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ID1108108000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 11/81 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 81. Sitzung Bonn, Freitag, den 20. Mai 1988 Inhalt: Zusatztagesordnungspunkt 7: Aktuelle Stunde betr. die jüngsten Äußerungen des Bundesministers der Verteidigung, Dr. Rupert Scholz, zum Verteidigungsetat und zu der Entwicklung in der Sowjetunion Dr. Lippelt (Hannover) GRÜNE 5447 B Wimmer (Neuss) CDU/CSU 5448 C Koschnick SPD 5449 B Ronneburger FDP 5450 A Frau Beer GRÜNE 5450 D Francke (Hamburg) CDU/CSU 5451 B Erler SPD 5451 D Dr. Hoyer FDP 5452 D Dr. Scholz, Bundesminister BMVg . . . 5453 D Lowack CDU/CSU 5454 D Steiner SPD 5455 B Dr. Friedmann CDU/CSU 5456 B Jungmann SPD 5457 B Repnik CDU/CSU 5457 D Tagesordnungspunkt 21: Erste Beratung des von den Abgeordneten Dr. Miltner, Gerster (Mainz), Dr. Kappes, Regenspurger und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Hirsch, Lüder, Richter, Gries, Cronenberg (Arnsberg), Dr. Thomae, Heinrich, Wolfgramm (Göttingen) und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bildung von Jugend- und Auszubildendenvertretungen in den Verwaltungen (Drucksache 11/2264) Dr. Kappes CDU/CSU 5459 A Lutz SPD 5459 C Richter FDP 5461 B Frau Hillerich GRÜNE 5462 A Tagesordnungspunkt 22: a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Oesterle-Schwerin, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Anwendungsverbot für Asbest und Verbot des Inverkehrbringens asbesthaltiger Produkte (Drucksache 11/2185) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Garbe, Frau Oesterle-Schwerin, Frau Teubner und der Fraktion DIE GRÜNEN: Sonderprogramm zur „Sanierung von asbestverseuchten Gebäuden" (Drucksache 11/2186) Frau Teubner GRÜNE 5463 C Dr. Lippold (Offenbach) CDU/CSU . . . 5465 B Müller (Düsseldorf) SPD 5467 A Frau Dr. Segall FDP 5468 C Frau Teubner GRÜNE (zur GO) 5470 A Bohl CDU/CSU (zur GO) 5470 B Tagesordnungspunkt 23: Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Beruf der Rettungsassistentin und des Rettungsassistenten (Rettungsassistentengesetz) (Drucksache 11/ 2275) Werner (Ulm) CDU/CSU 5470 D Wittich SPD 5471 D II Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1988 Frau Würfel FDP 5473 A Frau Wilms-Kegel GRÜNE 5473 D Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 5474 D Tagesordnungspunkt 24: a) Beratung des Antrags der Fraktion der SPD: Gesunde Lebensmittel (Drucksache 11/616) b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Radioaktive Bestrahlung von Lebensmitteln (Drucksache 11/1745) c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Frau Saibold und der Fraktion DIE GRÜNEN: Erlaß einer Verordnung über technische Hilfsstoffe — hier vornehmlich Extraktionslösungsmittel — und einer Extraktionslösungsmittel-Höchstmengen-Verordnung (Drucksache 11/ 2177) Frau Dr. Martiny-Glotz SPD 5476 A Frau Saibold GRÜNE 5477 C Dr. Rüttgers CDU/CSU 5479 A Frau Würfel FDP 5481 A Frau Dr. Götte SPD 5482 C Frau Dr. Süssmuth, Bundesminister BMJFFG 5483 D Nächste Sitzung 5486 C Anlage i Liste der entschuldigten Abgeordneten . 5487* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 5487* C Anlage 3 Aufhebung der französischen Tiefflug-Trainingsstrecke Colmar—Verdun zur Umgehung des Kernkraftwerks Cattenom MdlAnfr 67, 68 13.05.88 Drs 11/2303 Diller SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 5487* D Anlage 4 Zahl der täglich von einem Musterungsarzt zu musternden Wehrpflichtigen MdlAnfr 69 13.05.88 Drs 11/2303 Dr. Weng (Gerlingen) FDP SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 5488* A Anlage 5 Übernahme von Auszubildenden im Geschäftsbereich des Bundesministeriums der Verteidigung nach Beendigung der Ausbildung 1988; Begleitung des Personalabbaus bei der Wehrverwaltung durch parallele Maßnahmen bei den Streitkräften MdlAnfr 70, 71 13.05.88 Drs 11/2303 Steiner SPD SchrAntw PStSekr Würzbach BMVg . . . 5488* B Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1988 5447 81. Sitzung Bonn, den 20. Mai 1988 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete() entschuldigt bis einschließlich Frau Dr. Adam-Schwaetzer 20. 5. Dr. Ahrens 20. 5. Bahr 20. 5. Dr. Biedenkopf 20. 5. Bredehorn 20. 5. Bühler (Bruchsal) 20. 5. Dr. von Bülow 20. 5. Catenhusen 20. 5. Dr. Ehmke (Bonn) 20. 5. Fellner 20. 5. Frau Fuchs (Verl) 20. 5. Dr. Glotz 20. 5. Dr. Götz 20. 5. Dr. Haack 20. 5. Haar 20. 5. Frau Hämmerle 20. 5. Dr. Hauff 20. 5. Hauser (Krefeld) 20. 5. Heyenn 20. 5. Hoss 20. 5. Dr. Hüsch 20. 5. Ibrügger 20. 5. Klose 20. 5. Koltzsch 20. 5. Kroll-Schlüter 20. 5. Dr.-Ing. Laermann 20. 5. Dr. Laufs 20. 5. Leidinger 20. 5. Lüder 20. 5. Möllemann 20. 5. Dr. Müller 20. 5. Paintner 20. 5. Reuschenbach 20. 5. Schäfer (Mainz) 20. 5. Scheu 20. 5. Frau Schilling 20. 5. Frau Schmidt-Bott 20. 5. Dr. Schöfberger 20. 5. Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd) 20. 5. Frau Simonis 20. 5. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 20. 5. Spilker 20. 5. Stahl (Kempen) 20. 5. Stobbe 20. 5. Dr. Todenhöfer 20. 5. Dr. Unland 20. 5. Volmer 20. 5. Vosen 20. 5. Dr. Warnke 20. 5. Frau Wieczorek-Zeul 20. 5. Frau Will-Feld 20. 5. Wissmann 20. 5. Zierer 20. 5. Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß der Ausschuß gemäß § 80 Abs. 3 Satz 2 der Geschäftsordnung von einer Berichterstattung zu nachstehenden Vorlagen absieht: Auswärtiger Ausschuß Drucksache 10/6601 Drucksache 11/607 Drucksache 11/1491 Haushaltsausschuß Drucksache 11/1338 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 10/3613 Die Vorsitzenden folgender Ausschüsse haben mitgeteilt, daß sie die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen bzw. von einer Beratung abgesehen haben: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten Drucksache 11/439 Nr. 2.6-2.8 Drucksache 11/1895 Nr. 2.11-2.32 Drucksache 11/1938 Nr. 7-9 Drucksache 11/1998 Nr. 2.5 Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Drucksache 11/1998 Nr. 2.6 Drucksache 11/2089 Nr. 28 Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Drucksache 11/1895 Nr. 2.39 Ausschuß für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Drucksache 11/883 Nr. 136 Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Diller (SPD) (Drucksache 11/2303 Fragen 67 und 68) : Kann die Bundesregierung bestätigen, daß es eine vom Institut Geographique National herausgegebene offizielle ICAO-Karte gibt, welche die Existenz eines Trainingsgebietes für Strahlflugzeuge (Restricted Area R 45) auf der Strecke ColmarLuneville- Cattenom -Mont Medy - Verdun ausweist (vgl. Trierischer Volksfreund vom 2. Mai 1988: Tiefflugschneise über dem Kernkraftwerk Cattenom)? Ist die Bundesregierung gegebenenfalls bereit, mit der französischen Regierung über eine sofortige Aufhebung dieser Trainingsstrecke zu verhandeln, weil es überhaupt nicht ausreicht, über dem Atomkraftwerk Cattenom die Flugbeschränkung lediglich von mindestens 250 Metern auf mindestens 450 Meter über Grund anzuheben? Zu Frage 67: Ja. Das französische Flugbeschränkungsgebiet LFR 45 ist in den entsprechenden zivilen und militärischen Luftfahrtsveröffentlichungen und Luftfahrtkarten enthalten. Die von Ihnen genannten Orte liegen in der Nähe bzw. innerhalb dieses Gebietes. Innerhalb des Gebietes werden Tiefflüge militärischer Strahlflugzeuge, d. h. Flüge unterhalb von 1 500 Fuß (ca. 450 m) über Grund durchgeführt. Zu Frage 68: Nein. Im weiteren Bereich um das Kernkraftwerk Cattenom ist die Mindestflughöhe auf 1 500 Fuß über 5488* Deutscher Bundestag — 11. Wahlperiode — 81. Sitzung. Bonn, Freitag, den 20. Mai 1988 Grund angehoben, d. h. Tiefflug ist in der Nähe des Kernkraftwerkes nicht zulässig. Insofern ist eine deutsche Initiative zur Aufhebung des Flugbeschränkungsgebietes weder angebracht noch erforderlich. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Frage des Abgeordneten Dr. Weng (Gerungen) (FDP) (Drucksache 11/2303 Frage 69): Hat die Bundesregierung die Zahl der täglich von einem Musterungsarzt zu musternden Wehrpflichtigen, die auf Grund der seinerzeitigen Nagold-Affäre auf 25 herabgesetzt wurde, zu irgendeinem Zeitpunkt entsprechend der seither um 8 Stunden von 48 Stunden auf 40 Stunden verkürzten Wochenarbeitszeit verändert? Die verkürzte Wochenarbeitszeit reichte — auch unter Berücksichtigung der sonstigen Aufgaben der Musterungsärzte — aus, selbst in gelegentlich schwierigen und zeitaufwendigen Fällen eine der Bedeutung der ärztlichen Feststellungen angemessene Tauglichkeitsuntersuchung zu gewährleisten. Anläßlich der Übertragung neuer Aufgaben auf dem Gebiet des Wehrersatzwesens ist eine entsprechende Anrechnung auf die Musterungsquote angeordnet worden. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Würzbach auf die Fragen des Abgeordneten Steiner (SPD) (Drucksache 11/2303 Fragen 70 und 71) : Wie viele Auszubildende im Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung erstreben nach Beendigung ihrer Ausbildung im Haushaltsjahr 1988 eine Übernahme als Facharbeiter/-in, als Verwaltungsfachangestellte(r) oder Bürogehilfe/-in oder Beamter/-in im Vorbereitungsdienst bzw. auf Probe (z. A.), und wie viele davon können nicht übernommen werden, jeweils getrennt aufgeführt für die Wehrbereiche I bis VI? Läßt der Personalabbau bei der Wehrverwaltung durch Stellenkürzung und Wiederbesetzungssperre Schlüsse auf parallele Maßnahmen bei den Streitkräften zu — im Sinne der Äußerung des Bundesministers der Verteidigung bei seiner Verabschiedung in Wiesbaden: „Ohne die Verwaltung findet Bundeswehr nicht statt — ohne Streitkräfte brauchten wir aber auch keine Wehrverwaltung. "? Zu Frage 70: Im Jahre 1988 werden voraussichtlich 2 909 Beamtenanwärter sowie Auszubildende ihre Abschlußprüfung ablegen. Hiervon haben bereits jetzt rund 1 830 ihr Interesse an einer Übernahme in den Dienst der Bundeswehr bekundet. Die Hauptprüfungstermine im Juni/Juli/August stehen noch aus. Hinzu kommt eine noch nicht bezifferbare Zahl derer, die eine Einstellung als Soldat auf Zeit/GWDL anstreben und bis dahin eine Übergangsbeschäftigung suchen. Gegenwärtig steht der Übernahme nach der Abschlußprüfung in den Bundesdienst die gesetzliche Einsparauflage verbunden mit der Wiederbesetzungssperre des Haushaltsgesetzes 1988 entgegen. Alle Wehrbereiche sind in gleicher Weise betroffen. Die Bundesregierung versucht, mit der Unterstützung des Haushaltsausschusses alle Möglichkeiten auszuschöpfen, um zumindest einem Teil der Betroffenen die Weiterbeschäftigung zu eröffnen. Zu Frage 71: Die Bundesregierung setzt alles daran, den Personalbestand der Streitkräfte trotz sinkender Jahrgangsstärken auch in Zukunft sicherzustellen. BMVg hat ein Maßnahmenbündel vorgesehen, welches die Attraktivität weiterhin verbessern wird. Dazu gehören neben der Erhöhung des Kernbestandes beispielsweise auch finanzielle Anreize ebenso, wie eine moderne Laufbahngestaltung mit attraktiven Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen, sowie ein stetes Bemühen um eine zeitgemäße Dienstzeitgestaltung. Die Streitkräfte haben gegenwärtig den besten Personalbestand seit Einrichtung der Bundeswehr. Sie sind ausdrücklich von der Einsparung des Haushaltsgesetzes 1988 ausgenommen.
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    Rede von Dr. Rose Götte


