen Arbeitslosen erfüllt werden. Deswegen ist die Ausbildung, die ständige Weiterbildung, der eigentliche Schlüssel zur Bekämpfung dieses Strukturelements von Arbeitslosigkeit.
    Meine Damen und Herren, auch die Gewinne sind
    — wie die Realeinkommen — angestiegen. Die Bundesbank hat darauf hingewiesen, daß in den vergangenen drei Jahren der höchste Anstieg der Realeinkommen der abhängig Beschäftigten in der Geschichte der Bundesrepublik zu verzeichnen ist, verehrter Herr Kollege Vogel.

    (Dr. Vogel [SPD]: Darum sind sie im Anteil auf 57 % gesunken!)

    — Ich habe schon auf dem Gewerkschaftstag der IG Chemie versucht, Ihnen das zu erklären.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das war völlig vergeblich!)

    — Sie haben recht, es war umsonst. Ich versuche es aber noch einmal.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Es ist wieder umsonst, weil Sie von etwas ganz anderem reden! — Dr. Jens [SPD]: Die Lohnquote ist auf 57 % gesunken!)

    — Ich bin davon sehr betroffen, Herr Kollege Vogel, weil ich nämlich Jurist bin und bisher immer dachte, Einserjuristen müßten gewissen Erkenntnissen zugänglich sein.

    (Dr. Vogel [SPD]: Das war ich nie!)

    — Sie waren das nicht? Na gut, dann erklärt das vielleicht einiges.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich meine, Herr Kollege Vogel, zwei Dinge müßten Sie doch verstehen: Erstens. Wir haben einen Zuwachs der Realeinkommen. Zweitens. Wir haben auch einen Zuwachs bei den Gewinnen der Unternehmen, der prozentual höher liegt als der Zuwachs bei den Realeinkommen.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir haben eine gewaltige Umverteilung!)

    — Das ist nun keine Umverteilung. Ich versuche die Erklärung jetzt noch einmal:

    (Zuruf von der CDU/CSU: Aufpassen!)

    Die Produktion ist heute kapitalintensiver, als sie es in der Vergangenheit war,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Es ist doch in Finanzanlagen gegangen!)

    und sie wird weiter zunehmend kapitalintensiv sein. Weil das so ist, braucht ein Unternehmen heute schon allein deswegen höhere Gewinne, um diesen gewachsenen Kapitalbedarf zu befriedigen.

    (Dr. Jens [SPD]: Und wohin gehen die Gewinne?)

    Außerdem braucht ein Unternehmen heute höhere Gewinne, um eine höhere Eigenkapitalquote zu haben.

    (Dr. Vogel [SPD]: Geldanlagen!)

    Während der Zeit, in der die Eigenkapitalquote der Unternehmen ständig gesunken ist, ist die Gefährdung der Arbeitsplätze gestiegen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Wenn in der Bauindustrie vor Jahren im Durchschnitt eine Eigenkapitalquote von unter 1 % galt, muß man sich doch nicht wundern, wenn ein solches Unternehmen beim geringsten Windstoß umfällt und wenn dabei Arbeitsplätze vernichtet werden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!) Deswegen brauchen wir Gewinne.

    Gewinne brauchen wir auch — auch das muß man Ihnen immer wieder sagen — , weil die zunehmende Verflechtung der Weltwirtschaft die deutsche Indu-



    Dr. Bangemann
    strie dazu zwingen wird, auch im Ausland zu investieren.

    (Dr.Vogel [SPD]: Investieren, aber nicht Geld anlegen!)

    Auch da fangen Sie immer Ihre Arie an und sagen: Die Investitionen der Unternehmen im Ausland schaffen keine Arbeitsplätze in der Bundesrepublik.

    (Dr. Vogel [SPD]: Wir haben von Geldanlagen geredet!)

    Das zeigt, Herr Kollege Vogel, wie begrenzt Ihr wirtschaftspolitischer Horizont ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das kann man wohl sagen! — Dr. Vogel [SPD]: Ab nach Brüssel!)

