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ID1109000000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/90 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 90. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 Inhalt: Tagesordnungspunkt 1 (Fortsetzung): a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989: (Haushaltsgesetz 1989) (Drucksache 11/2700) b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992 (Drucksache 11/2701) in Verbindung mit Zusatztagesordnungspunkt (Fortsetzung): Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988: (Nachtragshaushaltsgesetz 1988) (Drucksache 11/2650) Dr. Vogel SPD 6113 B Dr. Waigel CDU/CSU 6124 C Frau Vennegerts GRÜNE 6133 B Dr. Bangemann FDP 6136B Dr. Kohl, Bundeskanzler 6141 B Dr. Ehmke (Bonn) SPD 6152 B Rühe CDU/CSU 6160A Genscher, Bundesminister AA 6165 C Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 6168 C Wimmer (Neuss) CDU/CSU 6170D Kühbacher SPD 6174 A Frau Seiler-Albring FDP 6179A Frau Beer GRÜNE 6181 C Dr. Scholz, Bundesminister BMVg 6183 D Gerster (Worms) SPD 6188 C Dr. Friedmann CDU/CSU 6190 B Frau Dr. Hamm-Brücher FDP 6193 D Dr. Hauchler SPD 6197 B Hoppe FDP 6201 A Volmer GRÜNE 6202 B Nächste Sitzung 6205 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten 6207* A Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 90. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 7. September 1988 6113 90. Sitzung Bonn, den 7. September 1988 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 9. 9. Andres 7. 9. Dr. Becker (Frankfurt) 9. 9. Böhm (Melsungen)* 9. 9. Brandt 7. 9. Büchner (Speyer) 7. 9. Dr. von Bülow 8. 9. Clemens 7. 9. Frau Dr. Däubler-Gmelin 7. 9. Gallus 8. 9. Dr. Glotz 7. 9. Dr. Hauff 9. 9. Hiller (Lübeck) 9. 9. Höpfinger 9. 9. Frau Hoffmann (Soltau) 9. 9. Ibrügger** 9. 9. Dr.-Ing. Kansy** 9. 9. Frau Karwatzki 9. 9. Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Kelly 8. 9. Kuhlwein 9. 9. Dr. Kunz (Weiden)** 9. 9. Lutz 7. 9. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 9. Niegel* 9. 9. Oostergetelo 9. 9. Frau Pack* 7. 9. Dr. Probst 9. 9. Rappe (Hildesheim) 9. 9. Dr. Riedl (München) 7. 9. Seidenthal 7. 9. Frau Steinhauer 9. 9. Frau Terborg 7. 9. Tietjen 9. 9. Toetemeyer 8. 9. Frau Weiler 9. 9. Westphal 9. 9. Frau Wilms-Kegel 9. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung
Rede von Dr. Philipp Jenninger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Die Sitzung ist eröffnet.
Meine Damen und Herren, wir setzen die Aussprache über Punkt 1 der Tagesordnung und den Zusatztagesordnungspunkt fort:
1. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1989 (Haushaltsgesetz 1989)

— Drucksache 11/2700 —
Überweisung: Haushaltsausschuß
b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung
Der Finanzplan des Bundes 1988 bis 1992
— Drucksache 11/2701 —
Überweisung: Haushaltsausschuß
ZP Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 1988

(Nachtragshaushaltsgesetz 1988) — Drucksache 11/2650 —

Überweisung: Haushaltsausschuß
Die Aussprache soll heute etwa gegen 18 Uhr beendet werden. Die Mittagspause ist von 13 bis 14 Uhr vorgesehen.
Wir treten in die Beratungen ein. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Vogel.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans-Jochen Vogel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte meine Rede ebenso wie gestern Herr Kollege Wieczorek mit einem
    Wort des Dankes und der Hochachtung für Hans Apel beginnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich bedaure die Entscheidung, die er getroffen hat, aber ich respektiere sie. Und ich danke ihm auch für die noble und faire Art, in der er diese Entscheidung begründet hat.
    Ich danke aber auch dem Bundesfinanzminister, Herrn Kollegen Stoltenberg, für das, was er gestern zu Hans Apel gesagt hat. Das war guter Stil; das war fair.