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Rüttgers, es geht hier nicht darum, irrationale Feindbilder zu schaffen, wie Sie das gesagt haben. Das tun Sie, wenn Sie uns unterstellen, wir wollten mit unserem Antrag die Angst der Bürger schüren, wie Sie das formuliert haben. Es geht heute vielmehr um das Recht der Bürger, zu erfahren, was sie essen, und um die Pflicht des Parlaments, schädliche Zusatzstoffe und schädliche Methoden zu verbieten. Nur darum geht es.
    Nun ist es so, daß sich tatsächlich viele Menschen sehr dafür interessieren, wie sie sich ernähren und wie sie gesund bleiben. Es wird ihnen aber nicht leicht gemacht. In der Schule erfährt man darüber so gut wie nichts. Es gibt kein Gymnasium in der ganzen Bundesrepublik, wo einmal praktisch geübt würde, wie man sich gesund ernährt. Auch die Ernährungsberaterinnen, die bei den Verbraucherberatungsstellen angesiedelt sind, sind so dünn bestückt, daß beispielsweise für Rheinland-Pfalz, woher ich komme, ganze zwei Ernährungsberaterinnen für das ganze Land zuständig sind. Wie soll eine Ernährungsberatung denn da noch funktionieren?

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Aber Sie fordern statt Aufstockung der Mittel nur, daß sie nicht weiter abgesenkt werden!)

