Rede von
Hans-Joachim
Fuchtel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meinem Beitrag möchte ich speziell den Geschäftsbereich des Bundesarbeitsministeriums ansprechen.
Bei über zwei Millionen Arbeitslosen scheint es mir wichtig, daß wir uns dafür interessieren, wie die tägliche Praxis unserer Arbeitsämter aussieht. Als Petitionsausschuß sollten wir mit ein Auge darauf haben, daß unsere Arbeitsämter partnerschaftlich mit dem Bürger zusammenwirken. Es ist vor allem interessant, ob es gelingt, mit Hilfe des Petitionsausschusses Beschwerden in diesem Bereich wirksam aus dem Weg zu räumen.
Bei über sieben Millionen Meldevorgängen und allein nahezu 3,5 Millionen Anträgen auf Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gehören die Arbeitsämter zu den Behörden mit besonders starkem Bürgerkontakt. Dem stehen — so zeigt es der Petitionsbericht in diesem Jahr — zum Arbeitsrecht, zur Arbeitsvermittlung und zur Arbeitslosenversicherung 767 Eingaben gegenüber. Das hört sich zwar nicht sehr dramatisch an; für den einzelnen kann es aber höchst bedeutend sein, wie sein Fall im einzelnen abgehandelt wird.
Wie eine nähere Auswertung zeigt, waren es in den allermeisten Fällen Beschwerden über die Arbeitsämter wegen verzögerter oder falscher Berechnungen von Arbeitslosengeld oder Arbeitslosenhilfe. Spitzenreiter ist übrigens ein Arbeitsamt in Südbayern. Dort brauchte man sieben Monate, um über einen Widerspruch gegen die Entscheidung über die Bemessung von Arbeitslosengeld zu entscheiden. Nach dem Sozialgerichtsgesetz ist eine Frist von lediglich einem Monat für die Entscheidung über Widersprüche angemessen. Der Betroffene hat sich meines Erachtens zu Recht an den Petitionsausschuß gewandt.
Daß der Petitionsausschuß einen langen und starken Arm haben kann, wird am Ergebnis dieses Falles deutlich: Der Präsident des Landesarbeitsamtes stellte durch eine Umorganisation sicher, daß jetzt eine ordnungsgemäße Erledigung der Dienstgeschäfte stattfindet; also eine Wirkung nicht nur für den Einzelfall, sicher nicht nur für das betroffene Arbeitsamt, sondern darüber hinaus. Es dürfte sich nämlich schnell herumgesprochen haben, daß sich der Petitionsausschuß auch solcher Dinge mit Nachdruck anzunehmen pflegt.
Eine in gleicher Weise durch einen Einzelfall ausgelöste Entscheidung, Herr Kollege Dr. Bötsch — dieses Mal nicht in Bayern — , gab es für die generelle Praxis bei der Durchführung des Bundeskindergeldgesetzes. Im Jahre 1986 stellte ein Petent einen Antrag auf Kindergeldzuschlag bei der Kindergeldkasse des Arbeitsamtes. Ein Jahr später hatte er trotz mehrfacher Nachfrage immer noch keinen Bescheid und auch kein Geld. Der Petent verwies darauf, daß der Kindergeldzuschlag vor allem gerade den Schlechterverdienenden helfen sollte und der Antrag deswegen einer schnellen Bearbeitung zugeführt werden sollte. Das half aber nichts. Eines half dann aber sehr schnell: daß er den Petitionsausschuß einschaltete. Ein altes Dilemma war Ursache für die hohen bürokratischen Hürden: die Zusammenarbeit zwischen den Ämtern klappte wieder einmal nicht. Nachdem der Petitionsausschuß nämlich eine Stellungnahme des Arbeitsministeriums anforderte, bekam der Petent bereits im Monat darauf — noch nicht einmal nach der Entscheidung, sondern bereits nach der Stellungnahme — sein Geld. Dies zeigt, daß da durchaus etwas in Marsch gesetzt wurde. Auch die Nürnberger Bundesanstalt insgesamt kam in Trab. Der Präsident sagte zu, noch offene Fragen in der Zusammenarbeit der Kindergeldkassen mit den Trägern der Sozialhilfe bei der Gewährung des Kindergeldzuschlages im Erlaßwege zu regeln.
Ein Abbau von Frustrationsmechanismen gerade in Bereichen, wo es um das persönliche Schicksal geht, scheint mir eine ganz wichtige Komponente bei der Petitionsarbeit zu sein. Der Seismograph des Petitionsausschusses — das möchte ich in aller Deutlichkeit hinzufügen — zeigt aber auch, daß es unseren Arbeitsämtern offensichtlich gelungen ist, trotz der enorm hohen Fallzahlen zu einem partnerschaftlichen Verhältnis mit den betroffenen Bürgern zu finden. Auch dies ist eine wichtige Erkenntnis aus dem diesjährigen Petitionsbericht.
Die beiden Beispiele zeigen: Der Bürger steht nicht allein, er ist nicht chancenlos irgendwelchen Verfahren ausgeliefert, wenn es um berechtigte Anliegen geht. Er hat in seinem Parlament Verbündete, die solche Anliegen in geeigneter Weise aufgreifen. Mag zwar mancher denken, die Abgeordneten kommen und gehen, die Bürokratie bleibt, aber solange wir Abgeordneten da sind, wollen wir schon mitreden.