    (Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

    Andere aus den Reihen der Union, die Hans Apel jetzt gegen seine Partei und seine Fraktion auszuspielen versuchen, sind von dieser Fairneß leider weit entfernt. Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Hat es denn nicht auch in Ihren Parteien und Fraktionen Wahlentscheidungen gegeben, die für die Betroffenen schmerzlich und bitter waren? Und haben die so Betroffenen stets mit der Souveränität reagiert, die Kollege Apel an den Tag gelegt hat? Ich meine, ein jeder sollte vor seiner Türe kehren. Es erscheint auch wenig überzeugend, wenn jetzt gerade diejenigen ihr Herz für den Kollegen Apel entdecken, die ihn noch gestern kritisiert und aufs schärfste verurteilt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Politik kritisiert werden — und dazu besteht ja in diesen Monaten mehr Anlaß denn je — , dann vermeiden Sie es in aller Regel, auf die Kritik und die konkreten Fragen einzugehen, die in diesem Zusammenhang gestellt werden. Sie sind kein Freund solcher Dialoge. Statt dessen antworten Sie stereotyp ein um das andere Mal mit dem Vorwurf, die Kritiker malten ein Horrorgemälde, das mit der Realität nicht übereinstimme, so auch gestern in einer langen Passage.

    (Beifall bei der SPD — Beifall bei der CDU/ CSU)

    — Ich freue mich, daß Sie meiner Bewertung des Verhaltens des Bundeskanzlers, das ich kritisiere, zustim-



    Dr. Vogel
    men, meine Damen und Herren. Das hatte ich an der Stelle nicht erwartet.

    (Beifall bei der SPD — Unruhe bei der CDU/ CSU)

    Dieser Vorwurf, Herr Bundeskanzler, greift nicht. Er ist, was uns betrifft — um es mit Ihren eigenen Lieblingsworten zu sagen —, dumm, absurd und töricht. Sicher, wir haben wenig Anlaß, Sie zu loben.

    (Feilcke [CDU/CSU]: Nobel, Herr Vogel!)

    — Na hören Sie, ich darf doch den Bundeskanzler zitieren. Das ist doch sein Lieblingsspruch: dumm, absurd und töricht. Warum darf ich das nicht?

    (Feilcke [CDU/CSU]: Aber auf Sie bezogen!)

    Wir haben wenig Anlaß, Sie zu loben oder Sie gar gegen die Kritik aus Ihren eigenen Reihen in Schutz zu nehmen. Wir finden auch Ihre Selbsteinschätzung, Ihre Regierung sei die erfolgreichste Europas, eher anmaßend als erheiternd. Aber wir stimmen mit denen überein, die sagen, daß die Bundesrepublik schon unter den sozialdemokratischen Bundeskanzlern Brandt und Schmidt eines der reichsten Länder der Erde war und das bis heute geblieben ist. Das ist die Wahrheit.

    (Zuruf von der SPD: Trotz Kohl!)

    Daß unser Bruttosozialprodukt in den letzten fünf Jahren um 385 Milliarden DM gestiegen ist, zeigt, was unsere Volkswirtschaft ungeachtet aller Schwierigkeiten bis heute zu leisten vermag und mit welchem Fleiß und mit welcher Qualifikation die am Wirtschaftsprozeß Beteiligten tätig sind. Wir haben allen Grund, denen, die auf diese Weise auch die Mittel erarbeitet haben, über die wir in diesem Haushalt verfügen wollen, für ihre Anstrengungen zu danken. Das tue ich im Namen meiner Fraktion,

    (Beifall bei der SPD)

    vor allem an die Adresse der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch an die Adresse der Männer und Frauen in den Unternehmensleitungen und an die Adresse der Selbständigen, der Handwerker und derer, die als kleine und mittlere Unternehmer in ihren eigenen Betrieben tätig sind.
    Dem werden Sie kaum widersprechen. Aber wahrscheinlich empfinden Sie schon die Feststellung als störend, daß zur Steigerung unseres Sozialprodukts in beträchtlichem Umfang günstige Außenbedingungen wie etwa die gesunkenen Öl- und Rohstoffpreise beigetragen haben. Daß also ein Teil unseres Wohlstandes aus Einbußen, ja, aus dem Hunger und der Not der Dritten Welt stammt.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN)