    — Wir brauchen für die Verbraucherberatungsstellen dringend eine Aufstockung der Mittel. Das haben wir seit Jahren gefordert. Dort sind auch die Ernährungsberaterinnen angesiedelt. Das habe ich auch bei der letzten Diskussion deutlich gesagt.
    Selbst dann, wenn so eine Ernährungsberaterin ans Telefon zu kriegen ist, weil ein Bürger eine Frage, ein Problem hat, kann es ihm passieren wie jetzt bei dem Ölskandal, daß die Verbraucherberatungsstellen trotz eigenen Bemühens nicht die Liste der Firmen bekommen haben, die in diesen Ölskandal verwickelt wurden, so daß sie gar nicht in der Lage waren, zu sagen: Die und die Marke könnt ihr in Zukunft nicht mehr kaufen, weil die Gefahr besteht, daß Lösungsmittel in diesem 01 enthalten sind. Sie mußten vielmehr passen und sagen: Wenden Sie sich bitte an irgendein anderes Amt; vielleicht erfahren Sie dort die Namen.
    Ein Glück, daß sich trotzdem viele Verbraucher intensiv bemühen, mehr Informationen zu bekommen, um von ihrem Grundrecht auf Mitbestimmung auch bei der Frage, was sie essen, Gebrauch zu machen.
    Es ist ja nicht einfach. Mehr als 80 % der derzeit angebotenen Nahrungsmittel sind schon mehr oder weniger verarbeitet oder zumindest bearbeitet, wenn sie beim Verbraucher ankommen. Deswegen hat der Verbraucher einfach viel zu wenig Möglichkeiten, zu erfahren, aus welchen Teilen sich das zusammensetzt, was er da kauft oder ißt.