    Eine Volkswirtschaft, die ihr Bruttosozialprodukt zu einem Drittel aus den Außenwirtschaftsbeziehungen bezieht, muß im Ausland investieren. Sie muß gerade heute, wo Kooperation an die Stelle des klassischen Handels getreten ist, im Ausland neue Partner suchen, um auf diese Weise Arbeitsplätze sicherer zu machen. Da liegen die unbestreitbaren Erfolge dieser Politik.
    Nun sagen Sie — auch Frau Vennegerts hat das gesagt — : Na ja, das ist eigentlich alles gar nicht die Politik, sondern das ist sozusagen von selbst gekommen. Sie zitieren dabei die Marktkräfte. Man muß sich schon wirklich fragen, ob es nicht bessere Kronzeugen für die Marktwirtschaft gibt als Sie. Das darf ich hier mit aller Unbescheidenheit wohl einmal feststellen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Aber wir haben auch die Staatsquote gesenkt. Der Herr Kollege Vogel hat auf dem schon zitierten Gewerkschaftstag — wie übrigens auch der Kollege Rappe — darauf verwiesen, das sei durchaus gar nicht so besonders lobenswert, denn das bedeute ja auch, daß man die Sozialquote gesenkt habe. Da sieht man einmal, was sozialistische Politik im Verständnis der SPD heute ist! Ich muß nämlich sozialistische Politik in Schutz nehmen. Der Kollege Waigel, mit dem ich sonst in allen Punkten übereinstimmen kann, hat hier einen Punkt angesprochen, dem ich nicht zustimme. Herr Kollege Waigel, Sie haben mit Blick auf die SPD davon gesprochen, die sozialistische Politik der SPD überzeuge nicht und habe versagt. Nun muß ich Ihnen sagen — und ich sage das wirklich mit großer Freude, weil ich dazu beitragen kann, daß Sie in diesem Urteil noch präziser werden — : Die SPD betreibt eine Politik, die von weiten Teilen des internationalen Sozialismus gar nicht mehr akzeptiert wird.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Kollege Waigel, wenn Sie nach Frankreich gehen, werden Sie feststellen, daß dort die Regierung, die ja bekanntermaßen von der Sozialistischen Partei gestellt wird, sehr vernünftige Wirtschaftspolitik macht.

    (Dr. Waigel [CDU/CSU]: Das habe ich in der Rede gesagt!)

    Wenn Sie nach Spanien gehen, dann werden Sie bei
    weitem keinen Ministerpräsidenten finden, der etwa
    den höheren Anteil von Gewinnen in der spanischen
    Industrie kritisiert. Nein, er freut sich darüber; er macht Pressekonferenzen und vertritt das als großen Erfolg seiner Regierung.
    Wenn Sie mir noch folgen wollen, Herr Kollege Waigel,

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    und zwar ein wenig weiter weg nach Neuseeland und Australien, wo ebenfalls zwei völlig reinrassige sozialistische Regierungen bestehen,

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Warum gehen Sie denn da nicht hin. Herr Bangemann?)

    dann werden Sie feststellen, daß manches, was dort beim Beschneiden von Sozialausgaben gemacht wird, von Ihnen, Herr Waigel, als einem reaktionären Konservativen als zu weitgehend empfunden würde.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Deswegen, meine Damen und Herren, muß man hier vorsichtig sein, so wie auch mit den Prognosen, die aus den jetzt schon gelichteten Reihen der SPD stammen und

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Die haben nicht gewußt, daß Sie in Bonn sind!)

    auf die ich jetzt aus Zeitgründen nicht eingehen will.
    Meine Damen und Herren, diese wirtschaftspolitische Grundkonzeption ist nicht nur durch diese aktuellen Daten bestätigt worden, sondern sie enthält auch ein Strukturkonzept. Sie ist ein Stück Gesellschaftspolitik, die Zukunft gewinnen soll. Deswegen ist es richtig, daß wir uns nicht einfach mit dem zufriedengeben, was wir heute erreicht haben. Das könnte man ja machen. Wir könnten uns jetzt hierhinstellen und sagen: Alles ist bestens. Nein, das tun wir nicht. Wir wissen vielmehr, daß diese Erfolge Strukturelemente enthalten müssen, damit sie auch in Zukunft wieder erreicht werden können. Das ist das Bemühen um Leistungsbereitschaft und Wettbewerb. Das ist nicht das Fördern von kaltem Egoismus, sondern dahinter steckt die Erkenntnis, daß ein Mensch, der leistungsbereit und leistungsfähig ist, nicht nur für sich selber einen größeren materiellen Nutzen erringen kann, sondern auch ein menschlicheres Leben führt.

    (Reuschenbach [SPD]: In Brüssel z. B.!)

    In Leistungsbereitschaft steckt nicht ein kalter Egoismus. Das ist eigentlich vielmehr ein humaner Ansatz, den wir vollenden wollen. Dazu braucht man nun Reformen.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie sich einmal in der Geschichte der Bundesrepublik umsehen und die Reformvorhaben betrachten, die die verschiedenen Regierungen, gleich welcher Parteicouleur, in Angriff genommen haben, dann stellen Sie fest: Es hat bisher keine Regierung gegeben, die in so großem Umfang und mit einem so großen Mut auch gegenüber Interessenten diese Reformvorhaben in Angriff genommen hat wie die jetzige. Wo hat es denn das gegeben?
    Ich weiß, Sie bemühen sich immer wieder, die Steuerreform zu zerreden und darauf aufmerksam zu machen, daß damit eine Umverteilung stattfindet. Sie vergessen dabei völlig und Sie erwähnen es auch nie,