    Daß unsere Lebenshaltungskosten vor allem auch deshalb relativ stabil geblieben sind, weil die Einkommen der Menschen in anderen Teilen der Erde drastisch gesunken sind und noch weiter sinken.
    Das zu sagen ist nicht populär. Aber es ist die Wahrheit, eine Wahrheit, die übrigens gerade im Vorfeld der Jahrestagung des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank in Berlin nicht verschwiegen werden darf, und eine Wahrheit, aus der konkrete Folgerungen gezogen werden müssen.
    Ebenso notwendig sind zwei weitere Hinweise. Nämlich einmal der Hinweis darauf, daß das gestiegene Sozialprodukt nicht automatisch mit einer Steigerung des sozialen Nutzens gleichgesetzt werden kann, weil eben in die herkömmliche Berechnung des Sozialprodukts beispielsweise die Schäden, die bei seiner Erzeugung in der Umwelt verursacht, und die Belastungen, die den kommenden Generationen auferlegt werden, gar nicht eingehen. Erfreulicherweise arbeitet das Statistische Bundesamt an einem neuen Berechnungsverfahren, das diese negativen Aspekte, aber auch die positiven, der in Familie und Haushalt geleisteten Arbeit, die auch nicht in dieses Sozialprodukt eingerechnet werden, einbeziehen soll. Beides entspricht unseren Forderungen. Wir sollten die daran Beteiligten deshalb ausdrücklich ermutigen und uns als Bundestag über den Stand der Arbeiten bald unterrichten lassen. Denn gerade für politische Entscheidungen gilt, daß sie nur dann konstruktiv sein können, wenn sie von zutreffenden und vollständigen, nicht aber von lückenhaften oder manipulierten Sachverhalten und Zahlungsgrundlagen ausgehen können.

    (Beifall bei der SPD)

    Der zweite Hinweis — dazu habe ich gestern, Herr Kollege Stoltenberg, Ausführungen vermißt — zielt darauf, daß die weltwirtschaftliche Gesamtsituation, in der unsere Volkswirtschaft ihre Ergebnisse erarbeiten muß, nach wie vor labil ist. Viele haben den 19. Oktober 1987, den Tag des internationalen Börsenkrachs, sehr schnell aus dem Gedächtnis verdrängt. Aber die Fakten, auf denen die Instabilitäten beruhen, sind nach wie vor existent, ja, sie haben zum Teil noch an Gewicht zugenommen. Das gilt für die hohen Leistungsbilanzüberschüsse Japans und der Bundesrepublik, für die Überschuldung der Dritten Welt — ein Instabilitätsfaktor ersten Ranges — ebenso wie für die latenten Handelskonflikte zwischen den USA und der EG, die unter Kontrolle gebracht werden müssen. Das gilt aber auch — das sagen ich bei aller Freundschaft — für die gigantischen Haushalts- und Leistungsbilanzdefizite der USA, die in den letzten zwölf Monaten erneut gewachsen sind und die inzwischen zu einer fast unvorstellbaren Außenverschuldungssumme der Vereinigten Staaten in Höhe von ungefähr 550 Milliarden US-Dollar geführt haben.
    Wir sind gut beraten, uns darauf einzustellen, daß der nächste amerikanische Präsident die Dinge nicht weiter treiben lassen, sondern einschneidende Maßnahmen ergreifen wird. Denn wer auch immer der Präsident sein wird, er weiß: Amerika kann nicht mehr lange in der bisherigen Weise über seine Verhältnisse leben.

    (Beifall bei der SPD und den GRÜNEN) Das ist eine Frage, die die ganze Welt betrifft.

    Aber mit diesen Feststellungen enden die Fragen nicht, die wir an Sie zu stellen haben. Hier beginnen sie. So frage ich zunächst einmal, Herr Bundeskanzler, was denn mit dem Reichtum geschehen ist, den die vielen in gemeinsamer Anstrengung geschaffen ha-



    Dr. Vogel
    ben. Wozu wurde er denn verwendet? Wem ist er denn zugute gekommen? Sie sagen, Leistung lohne sich jetzt wieder. Herr Bundeskanzler, welche Leistungen meinen Sie da eigentlich? Offenbar doch nicht die Leistungen, die von der Arbeitnehmerschaft erbracht werden; denn der Anteil der Einkommen aus unselbständiger Arbeit am Nettovolkseinkommen ist seit Ihrem Regierungsantritt von mehr als 66 % auf unter 57 % gesunken.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Gestiegen ist hingegen der Anteil der Unternehmens- und Vermögenserträge von 34 auf über 43 %. Allein die Unternehmensnettogewinne — ich nehme ausdrücklich die Zahl, bei der die Steuern und Abgaben der Unternehmen bereits abgezogen sind — haben im Durchschnitt der letzten fünf Jahre um jährlich 12 To zugenommen,

    (Zuruf von der FDP: Ärgert Sie das?)

    und das bisher bei konstant sinkenden Investitionsraten und ebenso konstant steigenden Geldanlagen — nicht Investitionen im Ausland, sondern Geldanlagen der deutschen Wirtschaft im Ausland.