    Frau Dr. Götte
    Wir wollen mit unserem Antrag nicht mehr und auch nicht weniger als den Verbraucher endlich zu seinem Recht zu verhelfen, genau zu erfahren, was ihm da eigentlich an Lebensmitteln angeboten wird. Es geht dabei um die gesundheitliche Gefährdung nicht nur durch Lebensmittelzusätze, die den Lebensmitteln direkt beigemischt sind — ganz bewußt —, sondern auch durch solche Stoffe, die sozusagen aus Versehen in die Lebensmittel hineinkommen, wie das beispielsweise bei den Lösungsmitteln auch über die Luft geschieht, wenn sich etwa eine Bäckerei in unmittelbarer Nähe eines Reinigungsinstituts befunden hat und die Abgase aus der chemischen Reinigung in die Fette der darunter, darüber oder daneben liegenden Bäckerei eingegangen sind, ohne daß das natürlich beabsichtigt war. Auch wenn Lebensmittel durch radioaktive Teilchen aus der Luft verseucht werden, ist das kaum beabsichtigt. Beides muß im Mittelpunkt unseres Interesses stehen. Beides darf nicht mehr sein.
    Aber es geht vor allem auch um das Problem der arglistigen Täuschung des Verbrauchers. Nehmen wir das Beispiel Bestrahlung. Bestrahlung von Lebensmitteln ist zwar bei uns in der Bundesrepublik verboten, in den meisten EG-Ländern aber noch erlaubt. Deswegen erhebt sich die Frage: Wie wird es sein, wenn der EG-Markt geöffnet wird und wir dann bei uns möglicherweise bestrahlte Lebensmittel bekommen werden?

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Gewürze kriegen wir jetzt schon bestrahlt!)

    — Auch jetzt ist es schon so, daß viele Lebensmittel auf dem Markt sind, die bestrahlt sind. Man kann von außen nicht erkennen, ob sie bestrahlt sind oder nicht. Die Bestrahlung von Lebensmitteln mit einer Energiemenge von bis zu 10 kGy — das ist die Energie, die das Produkt aufnimmt — ist in einigen Mitgliedstaaten der EG erlaubt, weil die Internationale Atomenergiekommission und die Weltgesundheitsorganisation die Meinung vertreten haben, daß eine Bestrahlung, die unterhalb dieses Grenzwerts liege, gesundheitlich unbedenklich sei. Selbst wenn das so stimmen würde — was von einigen Experten, z. B. von Professor Pfeilsticker hier aus Bonn, bestritten wird — , bleibt immer noch die von allen unbestrittene Tatsache, daß bestrahlte Lebensmittel — nehmen wir das Beispiel der Früchte — einen Zustand vortäuschen, der eben nicht gegeben ist. Beispielsweise reifen bestrahlte Früchte langsamer und haben deshalb eine intensivere Färbung. Bestrahle Zwiebeln oder Kartoffeln keimen nicht und erwecken deswegen den Eindruck, sie wären noch nicht lange geerntet. Bestrahlte Champignons öffnen ihren Hut nicht und täuschen somit Frische vor, die in Wirklichkeit gar nicht vorhanden ist.
    Frisches Obst — das wissen wir — ist vitaminreich. Das gilt aber nicht für bestrahltes Obst. Denn durch die Bestrahlung wird unter anderem auch der Vitamingehalt der Früchte in ähnlicher Weise reduziert, wie dies beim Kochen geschieht. Nur: Man sieht es eben nicht. Der Verbraucher muß ein Recht darauf haben, zu erfahren, ob das so frisch aussehende Obst tatsächlich frisch ist oder ob es sich um bestrahlte Lebensmittel handelt.
    Die Liste der Täuschungen von Verbrauchern oder der Nichtinformation von Verbrauchern könnte endlos fortgesetzt werden. Ich brauche nicht unseren ganzen Antrag zu wiederholen.
    Wir dürfen es einfach nicht länger hinnehmen, daß Maßnahmen, die ein Produkt zwar leichter verkäuflich machen, ohne Rücksicht darauf ergriffen werden, ob damit Qualitätsverschlechterungen verbunden sind. Bis zum Jahre 1990 sollen nach dem Beschluß der Weltgesundheitsorganisation in allen Mitgliedstaaten die Gesundheitsgefährdungen durch kontaminierte Lebensmittel signifikant verringert werden und Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher gegen schädliche Lebensmittelzusätze ergriffen worden sein. Das dauert uns Sozialdemokraten zu lange. Je klarer und entschiedener wir hier in der Bundesrepublik Normen für uns setzen, um so größer wird unser Einfluß auf die notwendigen EG-weiten Verhandlungen sein.
    Deshalb meinen wir, daß es höchste Zeit ist, in den Haushaltsberatungen ins Detail zu gehen und im einzelnen zu prüfen, wie wir die Forderungen, die in unserem Antrag enthalten sind, umsetzen.
    Wenn wir es mit dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz und mit der Verschärfung von Grenzwerten und Kennzeichnungspflichten wirklich ernst meinen, müssen wir aber auch mit einer wirksameren Lebensmittelkontrolle ernst machen. Frau Martiny hat gesagt, wir wollten keinen Polizeistaat. Aber wenn zwei Lebensmittelkontrolleure für einen ganzen Landkreis zuständig sind, die neben der Kontrolle auch noch die Büroarbeiten und zum Teil auch noch Laborarbeiten — mindestens in Ansätzen — vorzunehmen haben, ist das natürlich eine Lebensmittelkontrolle, die kein Mensch ernst zu nehmen braucht; denn die Gefahr, erwischt zu werden, ist dabei statistisch so gering, daß man so tun kann, als gäbe es überhaupt keine Lebensmittelkontrolle.