    Dr. Bangemann
    Herr Kollege Vogel, daß ein großer Teil der Steuerzahler, mehr als 700 000, in Zukunft überhaupt keine Steuern mehr zahlen wird. Sie vergessen dabei, daß die Situation der kinderreichen Familien erstmalig im Steuerrecht einigermaßen merkbar verbessert wird. Sie vergessen dabei, daß ein Großteil gerade der kleinen und mittleren Betriebe, die in Personalgesellschaften geführt werden, von dieser Steuerreform etwas haben.
    Erst vor kurzem hat der Präsident des ZDH, als er wegen der von Ihnen erwähnten Debatte um den großen Befähigungsnachweis beim Bundeskanzler und bei mir war, noch einmal ausdrücklich bestätigt, wie dankbar das Handwerk und damit 90 % der kleinen und mittleren Unternehmen in der Bundesrepublik für die Steuerreform sind.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Abg. Dr. Jens [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Lassen Sie mich bitte einmal zu Ende reden, Herr Jens. Wir können uns ja vielleicht außerhalb dieses Raumes unterhalten, wenn Sie eine Frage an mich haben.

    (Widerspruch bei der SPD)

    Lassen Sie mich wenigstens den einen Gedankengang zu Ende bringen.

    (Dr. Ehmke [Bonn] [SPD]: Wir müssen Ihnen noch die Fahrkarte nach Brüssel bezahlen!)

    — Herr Ehmke, ich würde Ihnen sogar eine Fahrkarte nach weiter weg bezahlen, wenn es darauf ankäme.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/CSU)

    Herr Kollege Vogel, Sie sagen hier — daran kann man schon sehen, wie Ihnen die Argumente ausgegangen sind —, die Bundesregierung hätte Zweifel an ihrer Entschlossenheit gesät, den großen Befähigungsnachweis zu verteidigen. Wir haben eine unabhängige Deregulierungskommission eingesetzt. Nun stellen Sie sich einmal vor, meine Damen und Herren, was der Oppositionsführer gemacht hätte, wenn etwa der Wirtschaftsminister oder das Kabinett oder der Kanzler einer solchen Kommission Anweisungen gegeben hätten, was da für ein Theater über — wie Sie es ausgedrückt haben — die Macht und alles das, was wir damit an

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Arroganz der Macht!)

    Arroganz zeigen, losgegangen wäre. — Richtig, das Wort fehlte mir. Ich bin so wenig arrogant, daß mir gar nicht einfällt, wie das heißt.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CSU/CSU)

    Stellen Sie sich einmal vor, was das für ein Zirkus gewesen wäre! Jetzt haben wir die Deregulierungskommission völlig unabhängig und frei arbeiten lassen, und sie hat einen Fragebogen nicht nur an das Handwerk, sondern auch an andere Einrichtungen der Wirtschaft verschickt, um festzustellen,

    (Frau Vennegerts [GRÜNE]: Es gibt doch schon Bücher über Deregulierung! Das ist doch lächerlich!)

    wo das Handwerk — ich beschränke mich jetzt einmal darauf — eigene Deregulierungsvorstellungen entwickeln kann und was in diesem Zusammenhang das Handwerk vom großen Befähigungsnachweis sagt. Das ist der ganze Vorgang. Als dann im Handwerk darüber eine Diskussion begann, hat mein Staatssekretär Schlecht in einem Brief darüber aufgeklärt, daß die Bundesregierung keinerlei Absicht hat, den großen Befähigungsnachweis abzuschaffen. Dann ging die Diskussion weiter. Ich habe daraufhin im Einverständnis mit dem Bundeskanzler die Herren zu einem Gespräch eingeladen. Wir haben bei diesem Gespräch beide darüber aufklären können, daß die Position der Bundesregierung nicht nur die ist, daß wir den Befähigungsnachweis erhalten wollen, sondern daß wir dafür schon die Voraussetzungen auch im europäischen Zusammenhang geschaffen haben; denn in der Einheitlichen Akte, die den Binnenmarkt begründet, steht ausdrücklich drin, daß der große Befähigungsnachweis für uns nicht zur Debatte steht. Das benutzen Sie nun. Aber man muß nun wirklich sagen: Es fällt Ihnen nichts anderes mehr ein. Die Umwelt entspricht nicht Ihren Vorstellungen, und nun lassen Sie Ihre Referenten irgendwo kramen, und dann tragen Sie hier solche Sachen vor.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Vogel [SPD]: Müssen Sie dann eine Viertelstunde darüber reden? — Weiterer Zuruf von der SPD: Das scheint Ihnen unter die Haut gegangen zu sein! — Abg. Dr. Jens [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Bitte.


Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Abgeordneter Jens, bitte schön.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Jens


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich komme gleich noch mit meiner Frage, Herr Bangemann, aber Sie hätten schon dafür sorgen können,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Fragen!)

    daß dieses Thema überhaupt nicht diskutiert wird. Ich frage Sie: Meinen Sie nicht, daß sich das Handwerk über Ihre Aussagen noch mehr gefreut hätte, wenn Sie endlich unseren Vorschlag aufgegriffen hätten, nämlich eine steuerfreie Investitionsrücklage im Interesse des Handwerks einzuführen?

    (Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)