    (Beifall des Abg. Gilges [SPD])

    Wenn darüber hinaus klar ist, daß die Bürger überhaupt nicht wissen, an wen sie sich wenden können, wenn sie der Meinung sind, daß das, was sie gekauft oder gegessen haben, nicht in Ordnung war, wird deutlich, daß die Lebensmittelkontrolle, wie sie jetzt funktioniert, einfach nicht befriedigend ist. Wenn wir es ernst meinen mit der Verschärfung des Lebensmittelrechts, müssen wir es auch mit der Verschärfung der Kontrolle ernst meinen und die notwendigen Mittel bereitstellen sowie die Bürger darüber informieren, wohin sie sich wenden können, wenn sie der Meinung sind: Hier muß der Staat überprüfen und eingreifen.
    Danke.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Frau Bundesminister Dr. Süssmuth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rita Süssmuth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir alle sind uns darin einig, daß, wie in dem Antrag der SPD-Fraktion dargelegt, die Sicherung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit und der Qualität unserer Lebensmittel die zentrale verbraucherpolitische Aufgabe darstellt.



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    Hier sind Staat und Wirtschaft gleichermaßen in die Pflicht genommen. Wir sollten uns nicht vormachen, daß der Staat mit dem dichtesten Netz der Kontrolle die Wirtschaft aus der Eigenverantwortung entlassen könnte. Das läßt sich überhaupt nicht kontrollieren. Deswegen kann das als Ansatz nicht ausreichen. Daher gehen unsere Bemühungen sehr dahin, gerade die Wirtschaft in die Eigenverantwortung und Eigenkontrolle zu nehmen.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Die Stoffe müssen verringert werden! Das schafft man gar nicht mehr, das zu kontrollieren!)

    — Deswegen muß man an anderen Regelungen ansetzen und nicht das Kontrollnetz allein zu verbessern versuchen.
    Daß daneben immer wieder Verunreinigungen, auch Skandale auftreten, werden wir auch in Zukunft nicht verhindern können.

    (Gilges [SPD]: Aber wir wollen es verhindern!)

    Ich denke, positiv kann man sagen, daß dies weit mehr, als in der Vergangenheit aufgedeckt worden ist, entscheidend zum Verbraucherschutz beiträgt. Von daher muß man das als positive Weiterentwicklung und nicht als eine Vernachlässigung des Verbraucherschutzes sehen.
    Auch die hier schon von Herrn Rüttgers genannten 35,7 Millionen DM Bundesmittel für den Bereich der Verbraucherberatung sind doch ein Anlaß, zu fragen: Wie sieht das denn in vergleichbaren anderen Institutionen aus?

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Davon kriegt der ADAC auch noch Geld!)

    Von anderen ist hier auch schon gesagt worden, daß wir uns um Verbesserungen in verschiedenen Bereichen bemühen. Zu nennen sind ein Frühwarnsystem — Frau Würfel hat auf das Monitoring hingewiesen — , der Ausbau unserer Erkenntnisse bei den Bioprodukten, wo ein großes Forschungsprojekt auch zum Bereich der Vermarktung angelaufen ist, oder der Bereich der Hygiene. Es gibt nach wie vor unterentwickelte Bereiche, in denen wir tätig sind. Ich wage trotzdem, zu sagen, daß das 1974 geschaffene Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz in der Bundesrepublik eines der strengsten der Welt ist. Warum haben denn unsere Experten bei der EG ständig Probleme mit der Durchsetzung der Werte aus der Bundesrepublik, und warum ist es die Seltenheit, daß wir einen Wert von dort übernehmen und dann zu besseren Ergebnissen kommen? Ich denke, das spricht zunächst einmal für die Maßstäbe, die wir hier gesetzt haben.
    Wenn das Verhältnis des Gesundheitsschutzes zu wirtschaftlichen Interessen in Rede steht, leugnet niemand, daß es immer wieder zu Ausgleichssituationen kommen muß. Aber in Gefährdungssituationen muß es den Vorrang des Gesundheitsschutzes vor jedem Wirtschaftsinteresse geben.
    In diesem Zusammenhang scheint mir noch eines wichtig zu sein: Wir müssen sehen, daß auf Grund der heutigen Untersuchungs- und Analysemethoden auch Substanzen in einer Dosis ermittelt werden, die
    so gering ist, daß wir sie früher nie herausgefunden hätten.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Bedauern Sie das?) — Ich bedaure das überhaupt nicht.


    (Frau Garbe [GRÜNE]: Es hört sich aber so an!)

    Ich sage nur, daß wir hier nicht ständig so reden können, als hätten wir es mit einer Verschlechterung in diesem Bereich zu tun. Wir sind jedoch nicht in der Lage, alle Substanzen — ich nenne nur die Probleme bei der Muttermilch — , die wir gegenwärtig auf Grund von Analysemethoden, die wir früher nicht hatten, erkennen können, auch zugleich zu beseitigen. Auch Cadmium können wir national nicht allein beseitigen, sondern hier bedarf es der europäischen und der internationalen Regelung.
    Mir ging es nur darum, über die verfeinerten Analysemethoden auch die neu entstandenen Probleme darzustellen und zu sagen, daß wir in bestimmten Bereichen noch auf Grenzen der Technik stoßen. Dies gilt auch für den soeben angesprochenen Bereich: Die Nematoden-Verordnung ist auf dem Weg zum Bundesrat. Es ist durchaus gehandelt worden. Auch da gibt es technische Grenzen in der Röntgenologie. Nicht alle Verfahren stehen zur Verfügung, um letztes auszuschließen. In diesem Sinne gibt es kein Null-Risiko.
    Ich muß Ihnen sagen: Unbedenklichkeit ist soeben in Frage gestellt worden. Bei den Arzneimitteln gilt das Kriterium der Wirksamkeit und der Unbedenklichkeit, und ich wehre mich energisch dagegen, daß wir bei den Lebensmitteln pauschal sagen: Lebensmittel sind in der Bundesrepublik eher gesundheitsschädigend als gesundheitsfördernd.
    Alle Aussagen, die zur Ernährungssituation getroffen worden sind, müssen doch mit dem Satz kommentiert werden: Es liegt auch an falschen Ernährungsgewohnheiten und nicht an den schlechten Lebensmitteln.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Woher kommen die? Das ist genau die Frage!)

    — Sie rühren daher — das ist hier soeben auch schon gesagt worden —, daß der Mensch ein vernünftiges und zugleich ein genießendes Wesen ist und für sich den Anspruch erhebt, daß er Genuß nicht immer mit Gesundheitsförderung verbinden muß.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Die Werbung der Industrie vergessen Sie wohl?)

    — Ich muß Ihnen sagen: Wenn zu allen Zeiten so große Lernchancen im Bereich gesunder Ernährung wie gegenwärtig bestanden hätten, dann wären wir weltweit schon ein Stück weiter. Die Chancen waren noch nie so günstig wie zur Zeit. Wir haben sie zu nutzen.
    Ich möchte zu den Anträgen noch kurz folgendes sagen. Wir müssen sehen, daß wir, was die deutschen Standards angeht, längst in einem Prozeß der EG-Regelungen und der Harmonisierungsarbeiten in Brüssel stehen. Bei allen Einzelforderungen, die in den Anträgen aufgestellt werden, geht unser Bemühen dahin — ob das nun die Zusatzstoffe oder die



    Bundesminister Frau Dr. Süssmuth
    Kennzeichnung betrifft —, Regelungen herbeizuführen, die zum einen Verbrauchertäuschung ausschließen und zum anderen unsere Regelungen im EG-Bereich soweit akzeptabel machen, daß wir uns damit durchsetzen können.

    (Zuruf der Abg. Frau Garbe [GRÜNE])

    — Ich denke, wenn wir in bezug auf die Bestrahlung in der EG dieselben restriktiven Bestimmungen wie in der Bundesrepublik hätten, dann bräuchten wir dieses Thema hier nicht zu problematisieren, denn auch der Gesundheitsrat hat festgelegt, daß Bestrahlungen dort durchzuführen sind, wo sie anderen Verfahren überlegen sind und gesundheitsfördernder als andere Verfahren sind.

    (Frau Garbe [GRÜNE]: Dahinter steckt aber etwas anderes!)

    Nur unter diesen restriktiven Voraussetzungen ist die Bestrahlung in der Bundesrepublik erlaubt.
    Ich möchte zu den Anträgen der SPD und den GRÜNEN, z. B. zur Zulassung und Kenntlichmachung von Zusatzstoffen, zur allgemeinen Kennzeichnung und zur Festsetzung von Grenzwerten für eine radioaktive Belastung der Lebensmittel, zu weiten Bereichen der Hygiene, zur Bestrahlung und auch zu den von den GRÜNEN in einem besonderen Antrag angesprochenen technischen Hilfsstoffen, speziell für die Extraktionslösungsmittel, sagen, daß diese Punkte gegenwärtig im Rahmen der EG verhandelt werden. Die Bundesregierung wird in diesen Fällen im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles unternehmen, um auch in Zukunft ein hohes Schutzniveau im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft und damit auch für die deutsche Lebensmittelgesetzgebung sicherzustellen.
    Da nun für die Abstimmung über die Vorschläge der EG-Kommission in Brüssel durchgängig das Mehrheitsprinzip und nicht mehr das Einstimmigkeitsprinzip gilt, wird es entscheidend darauf ankommen, daß wir die übrigen Mitgliedstaaten von der Notwendigkeit strenger lebensmittelrechtlicher Regelungen überzeugen.
    Der Deutsche Bundestag ist mit seinen Stellungnahmen zu EG-Vorhaben für die Bundesregierung eine wichtige Hilfe. Ich werde nicht zögern, erforderlichenfalls um diese Hilfe aus dem Bundestag zu bitten.
    Aber auch das sei gesagt: Unrealistische Forderungen, etwa ein weltweites Verbot der Bestrahlung von Lebensmitteln, sind angesichts der Stellungnahmen maßgebender internationaler wissenschaftlicher Gremien und im Hinblick auf die in einer ganzen Reihe von Ländern bestehenden Regelungen wenig hilfreich. Es hat keinen Zweck, eine Forderung, die absolut nicht realisierbar ist, in den Katalog unmittelbarer Forderungen aufzunehmen.
    Hier kommt es vielmehr darauf an, die Bundesregierung bei den Beratungen in Brüssel in ihrer sehr restriktiven Haltung zu unterstützen, sobald es zur Vorlage eines formellen Vorschlags der EG-Kommission an den Rat kommt.
    Was schließlich die im Antrag der SPD behandelte Lebensmittelkontrolle betrifft, so hat sie ihre Effizienz eindrucksvoll durch ihr Vorgehen bei den in den letzten Jahren aufgedeckten Lebensmittelskandalen und sonstigen Manipulationen unter Beweis gestellt.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Die Reaktion der Behörden war erbärmlich!)

    — Man kann eine Behörde auch dadurch untauglich machen, daß man sie ständig nur kritisiert. Jedenfalls: Woher kommen denn die vielen fast jede Woche auftretenden Meldungen? Wenn die Behörden nicht funktionieren würden, wären sie nicht da.

    (Frau Saibold [GRÜNE]: Aber wenn sie ein halbes Jahr brauchen!)

    Dies bedeutet nicht, daß wir uns nicht ständig bemühen müssen, gemeinsam mit den Ländern nach Wegen zu suchen, die verfügbaren personellen und apparativen Ressourcen noch wirksamer einzusetzen. Auch dies ist eine Geldfrage, nicht nur eine Frage der Möglichkeit. Entsprechende Modelle, die auch auf eine steigende Eigenverantwortung der Wirtschaft hinauslaufen, werden seit längerem diskutiert.